RATGEBER Kleteč ka-Pulker/K. Leitner/Bachinger Patient im Recht recht.verständlich MANZ RATGEBER Patient im Recht Patient im Recht von Maria Kletečka-Pulker Katharina Leitner Gerald Bachinger Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr; eine Haftung der Autoren sowie des Verlages ist ausgeschlossen. ISBN 978-3-214-13739-7 © 2015 MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH, Wien Telefon: (01) 531 61-0 E-Mail: [email protected] www.manz.at Covernachweis: © Alexander Raths – Fotolia.com Satzherstellung: Petry & Schwamb, Freiburg Druck: Prime Rate Kft., Budapest DIE AUTOREN Mag. Dr. Maria Kletečka-Pulker ist Juristin und Geschäftsführerin des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin und der Österreichischen Plattform Patientensicherheit. Sie ist Autorin zahlreicher medizinrechtlicher Publikationen und Mitherausgeberin des Handbuchs Medizinrecht (Manz). Darüber hinaus hält sie regelmäßig Vorträge und Vorlesungen im Bereich des Medizinrechts. Seit 2009 ist sie Mitglied der Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes sowie der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG). MMag. Katharina Leitner ist Juristin und Kultur- und Sozialanthropologin und am Institut für Ethik und Recht in der Medizin tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Medizinrechts, wobei sie sich vor allem mit PatientInnenrechten im Bereich der Selbstbestimmung beschäftigt. Mag. Dr. Gerald Bachinger ist Sprecher der ARGE Patientenanwält Innen Österreich und leitet die NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft. Zudem ist er Gründungs- und Vorstandsmitglied der Österreichischen Plattform Patientensicherheit. Er ist Mitglied der Gesundheitskommission des Bundes sowie der NÖ Ethikkommission und hält zahlreiche Vorträge im Bereich des Medizinrechts, insbesondere zum Thema Patientenrechte. 5 INHALT DIE AUTOREN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Einleitung – Wozu dient dieser Ratgeber? . . . . . . . . . . . . . 11 II. Das Behandlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 III. Patientenrechte und Patientenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . 17 IV. Recht auf Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 V.Instrumente zur Selbstbestimmung (Vorsorgemaßnahmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 A. Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Vorsorgevollmacht in Gesundheitsangelegenheiten . . . . 51 VI.Nicht einwilligungsfähige Patienten ohne Vorsorgemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sachwalterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger . . . . . . . . . . . C. Wer entscheidet nun wann? (Übersicht) . . . . . . . . . . . . . 61 61 71 74 VII. Recht auf Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 VIII. Recht auf Verschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IX. Recht auf Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 X. Die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) . . . . . . . . . . 102 7 Inhaltsverzeichnis XI. Recht auf Achtung der Würde und Integrität . . . . . . . . . 109 XII. Recht auf Behandlung und Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 XIII. Pflegende Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 XIV.Besondere rechtliche Fragen zu Schwangerschaft und Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.Medizinisch unterstützte Fortpflanzung . . . . . . . . . . . . . B. Präimplantationsdiagnostik (PID) . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Pränatale Diagnostik (PND) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schwangerschaftsabbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 122 129 131 134 140 XV. Impfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 XVI. Unterbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 XVII. Heimaufenthaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 XVIII.Organtransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 XIX. Genetische Analysen zu medizinischen Zwecken . . . . . 175 XX. Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 XXI. Ästhetische Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 XXII. Piercen und Tätowieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 XXIII.Recht auf Unterstützung durch die Patientenanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 XXIV. 8 Haftung für Fehlverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Inhaltsverzeichnis XXV. Die Patienten-Entschädigungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . 207 A. Gemeinsamkeiten aller Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Beispiel: Der NÖ Patienten-Entschädigungsfonds . . . . 209 XXVI.Patientensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 XXVII.Selbsthilfegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 SERVICETEIL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. 10 Tipps für Ihre Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Folder: Sicher ist sicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zuständigkeiten der Patientenanwaltschaften . . . . . . . D. Adressen der Patientenanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . E. Adressen Dachverbände der Selbsthilfegruppen . . . . F. Weiterführende Literatur und Gesetze . . . . . . . . . . . . . . G. Ihre Checkliste für den Krankenhausaufenthalt . . . . . H. Ihre Checkliste für den Arztbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . I. Patientencharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 221 223 227 228 231 234 237 238 240 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . 252 9 I. Einleitung – Wozu dient dieser Ratgeber? Der Besuch beim Arzt oder im Spital ist oftmals geprägt von Emotionen und Unsicherheit. Diese ergeben sich einerseits daraus, dass man als Patient nicht genau weiß, was auf einen zukommt und wie sich der Arztbesuch gestalten wird. Andererseits treten oftmals Unsicherheiten dahingehend auf, was aus rechtlicher Sicht von Ihnen als Patient erwartet wird bzw. werden kann und was umgekehrt Sie von Ihrem Arzt oder der Krankenanstalt erwarten und auch einfordern können. Hinzu kommt, dass beim Arztbesuch oder bei einem Spitalsaufenthalt wichtige und häufig schwierige Entscheidungen zu treffen sind, die Ihre Gesundheit betreffen und große Auswirkungen auf Ihr weiteres Leben haben können. In solchen Situationen ist es gut zu wissen, welche Rechte und Pflichten Sie und Ihre Behandler haben und wohin Sie sich wenden können, wenn Schwierigkeiten auftreten oder Sie jemanden um Rat fragen möchten. Vorliegender Ratgeber soll Ihnen Entscheidungen im medizinischen Kontext erleichtern und Ihnen als Wegbegleiter beim Besuch des Arztes oder im Spital dienen. Dazu zeigt er einerseits Ihre Rechte als Patient auf und bietet andererseits nützliche Informationen an, die beim Arztbesuch oder bei einem Krankenhausaufenthalt hilfreich sein können. Mithilfe der Informationen in diesem Buch wissen Sie, welche rechtlichen Möglichkeiten Sie als Patient haben und wohin Sie sich wenden können, wenn Unklarheiten auftreten. 1. Wie ist der Ratgeber aufgebaut? Die einzelnen Patientenrechte werden im Folgenden kapitelweise erklärt. Innerhalb der Kapitel finden sich – so wie schon hier in der Einleitung – jeweils Fragen, anhand derer die Rechtsmaterie erklärt wird. Innerhalb der Fragen sind die wichtigsten Begriffe fett hervorgehoben. Lesen Sie alle Fragen eines Kapitels, so haben Sie die wichtigsten Informationen zu diesem rechtlichen Thema erhalten. Sie können jedoch auch gezielt einzelne Fragen nachschlagen. Am Ende jedes Kapitels fin11 I. Einleitung – Wozu dient dieser Ratgeber? den Sie die Frage „Auf welcher Rechtsgrundlage basieren diese Informationen?“. Darunter finden Sie eine Auflistung von Gesetzen und Bestimmungen, die das regeln, was im Kapitel davor beschrieben wurde. Mit Hilfe dieser Informationen können Sie auch selbst im Gesetz nachlesen, welche Regelungen der Gesetzgeber getroffen hat. Im Anschluss an die Kapitel finden Sie einen Serviceteil, der Ihnen Adressen von Einrichtungen, die Sie vielleicht kontaktieren möchten, und Hinweise auf weiterführende Informationen anbietet. Der Ratgeber kann nur eine Zusammenfassung Ihrer Rechte und Pflichten anbieten. Daher finden Sie im Serviceteil Hinweise auf Bücher und Informationsbroschüren, die Sie lesen können, wenn Sie mehr über die einzelnen Punkte wissen möchten. Zudem können Sie jederzeit bei der Patientenanwaltschaft in Ihrem Bundesland nachfragen. Die Kontaktdaten finden Sie ebenfalls im Serviceteil. Weiters finden Sie hinten zwei Checklisten: eine für den Arztbesuch und eine zweite für den Krankenhausaufenthalt. Diese können Sie kopieren und vor sowie nach jedem Arztbesuch oder Spitalsaufenthalt durchsehen und abhaken, ob Sie auch an alles gedacht haben. Im Buch finden Sie auch immer wieder sogenannte QR-Codes. Dahinter finden sich Internetadressen, die Sie zu den angegebenen Quellen führen, ohne dass Sie die lange Internetadresse von Hand eingeben müssen. QR-Codes lassen sich mit Smartphones und einer kostenlosen App „lesen“. 2. Worauf sollten Sie beim Lesen achten? Im Folgenden sprechen wir stets von Patienten. Der Begriff Patient mag allerdings nicht immer passend sein, da sich der Ratgeber natürlich nicht nur an Personen wendet, die bereits in medizinischer Behandlung sind (und somit als Patienten gelten), sondern auch an gesunde Personen, die sich für ihre Rechte interessieren, falls sie einmal krank werden sollten. Der Einfachheit halber sprechen wir im Folgenden aber auch bei gesunden Personen von Patienten. Will eine Person z.B. eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht für sich errichten, so bezeichnen wir auch diese Person als Patient. Obwohl Sprache Bewusstsein schafft, verzichten wir auf den folgenden Seiten auf eine gendergerechte Sprache und führen lediglich die männliche Form an. Bitte behalten Sie jedoch im Hinterkopf, dass 12 II. Das Behandlungsverhältnis sämtliche Ausführungen Männer und Frauen in gleicher Weise betreffen und dass gerade im Gesundheitswesen sehr viele Frauen tätig sind. Die Autoren danken Franziska Bereuter und Carina Höllersberger für die tatkräftige Unterstützung beim Erstellen dieses Buches. II. Das Behandlungsverhältnis Das Verhältnis zwischen Patient und Behandler ist geprägt durch deren jeweilige Rechte und Pflichten. Diese entstehen unter anderem durch einen sogenannten Behandlungsvertrag. Das folgende Kapitel beschäftigt sich daher mit dem Beginn jeder medizinischen Behandlung, nämlich mit dem Abschluss dieses Behandlungsvertrages. Es zeigt auf, wie dieser zustande kommt und welche Rechte und Pflichten er mit sich bringt. Zudem werden weitere wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Behandlungsverhältnis geklärt, wie z.B. Fragen der Kostentragung beim Arztbesuch sowie das Recht, einen Arzt frei zu wählen. 1. Wie kommt ein Behandlungsvertrag zustande? Zwischen dem Patient und dem Behandler entsteht meistens automatisch zu Beginn jeder medizinischen Behandlung ein Behandlungsvertrag. Dieser Vertrag kommt in der Regel stillschweigend zustande, wenn der Patient z.B. zu seinem praktischen Arzt geht und bei ihm behandelt werden möchte. Begeben Sie sich also zum Arzt und beginnt dieser, Sie zu behandeln, so kommt damit ein Behandlungsvertrag zustande, ohne dass Sie etwas unterschrieben oder explizit mit Ihrem Arzt über einen Vertrag gesprochen haben. Dies ist nicht so ungewöhnlich – auch in anderen Bereichen des täglichen Lebens schließen Sie keinen schriftlichen Vertrag. Wenn Sie z.B. eine Zeitung in der Trafik kaufen, schließen Sie einen Kaufvertrag, ohne darüber zu verhandeln oder eine schriftliche Ausfertigung zu haben. Dennoch ist der Vertrag gültig. Nur ausnahmsweise, in bestimmten Behandlungssituationen, wird der Vertrag ausführlich besprochen und/oder es gibt ein Erstgespräch 13 II. Das Behandlungsverhältnis (z.B. bei kosmetischen Operationen, bei großen Zahnbehandlungen, bei wiederholten psychotherapeutischen Behandlungen oder bei physiotherapeutischen Behandlungen). 2. B in ich verpflichtet, einen Behandlungsvertrag zu schließen? Wenn Sie sich behandeln lassen möchten, dann geht dies grundsätzlich nicht ohne Behandlungsvertrag. Sie sind allerdings nicht verpflichtet, sich behandeln zu lassen und einen Behandlungsvertrag abzuschließen. Nur ausnahmsweise besteht eine gesetzliche Behandlungspflicht, aufgrund derer Sie sich behandeln lassen müssen. Diese Ausnahmen finden sich z.B. bei der psychiatrischen Unterbringung oder bei der Behandlung von sehr ansteckenden und gefährlichen Krankheiten wie Ebola oder der Vogelgrippe. 3. Wozu gibt es überhaupt einen Behandlungsvertrag und was ist der Inhalt dieses Behandlungsvertrages? Der Behandlungsvertrag stellt den rechtlichen Rahmen für Ihre Behandlung dar. Es entstehen damit für beide Seiten zahlreiche Rechte und Pflichten. Mit dem Behandlungsvertrag werden diese Rechte und Pflichten festgelegt und ein Zuwiderhandeln oder das Nichterfüllen des Behandlungsvertrages kann zu Ersatzleistungen bzw. zu einer Haftung führen. Inhalt eines Behandlungsvertrages ist die Heilbehandlung. Unter Heilbehandlung wird jede therapeutische, diagnostische, prophylaktische und schmerzlindernde Maßnahme verstanden. Nicht vom Begriff der Heilbehandlung erfasst sind etwa Schwangerschaftsabbrüche oder ästhetische Operationen – für diese Behandlungen gelten Sonderbestimmungen. 4. H abe ich ein Recht auf ein Erstgespräch beim Arzt und was darf es kosten? Ein Erstgespräch mit einem Arzt ist oft die Voraussetzung, um weitere Schritte sowohl in diagnostischer als auch therapeutischer Sicht abzuklären. Ein solches Erstgespräch ist kostenlos und kann vom niederge14 II. Das Behandlungsverhältnis lassenen Kassenvertragsarzt auch mit der Krankenversicherung abgerechnet werden. Ein Erstgespräch mit einem Wahlarzt oder Privatarzt unterliegt der freien Honorarvereinbarung und ist vor dem Erstgespräch festzulegen. 5. D arf ich mir meinen behandelnden Arzt selber aussuchen? Ja, der Patient hat das Recht auf freie Arztwahl im niedergelassenen Bereich (wie etwa Ärzte für Allgemeinmedizin, Fachärzte, Labor oder Radiologische Institute sowie Zahnärzte). Kein Recht auf freie Arztwahl gibt es in öffentlichen Krankenanstalten. Dort wird der Patient von jenem Arzt behandelt, der in der Krankenanstalt aufgrund der organisatorischen Einteilungen verfügbar ist. Lässt sich der Patient hingegen in einem Belegkrankenhaus (Privatkrankenanstalt) oder im Bereich der Sonderklasse in einem öffentlichen Krankenhaus behandeln, kann er sich seinen Arzt – sofern dies organisatorisch möglich ist – auch dort selber aussuchen. 6. K ann ich den Arzt wechseln, wenn ich unzufrieden bin oder lieber einen anderen haben möchte? Der Patient ist nicht verpflichtet, sich von einem (bestimmten) Arzt behandeln zu lassen. Er kann daher den behandelnden Arzt ablehnen. Es muss jedoch unterschieden werden, ob Sie Ihren Arzt in der Krankenanstalt oder im niedergelassenen Bereich wechseln möchten. In einer Krankenanstalt wird auf Ihren Wunsch den Arzt zu wechseln, Rücksicht genommen, wenn dies im Rahmen der Organisation des Krankenhauses möglich ist. Im niedergelassenen Bereich kann der Patient den Arzt grundsätzlich frei wechseln. Handelt es sich um einen Kassenvertragsarzt, kann dieser – abhängig vom Sozialversicherungsträger – zumindest in jedem neuen Quartal eines Jahres gewechselt werden. Aus wichtigen Gründen, wie etwa der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, kann auch innerhalb eines Quartals ein Wechsel erfolgen, wenn dies die Krankenkasse im Vorhinein genehmigt. Wird der Arzt privat bezahlt, ist ein Wechsel jederzeit möglich. 15 II. Das Behandlungsverhältnis 7. Muss ich zahlen, wenn ich einen vereinbarten Termin beim Arzt oder einem anderen Gesundheitsberuf nicht einhalte? Hält sich der Behandler die Zeit extra für Sie frei und kann in der Zwischenzeit, in der er auf Sie wartet, niemand anderen behandeln, steht ihm das Honorar zu. Es ist daher wichtig, immer rechtzeitig abzusagen, damit dem Behandler kein Schaden entsteht. Praxishinweis: Besprechen Sie mit Ihrem Behandler im Vorhinein, bis wann ein vereinbarter Termin abgesagt werden kann und wie dies zu erfolgen hat (etwa telefonisch oder per E-Mail), ohne dass Kosten entstehen. 8. Wie hoch darf das Honorar sein, das der Arzt von mir für eine Behandlung verlangt? Wenn Sie von einem Kassenarzt behandelt werden, wird das Honorar für die ärztliche Leistung, die innerhalb des kassenärztlichen Rahmens liegt, in der Regel zur Gänze von der Kasse bezahlt. Möglicherweise gibt es einen Selbstbehalt, wie etwa für Medikamente. Nehmen Sie die Leistungen eines Wahlarztes in Anspruch, werden die Kosten nicht von der Krankenversicherung mit dem Arzt abgerechnet, sondern Sie müssen das Arzthonorar selbst begleichen. Der Arzt stellt dazu in der Regel nach Beendigung der Behandlung eine Privathonorarnote aus. Grundsätzlich kann das Honorar frei vereinbart werden. Sie sollten also vorab mit dem Arzt ein Gespräch über die Kosten der Behandlung führen und sich auf ein Honorar einigen. Tun Sie dies nicht, so gilt ein „angemessenes“ Honorar als vereinbart. Was angemessen ist, ist nicht eindeutig und nicht genau festgelegt. Am besten ist es daher, vor der Behandlung über die Kosten zu sprechen. Praxishinweis: Die Krankenkassen refundieren nicht das volle Privat honorar/Wahlarzthonorar, sondern nur etwa 80% des Kassentarifes (der meist wesentlich geringer ist als das Privathonorar) für diese ärztliche Leistung. Es kann daher eine große Differenz zwischen bezahltem Privathonorar und Kassenersatz geben. 16 III. Patientenrechte und Patientenpflichten 9. M uss mich der Arzt darüber aufklären, wenn eine Leistung nicht von der Krankenversicherung bezahlt wird? Ja, der Behandler ist verpflichtet, Sie darüber aufzuklären, wenn die Krankenversicherung gewisse Leistungen nicht übernimmt und Sie diese daher selber zahlen müssen. Dies ist bei Zahnärzten, Psychotherapeuten oder Psychologen und bei kosmetischen Operationen sogar ausdrücklich gesetzlich geregelt. Auf welcher Rechtsgrundlage basieren diese Informationen? • • • • • • Behandlungsvertrag § 131 ASVG, Zivilrecht, ABGB § 110 StGB § 5 Abs. 6 ÄsthOpG § 18 Abs. 2 ZÄG § 14 Abs. 4a Psychotherapiegesetz III. Patientenrechte und Patientenpflichten Bei Ihrem Arztbesuch oder Aufenthalt in einer Krankenanstalt haben Sie neben Pflichten auch zahlreiche Rechte, auf die Sie sich berufen können. Diese ergeben sich aus dem Behandlungsvertrag, den Sie vor jeder Behandlung stillschweigend mit dem Behandler schließen. Manche dieser Rechte sind gesetzlich geregelt, andere haben sich im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung der Gerichte herausgebildet. 1. Was sind Patientenrechte bzw. Patientenpflichten? Im Rahmen des Behandlungsverhältnisses zwischen Patient und Behandler entstehen für beide Seiten zahlreiche Rechte und Pflichten. Die Pflicht des Patienten ist es beispielsweise, • möglichst vollständig Auskunft über seine Beschwerden zu geben, • bei der Behandlung mitzuwirken und • das Honorar des Arztes zu bezahlen. 17 III. Patientenrechte und Patientenpflichten Auf Seiten des Arztes finden sich z.B. die • Pflicht zur Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft, • die Schweigepflicht oder • die Aufklärungspflicht. Rechte und Pflichten sind freilich zwei Seiten derselben Medaille. Wenn man davon spricht, dass den Arzt die Pflicht zur Aufklärung trifft, kann man es auch so formulieren, dass der Patient ein Recht auf Aufklärung hat. Diese angesprochenen Rechte und Pflichten ergeben sich einerseits aus dem Behandlungsvertrag, den der Patient mit dem Arzt in der Regel stillschweigend vor jeder Behandlung abschließt, andererseits aus dem Gesetz. Es gibt jedoch kein Gesetz, in dem alle Patientenrechte zusammengefasst sind, sondern diese finden sich verstreut in unterschiedlichen Rechtsvorschriften. Bund und Länder haben daher 1999 eine „Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte“, die sogenannte Patientencharta, geschlossen. Damit wollten sie eine Zusammenstellung und Übersicht der wichtigsten Patientenrechte erreichen. Tatsächlich sind dort die Patientenrechte in verständlicher und leicht lesbarer Weise zusammengefasst. Auf die Patientencharta können Sie, wie auf Gesetze, im Internet zugreifen. (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes: http://ris.bka.gv.at). Zudem gibt es eine Broschüre1 über die einzelnen Patientenrechte und die Patientencharta, die Sie von der NÖ Patientenanwaltschaft oder dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger kostenlos anfordern können. Da es sich bei der Patientencharta um einen sogenannten Gliedstaatsvertrag zwischen dem Bund und den Bundesländern handelt, lassen sich daraus keine unmittelbar anwendbaren Rechte für die Patienten oder Pflichten für die Ärzte ableiten. Vielmehr muss der Patientencharta symbolische Bedeutung zugestanden werden. Zudem eignet sie sich gut dafür, einen Überblick über die in den Gesetzen verstreuten Patientenrechte zu bekommen. 1) www.patientenanwalt.com/wp-content/uploads/2014/01/ 983786_Broschuere_Kompetent_als_Patientin_gesamt.pdf 18 III. Patientenrechte und Patientenpflichten 2. Wozu dienen Patientenrechte? Patientenrechte schützen und unterstützen den Patienten im Verlauf einer Behandlung, der Pflege und Betreuung. Dabei ist es unerheblich, ob die Maßnahme in einer Krankenanstalt, bei einem niedergelassenen Arzt (z.B. Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt oder Zahnarzt) oder einer sonstigen Einrichtung des Gesundheitswesens (z.B. Betreuung durch einen Rettungsdienst, Hebamme, Physiotherapeuten) erfolgt. Allerdings können unterschiedliche Vorschriften für die jeweilige Einrichtung gelten. Es existieren beispielsweise besondere Patientenrechte im Krankenanstaltenbereich oder im Pflegeheim. 3. Welche Pflichten habe ich als Patient? Als Patient haben Sie nicht nur zahlreiche Rechte, sondern es kommen Ihnen auch Pflichten zu. Damit eine Behandlung erfolgreich sein kann, ist es wichtig, dass Patient und Arzt gut zusammenarbeiten. Es wäre daher nicht sinnvoll, wenn nur den Arzt Pflichten träfen, den Patienten jedoch nicht. Folgende Pflichten des Patienten sind daher gesetzlich geregelt: • Zahlungspflicht: Sie (bzw. Ihre Krankenversicherung) müssen den Arzt für seine Tätigkeiten entsprechend bezahlen. • Informationsobliegenheiten: Sie müssen Ihren Arzt vorbehaltslos informieren. Damit der Arzt Sie bestmöglich behandeln kann, sollen Sie ihm Auskünfte über frühere Erkrankungen oder Medikamente, die Sie einnehmen, geben. • Duldungs- und Mitwirkungsobliegenheiten: Sie haben an den Heilungsbemühungen des Arztes mitzuwirken. So sollen Sie beispielsweise die nötigen Untersuchungen und Therapien an sich vornehmen lassen oder Nachbehandlungstermine wahrnehmen. Es gibt allerdings kein Behandlungsrecht des Arztes oder eine Behandlungspflicht des Patienten (ausgenommen sind Sonderfälle zur Wahrung des öffentlichen Wohles wie etwa zur Seuchenbekämpfung). Jeder Patient hat das Recht, Behandlungen abzulehnen, er muss dann allerdings die allfälligen negativen, gesundheitlichen Konsequenzen selbst tragen und kann den Arzt nicht dafür verantwortlich machen. 19 III. Patientenrechte und Patientenpflichten 4. Welche Informationen muss ich dem Arzt geben? Ihre Angaben sind für den Behandler die derzeit wichtigste Informationsquelle. Mit ELGA werden dann noch weitere Informationsquellen offen stehen, bisher ist der Arzt jedoch darauf angewiesen, dass Sie ihm Ihre Vorerkrankungen oder Medikamente, die Sie einnehmen, bekannt geben. Teilen Sie Ihrem Arzt alle notwendigen Dinge mit. So kann er oft rascher die genaue Diagnose stellen und Sie bestmöglich behandeln. Was Sie alles erzählen sollen bzw. müssen, hängt natürlich auch von den Fragen des Arztes ab. Wichtig ist jedoch, dass Sie jedenfalls jene Informationen bekannt geben, die mit Ihren Beschwerden oder mit Ihrer Behandlung in Zusammenhang stehen oder stehen könnten. Praxishinweis: Schreiben Sie sich vor dem Termin alle wichtigen Informationen und Fragen auf. Wichtig ist auch eine Liste der Medikamente, die Sie nehmen. Stellen Sie alle Fragen, die Ihnen wichtig sind. Fragen Sie immer nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Beispiel Sie haben starke Kopfschmerzen. Daher nehmen Sie zu Hause bereits eine Schmerztablette. Später gehen Sie zum Arzt. Dieser will Untersuchungen mit Ihnen durchführen und Ihnen in der Folge ein Medikament verschreiben. Sie müssen bekannt geben, dass Sie an diesem Tag bereits eine Schmerztablette eingenommen haben. Nur so kann der Arzt Sie bestmöglich behandeln. 5. Was kann passieren, wenn ich nicht mitwirke oder dem Arzt keine Informationen gebe? Der Behandler darf grundsätzlich die vertragliche Beziehung zum Patienten beenden. Er kann Ihnen also mitteilen, dass er Sie nicht länger behandeln wird und soll Ihnen die Gründe dafür mitteilen. Er wird dies dann tun, wenn Sie ihm wesentliche Informationen vorenthalten oder bei der Therapie nicht ausreichend „mitmachen“. Es ist dem Behandler nicht zumutbar, Patienten zu behandeln, die ihren Pflichten nicht nachkommen. Ob ein Honoraranspruch trotzdem weiter besteht, hängt von der Vereinbarung ab bzw. davon, was der Behandler schon geleistet hat. 20 III. Patientenrechte und Patientenpflichten Beispiel Patient P kommt zum Zahnarzt Z und klagt über Zahnschmerzen. Z möchte sich einen Überblick verschaffen und bittet P, den Mund aufzumachen. P tut dies zwar zunächst, überlegt es sich allerdings plötzlich wieder anders, steht auf und geht. Zwei Stunden später kommt P erneut zu Z und bittet ihn, ihn zu behandeln. Z versucht erneut, P zu untersuchen, aber P springt plötzlich wieder auf und geht. Beim Hinausgehen beschimpft er noch die Assistentin des Z. Als P am nächsten Tag erneut zu Z kommt, teilt ihm Z mit, dass er ihn nicht mehr behandeln wird. Der Behandler hat Ihnen den Rücktritt von der Behandlung rechtzeitig mitzuteilen, sodass Sie sich um einen anderen Behandler kümmern können. Eine weitere Folge kann sein, dass der Arzt nicht für den Schaden haftet, der Ihnen aus einer Behandlung entsteht. Beispiel Patient P nimmt das Medikament M gegen seinen Bluthochdruck ein. Nun leidet er an einer Grippe und begibt sich bei Arzt A in Behandlung. A fragt P, ob er irgendwelche Medikamente einnimmt. P sagt, dass er keine Medikamente nehme. A verschreibt ihm daraufhin ein Medikament gegen die Grippe. Leider löst das neu verschriebene Medikament in Kombination mit dem Medikament M Nebenwirkungen aus. A kann nicht für die Nebenwirkungen zur Verantwortung gezogen werden, da P ihm ja nicht mitgeteilt hat, dass er das Medikament M einnimmt. Es ist dem Behandler allerdings nicht erlaubt, den Behandlungsvertrag zu beenden, weil Sie von Ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen, und bestimmte Behandlungen ablehnen. Bei der Frage, ob der Behandler wegen der Ablehnung einer bestimmten Maßnahme die Behandlung insgesamt ablehnen darf, ist jedoch zu differenzieren: Sofern eine Behandlungspflicht besteht, darf eine Behandlung durch den Arzt nicht verweigert werden. Ebenso hat ein Arzt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu respektieren und darf – trotz Bestehens einer Behandlungspflicht – keine Behandlungen durchführen, die der Patient 21 III. Patientenrechte und Patientenpflichten abgelehnt hat. In einem solchen Fall kann es zu einem Konflikt zwischen der Behandlungspflicht des Arztes und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten kommen, wobei die Selbstbestimmung schwerer wiegt. Die Erbringung medizinischer Leistungen darf nie von der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts abhängig gemacht werden und auch nicht aufgrund der Errichtung oder Unterlassung einer Patientenverfügung verweigert werden. Beispiel Patient P steht eine schwere Operation bevor. Er hat für den Fall, dass etwas schief gehen sollte, eine Patientenverfügung errichtet, in der er festgelegt hat, dass er unter keinen Umständen mit einer Magensonde (PEG-Sonde) ernährt werden möchte. Als er der Krankenanstalt bei der Aufnahme seine Patientenverfügung vorlegt, will diese die Operation nicht mehr durchführen, da sie nicht darauf Rücksicht nehmen möchte, ob P eine PEG-Sonde haben möchte oder nicht. So ein Vorgehen wäre unzulässig, da eine Behandlung nicht deswegen abgelehnt werden darf, weil der Patient von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch macht. 6. Darf der Behandler die Behandlung in jedem Fall beenden? Nein, der Behandler darf die Behandlung nicht in jedem Fall beenden. Wenn Sie in Lebensgefahr sind, muss er Sie, was Erste-Hilfe- bzw. Akutmaßnahmen betrifft, behandeln. Dies gilt ebenso für öffentliche Krankenanstalten, auch wenn diese voll belegt sind. 7. Welche Patientenrechte gibt es? Die wichtigsten Patientenrechte sind: das Recht auf • Selbstbestimmung und die Nutzung von Instrumenten zur Selbstbestimmung wie Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht • Aufklärung bzw. Information • Verschwiegenheit • Dokumentation und Einsicht in die Krankengeschichte • Achtung der Würde und Integrität • Behandlung und Pflege • Unterstützung durch die Patientenanwaltschaft 22 IV. Recht auf Selbstbestimmung Im Folgenden sehen wir uns die einzelnen Patientenrechte näher an und gehen darauf ein, was jeweils umfasst ist. Im Rahmen dieses Ratgebers können nur die Grundzüge der Patientenrechte dargestellt werden. Bei weitergehenden Fragen können Sie in der im letzten Kapitel angeführten Literatur nachlesen. Zudem stehen Ihnen die Patientenanwaltschaften (Adressen siehe ebenfalls im Anhang) gerne zur Verfügung. Auf welcher Rechtsgrundlage basieren diese Informationen? • Behandlungsvertrag • Patientencharta • § 15 PatVG IV. Recht auf Selbstbestimmung Das Recht auf Selbstbestimmung ist eines der wichtigsten Patientenrechte. Jede rechtmäßige Heilbehandlung setzt die Einwilligung des Patienten voraus. Die Einwilligung hat hierbei eine Doppelfunktion: Einerseits legitimiert sie das ärztliche Handeln, andererseits bildet sie die Schranke dafür. Eine Behandlung darf nur so weit reichen, wie sie von der Einwilligung des Patienten gedeckt ist. Dieser Grundsatz ist rechtlich mehrfach abgesichert und ein Zuwiderhandeln sogar mit Strafe bedroht. Der Straftatbestand der eigenmächtigen Heilbehandlung (§ 110 Strafgesetzbuch) legt fest, dass jemand, der einen anderen ohne dessen Einwilligung, wenn auch nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft, behandelt, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen ist. Jede Person hat also das Recht, über ihren Körper selbst zu bestimmen. Eine Behandlung ist nur dann erlaubt, wenn der Patient zustimmt, d.h. seine Einwilligung gibt. Gibt der Patient seine Einwilligung nicht, darf auch die medizinische Heilbehandlung nicht durchgeführt werden. Es hat also jeder Patient das Recht, sich medizinisch unvernünftig verhalten zu dürfen. 23 IV. Recht auf Selbstbestimmung Ein Patient kann jederzeit eine Behandlung ablehnen. Er muss keine Gründe nennen, warum er die Behandlung nicht möchte. Freilich werden die meisten Patienten gute Gründe dafür haben, eine medizinische Maßnahme abzulehnen, grundsätzlich kann aber jede Behandlung ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. Dies auch dann, wenn die Entscheidung aus medizinischer Sicht unvernünftig erscheint oder wenn der Arzt und/oder Verwandte anderer Meinung sind. Die Ablehnung ist auch dann wirksam, wenn eine Todesfolge droht. Beispiel Frau A hat ein Krebsleiden. Die Ärzte empfehlen ihr eine Chemotherapie. Frau A möchte dies allerdings nicht und willigt nicht in die Chemotherapie ein. Auch wenn Frau A in der Folge verstirbt und sie mit der Chemotherapie noch länger gelebt hätte, ist es ihre freie Entscheidung und diese muss von Ärzten akzeptiert werden. Frau A hat Gebrauch von ihrem Selbstbestimmungsrecht gemacht. 1. Was bedeutet Einwilligungsfähigkeit? Da die Einwilligung in eine bestimmte medizinische Behandlung oder deren Ablehnung weitreichende Konsequenzen haben kann, können nur jene Personen ihr Recht auf Selbstbestimmung ausüben, die einwilligungsfähig oder, anders ausgedrückt, einsichts- und urteilsfähig sind. Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist dann gegeben, wenn der Patient Grund und Bedeutung einer Behandlung einsehen und nach dieser Einsicht seinen Willen bestimmen kann. Er muss also verstehen können, worin er einwilligt oder was er ablehnen möchte. Geistig gesunde erwachsene Menschen sind in der Regel einsichts- und urteilsfähig. Jeder, der schon einmal mit einem kleinen Kind, einer dementen Person oder einem schwer Betrunkenen gesprochen hat, weiß jedoch, dass es nicht immer eindeutig ist, ob jemand einem Gespräch folgen und darauf aufbauend eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann. Ob die Einwilligungsfähigkeit vorliegt, muss daher der Arzt in jeder Situation individuell, also im Einzelfall, beurteilen. Für Kinder bzw. Jugendliche hat der Gesetzgeber eine Zweifelsregel aufgestellt, um die Beurteilung für den Behandler zu erleichtern: 24 RATGEBER MANZ | Ratgeber geben klare Antworten auf die Rechtsfragen des Alltags. Einfach und verständlich erklärt mit vielen Beispielen, Hinweisen und Zusammenfassungen. AUS DEM INHALT: Der Besuch beim Arzt oder in der Krankenanstalt ist oftmals geprägt von Unsicherheit. ◆ Welche Rechte habe ich als Patient? ◆ Wer entscheidet für mich, wenn ich nicht mehr kann? ◆ Habe ich ein Recht auf Kopie meiner Krankengeschichte? ◆ Muss ich mein Kind in der Schule impfen lassen? Der Gesetzgeber hat eine Reihe von Regelungen für die unterschiedlichsten medizinischen Bereiche getroffen und räumt dem Patienten neben zahlreichen Rechten auch bestimmte Pflichten ein. Dieser Ratgeber bietet eine Übersicht dieser Regelungen und beantwortet anhand von Fallbeispielen und mit praktischen Tipps alle Fragen rund um Rechte und Pflichten des Patienten. DIE AUTOREN: Mag. Dr. jur. Maria Kletečka-Pulker ist Geschäftsführerin des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin und der Österreichischen Plattform Patientensicherheit. Mag. jur. Mag. phil. Katharina Leitner ist Juristin und Kultur- und Sozialanthropologin am Institut für Ethik und Recht in der Medizin. Mag. Dr. jur. Gerald Bachinger ist Sprecher der ARGE PatientenanwältInnen Österreich und leitet die NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft. ISBN 978-3-214-13739-7 9 783214 137397 recht.verständlich
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