Abendprogramm Mazen Kerbaj

Sonntag, 13. März, 12:00 – 18:00 Uhr
Montag, 14. März, 18:00 – 24:00 Uhr
Dienstag, 15. März, 18:00 – 24:00 Uhr
Mittwoch, 16. März, 18:00 – 24:00 Uhr
Bundesallee 53, 10715 Berlin
Mazen Kerbaj
Before the war, it was the war.
After the war, it is still the war.
In situ Klanginstallation (2016) UA
Sonntag, 13. März, 12:00 – 18:00 Uhr
Montag, 14. März, 18:00 – 24:00 Uhr
Dienstag, 15. März, 18:00 – 24:00 Uhr
Mittwoch, 16. März, 18:00 – 24:00 Uhr
Bundesallee 53, 10715 Berlin
Mazen Kerbaj
Before the war, it was the war.
After the war, it is still the war.
In situ Klanginstallation (2016) UA
3
In Koproduktion mit Berliner Künstlerprogramm
Before the war, it was the war.
After the war, it is still the war.
Eine in situ-Klanginstallation von Mazen Kerbaj
4
Der Libanonkrieg von 2006 (im arabischen Sprachraum auch
als „Julikrieg“ bekannt) war ein 34 Tage dauernder militärischer
Konflikt zwischen den israelischen Streitkräften und para­militärischen Truppen der Hisbollah. Der Konflikt begann am
12. Juli 2006 und hielt an, bis am Morgen des 14. August 2006
ein von den Vereinten Nationen vermittelter Waffenstillstand
in Kraft trat.
Am zweiten Tag dieses Krieges begann der libanesische Künstler und Musiker Mazen Kerbaj, „den Krieg zu zeichnen“ und
seine Zeichnungen auf einem eigens dafür eingerichteten Blog
zu veröffentlichen. Damit wollte er sowohl mit seinen besorgten Freunden im Ausland in Kontakt bleiben als auch versuchen, den Krieg aus einer ganz persönlichen Perspektive zu
zeigen – und zu verstehen. Am dritten Tag hatte Kerbaj das
Gefühl, dass das „Zeigen“ nicht ausreichte. Er begann, parallel
zu den täglichen Zeichnungen, „den Krieg aufzunehmen“.
Die erste Aufzeichnung fand in der Nacht zwischen dem
15. und dem 16. Juli statt. Kerbaj bereitete seinen MinidiskRecorder und ein Stereomikrophon vor, stellte sich damit und
mit seiner Trompete auf den Balkon seiner Wohnung in einem
Vorort im Osten Beiruts und drückte auf „Aufnahme“. Das
Resultat war ein einstündiges „Duett“ mit den Piloten der israelischen Luftwaffe, die Bomben über der Stadt abwarfen.
Nach diesem ersten „Stück“ nahm Kerbaj weitere unterschiedliche Klanglandschaften während der gesamten 33 Tage des
Krieges auf. Dabei zeichnete er nicht nur Flieger und Bomben
auf, sondern auch Fernsehnachrichten, Telefonate, Lieder im
Radio usw. Manchmal begleitete er sie auf der Trompete,
manchmal mit seiner eigenen Stimme und den Stimmen anderer, und manchmal beließ er sie ohne Begleitung.
Im Gegensatz zu den Zeichnungen konfrontierten die Aufnahmen Kerbaj mit verschiedenen technischen Einschränkungen
STARRY NIGHT (Auszug) 6,31 Min.
eine minimalistische improvisation von:
mazen kerbaj trompete
der israelischen luftwaffe bomben
aufgenommen von mazen kerbaj
auf dem balkon seiner wohnung in beirut,
in der nacht vom 15. auf den 16. juli 2006.
Nach dem Krieg stellte Kerbaj alle Zeichnungen in einem Buch
zusammen („Beyrouth, julliet-août 2006“, erschienen im französischen Verlag L’Association). Er hatte vor, die Aufnahmen
weiter zu bearbeiten, aber im Verlauf der Zeit war er zu­-
5
und Schwierigkeiten. Das erste Problem bestand in der be­
grenzten Anzahl leerer Minidisks und der Unmöglichkeit, weitere zu beschaffen. Nachdem er die siebte Minidisk bespielt
hatte, musste er entscheiden, welches Tonmaterial er löschen
sollte, um den Aufnahmeprozess fortsetzen zu können. Glücklicherweise wurde der Krieg wenige Tage später beendet und
nur drei Minidisks mit frühen und seltenen Sessions aus der
libanesischen Experimentalszene wurden gelöscht. Das zweite
Problem bestand in der Qualität der Aufnahmen: Seine technische Ausstattung war wenig professionell und der Künstler
selbst war kein qualifizierter Toningenieur. Die größten
Schwierig­keiten bereiteten allerdings die Einschränkungen
des Internets: Die Verbindungen waren im Libanon zu dieser
Zeit extrem langsam und es kam so häufig zu Stromausfällen,
dass Kerbaj mitunter zwei Tage brauchte, um ein paar Bilder
mit niedriger Auflösung hochzuladen. Tonaufnahmen hochzuladen war auf Grund der Größe der Audiodateien nahezu
unmöglich. Tatsächlich wurde nur ein Auszug aus der ersten
Aufnahme auf den Blog hochgeladen, und zwar unter dem
Titel:
nehmend mit anderen Projekten beschäftigt und es widerstrebte ihm immer mehr, sie sich auch nur anzuhören – die
Wunden waren noch zu frisch.
6
Im Juli 2015 zog Kerbaj im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms des DAAD für ein Jahr nach Berlin. Der so gewonnene
zeitliche und räumliche Abstand half ihm, die Zeit, den Mut
und das Interesse aufzubringen, sich die insgesamt elf Stunden
Tonmaterial anzuhören und sie zu bearbeiten.
Rechtzeitig zum zehnten „Jubiläum“ des Julikriegs werden sie
beim Festival MaerzMusik 2016 als Installation präsentiert.
Before the war, it was the war.
After the war, it is still the war.
An in situ sound installation by Mazen Kerbaj
The 2006 Lebanon War (also known as the “July War” in Lebanon)
was a 34-day military conflict opposing the Israeli Defense
Forces to the Hezbollah paramilitary forces. The conflict started
on 12 July 2006, and continued until a United Nations-brokered
ceasefire went into effect in the morning on 14 August 2006.
7
Since the second day of this war, Lebanese visual artist and
musician Mazen Kerbaj started “drawing the war” and posting his drawings on a blog started for the occasion, both as
an easy way to keep contact with worried friends abroad,
and as an attempt to show – and try to understand – the war
from a very personal perspective. On the third day, Kerbaj
began feeling that “showing” is not enough; he started, in
parallel to the daily drawings, to “record the war.”
The first recording session took place on the night of 15 to 16
of July. Kerbaj prepared his mini-disc recorder and a stereo
microphone, posted himself on the balcony of his flat in the
eastern suburbs of Beirut, with his trumpet, and hit the record
button. The result was an hour long “duet” with the Israeli
Air Force’s pilots dropping bombs on the city. After this first
“piece”, Kerbaj kept recording different soundscapes all along
the 33 days of the war. Not only planes–and–bombs–based
soundscapes, but also TV news, phone conversations, songs
on the radio, etc. He would sometimes accompany them with
the trumpet, some other times with his own voice and others’,
and sometimes leaving them unaccompanied.
On the contrary of the drawings, the recordings faced Kerbaj
with various technical limitations and problems. The first
problem was the lack of empty minidiscs and the impossibility
of buying new ones. After recording on the 7th available minidisc, he had to decide which recorded material he will have to
delete in order to continue the recording process. Fortunately,
the war ended some days after, and only three minidiscs
(containing early and rare sessions involving the Lebanese
experimental scene) suffered the erasure. The second problem
was the quality of the recording, the available equipment
being not really a professional one, and the artist himself
being as far as one can be from a trained sound engineer.
8
However, the biggest problem came from the limitations that
the Internet imposed; the connection in Lebanon back then
was very slow, and the electricity cuts so frequent that Kerbaj
had to wait for two days sometimes before being able to
upload a couple of low resolution pictures. For the sound, it
was almost impossible because of the audio files’ bigger sizes.
All in all, only one excerpt from the first recording session was
uploaded on the blog, under the title:
STARRY NIGHT (excerpt) 6.31 min
a minimalistic improvisation by:
mazen kerbaj trumpet
the israeli air force bombs
recorded by mazen kerbaj
on the balcony of his flat in beirut,
on the night of 15th to 16th of july 2006.
After the war, Kerbaj regrouped all the drawings in a book
(“Beyrouth, juillet-août 2006”, published by French publishing
house L’Association), and planned to work on the recordings.
But time passing by saw him caught in other projects, and
little by little he became reluctant to even listen again to the
recordings, the wound being still fresh.
In July 2015 Kerbaj moved to Berlin for one year, under the
DAAD Artist-in-Berlin Program. There, with the temporal and
the spacial distance helping a lot, he finally found the time,
the courage, and the interest to listen back to the
11 hours of recorded material, and work on them.
He will present them in an installation that will open in time
for the 10th “anniversary” of the July War, during MaerzMusik
festival in Berlin.
Hinweise zur Transkription
und Installation
Transkribiert wurden die Klangereignisse, die man hört,
sowie persönliche Gespräche im Raum, Telefonate und
Fernseh- und Rundfunksendungen, wobei die Sprachen
Hocharabisch (Fernsehen), Libanesisch (arabischer
Dialekt, mit französischen und englischen Phrasen
gemischt, in Lautschrift mit lateinischen Buchstaben
transkribiert, um die Mischung der Sprachen abbilden
zu können), Englisch und Französisch gesprochen werden und original transkribiert sind. Im Transkript
jeweils den Originaltexten vorangestellte englische
Paraphrasen fassen die Inhalte von Gesprächen und
TV-Sendungen zusammen.
9
Während der israelischen Bombenangriffe auf Beirut
im Zeitraum vom 15. Juli bis zum 14. August 2006 hat
Mazen Kerbaj an drei Orten in seiner Beiruter Wohnung
Tonaufnahmen gemacht, im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und auf dem Balkon. In der Installation sind
diese Aufnahmen nun analog zum Aufnahmeort im
Wohnzimmer, im Schlafzimmer und auf dem Balkon
zu hören, wobei sämtliche Aufnahmen, die an einem
Ort gemacht wurden, an­einander montiert sind und
somit in Bezug auf die Gesamtchronologie eine zeit­
liche Verdichtung vollzogen wird. Die Zeitlichkeit der
Aufnahmen und damit der Geschehnisse wird in der
ortgebundenen Zeitlichkeit aufgelöst, in der wiederum
der Besucher seine eigene Zeitlichkeit erzeugt. Eine
Transkription der vollständigen Aufnahmen von insgesamt 24 Stunden (10 Minidisks) liegt als Referenz aus
und kann über ein an jedem Ort sichtbares Display des
Timecodes zum Gehörten zugeordnet werden.
Information on the
Transcription and Installation
10
During the Israeli bombardment of Beirut between 15 July and
14 August 2006, Mazen Kerbaj made sound-recordings in three
locations of his Beirut flat: in the living-room, the bedroom and
on the balcony. In the installation, these recordings can now
be heard in the living-room, the bedroom and on the balcony,
in analogy to their locations. All the recordings made in one of
these locations have been assembled consecutively, to give
them a temporal concentration in relation to the total chrono­
logy. The temporality of the recordings, and thus of the events,
dissolves in the temporality connected to the locations, in which
the visitors in turn create their own temporality. A transcript of
the complete recordings, a total of 24 hours on 10 minidiscs, is
available as a reference and visitors can attribute what they are
listening to via a timecode displayed at each of the locations.
There are transcriptions of the sound events that can be heard
as well as of personal conversations in the space, telephone
conversations and television- and radio-broadcasts. Standard
Arabic (television), Lebanese (an Arabic dialect mixed with
French and English phrases and transcribed phonetically with
Latin characters, in order to display the mixture of languages),
English and French were spoken and are transcribed in the
original. The English paraphrases placed before the original
transcripts summarize the content of conversations and
television-broadcasts.
Impressum Installation / Imprint Installation
Konzept, Installation, Aufnahmen / Concept, installation, recordings: Mazen Kerbaj
Audiobearbeitung / Audio-editor: Andreas Pysiewicz, Elektronisches Studio, Fachgebiet Audiokommunikation, TU Berlin
Stage / Bühne: Ricardo Lashley
Ton, Video / Sound, video: Stefan Höhne, Axel Kriegel
Impressum Transkription / Imprint Transcription
Herausgegeben von / Edited by Julia Gerlach (Berliner Künstlerprogramm des DAAD / DAAD Artist-in-Berlin Program)
und Berno Odo Polzer (Berliner Festspiele / MaerzMusik)
Transkription / Transcription: Racha Gharbieh
Redaktion / Lektorat / Editors: Julia Gerlach, Racha Gharbieh und Wafaa Gharbieh (Hocharabisch),
Mazen Kerbaj, Albert Mena (Englisch, Berliner Festspiele)
Grafikentwurf / Graphic design: Albrecht Hotz
Satz / Layout: Katrin Casper
Biografie
Mazen Kerbaj
11
Mazen Kerbaj, geboren 1975, lebt in Beirut. Er
widmet sich der Malerei, Comics und der Musik.
Kerbaj hat zahlreiche Bücher, Kurzgeschichten
und Bilder in Anthologien, Zeitungen und Magazinen veröffentlicht, sowohl im Libanon als auch
in Europa. Seine Werke wurden in seiner Heimat,
in Frankreich, Schweden, in der Schweiz und
Deutschland ausgestellt. Gleichzeitig ist Kerbaj
ein wichtiger Akteur in der libanesischen Improvisationsszene: Er spielt Trompete und ist zusammen mit Sharif Sehnaoui Mitbegründer des seit
2001 in Beirut jährlich stattfindenden Festivals
für Experimentalmusik Irtijal. Außerdem ist
Mazen Kerbaj sowohl solistisch als auch in verschiedenen Formationen im Libanon und Syrien,
in Europa und in den USA aufgetreten, u. a. mit
Sharif Sehnaoui, Christine Sehnaoui, Raed Yassin,
Stéphane Rives und Axel Dörner, Tony Buck und
Magda Mayas. 2015/2016 ist er Gast des Berliner
Künstlerprogramms de DAAD.
Mazen Kerbaj was born in 1975 and lives in Beirut.
His interests include painting, comics and music.
Kerbaj has published several books, short stories
and drawings in anthologies, newspapers and magazines in Lebanon as well as in Europe. His works
have been exhibited in his home country as well
as in France, Sweden, Switzerland and Germany.
Kerbaj is also an important actor in the Lebanese
improvisation scene: he plays the trumpet and,
together with Sharif Sehnaoui, co-founded Irijal, an
experimental music festival that has taken place
annually since 2001 in Beirut. In addition, Mazen
Kerbaj has performed both as a soloist as well as
in various formations in Lebanon, Syria, Europe and
the USA with Sharif Sehnaoui, Christine Sehnaoui,
Raed Yassin, Stéphane Rives and Axel Dörner, Tony
Buck and Magda Mayas, among others. 2015/2016
he is a guest in the music department of the
DAAD Artists-in-Berlin Program.
www.kerbaj.com
Die Berliner Festspiele
werden gefördert durch
Medienpartner
Impressum / Imprint
Veranstalter / Organized by: Berliner Festspiele
Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes GmbH /
A division of Kulturveranstaltungen des Bundes Berlin GmbH
Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien /
Funded by the Federal Government Commissioner for Culture
Intendant / Director: Dr. Thomas Oberender
Kaufmännische Geschäftsführung / Commercial Director: Charlotte Sieben
MaerzMusik – Festival für Zeitfragen
Künstlerische Leitung / Artistic Director Berno Odo Polzer
Organisationsleitung / Head of Organisation: Ilse Müller
Technische Leitung / Technical director: Matthias Schäfer, Andreas Weidmann
Produktion / Production: Ina Steffan, Magdalena Ritter, Nadin Deventer, Hélène Philippot
Produktionsdramaturgie / Production dramaturgy: Karsten Neßler
Mitarbeit / Assistant: Thalia Hertel, Albert Mena
Spielstättenleitung & Künstlerbetreuung / Venue Management and Artists’s Assistants:
Katalin Trabant, Laila Kühle, Linda Sepp
Presse / Press: Patricia Hofmann
Technik / Technicians:
Bühne / Stage: Matthias Schäfer, Thomas Burkhard, Harald „Dutsch“ Adams, Lotte Genz, Fred Langkau,
Martin Zimmermann , Mirko Neugart, Marcus “Marceese” Trabus, Manuel Solms, Birte Dördelmann,
Pierre Joël Becker, Maria Deiana, Ivan Jovanovic, Ricardo Lashley, Christoph Reinhardt,
Rene Schaeffges, Sven Rheinisch, Karin Hornemann
Licht / Light: Carsten Meyer, Petra Dorn, Kathrin Kausche, Robert Wolf, Boris Bauer, Günhan Bardak,
Mathilda Kruschel, Sachiko Zimmermann, Imke Linde, Lydia Schönfeld
Ton / Sound: Manfred Tiessler, Axel Kriegel, Martin Trümper, Stefan Höhne, Tilo Lips, Jörn Groß,
Klaus Tabert, Torsten Schwarzbach, Felix Podzwadowski, Dennis Roemer
Redaktion / Editorial: Dr. Barbara Barthelmes
Übersetzungen / Translations: Elena Krüskemper, Lucy Renner Jones
Grafik / Graphic: Christine Berkenhoff
Berliner Festspiele, Schaperstraße 24, 10719 Berlin
Tel. + 49 30 254 89 0
www.berlinerfestspiele.de
[email protected]
Abonnieren Sie den Newsletter der Berliner Festspiele / You can subscribe to our free newsletter under
www.berlinerfestspiele.de
Besuchen Sie den Berliner Festspiele Blog / Visit the Berliner Festspiele Blog
blog.berlinerfestspiele.de/