Das bizarre Leben des „grünen“ Fürsten Pückler

Vortrag von Thea Drewes, IWC Paderborn
Fürst Hermann Pückler – Muskau
ln meinem Vortrag über Bettina von Arnim, den ich hier 2010 hielt, hat mich eine
Scene nicht mehr losgelassen, wo Bettina tief verschleiert im Muskauer Park spazierengeht und Fürst Pückler sie vom Fenster im ersten Stock des Schlosses aus betrachtet.
lch wollte diesen Park und das Schloß selbst erleben und fuhr deshalb nach Muskau
an die Neiße. Daraus entstanden ist mein neuer Vortrag über Fürst Pückler, der mir
dort in Muskau überall begegnete und dessen Leben so facettenreich, so schillernd
und abenteuerlich war, daß ich denke, ich mache euch eine Freude, dies heute zu
schildern.
Der „Central Park“ in New York, der bekannteste Park der Welt - inspiriert von den
Visionen eines preußischen Fürsten. Er ist ein Paradiesvogel, der mehr Frauen verführte als Casanova. Ein rastlos Reisender und der einzige Dandy Preußens. Zu Fuß
überquert er die Alpen und durchwandert den Orient. Seine Erzählungen aus den
Palästen Ägyptens prägen das Orientbild der Deutschen bis heute.
Wie wurde ein preußischer Playboy zu Deutschlands meist gelesenem Reiseschriftsteller? Ein Fürst, der mit der Demokratie sympathisierte, ein fanatischer Parkgestalter. Er ist nicht ein einziges Mal den bequemen Weg gegangen. Er bot Widerstand.
Er pfiff auf Normen und Maßstäbe anderer. Er haßte Konventionen. Er war charakterstark und ein großer Freigeist, ein Einzelkämpfer, der sich verlachen und verspotten ließ, - es kümmerte ihn wenig.
Mit dem Weltkulturerbe seit 2004, das er hinterlassen hat, schmückt man sich gern.
Gartenliebhaber pilgern um die halbe Welt, um die Sichtachsen und Baumgruppierungen, die Wegführung der Seen und die lnsellandschaften des Visionärs zu
bestaunen.
Hermann Ludwig Heinrich von Pückler wird am 30. Okt. 1785 im elterlichen
Schloß zu Muskau geboren. Die Mutter, Clementine von Callenberg, ist gerade
erst 15 Jahre alt, der Vater 16 Jahre älter. Die junge Mutter sieht in dem Kind eine
Puppe, die man je nach Laune bespielen kann oder in die Ecke wirft Der Vater ein
Despot ist nicht interessiert. Die Ehe ist unglücklich und wird später geschieden. Das
Kind wird frühzeitig zu der Herrenhuter Brüdergemeinde abgegeben, muß aber noch
öfter die Schulen wechseln. So kommt er in das Pädagogium nach Halle, und als er
auch dort nicht reüssiert, in die Stadtschule nach Dessau. Wirkliche Liebe empfängt
er nicht.
Mit 16 Jahren erklärt er seine Erziehung sei nun beendet und bezieht für kurze Zeit
die Universität in Leipzig, um Jura zu studieren. Hermann verläßt Leipzig und tritt als
Leutnant in das Regiment der Garde du Corps in Dresden ein. Der große, schlanke
junge Graf wird schnell zum Liebling der Gesellschaft: seine Eskapaden, so der berühmte Sprung zu Pferde über die Brüstung der Elbbrücke – 8 m tief - in den Fluß,
bringen ihm den Spitznamen ,,Der tolle Pückler" ein. Kaum eine junge Dame ist vor
dem Charmeur sicher, der auch Duelle nicht fürchtet, gilt er doch zu Recht als Meister des Degens und der Pistole. Er entwickelt sich zu einem exzentrischen Dandy
von Format und luxuriösem Lebensstil, stellt tüchtig Wechsel aus, macht Spielschulden und lebt flott über seine nicht gerade karg bemessenen Verhältnisse.
Doch die Schulden wachsen ihm über den Kopf. Der Vater zahlt nicht mehr, und er
muß seinen Abschied vom Militär nehmen. Er flieht vor seinen Gläubigern nach
Wien. Zu Fuß, wie ein Vagabund, verläßt er Wien und zieht durch die Schweiz,
Frankreich und Italien, um etwas von der Welt zu sehen und zu erleben.
lm Sommer 1810 folgt er dem Ruf des Vaters und kehrt nach Muskau zurück. Die
kritische Situation hat sich dort nicht geändert; zu den finanziellen Problemen kommen die Heiratspläne der beiden Schwestern. Die Lausitz ist Durchzugsgebiet für die
Truppen Napoleons, und das bedeutet Plünderung, Einquartierung, Kriegskontributionszahlungen, keine Erträge der Landwirtschaft ect... 1811 stirbt der Vater und Prinz
Hermann wird Erbe und Standesherr von Muskau - Branitz. Mit 25 Jahren wird er
Besitzer von Ländereien, die eine Ausdehnung von 550 Quadratkilometern haben
und zu denen eine Stadt, 45 Dörfer, Pachthöfe, Mühlen, Wälder, Fabriken und Mineralquellen gehören. Er ist damit einer der reichsten Männer in Deutschland. Leider
nur auf dem Papier. So ist der Stand der Dinge, aber alles ist hoffnungslos verschuldet und dies vornehmlich durch ihn und seine exklusive Lebensweise.
Er verpflichtet sich wieder beim Militär, wird Generaladjutant des Großherzogs Karl
August von Weimar und Verbindungsoffizier zum Zaren Alexander von Rußland. So
kann er mit den Siegern in Paris einziehen und begleitet anschließend den Zaren
und den preußischen König Friedrich Wilhelm lll. zur Parade nach London. Dort
nimmt er, zum Oberstleutnant befördert, seinen Abschied, bleibt aber in England und
genießt das Leben als Gentleman. Fuchsjagden, Pferdewetten, Kartenspiele und
immer wieder hübsche Ladies vertreiben ihm die Zeit.
Pückler wird dringend nach Hause beordert, Muskau steht am Rande des Ruins. Als
sächsischer Gutsbesitzer gehört er zu den Verlierern, denn nach dem Wiener Kongreß gehörte die Lausitz zu Preußen. Jetzt gelten die preußischen Reformen. Er versucht das Problem auf seine Art zu lösen und knüpft zarte Bande zu der reichen
Lady Landsdown, doch eine Hochzeit kommt nicht zustande. So fährt er schließlich
ab, ohne Braut.
Doch in England haben neue Leidenschaften den preußischen Junker ergriffen: für
Landschaftsgärten, für modische Kleidung, für Pferdezucht und -sport. In Berlin ist
der junge Graf, stets elegant gekleidet, bald eine stadtbekannte Figur; man wartet
regelrecht auf neue Amouren, streiche und Eskapaden.
Einmal endet eine Ballonfahrt mit dem Luftfahrtpionier Reichhard erst nach Abwurf
allen Ballastes, auch des gebratenen Fasans und zweier Flaschen Champagner,
unfreiwillig im Wipfel einer Fichte in Potsdam. An Mut fehlt es Pückler nie, an Geld
immer. Der bewundernde Theodor Fontane bemerkte: „Wenn Pückler in einen Raum
trat, war er sofort Mittelpunkt, nicht weil er ‚Fürst’, sondern weil er Pückler war“.
E. Th. A. Hoffmann schildert ihn in seiner Novelle ,,Das öde Haus" als sonderbar
und verschwendungssüchtig. Sein Freund Heinrich Heine widmet ihm seinen
Sammelband ,,Lutetia" nachdem Pückler, ihn extra in Paris in seiner Matratzengruft
besucht hat.
Natürlich will er immer wieder den Damen imponieren. So fährt er „Unter den Linden“
in einer von vier weißen Hirschen gezogenen Kutsche spazieren. 1812 besucht er
Goethe in Weimar und spricht mit ihm über Landschaftsgärtnerei. Der Dichterfürst
beurteilt seine Pläne folgendermaßen: „Verfolgen sie die Richtung. Sie scheinen Talent dafür zu haben."
Ermutigt durch Goethes Anregung faßt der junge Schloßherr kühne Pläne zur Gestaltung eines Landschaftsgartens in Muskau. Inspiriert von seiner Reise nach England beginnt er mit dem Mammutprojekt. Es folgt die aufwendige Umgestaltung des
Schloßparks im englischen Stil. Er holt den großen Karl Friedrich Schinkel, mit ihm
erhält er neue Entwürfe für Schloß und Garten, wie im berühmten Wörlitzer Park
werden Weiden und Kornfelder in das grüne Gesamtkunstwerk mit einbezogen. ,,Der
Park soll nur den Charakter der freien Natur und der Landschaft haben, die Hand des
Menschen also wenig darin sichtbar sein", so beschreibt Pückler seinen Stil. Ein Park
muß wie eine Gemäldegalerie sein, alle paar Schritte soll man ein neues Bild sehen.
Sein luxuriöser Lebenswandel und seine gärtnerische Leidenschaft (er beschäftigt
zeitweise 200 Arbeiter) übersteigen jedoch bei weitem seine ökonomischen Möglich-
keiten. Bald ist der Standesherr hoffnungslos überschuldet. Helfen kann nur noch
eine möglichst lukrative Heirat.
Mit dem weißen Hirschgespann fährt er in Berlin vor das Café Kranzler. Das macht
Eindruck. Doch wem gilt sein Werben? Der fast 10 Jahre älteren Lucie von Hardenberg, geschiedene Reichsgräfin von Pappenheim und Tochter des preußischen
Staatskanzlers Karl August von Hardenberg, - ihrer 19 jährigen Tochter Adelheid
oder der Pflegetochter Helmine? Berlin rätselt. Aber die Mutter macht das Rennen.
Pückler handelt Freiheit in allen Liebesdingen aus. Sie akzeptiert und freut sich,
Preußens attraktivsten Junggesellen mit nunmehr 40 Jahren noch ergattert zu haben. Pückler freut sich, denn die beiden hübschen Töchter hat er gratis noch dazubekommen.
Aber das Unerwartete tritt ein: Hermann und Lucie harmonieren; der Graf hat eine
Frau gefunden, die ihm zur späten Ersatzmutter, zur Freundin wird - und das ein Leben lang. Pückler und seine ,,Schnucke", so nannte er fortan seine Lucie; sie nannte
ihn ,,Lou"; beide teilen die gemeinsame Gartenleidenschaft mit dem Ziel eines
grandiosen Landschaftsparks an der Neiße. Für den zum Fürsten ernannten Pückler
kommt nun, dank der Mitgift seiner Frau, wieder Geld in die leere Kasse. Pückler
kauft den Bauern in der Umgebung Land ab, zunächst 2.000 Morgen, um sein
eigenes Parkgelände zu vergrößern. Überall in der Lausitz erwirbt er
20 bis 30 jährige Bäume, die er mit eigens dafür gebauten Pflanzwagen herbeischafft
und einpflanzen läßt. Wie es ihm gelingt, daß sie anwachsen, ist den
Gartenspezialisten auch heute noch ein Rätsel. Bald ist das letzte Geld im Park
„verbuddelt“. Da finden der Fürst und seine ,,Schnucke" die ldeallösung: eine
Proforma-Scheidung. Mit einem herzergreifenden Brief reicht sie die Scheidung ein.
Damit ist der Weg für Pückler frei, um sich eine neue, vermögende Frau zu suchen.
Es soll eine Engländerin sein. Über zwei Jahre verbringt der Fürst in England,
verkehrt in den besten Kreisen der „High Society“, erkundet englische
Landschaftsgärten und britische Ladys. Aber vergeblich. Willig sind zwar viele, aber
heiraten will ihn keine. Rückblickend betrachtet war das ganze Heiratsunternehmen
von vornherein zum Scheitern verurteilt. Pückler ist in England schon zu berühmt, vor
allem sein schlechter Ruf eilt ihm voraus. Er wird als ,,Prince Pickle" bekannt, und
Charles Dickens zieht in seinem Roman ,,Die Pickwickier" über Pückler her. Er gibt
ihm den Namen ,,Graf Smorltork" und führt ihn vor als einen, der schlecht Englisch
spricht, alles falsch versteht und trotzdem aus seinen Notizen dicke Bücher
zusammenschreibt. Pückler wendet sich kurzerhand dem Landadel zu, wo er auch
die besten Parkstudien machen konnte. Dort schätzt man seine landschaftsgärtnerischen Fähigkeiten, dort ist er willkommen. Und spätestens jetzt zeigt
sich das vielseitige Talent des Fürsten, wenn nicht gar sein Genie.
Alle seine Eindrücke des Lebens in England notiert Pückler sorgfältig in Briefen an
seine Frau. Und die hat die glorreiche ldee, diese amüsanten Schilderungen veröffentlichen zu lassen. Schon der erste Band dieser ,,Briefe eines Verstorbenen" wird
ein Bestseller. Goethe nennt die Briefe in einer Besprechung ,,ein für Deutschlands
Literatur bedeutendes Werk". Drei weitere Bände folgen. Er schreibt über alles: über
Liebe, Sex, Krankheit, Macht, Gier, Geldnöte, Haß und Neid der anderen - und natürlich über Parkgestaltung. Er schreibt ohne jegliche Prüderie und voller Ironie. Die
Bücher verkaufen sich deshalb rasant, weil er das Bürgertum erstmals an den Erfahrungen des Hochadels teilhaben läßt. Er ist ein Boulevardjournalist, der eine „daily
soap“ publiziert. Der Dandy berichtet über ein Milieu, das dem einfachen Bürger bis
dahin verschlossen ist. Das Geld, das hereinkommt, wird wiederum im Park zu
Muskau vergraben. Queen Elisabeth II. brachte ein besonders liebevoll ausgesuchtes Buchgeschenk bei ihrem letzten Besuch im Sommer dieses Jahres als Gastge-
schenk für die Bundesrepublik Deutschland mit: Eine in Pergament gebundene
Erstausgabe des Fürsten Pücklers ,,Briefe eines Verstorbenen" aus dem Jahre 1831.
Schon lange verfolgt Fürst Pückler einen Lieblingsplan, eine Reise in einen anderen
Erdteil. Ohne Lucie seine Absichten zu verraten, reist er zunächst nach Paris. Madame Récamier bringt ihn mit Chateaubriand zusammen, „dem Vornehmsten im Reiche des Genius in Frankreich". Bei einem Diner trifft er Balzac, ,,einen kleinen vergnügten Dicken mit großem Kopf und Kindergesicht...sehr witzig in der Unterhaltung,
ganz natürlich und anspruchslos“. Das Königspaar empfängt ihn in den Tuilerien.
Pückler führt die Königin zu Tisch. Ludwig Philipp sagt ihm Schmeicheleien über
seine Bücher und Pückler macht ihm Vorschläge für den Tuileriengarten. Durch ein
Duell verpaßt er die Schiffsabfahrt nach Amerika und entschließt sich kurzerhand für
Nordafrika.
Als Lucie ihn jammernd zur Heimkehr drängt, antwortet er: ,,Du bleibst Henne, ich
Ente. Das kann kein Gott mehr ändern." 1835 landet er in Algerien und wird 6 lange
Jahre Afrika und den Orient durchreisen. Ihn faszinieren die fremden Völker, der Reiz
der maurischen Baukunst, die Beduinen erscheinen ihm als eine der vollendetsten
Formen des Menschentums. Beim Abschied schenkt ihm der Bey von Tunis 4 Ochsen, 20 Schafe, 100 Hühner und viele Zentner Lebensmittel. Pückler zahlt damit
seine Überfahrt nach Malta und Griechenland. Er reist auf den Spuren von
Odysseus’ und trifft in Athen König Otto von Griechenland und dessen Vater König
Ludwig I von Bayern. König Otto versucht ihn in Griechenland ansässig zu machen,
indem er ihm eine Besitzung von 2.000 Morgen schenken will. Aber Pückler zieht
weiter über Kreta nach Ägypten. Mehmed Ali, König von Ägypten, begrüßt ihn mit
Kanonenschüssen und stellt ihm ein Palais mit Dienerschaft zur Verfügung. Nun lebt
Fürst Pückler seinen Traum als Herrscher im Orient. Er besichtigt alles, ritzt seinen
Namen in die Pyramiden ein, schaut sich die Stadt Theben an, reitet mit den
Karawanen durch die Wüste, fährt auf einer Nilbarke nilaufwärts bis tief in den Sudan
hinein. Seit er im Orient ist, kleidet er sich nur noch orientalisch und das behält er
sein ganzes Leben bei. Der unerwartete Erfolg seiner Briefe aus England hat
Pücklers literarisches Talent bestätigt, so beschließt er, weiter zu schreiben, und es
entstehen die weiteren Reiseberichte. Der Publikumserfolg ist enorm. Schreibt er
anfangs nur aus Vergnügen an der Schriftstellerei, so kommt bald die Freude an den
zusätzlichen Geldquellen hinzu. ,,Ich verdiene mehr als Schiller, Herder und
Jean Paul", schreibt er seiner Schnucke. Auf dem Sklavenmarkt in Kairo kauft er eine
blutjunge Abessinierin von noch nicht 14 Jahren, die ihm Tochter, Begleiterin,
Gespielin und Geliebte wird. Pückler bereist Palästina und kommt nach Syrien, lebt
in Aleppo und reist weiter nach Konstantinopel, von da aus zurück nach Budapest bis
nach Wien.
Machbuba, seine gekaufte Sklavin, ist dabei. Er hat ihr europäische Kleidung gekauft
und lehrt sie italienisch, damit nur sie beide sich in dieser Sprache unterhalten können. In Wien gibt er sie als sein Adoptivkind aus, was ihm natürlich keiner glaubt.
Man reißt sich um die beiden, sie werden ständig eingeladen, sie wird sogar bei Hofe
vorgestellt und auch Franz Liszt bestaunt die exotische Schönheit. Alle sind neugierig, nur eine ist entsetzt, und das ist Schnucke, seine geschiedene Frau. Bisher hat
sie alle Amouren ihres Mannes geduldet aber eine Farbige aus Äthiopien, das ist zu
viel. Doch ehe es zum Krach kommt, erkrankt Machbuba, sie magert sichtlich ab,
auch der Leibarzt vom Fürsten Metternich kann ihr nicht helfen. So kommt sie
sterbenskrank nach Muskau, und Schnucke flieht nach Berlin. Pückler muß mit nach
Berlin, so daß Machbuba allein, nur betreut von den Dienern und dem Arzt, an dem
Lungenleiden stirbt, in einem kalten Land, einsam und allein, das nicht ihre Heimat
ist. Ihr kleines Grab ist heute noch auf dem Muskauer Friedhof zu besichtigen.
1845 ist das hoch verschuldete Schloß Muskau nicht mehr zu halten, Pückler muß es
verkaufen und findet einen Käufer in dem General von Nostiz, der es für 1,7 Mill.
Taler übernimmt. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er schuldenfrei!
Fürst Pückler ist in aller Welt ein gesuchter Berater bei der Anlage künstlerischer
Parklandschaften. Sein bedeutendes Werk, „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei", gilt bis in unsere Tage als Bibel der Gartenarchitekten. Gerade an den
zahlreichen Abbildungen, die von Gottfried Semper sind, wird deutlich, daß Pückler
sich als ,,Naturmaler" verstanden wissen wollte, als Schöpfer idealer Bilder. ln
Amerika ist gerade wieder eine neue Ausgabe dieses Werkes herausgekommen;
eine Erstausgabe von 1834 wurde in New York für 70.000 Dollar versteigert.
Es meldet sich Kronprinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm bei ihm, er solle den
Park von Babelsberg neu erschaffen, denn der berühmte Gartenarchitekt
Peter Joseph Lenné ist in Ungnade gefallen. Auch vom Bodensee kommt der Ruf
nach Schloß Arenenberg; Hier lebt der spätere Kaiser Napoleon lll., der ihn zu sich
bittet, um den Park neu zu gestalten. Als Kaiser der Franzosen wird er später den
Stadtpark „Bois de Bologne“ in Paris mit Fürst Pückler neu erschaffen. Der Park von
Schloß Wilhelmsthal, die Sommerresidenz der Herzöge von Weimar, wird von ihm
neu gestaltet - und auch der Ettersberg trägt seine Handschrift. Sein neuer Sitz wird
Schloss Branitz bei Cottbus, der alte Familienbesitz, um den sich Pückler bisher
kaum gekümmert hat. Auch hier packt ihn wieder die Parkleidenschaft und er
schreibt an Lucie: ,,Was daraus wird nach unserem Tode, ist ja vollkommenste
Nebensache. Nichts ist ewig, aber ewig schaffen, ist göttlich!"
Fürst Pückler beginnt mit 60 Jahren noch einmal ganz von vorn. Die Wiederherstellung des Schlosses überträgt er Gottfried Semper aus Dresden. Eine Pergola wird
mit Medaillons von Thorwaldsen geschmückt. Eine Rosenlaube weiht er mit goldener
Büste der berühmten Sängerin Henriette Sonntag, die er einst in England so sehr
geliebt hat. Er beginnt mit der Gestaltung des Parks, an dem er bis zu seinem Lebensende 1871 arbeitet. Er verwirklicht seinen Traumpark und erschafft sein gärtnerisches Glanzstück. Was er vorfindet, ist vergleichsweise erbärmlich, ödes Land,
märkischer Sandboden, keine Bäume, für anspruchsvolle Pflanzungen ungeeignet.
100.000 Kubikmeter Erde werden herangeschafft, ein künstlich angelegtes Gewässersystem mit Kanälen Teichen und Seen, gespeist von der Spree wird geschaffen.
Außerdem gelingt es ihm, jahrhundertealte Bäume zu verpflanzen.
Es entsteht etwas Neues, was die Gartenarchitekten einen ,,zonierten Park" nennen.
Von dem Aushub der künstlichen Seen läßt er zwei Erdpyramiden bauen.
Die größere Pyramide steht mitten im See, mißt eine Höhe von 13 m und ist 40m
breit und ebensolang. Sie wird die Begräbnisstätte des Fürsten. Der Tumulus, wie er
genannt wird, ist 1863 fertig und wird mit wildem Wein bepflanzt, der im Herbst zum
spektakulären ,,Pyramidenfeuer" auflodert. ,,Mein Tumulus wird bleiben, solange die
Erde besteht" - und Pückler hat Recht behalten, denn seit über 150 Jahren steht die
Pyramide mit ihrer majestätischen Ausstrahlung im See. Ein grünes Grab, extravagant und geheimnisvoll, die letzte Ruhestätte am Ende eines brisanten, abenteuerlichen Lebens.
Die Reichsgräfin, der Pückler auch an körperlicher Rüstigkeit voraus ist, überlebt er
um fast 17 Jahre. Bis an ihr Ende 1854 mit 78 Jahren, das sie zum Schluß im Rollstuhl verbringen muß, tut Pückler alles, um ihr das Leben angenehm zu machen. Ein
großes Rosenbeet pflanzt er mit einem geschwungenen „S“ für Schnucke und er
selbst schiebt sie zum Fenster, damit sie das Beet sehen kann. Diese ungewöhnliche
Ehe wird 1826 geschieden, aber wirklich geschieden hat die beiden nur der Tod.
Fürst Pückler führt nach Lucies Tod ein offenes, gastfreundliches Haus. Die Empfänge werden kleiner bleiben, aber auserlesen. Dafür sorgt als Hofmarschall
der Liliputaner Billy Masser und der schwarze Diener Joladur; die Briefe und
Depeschen bringt der Schnelläufer Ernst Mensen in Livrée schneller als die Post in
das 100 km entfernte Berlin - und am Flügel im Musikzimmer spielen bisweilen Clara
Schumann und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Neben seiner Leidenschaft als
Parkgestalter sind seine vielen Frauenfreundschaften das zweite große Thema
seines Lebens. Mit den Briefen verzaubert er deren Empfängerinnen, zu denen fast
alle berühmten Frauen seiner Zeit zählen. Das Briefeschreiben gehört gleichsam zur
Routine eines Kavaliers, die Frauen verstanden es als Gesellschaftsspiel. Ja, Fürst
Pückler sammelt sogar die Liebesbriefe nicht aus sentimentaler Erinnerung, sondern
um diese systematisch wiederverwenden zu können. Dafür kauft er sich einen
riesigen extrem teuren Kopierapparat, der erste auf dem Markt. Er schreibt poetische
Liebesbriefe: ,,Kaum weiß ich selbst, was ich schreibe, Tränen unterbrechen mich
bei jeder Zeile, und ich habe keinen Wunsch, als zu ihren Füßen zu sterben."
Antworten wie: ,,Vor Entzücken über den himmlischen Brief bin ich außer mir", die
der 75Jährige Pückler von der jungen 20-Jährigen Ada von Treskow erhält, mögen
ihm sehr gefallen haben. Eine Seelenverwandte sieht Pückler in Bettina von Arnim,
die ähnlich unkonventionell war wie er. Gern schmückt sie sich mit der Bekanntschaft
berühmter Männer, die sie ,,Liebhaber" nennt. Der Fürst nennt ihr Verhältnis zu
einander ,,Gehirnsinnlichkeit", aber eine Affäre will er nicht. Sie schreibt ihm zärtliche
Liebesbriefe und droht nach Muskau zu kommen.
Pückler bittet Lucie inständig ihm zu helfen, dieses zu verhüten. Doch Bettina kommt
und wird nach ihrem unmöglichen Betragen vom Fürsten des Schlosses verwiesen.
Sein Erfolg bei dem schönen Geschlecht beruht wohl auf zwei Dingen. Er ist ein
schöner, stattlicher Mann und noch im Alter, mit weißem Haar und Vollbart, äußerst
vital, immer Kavalier, flirtet er, erobert die Damen mit Charme und erwartet - Diskretion. Aristokratinnen, Künstlerinnen, Bürgerliche, Zofen und Mädchen aus dem Volke,
Schöne und Häßliche, Alte und Junge lockt er gleichmäßig in seine Zaubernetze und
zwar zu allen Zeiten seines Daseins vom Beginn seiner Laufbahn als junger Offizier,
sowie als Alter vom Berge mit dem Silberhaar. Pückler wechselt die Liebschaften
rasch, was gelegentlich dramatische Folgen hat. So ertränkt sich Napoleons Nichte
Laetitia, weil Pückler sie verlassen hat und die Autorin Sarah Austin, verfolgt ihn mit
heftigsten Liebesbriefen, hört damit erst auf, als Pückler ihr droht sie zu veröffentlichen.
Welch eine physische Kraft und wieviel Phantasie sind erforderlich, um mit
500 berühmten Personen ein Leben lang Briefe zu wechseln, die am Ende allein auf
Pücklers Seite 80.000 Blatt umfassen? Und das sind nur die Briefe, die er in späteren Jahren erst kopieren konnte. Heute steht ein Brief-O-Mat am Schloß, wo man
sich Liebesbriefe à la Pückler ziehen kann. Ja, Fürst Pückler und die Frauen! Ein
weites Feld!
Besieht man sich das Feld genauer, so fragt man nach den Kindern, den Nachfolgern. Warum starb er kinderlos? Keine rechtmäßigen aber auch keine Kinder zur
linken Hand. War er wirklich der Casanova, wie er immer geschildert wird? Ein ÄrzteEhepaar aus Hamburg hat in den 80-ziger Jahren recherchiert und geforscht über
das Liebesleben des Fürsten und kam zu dem Ergebnis, daß Pückler impotent gewesen sein muß. ----- Wir können es nicht beweisen. Er selbst gefiel sich in der Rolle
des großen Liebhabers, des Frauenhelden und Kavaliers. Seine Welt gibt es nicht
mehr. Sie ist vergangen. Geblieben sind sein Lebenswerk, seine Parkschöpfungen,
seine Bücher und die Briefe. Er schreibt kurz vor seinem Tod 1871: ,,lch kann mit
dem beruhigten Gedanken sterben, nicht wie ein Kohlstrunk vegetiert zu haben, sondern zurückzulassen, was meinem Namen Jahrhundertelang vielleicht mit Ehre und
Liebe nennen lassen wird. Das gleicht gar viele Irrtümer aus, denn die 1. aller
Pflichten ist Tätigkeit, nach Gottes Ebenbilde etwas zu wollen, etwas zu schaffen.
Kunst ist das Höchste und Edelste im Leben, weil es Schaffen zum Nutzen der
Menschheit ist. Nach Kräften habe ich dies mein langes Leben hindurch im Reich der
Natur geübt."
-
Fürst Pückler liebte im Alter die Tafelrunde,
in Gesellschaft wenige, aber ausgesuchter Gäste! Er befolgte danach die alte Kant'sche Regel:
,,Nie unter der Zahl der Grazien,
noch über der Zahl der Musen."
(Denn wenn die Grazien oder Musen zugegen bleiben sollen,
dann nicht unter 3 und nicht über 9.)
Literaturhinweis - von Frau Drewes empfohlen:
Friedrich, Bernd Ingo: Tafeln wie Fürst Pückler.
Schloß Branitz