Der Gast, der aus der Kälte kam Sibirische Lehrerin war Gast der Trostberger Realschule Irina Michailowa war drei Wochen lang Gast der Staatlichen Realschule Trostberg. Die 38-jährige Lehrerin aus der westsibirischen Stadt Tomsk besuchte im Rahmen des PAD-Programms die Trostberger Realschule. In ihrer Heimat unterrichtet sie Deutsch an einem Gymnasium. Nach ihrer gut 6000 km weiten Reise kam sie am 10. November in Oberbayern an, um das hiesige Schulsystem kennen zu lernen. Während ihres Aufenthalts war sie in der Familie ihrer deutschen Kollegin Christine Schreiber untergebracht. Die Russin bekam ihren persönlichen Stundenplan und hospitierte für die Dauer ihres Besuchs im Unterricht verschiedener Klassen. Schnell integrierte sie sich ins Kollegium. Michailowa spricht fließend Deutsch und wurde wegen ihrer hervorragenden Sprachkenntnisse von den deutschen Kollegen bewundert. Auf ihre sprachlichen Fähigkeiten angesprochen, meinte sie lapidar: “Im Studium war ich eben sehr fleißig”. Das trifft zweifelsfrei zu, denn selbst der bayerische Dialekt bereitete ihr keine Schwierigkeiten. Sie verstand einfach alles. Bei ihren Unterrichtsbesuchen weckte sie freilich die Neugier der Trostberger Schüler. Diese wollten vor allem wissen, wie Schule in Russland funktioniert, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen. In zahlreichen Gesprächen gab Michailowa bereitwillig Auskunft. Überraschend für viele Deutsche war zunächst die moderne technische Ausstattung, über die die russische Schule verfüge. So gebe es dort in ihrem Klassenzimmer Whiteboards sowie Computer mit Internetanschluss. Auf den Computern sei ein fortschrittliches Verwaltungssystem installiert. Hier werden Noten sofort noch während der jeweiligen Unterrichtsstunde eingegeben. Die Eltern würden dann automatisch per SMS über die Leistung ihres Nachwuchses informiert. Von dieser Methode zeigten sich auch viele Lehrer beeindruckt. Die Schule, das Gymnasium Nr. 6 in Tomsk, betreibt eine zeitgemäße Website, auf der die Schüler ein umfangreiches Angebot an Onlineübungen finden. Hier zeigt sich, dass deutsche und russische Lehrer mit den gleichen Softwaretools arbeiten. Sibirische Winter sind lang und viel kälter als unsere. So erstaunte es die Trostberger Schüler, dass es dort wirklich Kältefrei gibt. Ab -32°C dürfen die Schüler der Unterstufe zuhause bleiben. Ab -35°C bekommt die Mittestufe frei und ab -38°C muss kein Schüler mehr zur Schule kommen. Michailowa fügte noch hinzu, dass im Februar die Temperaturen sogar unter -40°C fallen würden. “In Sibirien”, sagte Michailowa, “ist die Luft viel trockener als hier. Zuhause friere ich eigentlich nicht, aber bei der feuchten Kälte in Deutschland schon.” Die klimatischen Verhältnisse sind auch der Grund für die sibirische Ferienregelung. Während des Schuljahres, das wie bei uns im September beginnt, gibt es nur dreimal eine Woche Ferien. Dafür ist aber der gesamte Sommer schulfrei - drei Monate am Stück. Eine häufige Frage der Deutschen war, welche Ordnungsmaßnahmen es denn in Russland gebe. Auch hier sorgte die Anwort für Verblüffung. Bei Disziplinverstößen würden russische Lehrer zum Handy greifen und unmittelbar die Eltern über den Vorfall informieren. “In den meisten Fällen genügt es aber schon, mit dem Handy zu drohen”, sagte Michailowa. Im Hinblick auf die Schüler sieht Frau Michailowa jedoch weit mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Nach ihren Beobachtungen würden sich die Trostberger Realschüler vorbildlich verhalten und sehr freundlich und hilfsbereit sein. Sie verhielten sich ganz ähnlich wie die Tomsker Schüler. Mit ihren russischen Zeitgenossen teilten sie die Begeisterung für Smartphones und Tablets. In Tomsk wie in Trostberg würden die Schüler bei jeder Gelegenheit ihre digitalen Spielzeuge nutzen. In Russland sei das sogar in der Schule erlaubt, während für bayerische Schulen ein strenges Handyverbot gilt. Die russische Lehrerin war auch in ihrer Freizeit sehr aktiv. So fuhr sie an den Wochenenden mit der Bahn etwa nach Bamberg und Erlangen. Außerdem besuchte sie Burghausen und Salzburg. Auch München stand auf dem Plan, wo sie an einer Veranstaltung im Rahmen der Münchner Bücherschau teilnahm und von den Neuerscheinungen im Kinder- und Jugendbuchbereich begeistert war. Darüber hinaus besuchte sie Regensburg und begleitete eine Klassenfahrt nach Rosenheim, wo sie gemeinsam mit Schülern und ihren deutschen Kollegen eine Kunstausstellung besuchte. Bevor die Lehrerin vergangenen Samstag wieder in ihre Heimat reiste, hatte sie die Trostberger Schüler und Lehrer zu einem Gegenbesuch eingeladen. Wann sich die Oberbayern in die sibirische Kälte wagen, wird sich zeigen.
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