Steuerfragen, Finanzmarktarchitektur, Regulierung Referat Claude

Es gilt das gesprochene Wort
Medienkonferenz vom 17. September 2015
Claude-Alain Margelisch, CEO, Schweizerische Bankiervereinigung
Steuerfragen, Finanzmarktarchitektur, Regulierung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Lassen Sie mich nahtlos an die Punkte anknüpfen, die unser Präsident ausgeführt hat. Die
Rolle der Banken in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft lässt sich anhand dreier aktueller
Dossiers konkretisieren. Es sind
1. Steuerfragen, insbesondere der automatische Informationsaustausch,
2. die Finanzmarktarchitektur,
3. die Verbesserung des Regulierungsprozesses.
AIA und Steuerfragen
Die Zeit reicht nicht aus, um die ganzen Steuerthemen zu behandeln, die im vergangenen
Jahr wichtig waren. Ich kann hier nur die Revision des Steuerstrafrechts, die Verschiebung
der Verrechnungssteuerreform, die Aufnahme von Steuerdelikten als Vortaten zur
Geldwäscherei in die entsprechenden Regelwerke und den anstehenden Peer ReviewProzess des Global Forums über die Steuertransparenz nennen. Wir erwarten, dass das
Schweizer Steuersystem aus der Optik einer Gesamtschau ausgestaltet wird. Hastige
kleinteilige Neuregelungen führen zu einem Flickwerk, das der Wettbewerbsfähigkeit des
Schweizer Finanzplatzes abträglich ist. Das gilt insbesondere für das zentrale Dossier in
Steuerfragen, den automatischen Informationsaustausch. Die Banken wollen ein
kompliziertes Nebeneinander von mehreren Lösungen verhindern und sprechen sich
deshalb in der Öffentlichkeit und im Dialog mit Bern dafür aus, dass es nur einen Standard
geben soll.
Medienkonferenz der SBVg vom 17.9.2015 – Referat von Claude-Alain Margelisch
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Spätestens mit der Matter-Initiative werden die Schweizer Bürgerinnen und Bürger
entscheiden müssen, wie sie im Inland mit einem Meldeverfahren umgehen werden. Wie
Sie wissen, lehnen wir die Matter-Initiative ab. Als Branchenverband müssen wir die
Interessen unserer Mitglieder vertreten: Eine fundierte Analyse von René Matteotti,
Rechtsprofessor an der Universität Zürich, zeigt, dass die Banken bei einer Annahme der
Initiative verschärfte Haftungspflichten und höhere Kosten fürchten müssten. Der
automatische Informationsaustausch im Inland ist daher für die Banken eine prüfenswerte
Option. Er belässt die Verantwortung für die Erfüllung der Steuerpflichten dort, wo sie
hingehört, nämlich beim Kunden.
Doch der automatische Informationsaustausch im Inland ist eine innenpolitische
Diskussion, der sich letztlich der Stimmbürger stellen muss. Das Stimmvolk wird
demzufolge wichtige Weichen stellen. Eine Meinungsumfrage der SBVg hat in diesem
Frühjahr ergeben, dass zwar 85 Prozent der Befragten der Schutz der finanziellen
Privatsphäre wichtig ist, dass aber fast drei Viertel aller Befragten annehmen, dass die
Steuertransparenz in der Schweiz nicht zu vermeiden ist. Die Banken werden ihrerseits
zur Diskussion beitragen, indem sie aufzeigen, welche praktischen Folgen die Entscheide
zur Ausgestaltung der Privatsphäre hätten.
Vorderhand aber muss der AIA mit anderen Ländern umgesetzt werden. Aus Sicht der
Schweizer Banken ist zentral, dass für alle Finanzplätze die gleichen Regeln gelten.
Ausnahmen darf das zuständige Kontrollgremium, das Global Forum, nicht zulassen. Wir
haben klare Erwartungen, nach denen die Verhandlungen mit anderen Ländern geführt
werden sollen; die Kriterien hat Ihnen Patrick Odier genannt. Die politische Verantwortung
für das Vorgehen der Schweiz trägt Bern, nicht die Banken.
Die Überführung von Geldern bestehender Kunden in die Steuerkonformität ist sehr weit
vorangeschritten beziehungsweise läuft derzeit immer noch auf Hochtouren. Exemplarisch
möchte ich Grossbritannien, Österreich, Deutschland und die USA nennen: Kunden aus
diesen Herkunftsländern haben praktisch kein unversteuertes Geld mehr in der Schweiz.
In Italien und Frankreich wurden auch Lösungen für die Bereinigung der Vergangenheit
gefunden. Dank unserer deutlichen Empfehlungen an die Banken und deren aktiver
Beratung der Kunden ist es gelungen, weitgehend Steuerkonformität herzustellen.
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Noch ein Wort zum US-Steuerstreit: Immer wieder lese ich, dass die Banken günstig
davongekommen sind, weil die Bussen teils weniger hoch ausgefallen sind als erwartet.
Das stimmt aus den folgenden Gründen nicht. Erstens, weil die Banken am Anfang des
Programms nur grobe Schätzungen hatten; es hat sich nachträglich gezeigt, dass sich in
der Zwischenzeit doch sehr viele US-Kunden regularisiert haben. Zweitens, weil die
Bussen nur ein Teil des aus meiner Sicht schmerzhaften Programms sind: Es mussten
ausführliche Informationen zum Geschäftsgebaren weitergegeben und Mitarbeitende
namentlich den US-Ermittlungsbehörden preisgegeben werden. Das wiegt in meinen
Augen ebenso schwer wie eine Bussenzahlung.
FIDLEG, FINIG und FinfraG
Kommen wir damit zum zweiten wichtigen Dossier, der Finanzmarktarchitektur. Zu ihrer
Revision hat der Bund mit FIDLEG, dem Finanzdienstleistungsgesetz, und FINIG, dem
Finanzinstitutsgesetz, ein legislatives Grossprojekt gestartet, das die bisherige
Gesetzgebung umfassend revidiert. Ziele sind die Modernisierung des Anlegerschutzes
und wo nötig Anpassungen an die europäischen Regelwerke. Lassen Sie mich an dieser
Stelle betonen: Es geht ausdrücklich nicht um die unkritische und undifferenzierte
Übernahme von EU-Richtlinien, sondern in erster Linie um einen modernen
Anlegerschutz, der allen Kunden von Schweizer Banken zugute kommen wird. Unter
modernem Anlegerschutz verstehen wir Regeln für den mündigen Privatanleger, der durch
genügend und verständliche Information und Transparenz selbständig entscheiden kann,
welche Anlagen er tätigen will und welche nicht. Moderner Anlegerschutz beinhaltet nicht
die Übernahme des Risikos durch die Finanzintermediäre oder gar ein Verbot gewisser
Investitionen. In diesem Sinne soll FIDLEG ausgestaltet werden.
Die Bankiervereinigung hat sich erfolgreich für eine Reihe von Anliegen eingesetzt, so
etwa, dass es keine Beweislastumkehr und keinen Prozesskostenfonds geben wird.
Dieser Erfolg ist nicht zuletzt auch dem zu verdanken, dass die Banken einheitlich
aufgetreten sind und mit einer Stimme gesprochen haben. Sie sehen, der Verband erfüllt
seine Funktion.
Bei der künftigen Ausgestaltung dieses Regelwerks sollten keine unnötigen Baustellen
geschaffen werden. Ein Aufgehen des Bankengesetzes im FINIG ist beispielsweise
unnötig. Wir begrüssen weiterhin, dass die unabhängigen Vermögensverwalter einer
Aufsicht unterstellt werden und dass einheitliche Verhaltens- und Vertriebsregeln für alle
Finanzdienstleister definiert worden sind.
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FIDLEG und FINIG sind auch für die Initiative Asset Management Schweiz zentral, denn
sie schaffen gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen für Anbieter von
Finanzdienstleistungen und stärken die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
Das Finanzmarktinfrastrukturgesetz FinfraG ist als elementare Grundvoraussetzung für
den grenzüberschreitenden OTC-Derivatehandel und die Systemstabilität bereits vom
Parlament verabschiedet worden. Die Anliegen der Banken, die ich Ihnen letztes Jahr an
dieser Stelle erwähnt habe, sind dabei erfreulicherweise nahezu alle berücksichtigt
worden, so dass wir nun ein Gesetz haben, das internationalen Entwicklungen
angemessen Rechnung trägt.
Mit dem FinfraG wurden wichtige Richtungsentscheide getroffen, die einerseits dem
Kunden nutzen, andererseits für die Finanzdienstleister umsetzbar sind. Darunter sind so
wichtige Punkte wie eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Transaktionsregister,
indirektes Clearing oder die Risikominderungspflicht, die Erleichterung für kleine
nichtfinanzielle Gegenparteien bringt.
Ein wichtiger Aspekt bei allen genannten Projekten ist die Äquivalenz insbesondere zur
EU-Gesetzgebung. Es ist nicht nur eine politische Frage, inwieweit die Schweiz sogenannt
fremde Regeln übernehmen wird, sondern für uns auch eine geschäftspolitische, denn
Banken müssen einen optimalen Zugang zu ihren wichtigen Märkten haben. Die EU ist ein
solcher zentraler Markt. Daher ist die Äquivalenz eine pragmatische Lösung, die der
Schweiz gerecht wird. Es sollen wirklich nur diejenigen Regeln übernommen werden, die
für eine Weiterentwicklung des Finanzplatzes nötig sind.
Verbesserung des Regulierungsprozesses
Bleiben wir noch einen Moment bei den internationalen Aktivitäten des Finanzplatzes.
Immer wieder haben wir in der Schweiz die Situation, dass sich die Regulierung in
wichtigen Zielmärkten weiterentwickelt, wir hier aber nicht rasch genug handeln. Als
negatives Beispiel kann ich hier FinfraG nennen: Wir hatten schon längst in Bern auf die
Problematik der Kompatibilität mit EU-Richtlinien und die Konsequenzen daraus
aufmerksam gemacht. Es wurde aber zu lange gezögert und erst in letzter Minute
gehandelt. Zum Glück konnte das Parlament effizient und konzentriert beraten, so dass wir
das Gesetz noch rechtzeitig verabschieden konnten.
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Die Schweiz hinkt bisweilen hinterher und muss regelmässig eben verabschiedete Regeln
schon wieder anpassen, weil sich das internationale regulatorische Umfeld oft schneller
ändert als die benötigte Zeit für die Umsetzung einer Regulierung in der Schweiz. Es
muss, und hier greife ich wiederum eine Empfehlung aus dem Expertenbericht Brunetti
auf, eine frühere Antizipation von Regulierung im Ausland geben. Dies aber
wohlverstanden nicht mit dem Ziel, diese Regeln automatisch und unkritisch zu
übernehmen, sondern strategisch klug mit ihnen umzugehen. Dazu gehört auch eine
bessere Koordination mit dem Ausland, vor allem mit anderen wichtigen Finanzplätzen.
Die Branche ist in der Lage, hier mit Fachwissen und Erfahrungen mitzugestalten, und die
Expertengruppe Brunetti ist die ideale Plattform dazu. Behörden und Regulierer müssen
die Banken aber auch anhören wollen. Wir wünschen uns einen partizipativen Einbezug
der Banken in neue Regulierungsprojekte, und zwar so früh wie möglich. Nur so können
wir in der Schweiz sicher sein, dass wir international kompatible Lösungen, die aber die
Besonderheiten der Schweiz berücksichtigen und dabei auch auf der Höhe der Zeit sind,
entwickeln.
Die Banken sollten in allen Phasen eines Regulierungsprojektes angehört werden. Ebenso
möchte ich die Behörden dazu auffordern, künftig einen systematischen, umfassenden
und methodisch sauberen Regulierungsprozess vorzunehmen und auch zu prüfen, wie
neue Projekte allenfalls mit bestehenden Regeln zusammenspielen. Regulierung ist nicht
gratis, das wird gerne vergessen. Die Flut der Regulierung in den letzten Jahren hat dazu
geführt, dass die Compliance-Abteilungen bei unseren Mitgliedern überproportional
gewachsen sind, dass Anforderungen an bestimmte Geschäftsaktivitäten derart steigen,
dass sich eigentlich nur noch ein Ausstieg lohnt und dass wir in der Konsequenz
bestimmte Märkte nicht mehr bedienen oder Produkte und Dienstleistungen anbieten
können. Anders gesagt: Unsere Wettbewerbsfähigkeit, die auch in der Universalität
unseres Angebots liegt, läuft Gefahr zu sinken. Das kann nicht im Sinne von Politik und
Regulierung sein. Wir haben uns überlegt, wie wir diese Situation verbessern können.
Konkret stellen wir uns eine unabhängige Prüfstelle für Finanzmarktregulierung vor, die
alle Aspekte des Regulierungsprozesses kritisch hinterfragt und so unseren Regulierern
besser auf die Finger schaut. Solche Prüfstellen gibt es schon im Ausland, zum Beispiel in
Deutschland oder Schweden. Sie haben zum Teil lange Tradition, funktionieren gut und
ihre Entscheide werden von den Behörden und den Marktteilnehmern akzeptiert. Auch die
Schweiz kennt ähnliche Institutionen, wie den Preisüberwacher oder den
Datenschutzbeauftragten.
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Offenheit führt zu besserer Wettbewerbsfähigkeit
Auch mein letzter Punkt hat mit der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes, oder lassen
sie es mich besser „Zukunftsfähigkeit“ nennen, zu tun. Bei jedem Aspekt, der die
Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes betrifft, spielt Offenheit eine Rolle. Wir sind ein
Exportland, mit einem Finanzplatz, dessen internationales Standbein genauso wichtig ist
wie sein nationales. Unsere Mitglieder richten sich auf sich rasant verändernde
Kundenansprüche aus und fördern Innovation auf allen Ebenen. Nachlesen können Sie
dies in unserem Branchenmagazin insight, das regelmässig berichtet, welche Neuerungen
unsere Mitglieder im digitalen Bereich einführen. Die SBVg zeigt sich gegenüber neuen
Playern, die das Bankengeschäft revolutionieren, offen und spielt im digitalen Ökosystem
inzwischen eine wichtige koordinierende Rolle. Wenn Sie uns via Twitter folgen, wissen
Sie, was ich meine. Von guten Rahmenbedingungen für klassische Finanzdienstleister
könnten in naher Zukunft auch Startups aus der Fintech-Szene profitieren.
Schlussendlich wünschen wir uns auch Offenheit von Seiten der Politik gegenüber den
Banken. Kurz vor den Parlamentswahlen ist es mir ein Anliegen zu unterstreichen, wie
wichtig für uns die Zusammenarbeit mit der politischen Schweiz ist. Wir wissen, dass wir
als Branche deutlich machen müssen, wo Verbesserungsbedarf besteht. Wir haben dafür
eine „Agenda“ entworfen, die vor den Wahlen zusammenfasst, was dem Finanzplatz
wichtig ist und wie er wettbewerbsfähig, vielfältig und leistungsstark bleiben will. Sie finden
das Dokument auch in Ihren Unterlagen zur Pressekonferenz. Wir möchten aber auch
Politikern, Kandidierenden und Wählern verdeutlichen, dass sie den Wohlstand unseres
Landes unterstützen, wenn sie sich für den Bankenplatz Schweiz einsetzen. Deshalb
haben wir die Kampagne vote4finance gestartet, die von vielen Nationalratskandidatinnen
und -kandidaten unterstützt wird.
Ich bin überzeugt: Wir haben die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft. Und wir
werden sie selbstbewusst und offen gestalten. Wir freuen uns nun auf Ihre Fragen.
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