Der neurologische Patient

„Gemeinsam Schicksale bewältigen“
SelbstHilfeVerband - FORUM GEHIRN e.V.
Bundesverband für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und deren Angehörige
Der neurologische Patient
zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit
Teil A
Akutklinik - Frührehabilitation (Behandlungsphase B)
Es wird Zeit!
Schaffung von Klarheit und eindeutiger Auslegung und Anwendung der möglichen Versorgung von
Menschen mit schweren und schwersten Schädigungen des zentralen Nervensystems im Rahmen der
6 Phasen der neurologischen Akut- und Rehabilitationsbehandlung nach Bundesarbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation (BAR) e.V. .
Jeden Tag, irgendwo und irgendwann geraten Menschen in eine Gefahrensituation. Ca. 270.000
Menschen erleiden dabei ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) unterschiedlichen Grades. Erschreckend ist
die Tatsache, dass sich darunter ca. 78.000 Kinder /Jugendliche befinden.
Mit einem Mal ist alles anders. Koma, Schädelhirntrauma (SHT), sog. Wachkoma, Leben und Tod, all
diese nicht zu verstehenden Begriffe prasseln irgendwie auf die Angehörigen nieder. Und diese
verstehen in dieser konkreten Situation die Welt nicht mehr. Sie erleben die Situationen auf der
Intensivstation im Akutkrankenhaus. Vieles wird nicht richtig wahrgenommen, das Meiste auch nicht
richtig verstanden. Sie sind voller Ängste und Hoffnungen. Wie wird es weitergehen?
Erste Gespräche mit den behandelnden Ärzten werden mehr oder weniger geführt. Der Ablauf ist fast
immer gleich. Der Kampf um das Leben wird von dem Team auf der Intensivstation geführt. Oftmals
mit Erfolg, manches Mal leider vergeblich.
Akutbehandlung, ggf.
intensiv-medizinische
Behandlung
in der Neurochirurgie
Rettung von Leben
Der Kampf um das Leben
ist nicht immer erfolgreich!
Die Zeit auf der Intensivstation geht zu Ende. Es wurde alles getan, um den Patienten zu retten und
zu stabilisieren. Danach wird die Frage für den neurologischen Patienten stehen - und wie geht es nun
weiter?
„Der neurologische Patient Zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit Teil A“ 2015 v. Lothar Ludwig, Ehrenvorsitzender
 0391 – 40 37 22
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„Gemeinsam Schicksale bewältigen“
SelbstHilfeVerband - FORUM GEHIRN e.V.
Bundesverband für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und deren Angehörige
In Deutschland ist es eigentlich klar und unmissverständlich geregelt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation (BAR) e.V. hat es in den 6 Phasen der neurologischen Akut- und Rehabilitationsbehandlung beschrieben.
Neurologische Frührehabilitation
Der Patient gehört in die neurologische
Frührehabilitation Phase B – eine Möglichkeit
Hier erleben wir in Deutschland sehr unterschiedliche
Verfahrensweisen. So werden Patienten von der
Intensivstation in die Einrichtungen der Pflege verlegt
und andere wiederum haben die Möglichkeit in den
Bereich Frührehabilitation zu kommen. Was passiert
eigentlich?
Das Recht „Rehabilitation vor Pflege“ wird vielen Patienten versagt. Begründungen lassen sich viele
ungerechtfertigter Weise finden: „fehlendes Potential“ ist eine der häufigsten Argumente. „Da kommt
sowieso nichts mehr“ oder die Messergebnisse im EEG (Elektroenzephalografie) sind derzeit nicht
ausreichend. Mit dieser Situation werden die Angehörigen konfrontiert und das war es eigentlich.
Der Patient kommt in die Pflege – eine Wirklichkeit!
Das Recht auf Rehabilitation wird an dieser Stelle ausgehebelt! Chancen auf eine mögliche
Rehabilitation sind nicht mehr gegeben. Die Angehörigen können in aller Regel kaum etwas
unternehmen. Sie haben absolut keinen Überblick, keinen Sachverstand und vor allem auch keine
Initiativen. Fragen können in diesem Zeitrahmen kaum auftreten.
Entscheidungen müssen her, die aber von anderen einfach getroffen werden.
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Nachdem die Verlegung in die neurologische Rehabilitation für den Patienten geklärt ist, wird er in die
Phase B verlegt. Jetzt stoßen wir an ein Strukturproblem in den jeweiligen Bundesländern. Es gibt
nicht genug Betten für Patienten in der neurologischen Frühreha - eine Situation, die wir immer wieder
vorfinden. So gibt es auch Diskussionen um die Kapazitäten, besonders in den neurologischen
Rehabilitationseinrichtungen.
Darüber hinaus stehen die Kosten im Mittelpunkt aller Diskussionen in den Bereichen der
Rehabilitations- und Leistungsträger und der Leistungserbringer. Hier werden aus scheinbar
wirtschaftlichen Erwägungen Entscheidungen zum Nachteil der neurologischen Patienten getroffen.
Ich sehe einerseits die Möglichkeit einer individuellen oder personifizierten Rehabilitation in der Phase
B und andererseits die Wirklichkeit einer „wirtschaftlicheren“ Variante von rehabilitativen Maßnahmen
in den jeweiligen Kliniken.
An einem Beispiel möchte ich das verdeutlichen.
Die durch die BAR festgeschriebenen 6 Phasen der neurologischen Akut- und Rehabilitationsbehandlung werden von Rehabilitationsträgern (sog. Kostenträger) und Leistungserbringern (Akutund Rehabilitationseinrichtungen) vertraglich vereinbart. Das ist in Ordnung.
Aber wir finden eine Form von Rehabilitation, die unter „C+“ betitelt werden! Bei meiner Recherche ist
sie auch zu finden. Es gibt Kliniken, die sie anbieten. Was verbirgt sich dahinter? Ist das gewollt?
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Für mich als betroffener Angehöriger stellt sich die Frage – auf welcher Grundlage? Auf meine
Anfrage an die BAR gab es eine klare Antwort.
Hier ein Auszug aus der Antwort von Dr. Helga Seel, Geschäftsführerin der BAR:
„Eine Phaseneinteilung B/C+ ist uns in dieser Form nicht bekannt. Es gelten
trägerübergreifend nach wie vor die Festlegungen in den auf BAR-Ebene beschlossenen
Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten
Hirnschädigungen in den Phasen B und C. Eine Überarbeitung dieser Empfehlungen steht
derzeit nicht an.“
Aus diesen Gründen stelle ich in den Mittelpunkt von Auseinandersetzungen die Fragen, Ideen und
Probleme, die bei der Verbesserung der medizinischen, therapeutischen, pflegerischen und sozialen
Versorgung unserer Betroffenen auftreten.
3 Fragen stellen sich uns als Angehörige:
a) Wie ist die Situation der NeuroRehabilitation in der Frührehabilitation Phase B?
b) Welche Leistungen in Phase B sind zu erbringen und wie werden sie umgesetzt?
c) Wie ist die Langzeitversorgungssituation für neurologische Patienten in der Nachsorge?
In der Frühreha können wir folgendes festhalten (sehr unterschiedlich in den Kliniken):






teilweise Beachtung der Empfehlungen der BAR
der Patient bekommt eine Chance
ca. 300 min. therapeutischer Maßnahmen in 24 Stunden
Therapien fallen teilweise ersatzlos aus
Ärzten fehlen zum Teil Beratungskompetenz gegenüber den Angehörigen
zum Teil zu frühe Entlassung von Patienten
Wichtig wäre es die Angehörigen mehr in die Vorbereitung auf das Kommende einzubeziehen!
Für „C+“ ist die inhaltliche Ausrichtung nicht transparent und damit nicht nachvollziehbar.
Lassen Sie mich die Ergebnisse zusammenfassen mit dem dringenden Appell an die politisch
Handelnden, um aktive Hilfe zur Veränderung der gegenwärtigen nicht zu akzeptierenden Situation.
a) Die Versorgungssituation von Menschen, die durch ein Schädel-Hirn-Trauma ernsthaft
behindert sind, gibt Anlass zur größten Sorge. Dies trifft vor allem für Patienten in der
neurologischen Behandlungsphase B zu. Hier herrscht großer Mangel an Versorgung in den
Ländern.
Während die Leistungsträger (sog. Kostenträger) - politische Funktionsträger herausgenommen, behaupten, dass es keine Probleme gäbe, zeigt die tägliche Beratungspraxis von
betroffenen Familien, Angehörigen und Patienten, dass extrem lange auf Behandlungsplätze
gerade für neurologisch Schwerstbetroffene gewartet werden muss.
Die 6 Phasen der neurologischen Akut- und Rehabilitationsbehandlung nach BAR (siehe Phase
E der NEUROLOGISCHEN REHABILITATION, Empfehlungen, Ausgabe Dezember 2013, Seite 10) wird zwar von
den gemeinsamen Repräsentanten der BAR anerkannt, aber im Grundsatz nicht eingehalten
bzw. unterwandert.
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Ganz im Gegenteil denunzieren Krankenkassenvertreter diese Phasen als veraltet und
überholt. Auf BAR-Ebene wie auf Ebene des MDS (Medizinischer Dienst der
Spitzenverbände) vereinbarte Interpretationsanweisungen speziell zur Phase B Beurteilung
werden nicht eingehalten.
Wenn denn die gemeinsame Repräsentanz der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
(BAR) e.V. die Empfehlungen beraten und dann zum einheitlichen Handeln veröffentlichen,
kann eine andere praktische Handlungsweise nicht nachvollzogen werden!
In den letzten Jahren wurde gezielt von Krankenkassen (z. B. BarmerGEK und AOK, aber
auch BKK) eine Parallelversorgung mit der in Zusammenarbeit einzelner Akut- und
Rehabilitationskliniken!!! (u.a. HELIOS) zur Minimierung der Kosten vertraglich vereinbarten
„C+“ aufgebaut, die nicht in den Empfehlungen der BAR zu finden sind.
Es stellt sich die Frage: Sollen sie ohne Qualitätssicherung einzig und allein der billigen
Versorgung von Patienten in der Phase B dienen?
Es muss hier ernsthaft hinterfragt werden, warum die Leistungserbringer (Kliniken) sich dazu
hergeben und eine patientenabgewandte Versorgung umsetzen?
Meines Erachtens nach ist deutlich, dass die „C+“ ausschließlich aus wirtschaftlichen
Erwägungen heraus gesteuert wird. Krankenkassen entziehen sich in der Bewilligungspraxis
hierzu mittlerweile völlig der öffentlichen, juristischen wie mit gesundem Menschenverstand
nachvollziehbaren Kontrolle. Die willkürliche, uneinheitliche, ungerechte Zuweisungspraxis
wird politisch unterstützt.
b) Beratungsbedarf und Beratungsintensität für Betroffene / Angehörige ist überproportional
hoch. Das ist täglich erfahrene Besonderheit in Deutschland. Grund hierfür ist der oftmals
nicht neutrale Beratungswillen seitens der Krankenkassen. Angehörige werden häufig nicht in
ausreichendem Maße aufgeklärt, Alternativen nicht aufgezeigt und demzufolge über den Tisch
gezogen. Das wirkt sich dann noch verheerender aus, wenn ein Betroffener keinen unmittelbaren Bekannten an der Seite hat, der sich ein wenig im Gesundheitssystem auskennt.
Welche groben Fahrlässigkeit widerspiegeln den Alltag:
- fehlendes wohnortnahes Angebot,
- fehlende Transparenz der Gutachten durch den MDK,
- Einschätzungen mit „fehlendem Reha-Potenzial“,
- fehlende rechtsmittelfähige Bescheide durch die Leistungsträger
(Kostenübernahme oder Kostenablehnung)
c) Wie ist es denn um die Qualität bestellt, wenn es ein offenes Geheimnis ist, dass
Informierte und qualitätsorientierte Angehörige ihre Betroffenen zu WiederholungsRehabilitationen in länderübergreifende Reha-Kliniken schicken?
Daher meine Forderung zur Klärung nachfolgender Fragen:
1) Warum werden die Rahmenempfehlung und Empfehlungen der BAR für neurologische
Patienten nicht umgesetzt?
2) Warum werden Entwicklungen zugelassen, die sich gegen die Patientinnen und Patienten
richten?
3) Erklärung der Politik, der Krankenkassen zu nachfolgenden Fragen:
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„Was ist „C+“ und wo sind die Leistungen inhaltlich abgebildet?
Warum wird diese nicht qualitätskontrolliert?
Warum wird ein solcher Mangel an Phase B-Betten unterstützt, um „C+“ zu fördern?
Was versprechen sich die Krankenkassen (als „gemeinsame Repräsentanz“ der BAR)
davon?
Warum werden für die Behandlungsphase B in Akutkliniken wie Rehakliniken keine
Kriterien festgelegt?
Warum werden die 300 Minuten als tägliche Therapiequalität nicht festgehalten?
Warum werden seitens der politisch Handelnden keine Maßnahmen zur Umsetzung von
bedarfsgerechter Rehabilitation unternommen?
Patienten / Angehörigenberatung für neurologische Patientinnen und Patienten muss vor
allem durch fachlich kompetente, neutrale und unabhängige Berater erfolgen – das ist die
Möglichkeit. Die bisherige Praxis hat sich nicht bewährt. Es fehlen grundlegende Kenntnisse
über diese Klientel durch die vorhandenen Beratungsstellen. Auch die bundesweit
vorhandenen Servicestellen besitzen nicht die ausreichende fachliche Kompetenz über
Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen - das ist die Wirklichkeit!
Aus diesem Grund ist es unabdingbar, geplante und zielführende Angehörigengespräche
(müssen als Leistungen zeitlich und leistungsbedingt) an den Schnittstellen einzurichten. In
der bisherigen Wirklichkeit sind Angehörigengespräche in den Kliniken weder zeitlich noch
finanziell als Leistung abrechenbar.
4) Rechts- und Versorgungssicherheit für die neurologische Frührehabilitation Phase B ist überall
herzustellen.
5) Die intransparente und nicht durch die BAR beschriebene C+ muss abgeschafft werden.
Es muss eine uneingeschränkte und klare Anwendung der BAR-Empfehlungen geben,
konkret mit (Operationen- und Prozedurenschlüssel) OPS 8.552.
OPS 8.552 umfasst die Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (Quelle: DIMDI)
Die 300 Minuten Therapiestandard sind transparent zu beschreiben und nachvollziehbar
einzuhalten.
6) Keine Selektivverträge mehr von Krankenkassen mit Kliniken, um wohnortnahe Versorgung zu
verhindern.
Hier sehe ich die Landesregierungen als Kontrollinstanz in der Verantwortung.
Wir erwarten Lösungen durch die Landesregierungen.
Eine nachvollziehbare und überprüfbare Versorgung aller Patientinnen und Patienten auf der
Grundlage der Empfehlungen zur neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und
schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C (BAR 02. November 1995) muss sichergestellt
werden!
Was können wir als Angehörige tun?
Auch wenn der Schicksalsschlag uns im Denken und Handeln lähmt, dürfen wir trotzdem nicht
zulassen, alles irgendwie ablaufen zu lassen.
Es scheint der Ablauf in der Akutklinik klar und eindeutig zu sein. Da hoffen und bangen wir zurecht
und lassen die Ärzte und Pflegekräfte handeln. Aber es kommt ja die Frage auf - Was kommt danach?
Hier sehe ich einen Ansatz sich selbst, aber zumindest mit Hilfe anderer zu orientieren.
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„Gemeinsam Schicksale bewältigen“
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Angehörige kommen ja nicht daran vorbei richtungsweisende Entscheidungen treffen zu müssen.
Wichtige Entscheidungen sind eben nicht emotional zu treffen. Sie müssen rational im Interesse der
Patienten getroffen werden. Es geht um die Chance, mögliche individuelle Entwicklungen durchlaufen
zu können.
Ich meine, hier an dieser Stelle benötigt jede Klinik ein ausgereiftes Konzept zum Auffangen und zum
Begleiten von Angehörigen. Case Management ist eine solche Lösung. Diese wird auch innerhalb
einer Klinik angeboten. Das ist aber nicht ausreichend. Hier muss ein Case Management greifen, das
über die Kliniken hinaus für den Patienten und somit auch für die Familien in der Nachsorge greift.
Abschließend noch ein Wort für die Betreuung.
Wenn wir wollen, dass es unseren betroffenen Angehörigen gut gehen soll, dann müssen wir uns
auch so verhalten. Sich für eine optimale medizinische, therapeutische, pflegerische und soziale
Versorgung und Betreuung einzusetzen, verlangt ein grundsätzliches Wissen. Sich dafür zu
interessieren und sich mit den Inhalten vertraut zu machen ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.
Verantwortung zu übernehmen ist nicht gleichzusetzen „mit“ Verantwortung zu tragen. Holen Sie sich
als Betreuer die Fachkompetenz in den entsprechenden Bereichen zu Hilfe.
Wenden Sie sich auch an andere betroffene Familien. Aus Erfahrung gut! Der Erfahrungsaustausch
mit anderen ist eine gute Investition.
Lothar Ludwig
Ehrenvorsitzender
April 2015
Teil B Frührehabilitation (Behandlungsphase B) - Behandlungsphase F (folgt)
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