WUNIBALD MÜLLER Wenn der Geist die Seele berührt Für eine dynamische Spiritualität M AT T H I A S - G R Ü N E W A L D - V E R L A G Der Matthias-Grünewald-Verlag ist Mitglied der Verlagsgruppe engagement Alle Rechte vorbehalten © 2007 Matthias-Grünewald-Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern www.gruenewaldverlag.de Gestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Umschlagabbildung: PhotoCase.com Gesamtherstellung: Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern ISBN 978-3-7867-2671-5 Inhalt 7 Vorwort 10 Dynamische Spiritualität und spirituelle Abkürzung 10 Eine Spiritualität, die antreibt und lebendig hält 13 Im Zusammenbruch einen Durchbruch erleben 17 Sich der Wirklichkeit des Lebens stellen 20 Wer nicht er selbst wird, hat nicht gelebt 23 Selbstverwirklichung als Selbst-Werdung 26 Die Annahme meiner Selbst 29 Geerdete Spiritualität 32 Zu den wahren Gefühlen stehen 35 Gottesliebe und Menschenliebe gehören zusammen 38 Vom Ich zum Du 41 Menschwerdung – ein mühevoller Weg 46 Dynamische Spiritualität und Psychotherapie 46 Psychische Probleme nicht überspielen 50 Psychotherapeutische Bearbeitung und spirituelle Praxis 54 Psychotherapie als Seelsorge 56 Wenn der Geist die Seele berührt 60 Der/die Therapeut/in als spiritueller Mensch 62 Mit dem mystischen Grund und der göttlichen Quelle in uns in Berührung kommen 65 Den geheimnisvollen mystischen Tanz tanzen 68 Bedingungslose Liebe 72 Gottes Gegenwart erfahren 74 Von der Erfahrung des Zugrundegehens 75 Nur eine schmale Wand ist zwischen mir und Gott 78 Loslassen und überlassen können 83 Psychotherapie als Förderin einer dynamischen Spiritualität 86 Dynamische Spiritualität und spirituelle Deformationen 87 Unmäßigkeit, Anspruchsdenken und Selbstüberschätzung 90 Treue im Kleinen 92 Dogmatismus und Ich-Aufblähung 95 Der Anspruch, heilig zu sein 97 Selbstentfremdung 100 Narzissmus 103 Nimm dich nicht so wichtig 104 Gott ist die Liebe 111 Epilog 113 Anmerkungen Vorwort Es dürstet meine Seele nach Gott, nach Gott, dem Lebendigen Psalm 42 Nicht alles Fromme ist wirklich fromm, soll Karl Rahner gesagt haben. Wie oft könnte man das sagen, wenn man genauer hinschaut, was sich hinter so manchem scheinbar Frommen verbirgt. Mir fällt dieser Satz vor allem ein, wenn Menschen ihre Weigerung, sich dem Leben zu stellen, geistlich verbrämen. Oder wenn ich Menschen erlebe, die mit einem betont spirituellen Anspruch auftreten, sich äußerst fromm geben; ein genaues Hinschauen einen aber lehrt, dass sie die einfachsten Regeln, die sich aus Respekt, gar Liebe gegenüber dem Mitmenschen ergeben, ständig mit Füßen treten. Im Folgenden will ich aus einer psychotherapeutischen und geistlichen Sichtweise das Fromme oder besser gesagt das sogenannte Fromme etwas näher unter die Lupe nehmen. Ich orientiere mich dabei an John Wellwood, einem Psychotherapeuten aus den USA, der von spiritual bypassing, also spiritueller Abkürzung spricht, wenn durch eine bestimmte spirituelle Einstellung und Praxis normale und notwendige menschliche Entwicklungs- 7 schritte abgekürzt, wichtige und lebensnotwendige menschliche Bedürfnisse und Wünsche nicht ernst genommen und tatsächlich vorhandene psychische Defizite oder menschliche Unzulänglichkeiten verharmlost werden. Dann verdeckt Spiritualität die Angst oder Feigheit vor dem Leben, statt zur Bewältigung dieser Angst beizutragen, und lässt damit Lebendigkeit verkümmern. Sie wird dazu missbraucht, menschliche Defizite oder psychische Defekte zu verbrämen oder zu kaschieren. Wird eine »spirituelle Abkürzung« genommen, soll die religiöse 8 Praxis oft auch eine Psychotherapie ersetzen oder wird gar als deren Gegensatz verstanden. Ein eigenes Kapitel zum Thema Spiritualität und Psychotherapie soll daher aufzeigen, wo Spiritualität und welche Spiritualität nach meiner Erfahrung und Überzeugung in der Psychotherapie eine wichtige Rolle spielen kann, wo sich Spiritualität und Psychotherapie gegenseitig bereichern können und wo ihre jeweiligen Grenzen liegen. In einem weiteren Kapitel gehe ich auf spirituelle Deformationen ein, bei denen sich eine Verwandtschaft zur spirituellen Abkürzung aufzeigen lässt. Hier vernebelt die Spiritualität oder die spirituelle Aura, mit der sich manche Menschen umgeben, ihr in Wirklichkeit unverantwortliches und selbstherrliches Verhalten. Spiritualität wird dann z. B. bei der Ausübung eines geistlichen Amtes oder der Wahrnehmung einer angenommenen geistlichen Berufung dazu benutzt, manchmal dazu missbraucht, menschliche Unzulänglichkeiten wie Anspruchsdenken, Selbstüberschätzung oder narzisstisches Verhalten zu verschleiern. Auf der Folie spiritueller Abkürzung, spiritueller Deformationen und dem Dialog mit Erfahrungen aus der Psychotherapie versuche ich, immer wieder Kennzeichen und Kriterien einer lebendi- gen und dynamischen Spiritualität aufzuzeigen, die ihre eigentliche Dynamik aus dem Glauben und der Überzeugung entfalten kann: »Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm« (1 Joh 4,16). In diesen Worten aus dem ersten Johannesbrief ist, so Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Deus caritas est, »die Mitte des christlichen Glaubens, das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges in einzigartiger Klarheit ausgesprochen.« Eine dynamische und lebendige Spiritualität wird immer auch daran gemessen werden, inwieweit sie dazu beiträgt, dass alles, was wir tun, vor Gott, der die Liebe ist, und vor der Liebe zu Gott bestehen kann. Das stellt auch eine große Herausforderung für die Kirchen dar. Daher gehe ich am Schluss auch auf diese Herausforderung ein. Ich widme dieses Buch meiner Schwester Maria Weckbach zu ihrem 60. Geburtstag und Ruth Franck zu ihrem 70. Geburtstag. Andrea Langenbacher vom Matthias-Grünewald-Verlag danke ich für die gute Zusammenarbeit bei der Bearbeitung und Erstellung des Buches. Wunibald Müller 9
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