Tierschutz Halle e.V. und Menschen für Tierrechte

Antworten der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt auf die Fragen
von Tierschutz Halle e.V. und Menschen für Tierrechte –
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
1. Tierversuche und tierversuchsfreie Methoden
Die EU-Tierversuchsrichtlinie fordert als „letztendliches Ziel“, Verfahren mit lebenden Tieren für
wissenschaftliche Zwecke und Bildungszwecke vollständig durch die Anwendung tierversuchsfreier
Verfahren zu beenden. Es bedarf dringend einer Gesamtstrategie für den vollständigen Ausstieg aus
dem Tierversuch.
1.1
Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um in Sachsen-Anhalt die
Tierversuchszahlen deutlich zu vermindern (z.B. durch Aufstockung der Fördermittel
für die Entwicklung tierversuchs- und tierfreier Verfahren, tierversuchs- und
tierverbrauchsfreie Studiengänge in den Lebenswissenschaften, Finanzierung von
Lehrstühlen/Professuren für tierversuchsfreie Methoden)?
DIE LINKE unterstützt grundsätzlich Bemühungen, die darauf gerichtet sind, den Umfang der
Tierversuche zu reduzieren und die Belastungen der Versuchstiere in der Haltung und im Experiment
zu senken. Extreme Belastungen sollen ausgeschlossen werden. DIE LINKE setzt sich dafür ein, im
Rahmen der Hochschuldemokratie die Debatte über wissenschaftsethische Fragen zu beleben und
vor wichtigen Entscheidungen und Weichenstellungen in Lehre und Forschung zu führen. Daran
sollen alle Statusgruppen angemessen beteiligt werden.
Diese ethische Debatte und Abwägung sehen wir auch in den Fragen zur Legitimität von Versuchen
mit lebenden Tieren für unabdingbar. Eine weitgehende Reduzierung der Tierversuche muss im
Interesse einer ethisch verantwortungsvollen Lehre und Forschung selbst liegen.
Die Einrichtung von Lehrstühlen, Professuren oder Instituten liegt in hohem Maße in der
Verantwortung der Hochschulen. DIE LINKE. Sachsen-Anhalt beabsichtigt nicht, in diesen Fragen in
die Hochschulautonomie einzugreifen. Ggf. notwendige Veränderungen sind im Rahmen der
vereinbarten Hochschulbudgets zu realisieren.
Wir begrüßen Forschungen, die darauf gerichtet sind, Tierversuche zu reduzieren oder durch andere
Verfahren zu ersetzen. Vor allem in der Sache relativ leicht zu ersetzende Tierversuche zur
Entwicklung und Erprobung von wirtschaftlich verwertbaren Produkten sehen wir äußerst kritisch.
Sie sollten überwunden werden.
Die Verwendung von Wildfängen für Tierversuche ist grundsätzlich zu verbieten.
1.2
Werden Sie sich auf Bundesebene für mehr Tierschutz in der
Tierschutzversuchstierverordnung einsetzen?
EU-rechtlich ist es zulässig, absolute Verbote für Versuche an Menschenaffen, für
schwer belastende Tierversuche und für die Ausweitung der Affenversuche national
anzuordnen. Ebenso ist es rechtlich zulässig, eine rückblickende Bewertung aller
Tierversuche vorzuschreiben.
Im Entschließungsantrag zur Novelle des Tierschutzgesetzes vom Dezember 2012
(Bundestagsdrucksache 17/11853) hatte DIE LINKE ein generelles Verbot von Tierversuchen mit
schweren und voraussichtlich lang anhaltenden Schmerzen und Leiden; die Einschränkung von
Tierversuchen durch Stärkung der Forschung und Förderung von Alternativmaßnahmen zum
Tierversuch und ein Verbot aller bereits ersetzbaren und nicht medizinisch notwendigen
Tierversuche sowie ein generelles Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen gefordert.
Diese Forderungen hält DIE LINKE auf Bundesebene auch in der Debatte um die
Tierschutzversuchstierverordnung aufrecht.
1.3
Werden Sie die Streichung des Wortlauts „…wissenschaftlich begründet dargelegt…“
in § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes verfolgen? Nur dann dürfen die
Genehmigungsbehörden eigenständig die tierschutzrechtlich geforderte
Unerlässlichkeit des beantragten Tierversuchs ermitteln. Dieses uneingeschränkte
Prüfrecht schreibt die EU-Tierversuchsrichtlinie 2010/63/EU vor. Aufgrund der
rechtlich falschen Formulierung im Tierschutzgesetz „…wissenschaftlich begründet
dargelegt…“ dürfen deutsche Genehmigungsbehörden die Angaben des
Antragstellers nur auf Schlüssigkeit prüfen, aber keinesfalls eigenständig ermitteln.
Siehe dazu die Beantwortung der Fragen 1.1. und 1.2.
1.4
Von der Entwicklung einer tierversuchsfreien Methode über die Validierung bis zur
Umsetzung in der entsprechenden Gesetzgebung ist es ein langer Weg, der durch
eine ungesicherte Finanzierung zusätzlich verlängert wird. Plant Ihre Partei
Fördermaßnahmen, damit wissenschaftliche Forschung, die potenziell geeignet ist,
den Tierversuch abzulösen, schnellstmöglich die Praxisreife erreicht?
Wie bereits ausgeführt, setzt sich DIE LINKE generell für eine Paradigmenwechsel bei Tierversuchen
ein. Tierversuche sollen demnach auf das unvermeidbare Maß eingeschränkt, in zahlreichen
Bereichen soll ganz auf Tierversuche verzichtet werden. Eine Sonderforschungsförderung zur
Ablösung von Tierversuchen hat DIE LINKE. Sachsen-Anhalt in ihrem Wahlprogramm nicht
beschlossen. Auf die Antwort zu Frage 1.1. wird erneut hingewiesen.
Landwirtschaft
Die derzeit praktizierte landwirtschaftliche Tierhaltung ist aus Tierschutzgründen sowie aus Umweltund Verbraucherschutzgründen nicht zukunftsfähig. Das bestätigt das Gutachten des
wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft (März 2015).
2.1
Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen, um die Tierquälereien in der
landwirtschaftlichen Tierhaltung zu beenden? Unterstützt Ihre Partei die
Bundesratsinitiative von Hessen für ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung
von Rindern? Unterstützt Ihre Partei die Bundesratsinitiative von NordrheinWestfalen, verbindliche Haltungsvorgaben für Puten in der
Nutzierhaltungsverordnung festzulegen?
DIE LINKE hat in ihrem Entschließungsantrag zum Tierschutzgesetz (vgl. Bundestagsdrucksache
17/11853) deutlich gemacht, wie aus ihrer Sicht das Tierwohl gestärkt werden kann. Unter
anderem mit einem unverzüglichen Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration, der Käfighaltung
von Geflügel, der Anbindehaltung bei Rindern oder der Verstümmelung von Geflügel und Schweinen
in der Nutztierhaltung. Haltungssysteme sollen an die Tiere angepasst werden – nicht umgekehrt.
2.2
Verfolgt Ihre Partei Maßnahmen, um die Pflanzenproduktion im Land zu erhöhen?
Erscheint eine Förderung der bioveganen Landwirtschaft möglich?
DIE LINKE unterstützt Vorhaben, die sowohl konventionelle Landwirtschaft, als auch Ökolandbau
unterstützen. Moderne Zweige der Landwirtschaft, die eine Vielfalt fördern, wie etwa die biovegane
Landwirtschaft, sind ebenso so unterstützen.
3. Tierschutzpolitik
Der gesellschaftspolitische Stellenwert des Tierschutzes wächst beständig.
3.1
Die tierschutzpolitische Sprecherfunktion in der Fraktion ist wichtig. Welche
Kandidatin/welcher Kandidat wird vorbehaltlich der Wahlergebnisse in der
kommenden Legislaturperiode die Funktion der Tierschutzpolitischen
Sprecherin/des tierschutzpolitischen Sprechers übernehmen?
Die Festlegung und Ausgestaltung von Sprecherfunktionen ist Angelegenheit der neugewählten
Fraktion.
3.2
Was ist Ihrer Partei für die Fortentwicklung des Tierschutzes in der nächsten
Legislaturperiode besonders wichtig und wie will Ihre Partei dieses Ziel/diese Ziele
erreichen?
Die LINKE. Sachsen-Anhalt hat sich seit Jahren für ein Verbandsklagerecht für anerkannte
Tierschutzvereine ausgesprochen. Diese Forderung wurde mit der Einbringung des Gesetzentwurfes
in der sechsten Legislaturperiode umgesetzt. Ziel des Gesetzes ist es, ein verbindliches,
einklagbares Mitwirkungsrecht und ein Klagerecht für anerkannte Tierschutzverbände einzuführen.
Nur so können die Tiere vor Leiden und Schmerzen durch Handeln oder in Folge des Handelns von
Menschen geschützt werden. DIE LINKE. Sachsen-Anhalt wird diese Forderung auch in der
kommenden Wahlperiode aufrechterhalten. Darüber hinaus werden die Probleme der Haltung von
Wildtieren und gefährlichen Tieren im Wohnbereich thematisiert werden. Im Interesse der Tiere und
der Sicherheit der Menschen erscheint es uns wichtig, dass hier Lösungen gefunden werden.
4. Tierschutzpädagogik
Tierschutz und Tierrechte sind bisher kein eigenständiges Unterrichtsfach in der Schule. Tierschutz
ist aber ein gesamtgesellschaftlicher Bildungsauftrag. Themen wie Tierversuche, industrielle
Tierhaltung und deren Auswirkungen, Jagd, Zirkus, Pelz u. a. müssen im Unterricht tierschutz- und
altersgerecht umgesetzt werden, um unseren zukünftigen Generationen elementares Wissen über
einen ethischen Umgang mit unseren Mitlebewesen zu vermitteln.
4.1
Verfolgt Ihre Partei, dass die Tierschutz- und Tierrechtserziehung zu einem festen
Bestandteil der Lehrpläne, der Lehrer-Ausbildung und der Unterrichtsmaterialien im
Land werden?
DIE LINKE. unterstütz die Fragen des Tierschutzes stärker in den schulischen Bildungsprozess zu
verankern. In unseren bildungspolitischen Zielen gehen wir davon aus, dass die inhaltliche
Schulreform einer modernen Allgemeinbildung verpflichtet sein muss. In diesem Sinne zielen unsere
Konzepte auf eine Entwicklung vom wissenszentrierten Lernen zu einem kompetenzorientierten
Bildungsprozess, der sich an „epochaltypischen Schlüsselproblemen unserer kulturellen,
gesellschaftlichen, politischen, individuellen Existenz“ (Wolfgang Klafki) orientiert. Einer solchen
inhaltlichen Ausrichtung des Lernens in der Schule soll auch das Lehramtsstudium adäquat sein.
In diesen Gesamtzusammenhang ordnen wir die Inhalte des Tierschutzes ein.
Wir gehen davon aus, dass die kompetenzorientierten Lehrpläne und die Rahmenrichtlinien
genügend Spielraum bieten, auch Themen des Tierschutzes als integralen Bestandteil in
verschiedenen Fächern angemessen zu behandeln.
Zur Sensibilisierung der Lehrkräfte sollten auch die Tierschutzorganisationen einen Beitrag leisten.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass solches Engagement in geeigneter Form ermöglicht wird.
5. Tierschutz-Verbandsklage
Ihre Partei tritt für die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage im Land ein und hatte einen
Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der mit den Stimmen von CDU und SPD abgelehnt
wurde. Die CDU hat in der letzten Legislaturperiode sowie in ihrem aktuellen Wahlprogramm erklärt,
dass sie das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände verhindern will.
5.1
Wird Ihre Partei in der neuen Legislatur erneut einen Gesetzentwurf in den Landtag
einbringen?
Ja, DIE LINKE. Sachsen-Anhalt wird diese Forderung aufrechterhalten, die neugewählte Fraktion
einen diesbezüglichen Gesetzentwurf nach entsprechender Beschlussfassung erneut in den Landtag
einbringen.
6. Tierschutzrechtlicher Vollzug
Ob geltendes Tierschutzrecht im Alltag durchgesetzt wird, hängt entscheidend von den
amtstierärztlichen Kontrollen ab. Die Veterinärämter sind für die stetig wachsenden Aufgaben
unzureichend ausgestattet.
Routine-Kontrollen der landwirtschaftlichen Tierhaltungen werden nur ausnahmsweise durchgeführt
mit schlimmen Folgen. Das zeigt u.a. der Großbrand in der Teuschenthaler Schweinemastanlage
(Sommer 2014), in der die gemäß Bauordnung vorgeschriebenen Brandschutzeinrichtungen fehlten.
2.400 Schweine verbrannten.
6.1
Welche Maßnahmen verfolgt Ihre Partei, um den Vollzug tierschutzrechtlicher
Vorschriften sicherzustellen?
6.2
Verfolgt Ihre Partei eine Bedarfsermittlung durchzuführen, um in einem ersten
Schritt einen Personalschlüssel zur bedarfsgerechten Ausstattung der
Veterinärämter zu erstellen?
6.3
Verfolgt Ihre Partei in einem weiteren Schritt, die angemessene personelle
Ausstattung der Veterinärämter durch die Landkreise zu unterstützen?
Die Fragen 6.1-6.3. werden im Verbund beantwortet.
DIE LINKE setzt sich für eine bessere Personalausstattung ein, um den Vollzug tierschutzrechtlicher
Vorschriften sicher zu stellen. Neben der Aufstockung von Personal ist auch die Entfristung von
Arbeitsverträgen in diesem Bereich eine Maßnahme, die im Konzept zur Personalentwicklung der
Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt formuliert wurde.
Feste Personalschlüssel festzulegen, entspricht nicht unseren Vorstellungen.