Datum: 15.12.2015 Kann der Datenschutz Kurs halten? Schwerer Seegang im Datenschutzmeer KMU-Verantwortliche und Datenschutz von Susanne Hofmann-Hafner und Jan Schreuder Rasche technologische Entwicklungen in der Kommunikation oder Big Data machen Datenschutz heute weit anspruchsvoller. Die jüngsten Entwicklungen nicht nur in der EU, sondern auch in der Schweiz, lassen neue Unsicherheiten aufkommen und zeigen, dass das Thema ernst zu nehmen ist. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 14'453 Argus Ref.: 60051678 Datum: 15.12.2015 Der Europäische Gerichtshof hat Europarats (SEV 108) im Vordergrund, in seinem Urteil vom 6. Oktober die - da die Schweiz ein Vertragsstaat 2015 entschieden, dass das ist - auch für die Schweiz verbindlich Safe-Harbor-Regelwerk zwischen der EU-Kommission und den USA ungültig ist. Im Anschluss daran hat der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) entschieden, dass auch das schweizerische, eigenständige, aber im Grundsatz analoge Regelwerk keine Gültigkeit mehr hat. ist. Viel prominenter diskutiert, aber für die Schweiz grundsätzlich ohne Verbindlichkeit, wird die EU-Datenschutzreform. Mit ihr möchte die EU den Datenschutz stärken. Demnach sollen die heute noch einzelstaatlich geltenden Gesetze aufgehoben und ein einziges, in jedem Mitgliedsland unmittelbar wirZiel von Safe Harbor war es, durch eine kendes EU-Gesetz in Kraft gesetzt werSelbstzertifizierung zu gewährleisten, den, die sogenannte EU-Datenschutzdass die teilnehmenden US-Unterneh- Grundverordnung. men ein angemessenes Datenschutzniveau einhalten, das dem in der Schweiz Revision des schweizerischen entspricht. Da die USA im Vergleich Datenschutzgesetzes zu den Anforderungen des schweize- Auch der schweizerische Gesetzgeber rischen Datenschutzgesetzes kein an- ist hier aktiv. Das Bundesgesetz über gemessenes Datenschutzniveau bieten, den Datenschutz soll ebenfalls revidiert war diese Safe-Harbor-Zertifizierung werden. Einerseits soll das Gesetz an mitunter Voraussetzung für die daten- den technologischen und gesellschaftschutzkonforme Personendatenüber- lichen Wandel angepasst werden. Das mittlung in die USA. Die Einstellung der Anerkennung dieses Safe-Harbor-Regelwerks hat in den Medien (auch unter dem Stichwort «Facebook-Urteil») grosse Wellen geschlagen aktuelle Datenschutzgesetz wurde am 9.Juni 1992 vom Parlament verabschie- det. Seither hat sich die grundsätzli- che Zielsetzung des Datenschutzgesetzes allerdings nicht verändert. Es dient und führt zu anhaltender Unsicherheit dem Schutz der Persönlichkeit und der bei europäischen und schweizerischen Grundrechte von Personen, über die Unternehmen, die Personendaten in die Daten bearbeitet werden, und dies wird USA übermitteln, zum Beispiel indem Google für den E-Mail-Verkehr genutzt wird oder Daten in einer Cloud gespeichert werden, die sich in den USA befinden. Dieses aktuelle Ereignis ist allerdings nur ein Puzzleteil im Rahmen der gegenwärtigen, internationalen und zum Teil einschneidenden Umwälzungen des Datenschutzrechts: Es geht im Allgemei- nen um die derzeit in der Umsetzung befindlichen Revisionen verschiedener Datenschutzgesetzgebungen. Auf europäischer Ebene steht dabei die Revision der Datenschutzkonvention des Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 auch in Zukunft so bleiben. Insbesondere Computerisierung, Internationalisierung und Internet sowie die mobilen Geräte haben aber zu völlig neuen, vielschichtigen Möglichkeiten geführt, Daten zu bearbeiten oder zu nutzen. Beispiele sind die personalisierte Werbung und Big Data. Dementsprechend hat sich auch das Bedürfnis der Bevölkerung gewandelt, durch die Datenbearbeitung nicht in der Persönlichkeit verletzt zu werden. Andererseits ist sich der schweizerische Gesetzgeber der Entwicklungen auf europäischer Ebene bewusst, die in einem neuen Gesetz angemessen berücksich- Auflage: 14'453 Argus Ref.: 60051678 Datum: 15.12.2015 tigt werden sollen. Vor diesem Hinter- durch eine Informationsflut überforgrund hat der Bundesrat das Eidgenösdert werden. sische Justiz- und Polizeidepartement > Verbesserung der Datenkontrolle im Frühling 2015 beauftragt, die entspreund -herrschaft: Die Kontrolle und chende Gesetzesvorlage bis Ende Audie Herrschaft über einmal bekannt gust 2016 auszuarbeiten. Auch wenn der gegebene Daten sind ein wichtiger neue Gesetzestext heute noch nicht im Aspekt. Dazu gehören auch die ErWortlaut vorliegt, so sind dennoch die leichterungen in der RechtsdurchsetStossrichtung und die wichtigsten Konzung und neue Mittel der kollektiven zepte bekannt: Rechtsdurchsetzung. > Früheres Greifen des Datenschutzes: > Stärkung der Datenschutz-AufsichtsIm Rahmen einer Gesamtkonzeption behörde: Die Aufsichtsmechanismen sollen allfällige Datenschutzprobleme, sowie die Stellung der Datenschutz- soweit sinnvoll und möglich, schon Aufsichtsbehörde als solche sollen bei der Entwicklung neuer Technogestärkt werden. Die Aufsichtsbelogien festgestellt und geprüft werhörde soll zudem mit zusätzlichen den. Damit soll verhindert werden, Kompetenzen ausgestattet werden. dass bestehende Datenschutzprob- > Sanktionen: Die Sanktionen bei Verlerne lediglich nachträglich durch Korletzung von datenschutzrechtlichen rekturprogramme behoben werden Vorgaben sollen gegenüber dem (Vertiefung des Konzepts «Privacy heute eher milden System deutlich by Design»). Daneben sollen datengriffiger ausgestaltet werden. schutzfreundliche Technologien gefördert werden. Auswirkungen für KMU > Verstärkte Sensibilisierung der be- Wie einleitend erwähnt, wurde auch troffenen Personen: Die von Daten- das bis anhin geltende Safe-Harborbearbeitungen betroffenen Personen Regelwerk zwischen der Schweiz und sollen stärker für die mit den techno- den USA ausser Kraft gesetzt. KMU, die logischen Entwicklungen einherge- Personendaten aus der Schweiz in die henden Risiken für den Persönlich- USA übermitteln, zum Beispiel E-Mail keitsschutz sensibilisiert werden. oder Cloud in den USA) und diese Über> Erhöhung der Transparenz: Die Trans- mittlung bis anhin auf das Safe-Harborparenz in Bezug auf die Datenbearbei- Regelwerk abgestützt haben und sich tungen soll erhöht werden, insbeson- damit datenschutzkonform verhielten, dere in den komplexen Konstellationen müssen sich umorganisieren. Der EDÖB neuer Technologien, in denen Daten- verlangt von den betroffenen Unternehbearbeitungen weder für die Betrof- men, die notwendigen Anpassungen bis fenen noch für den Eidgenössischen Ende Januar 2016 vorzunehmen und Datenschutzbeauftragten (EDÖB) empfiehlt, beim Datenaustausch mit ohne Weiteres erkennbar sind. Dabei US-Unternehmen vertragliche Garantien muss aber im Auge behalten werden, im Sinne des Datenschutzgesetzes zu dass die betroffenen Personen nicht Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 14'453 Argus Ref.: 60051678 Datum: 15.12.2015 Datenaustausch mit US-Unternehmen verlangt nach vertraglichen Garantien im Sinne des Datenschutzgesetzes. ' Das Das Safe-Harbor-Regelwerk Safe-Harbor-Regelwerk ist ist in in Turbulenzen Turbulenzen geraten. geraten. Susanne Hofmann-Hafner ist Leiterin Datenschutz bei PwC Schweiz. www.pwc.ch www.pwc.ch Jan Schreuder Partner Cybersecurity Cybersecurity bei bei PwC PwC Schweiz Schweiz .. www.pwc.ch www.pwc.ch Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 14'453 Argus Ref.: 60051678 Datum: 15.12.2015 vereinbaren (Art. 6 Abs. 2 lit. a DSG). Damit soll ein angemessenes Schutzniveau vonseiten der US-Unternehmen gewähr- leistet werden. Dadurch wird zwar das Problem des unverhältnismässigen (US-)Behördenzugriffs nicht gelöst, allerdings kann das Datenschutzniveau auf diese Weise etwas verbessert werden. Weiter müssen betroffene Personen entsprechend klar und umfassend informiert werden, insbesondere im Hinblick auf mögliche Behördenzugriffe. da keine betroffenen Personen wie Kunden oder Mitarbeiter je einen Anspruch geltend gemacht haben und auch die zu befürchtenden Strafen eher bescheiden sind -, wird aufgrund des aus der Revision fliessenden Anpassungsbedarfs einigen Aufwand betreiben müssen. In jedem Fall aber werden datenbearbeitende Unternehmen, angesichts der kommenden Stärkung der Datenschutzaufsichtsbehörde und der Indi- vidualrechte der betroffenen Personen Derzeit laufen zwischen der EU und den sowie der Verschärfung bei den SankUSA Verhandlungen zur Neu- respektive tionen, in Zukunft mit höheren adminisWiederanerkennung eines angepass- trativen und organisatorischen Kosten ten Safe-Harbor-Regelwerks. Auch der konfrontiert sein. Datenschutz-CompliEDÖB hat sich geäussert, sich an die- ance, wie sie heute vielfach bei grössen Verhandlungen zu beteiligen. So- seren international aufgestellten Unterlange aber kein neues Übereinkommen nehmen existiert, wird künftig auch für ausgehandelt ist, bleibt das vormalige KMU ein hoch prioritäres Thema. Daher ausser Kraft. Momentan ist nicht abseh- empfiehlt es sich, dem Datenschutz im bar, wann mit dem Abschluss der Ver- Unternehmen bereits heute hohen Stelhandlungen zu rechnen ist oder ob diese lenwert einzuräumen und die vorzunehüberhaupt zielführend sein werden. Revision des Datenschutzgesetzes Das schweizerische Datenschutzgesetz gilt bereits heute für alle natürlichen und juristischen Personen, die Personendaten bearbeiten, dementsprechend auch für KMU. Damit ist klar, dass auch KMU die Revision im Blick halten und sich auf die kommenden Änderungen einstellen müssen. menden Anpassungen in strategischer und organisatorischer Hinsicht früh anzugehen. Solche Überlegungen können gleichzeitig dazu dienen, die aktuell geltenden Vorgaben in adäquater Weise umzusetzen. Ein solches Vorhaben setzt in jedem Fall eine genaue Risikoeinschätzung und Standortbestimmung voraus, also konkret die Analyse der Datenbearbei- Wer bereits heute die Vorgaben des tung im Unternehmen. Dabei ist beiDatenschutzgesetzes einhält und bei- spielsweise zu untersuchen, über wel- Themen-Nr.: 660.003 spielsweise die notwendigen organisa- che Personen Daten gesammelt werden, torischen Strukturen geschaffen hat, wird die Neuerungen leichter meistern können. Wer allerdings zum heutigen Zeitpunkt die Vorgaben des Daten- zum Beispiel Kunden, Lieferanten, Ar- schutzgesetzes nicht entsprechend umsetzt - zum Beispiel weil die Verletzung von datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht als grosses Risiko qualifiziert wird, zu erkennen, wie die Daten fliessen; so etwa wenn Dritte involviert sind, möglicherweise weil gewisse Betriebsfunktionen ausgelagert werden, Buchhaltung Abo-Nr.: 660003 beitnehmer, oder welche Daten generell bearbeitet werden, wie Personalien oder Vertragsgeschichte. Wichtig ist auch Auflage: 14'453 Argus Ref.: 60051678 Datum: 15.12.2015 oder Personalwesen sind Beispiele. Da- ran anschliessend muss ermittelt werden, ob dieser Dienstleister allenfalls im Ausland angesiedelt ist, und falls ja, wo. Gestützt auf diese Risikoeinschätzung können die relevanten Massnahmen definiert werden, deren Einhaltung datenschutzkonformes Verhalten sicherstellt. Auf diese Weise sind KMU optimal in der Lage, die heutigen Vorgaben des Datenschutzes einzuhalten und der kommenden Revision ruhigen Gewissens entge- genzusehen. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 14'453 Argus Ref.: 60051678
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