1 DIHK-Präsident Eric Schweitzer Veröffentlichung IHK

DIHK-Präsident Eric Schweitzer
Veröffentlichung IHK-Aktionsprogramm zu Flüchtlingen
Pressegespräch am 8. Dezember 2015
Die aktuelle Flüchtlingskrise ist für Deutschland und die EU eine enorme Herausforderung.
Jeder wird in den nächsten Jahren bei dieser Aufgabe seinen Anteil leisten müssen. Auch
wir als IHK-Organisation sehen uns in der Pflicht.
Unsere Antwort ist das gemeinsame DIHK-Aktionsprogramm „Ankommen in Deutschland
– Gemeinsam unterstützen wir Integration“. Wir wollen damit das vielfältige Engagement
der IHKs bündeln und ein flächendeckendes Beratungs- und Unterstützungsangebot aufbauen. Flüchtlingen soll möglichst früh der Einstieg insbesondere in Praktika, Einstiegsqualifizierung und berufliche Ausbildung gelingen.
Ich bin fest davon überzeugt: Ausbildung, Qualifizierung und anschließender Einstieg in den
Beruf sind die besten Voraussetzungen für Integration. Was tun wir ganz konkret dafür?
Jede IHK wird in den Aktionsfeldern „Beratung und Information der Betriebe“, „Berufliche
Orientierung für Flüchtlinge“ und „Vermittlung in Ausbildung“ aktiv werden. Dazu gehören
beispielsweise Informationen zu rechtlichen Rahmenbedingungen oder zum kulturellen oder
religiösen Hintergrund der Flüchtlinge. Insbesondere jungen Flüchtlingen werden Chancen
der beruflichen Bildung aufgezeigt und die Besonderheiten der deutschen Beruflichen Bildung vermittelt. Das alles muss natürlich hautnah und zum Anfassen sein – also am besten
über Betriebsbesuche und Praktika. IHKs werden zudem bei der Vermittlung in Einstiegsqualifizierung und Ausbildung unterstützen, z. B. durch das Erstellen individueller Profile, durch
Speed Datings sowie durch Vorbereitungskurse in verschiedenen Berufsfeldern.
Neben diesem Basisangebot wird jede IHK in weiteren ausgewählten Feldern Aktionen aufsetzen. Die Überschriften dazu lauten: „Unterstützung von Spracherwerb und Gesellschaftskunde“, „Begleitung von Betrieben bei der Qualifizierung und Ausbildung von Flüchtlingen“,
„Kompetenzen von Flüchtlingen erfassen und einordnen“, „Vermittlung von Flüchtlingen über
25 Jahren in Qualifizierungsangebote“ und „Unterstützung von Flüchtlingen bei Existenzgründungen“.
Als erstes Produkt für die Unternehmen hat der DIHK einen Leitfaden zur „Integration von
Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung“ erstellt. Damit können sich die Betriebe einen
ersten Überblick verschaffen. Solche Informationen helfen, Unsicherheiten abzubauen. Sie
zeigen aber auch, wie komplex die Thematik ist. Kurzfristig hilft daher vor allem eine gute
Zusammenarbeit von Behörden und Unternehmen vor Ort, um pragmatisch vorzugehen.
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Nach der Maxime: „Im Zweifel im Interesse der Integration und damit pro Flüchtling und pro
Betrieb.“
Zur Umsetzung unseres bundesweiten Aktionsprogramms wird es im DIHK und in jeder IHK
Ansprechpartner zum Thema Flüchtlinge geben. Zusätzlich zum vielfältigen ehrenamtlichen
Engagement werden sich in den IHKs und im DIHK mehr als 170 Mitarbeiter in den verschiedenen Aktionsfeldern engagieren. Das DIHK-Aktionsprogramm ist für das Jahr 2016 mit
mind. 20 Mio. Euro Investitionsvolumen unterlegt. Die Investitionen von Personal und Geld
sollen ein wirksamer Hebel sein, mit dem wir positive Folgewirkungen anstoßen wollen, nämlich perspektivisch Fachkräfte für Unternehmen und Arbeitsplatzchancen für Flüchtlinge zu
erschließen. An der Schnittstelle zu den Betrieben sind wir mit unserem regionalen Netz der
79 IHKs mit über 200 Geschäftsstellen ein wichtiger Player, um gemeinsam mit unseren
Partnern vor Ort – u. a. den Arbeitsagenturen, Jobcentern und kommunalen Einrichtungen –
nicht nur über Integration zu reden, sondern konkret zu werden.
Es ist klar, dass die Integration große Anstrengungen von allen Beteiligten fordert. Denn
Flüchtlinge kommen meist nicht als Fachkräfte zu uns. Fehlende Deutschkenntnisse und
zumeist geringe Qualifikationen machen die Integration zur langjährigen Aufgabe. Auch die
Vermittlung der Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes und von Umgangsformen im Arbeitsalltag stehen auf der Agenda. Aber wir müssen und wollen diejenigen, die jetzt hier sind
und langfristig bleiben werden, bestmöglich integrieren und ihnen Perspektiven bieten.
Gleichzeitig ist von den Flüchtlingen auch persönliches Engagement gefordert. Denn Willkommenskultur und Integrationsbereitschaft sind zwei Seiten einer Medaille.
Die IHKs vor Ort erleben im Rahmen ihrer Aktivitäten bei sehr vielen Unternehmen ein
enormes Engagement und Bereitschaft anzupacken. Wer sich praktisch engagiert, erfährt
aber immer wieder auch, an welchen Stellen die Politik weiter gefordert ist. Es geht hierbei
nicht um Kritik an Bund, Ländern und Kommunen, die sich alle auf ihren Feldern genau wie
wir sehr engagieren. Aber die praktischen Erfahrungen zeigen, wo es noch hakt und wo noch
mehr geschehen muss.
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Das betrifft erstens die Sprache:
Gute Kenntnisse der deutschen Sprache sind das A und O für eine gelingende Integration in
Ausbildung und Arbeitsleben. Die Sprachangebote vor allem an den Beruflichen Schulen
müssen daher rasch und noch weiter ausgebaut werden.
Um das dafür dringend benötigte Personal zu gewinnen, sollten die Länder auch ungewöhnliche Wege beschreiten – sinnvoll ist es z. B. pensionierte Lehrkräfte anzusprechen oder
unterrichtsfreie Fortbildungszeit von Lehrern für den Sprachunterricht der Flüchtlinge zu nutzen.
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Anknüpfend an die Sprache ist zweitens der Weg in Ausbildung und Beschäftigung die
Voraussetzung zur Integration:
Bei jüngeren Flüchtlingen muss deshalb die Vermittlung in Ausbildung ganz oben auf der
Agenda stehen. Es gilt, bewährte Instrumente wie die betriebliche Einstiegsqualifizierung zu
nutzen, um junge Flüchtlinge an eine Ausbildung heranzuführen. Ich kann mir vorstellen,
dass diese Einstiegsqualifizierungen mit parallel laufenden Sprachkursen kombiniert werden.
Wir sollten auch die Assistierte Ausbildung, die in der Allianz für Aus- und Weiterbildung vereinbart wurde, für die Integration junger Flüchtlinge einsetzen.
Wichtiger Baustein ist auch die ehrenamtliche Betreuung von jungen Flüchtlingen. Hier könnten Paten des Senior Expert Service verstärkt tätig werden.
Zusätzlich sind drittens rechtssichere Perspektiven für Ausbildung und Beschäftigung unerlässlich. Zahlreiche Betriebe sind bereit, Flüchtlinge zu integrieren. Dafür brauchen sie aber
noch bessere rechtliche Rahmenbedingungen. So muss ausbildungswilligen Unternehmen
klipp und klar versichert werden. "Wenn Sie einen Azubi einstellen, darf er mindestens für die
Zeit der Ausbildung und noch zwei Jahre danach bleiben“. Außerdem ist mir völlig unverständlich, dass die Altersgrenze für die erleichterte Duldung von Flüchtlingen in einer Ausbildung bei nur 21 Jahren liegt.
Beim Schritt in den Arbeitsmarkt ist die Vorrangprüfung für Asylbewerber mit Bleibeperspektive eine unnötige bürokratische Hürde, auf die wir aktuell verzichten sollten.
Zudem sollte auch ein Wechsel von gut qualifizierten Asylbewerbern mit Bleibeperspektive in
die reguläre Fachkräftezuwanderung möglich sein. Das steigert die Rechtssicherheit und
kann ggf. auch schneller gehen als das derzeitige Asylverfahren.
Dass die Asylverfahren insgesamt aber schneller abgeschlossen werden, ist dringend nötig.
Flüchtlinge und anknüpfend Unternehmen brauchen schneller Klarheit. Ich setze darauf,
dass die jetzt angestoßenen Schritte – Personalaufbau und besserer Datenaustausch – hier
bald wirken.
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft müssen weiter an einem Strang ziehen, um diese wahrlich große Herausforderung zu meistern. Die IHK-Organisation wird ihren Beitrag leisten.
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