Morphologie Fragestellungen in der Morphologie: (1) Welche Arten von Wörtern gibt es? < griech. !"#$%/morphé ‚Form‘‚ ‚Gestalt‘ ! Wortarten + &'(")/lógos ‚Lehre‘ Fragestellungen in der Morphologie: (2) Welche Formen kann man bilden und zu welchem Zweck werden sie gebildet? ! Wortformen Ein neuer Begriff: das Morphem Ein Morphem ist die kleinste bedeutungstragende Einheit (cf. Phonem: kleinste bedeutungsunterschei dende Einheit) Fragestellungen in der Morphologie: (3) Wie bastelt man sich ein neues Wort? ! Wortbildung (Derivation) Morphemtypen freie Morpheme: prima, Tisch, aus, das gebundene Morpheme: Tische, geritten, sagst, Kleider/n Morphemtypen (2) Morphemtypen im Vergleich freies Morphem: prima, Tisch, aus, das lexikalische Morpheme: Tische, geritten, sagst, Kleidern grammatische Morpheme: Tische, geritten, sagst, das gebundenes Morphem: Tische, geritten, sagst, Kleider/n lexikalisches Morphem: Tische, geritten, sagst, Kleidern grammatisches Morphem: Tische, geritten, sagst, das Beispiele für Artikel als gebundene Morpheme Dänisch: bil 'Auto' – bilen 'das Auto' Mazedonisch: kultura 'Kultur' – kulturata 'die Kultur' Gibt es im Deutschen gebundene lexikalische Morpheme? Rumänisch: pom 'Baum' – pomul 'der Baum' Beispiele für gebundene lexikalische Morpheme im Deutschen: Him, Brom Eine Methode, Formen zu bilden: die Flexion (von lat. flectere ‚verändern‘) Flexion (1): Wurzelflexion (auch: Innenflexion, Binnenflexion) Beispiel: Arabisch jaktubu juktabu kutiba uktub! ka:tib maktu:b 'er schreibt' 'es wird geschrieben' 'es wurde geschrieben' 'schreib!' 'schreibend' / 'Schreiber' 'geschrieben' / 'Brief' Flexion (2): Flexion durch Affixe Beispiel: Latein dominus, domini / domini oppidum, oppidi / oppida genus, generis / genera fabula, fabulae / fabulae manus, manu@s / manu@s turris, turris / turres amo – amavi – amabam – amavissem... Das Affix: (von lat. affigere ‚anheften‘): gebundenes Morphem, das vor, in oder hinter ein Wort anoder eingefügt wird. •Präfix (Vorsilbe) •Infix (in das Wort eingefügte Silbe) •Suffix (Nachsilbe) Das Null-Morphem (Nullzeichen) nach Roman Jakobson (1896-1982) Flexion im Deutschen Eines Tages kamst du später du hast gesagt du kannst er hat uns angelogen Das Null-Morphem russisch komnata (komnata) 'Zimmer' Nominativ Genitiv Dativ Akkusativ Instrumental Präpositiv Singular Plural komnata komnaty komnate komnatu komnatoj komnate komnaty komnat komnatam komnaty komnatam komnatax Agglutination Agglutination (2) (von lat. agglutinare ‚anleimen‘) Inuktikut: uvdloq 'Tag' uvdhlu-t 'Tage' akivoq 'er antwortete' akvivu-t 'sie antworteten' Ungarisch: test 'Körper' kért 'er hat gebeten' testek 'Körper' (Pl.) kértek 'sie haben gebeten' Türkisch: ev 'Haus' evler 'Häuser' veririm 'ich gebe' gencim 'ich bin jung' ög**retmenim 'ich bin Lehrer'/'mein Lehrer' Agglutination: analytisch analytisch vs. synthetisch Japanisch: Nominativ Genetiv Dativ Akkusativ hito hito hito hito ga no ni wo '(der, ein) Mensch' '(des, eines) Menschen' '(dem, einem) Menschen' '(den, einen) Menschen' Isolierende Sprachen verir 'er/sie gibt' verirler 'sie geben' Deutsch Englisch Französisch des Kindes dem Kinde das Kind the child's to the child the child de l'enfant à l'enfant l'enfant Isolierende Sprachen, Beispiel: Chinesisch Beispiel: Chinesisch (Mandarin, Putonghua) !"# ta¤men sie (Pl) $## %& zài xuéxiào sich befinden Schule !"" #" $" %"" &"" w o * g e *i ta¤ yì ben* ich geben er ein [Klassifikator] ' shu¤ ¤ Buch 'Sie sind in der Schule.' 'Ich gebe ihm ein Buch/habe ihm ein Buch gegeben.' !"# ta¤men sie (Pl) !"" #" $## %&# % ' zài xuéxiào xuéxí sich befinden Schule lernen 'Sie lernen in der Schule.' $"" ("""" w o * g e *i ta¤ ich geben er )" %"" & " ' ma*i le" shu¤¤ y ì ben* kaufen [Aspektpartikel] ein [Klassifikator] Buch 'Ich habe ihm ein Buch gekauft.' Sprachtypen Flexion: flektierende Sprachen (Latein, Arabisch) Sprachtypen keine Veränderung: Isolierende Sprachen (Chinesisch, Vietnamesisch) Agglutination: agglutinierende Sprachen (Türkisch, Japanisch) = analytischer Sprachbau Polysynthe s e : polysynthetische Sprachen (Athapaskisch, Irokesisch) = synthetischer Sprachbau Inkorporation Terminus nach Humboldt = polysynthetisch Morphologie Was ist eigentlich ein Wort? • Wortarten ! Wortformen (und die damit ausgedrückten Kategorien) • Wortbildung Intuitiv für MuttersprachlerInnen meist völlig klar – definitorisch sehr problematisch Was ist eigentlich ein Wort? • Lautliche Einheit zwischen zwei Sprechpausen oder Verbindungsstellen („phonologisches Wort“) • Geschriebene Einheit zwischen zwei Leerstellen („orthographisches Wort“) Was ist eigentlich ein Wort? • Jedes freie Morphem • Jedes lexikalische Morphem Was ist eigentlich ein Wort? ... und was für Arten von Wörtern gibt es? • Lexem: Bedeutungseinheit; Lexikoneintrag, der verschiedene Formen annehmen kann (z.!B. gehen –!ging) • ...... Wortarten: die Antike Dionysios Thrax (c. 170 – c. 90 a. Chr. n.) fasste den Stand der Grammatikforschung im 2. Jhd. vor Christus zusammen. Wortarten: Thrax (1) "Das Nomen ist ein mit einem Kasus verbundener Satzteil, der einen Gegenstand [...] z. B. Stein, oder eine Handlung, z. B. Erziehung, bezeichnet". (2) Das Verb ist "ein Wort ohne Kasus, das Zeit, Personen, Numeri zulässt und Tätigkeit oder Leiden darstellt." (3) "Das Partizip ist ein Wort, das an den Besonderheiten des Verbs und des Nomens teilhat." Er unterschied acht Wortarten: Wortarten: Thrax (4) "Der Artikel ist Satzteil mit Kasus, der der Nominalflexion vorausgeht." (5) "Das Pronomen ist ein Wort, das anstelle eines Nomens benutzt wird und bestimmte Personen bezeichnet." (6) "Die Präposition ist ein Wort, das vor alle Satzteile tritt [...]. Die Präpositionen sind 18 an der Zahl". Wortarten: Thrax (7) "Das Adverb ist ein unflektierter Satzteil, der über das Verb gesagt wird oder dem Verb hinzugefügt wird." (8) "Die Konjunktion ist ein Wort, das das Gedachte ordnend zusammenfügt und das eine Öffnung der Rede deutlich macht". Moderne Grammatiken des Deutschen Moderne Grammatiken des Deutschen Adjektivdeklination, Beispiel: Woran erkennt man z.!B. ein Adjektiv? "Adjektive sind genusvariable Wörter, die immer zwischen Determinativ und Nomen stehen können." (Engel 2004: 335) Adjektivdeklination, Beispiel (2) Semantische oder "flexivische" Definition (gemeint hier: nach "ihrer Fähigkeit, gesteigert zu werden") wird explizit abgelehnt (cf. Engel 2004: 335). "Wer vom Definieren nichts versteht (...) soll sich nicht auf den Streit um Wortklassen einlassen." (ibd.) Mögliche Kriterien zur Wortartbestimmung: • semantisch • morphologisch • syntaktisch • distributiv Wenn gilt: "Adjektive sind genusvariable Wörter, die immer zwischen Determinativ und Nomen stehen können" (Engel 2002: 335): Hat dann das Englische überhaupt Adjektive? Und was ist mit dem Französischen? Woran kann man Adjektive in einer beliebigen Sprache erkennen? Semantische Kriterien: Bedeutungstypen Kategorematische oder autosemantische Bedeutung = gliedert etwas Reales oder Vorgestelltes aus der außersprachlichen Wirklichkeit aus Frau, Einhorn, Strukturalismus Bedeutungstypen: Deiktische Bedeutung Bedeutungstypen (2): Synkategorematische oder synsemantische Bedeutung = der „sprachliche Zeigefinger“ du, hier, jetzt =!drückt Beziehungen zwischen Autosemantika (Deiktika) aus und, auf, weil Bedeutungstypen (3): Wortartenbedeutung oder kategorielle Bedeutung Meine Hand blutet. An meiner Hand ist Blut. Meine Hand ist blutig. Beispiel nach Brinkmann (1971: 199).
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