Juli / August 2015 Das Fachmagazin der österreichischen E-Wirtschaft P.B.B. – Zul.-Nr. GZ 022031249 M „Die Presse“ Verlags-Ges.m.b.H. & Co KG Hainburger Strasse 33, 1030 Wien Retouren an PF555, 1008 Wien Postnummer 1 PARIS WIRFT LANGE SCHATTEN Die UN-Klimakonferenz sorgt bereits im Vorfeld für heiße Debatten ABSAGE AN DEN KAPAZITÄTSMARKT Foto: Verbund / R.Zink Das „Weißbuch“ legt den Fokus auf die Entwicklung des Strommarktes Weil Österreichs E-Wirtschaft eine Versorgungssicherheit von 99,9 Prozent gewährleistet. Damit das auch in Zukunft so bleibt, investiert Österreichs E-Wirtschaft jährlich rund 1,6 Milliarden Euro in Stromerzeugung und Netze. Österreichs E-Wirtschaft setzt sich ein. Informieren Sie sich auf www.oesterreichsenergie.at Foto: Verbund Weil Energie in unserer Natur liegt. 04 INHALT Inhalt _ Coverstory 06 Paris wirft lange Schatten Foto: Fotolia _ Inhalt 06 14 Absage an den Kapazitätsmarkt 18 Strom kennt keine Grenzen 20 “Energy Talks 2015“ - Meisterstück Energiewende 28 Interview „Erneuerbare müssen Systemverantwortung übernehmen“ 32 Struktur der Stromversorgung ändert sich massiv Foto: APG 38 Mehr „Kohle“ für weniger Kohle 28 44 Energieprojekte haben Top-Niveau 49 Brennpunkt Europa 50 Schau-Kraftwerk Forstsee - Industriedenkmal am Wörthersee 54 Stationäre Brennstoffzellen auf dem Weg zur Serienreife Foto: Energie Burgenland 57 Standardisation Corner 58 Blitzlichter 32 60 Termine EDITORIAL Dr. Barbara Schmidt Klima-Hochamt Generalsekretärin Oesterreichs Energie Im heißen Sommer 2015 fällt es leicht, über Klimaschutz zu diskutieren. Immer dringlicher werden die Appelle, immer mehr tauchen neue Ideen auf. Vom 30. November bis zum 11. Dezember zieht die internationale Klima-Karawane in die Metropole an der Seine, um das Hochamt des 21. Klimagipfels der Vereinten Nationen zu zelebrieren. Diesmal geht es nach mehrmaligem Scheitern und langen Vorbereitungen angeblich ums Ganze. In unserer Coverstory geben wir einen kurzen Überblick über die Situation, die aktuelle Datenlage und die dahinterliegenden Tatsachen, denn natürlich macht sich auch Österreichs E-Wirtschaft ihre Gedanken über die Energiezukunft. Darüber wollen wir Sie in den kommenden Monaten noch genauer informieren. Passend zum Hauptthema finden Sie in diesem Heft von Oesterreichs Energie auch einen Statusbericht zu den EnergieAktivitäten in Brüssel und Berlin. Wir blicken allerdings auch zurück zu den Energiegesprächen in Ossiach. Mit Austrian Power Grid-Vorstand Thomas Karall verfügt Österreich erneut über einen renommierten Vertreter im Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E, zu dessen vorrangigen Aufgaben die Schaffung eines harmonisierten, möglichst liquiden Marktes sowie eine effiziente Ordnung der Energiemärkte gehört. Im Interview gibt Karall Auskunft über die Situation des europäischen Übertragungsnetzes und den in den kommenden Jahren anfallenden Investitionsbedarf. Das sind nur einige Highlights unseres Branchen-Fachmagazins, das wir Ihnen zum Ende dieses heißen Sommers rechtzeitig vor einem „heißen Herbst“ ins Haus liefern. Ihre Generalsekretärin Oesterreichs Energie 05 06 COVERSTORY COVERSTORY COVER-STORY Paris wirft lange Schatten Die UN-Klimakonferenz in Paris vom 30. November bis 11. Dezember wirft ihre Schatten voraus. In der Hitze des Sommers formieren sich verschiedene Klimaretter mit recht unterschiedlichen Konzepten. Foto: Fotolia Von Ernst Brandstetter 07 08 COVERSTORY A ngeblich agiert insbesondere der bisher so zaghafte US-Präsident Barack Obama angesichts des nahen Endes seiner zweiten Amtszeit wie befreit. Ja, er machte nach Eigendefinition den „größten und wichtigsten Schritt, den wir jemals unternommen haben“. Binnen 15 Jahren sollen die amerikanischen Kraftwerke um mehr als ein Drittel weniger Treibhausgase ausstoßen als 2005. Gleichzeitig müssen die Stromproduzenten den Anteil an erneuerbaren Energien auf rund ein Drittel erhöhen. Frankreich hat ein neues Energiewendegesetz verabschiedet, mit dem der Ausstoß von Treibhausgasen und gleichzeitig die Abhängigkeit von der Atomkraft gesenkt werden sollen. Im Jahr 2030 sollen erneuerbare Energien 32 Prozent der französischen Stromproduktion ausmachen, der Anteil fossiler Energieträger wie Erdöl soll bis dahin um 30 Prozent gesenkt werden. Zahlengewirr Bei der Atomenergie plant Frankreich einen Abbau des Atomkraftanteils an der Stromproduktion von derzeit 75 auf 50 Prozent im Jahr 2025. Insgesamt sieht das Gesetz vor, den Energieverbrauch in Frankreich bis zum Jahr 2050 um 50 Prozent zu senken und den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 – im Vergleich zu 1990 – um 40 Prozent zu reduzieren. In einem Aufwasch werden gleich auch noch Plastiksackerl weitgehend verboten – und die Lebensmittelverschwendung ebenfalls. Ganz anders geht es in osteuropäischen EU-Ländern zu: Tschechien, die Slowakei und Ungarn setzen verstärkt auf Kernkraft, und Polen nimmt einen neuen Anlauf in Richtung Atom. Slowenien und Kroatien haben sich darauf geeinigt, die Laufzeit für das AKW in Krško zu verlängern. Chinas Kommunisten wollen wiederum den Ausstoß von Treibhausgasen jetzt stärker als bisher geplant reduzieren. Der inzwischen weltgrößte Energieverbraucher will die CO2-Emissionen – gemessen an der Wirtschaftsleistung bis 2030 pro Einheit des Bruttoinlandsproduktes (BIP) – um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005 reduzieren; ferner soll der Ausstoß von Kohlendioxid möglichst vor 2030 seinen Höhepunkt erreichen. Die neuen Klimaziele verkündete Regierungschef Li Keqiang Anfang Juli 2015 passenderweise bei einem Besuch in Paris. Das bedeutet, dass China seinen Kohlendioxidausstoß zwischen 2005 und 2030 um jährlich 3,6 bis 4,1 Prozent verringern müsste. Nach den neuen Zusagen soll auch der Anteil der nichtfossilen Energie bis 2030 von heute 11,2 auf 20 Prozent steigen. Die EU will den CO2-Ausstoß bis 2030 um mindestens 40 Prozent senken – im Vergleich mit 1990. Der Anteil der erneuerbaren Energien aus Wind oder Sonne soll auf mindestens 27 Prozent steigen. Die Zielmarke für Energieeffizienz liegt ebenfalls bei 27 Prozent. Bei diesem beinahe babylonischen Zahlenwirrwarr lohnt sich ein Blick auf die grundlegenden Fakten: Vor knapp einem Jahr schätzte die Internationale Energie Agentur (IEA) in ihrem World Energy Outlook, dass die weltweite Nachfrage nach Primärenergie bis 2040 um 37 Prozent steigen wird. Dabei werde allerdings die Nachfrage nach den CO2-intensiven Energieträgern Kohle und Öl nach langen Jahren des Wachstums aus unterschiedlichsten Gründen – von einem Abbau der Subventionen, Effizienzmaßnahmen, Substitutionsmaßnahmen bis zu Technologieschüben – schließlich in eine Stagnation münden. 2040 werde sich die Welt dann zu etwa gleichen Teilen mit Energie aus „lowcarbon energy sources“ (darunter ist neben den Erneuerbaren auch ein Ausbau der installierten Leistung aus Atomenergie um 60 Prozent zu verstehen), Öl, Erdgas und Kohle versorgen. Auf Erneuerbare entfällt etwa die Hälfte der neu zu installierenden Kapazität. ›Signifikante Steigerungen des Endenergieverbrauchs sehen Studien nur bei der produzierenden Wirtschaft.‹ Dass diese Prognose nicht überholt ist, zeigt auch der kürzlich in Wien präsentierte „Energy Outlook 2035“ des Energiekonzerns BP. BP sieht einen Anstieg des Primärenergieverbrauchs zwischen 2013 und 2035 um 37 Prozent, was einem Schnitt von 1,4 Prozent jährlich gleichkommt. 96 Prozent des Mehrverbrauchs kommen dabei aus dem NichtOECD-Raum, wo man ein Wachstum von durchschnittlich 2,2 Prozent pro Jahr erwartet. Diesen relativ niedrigen Wert verdanken wir dem Auslaufen der Phase rapiden Wirtschaftswachstums in den großen asiatischen Volkswirtschaften, wo man sich in Zukunft nur noch mit durchschnittlich 2,5 Prozent BIP-Wachstum zufrieden geben wird – nach rund sieben Prozent in der jüngeren Vergangenheit. In der OECD hingegen beträgt das Wachstum nur 0,1 Prozent pro Jahr und ist damit also vom Wirtschaftsund Bevölkerungswachstum weitestgehend entkoppelt. COVERSTORY COVER-STORY Wirtschaftsentwicklung dominiert Typische Entwicklungspfade für Österreich in den Jahren bis 2030 wurden in einer Vielzahl von Studien und Szenarien diskutiert. Welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen, zeigt ein Vergleich von drei Studien und Prognosen – erstellt von der Internationalen Energie Agentur (IEA), der Europäischen Kommission und Frontier Economics. Wichtigste Parameter, nach denen sich diese Studien differenzieren lassen, sind die unterschiedlichen Einschätzungen des künftigen Wirtschaftswachstums bis 2030, die zwischen 0,7 Prozent und 1,8 Prozent jährlich liegen. Eine geringere Rolle spielen Importpreise für fossile Energieträger, CO2-Zertifikatspreise und Bevölkerungsentwicklung sowie technologische Trends. Die drei Szenarien zeigen auch auf, dass die Umwelt- und Energieziele ohne politische Maßnahmen nicht erreicht werden. 09 Andere Studien, wie beispielsweise jene im Juni 2015 erstellte Studie „Energiezukunft Österreich“ im Auftrag von Greenpeace, Global 2000 und World Wildlife Fund for Nature (WWF) sehen zwar Maßnahmen vor, erreicht werden die oben genannten Ziele dennoch vor allem dadurch, dass die Studie als Input-Parameter ein Wirtschaftswachstum von lediglich durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr anlegt. Damit werden wohl die Umweltziele erreicht, die Bevölkerung muss jedoch hohe reale Einkommenseinbußen erwarten, wenn man einen Inflationstrend von 1,5 bis 2 Prozent anlegt. In Summe ergibt sich in den drei Szenarien für 2030 ein energetischer Endverbrauch zwischen 277.091 GWh und 311.367 GWh. Gegenüber 2012 bedeutet das eine Spanne zwischen einer Reduktion des Verbrauchs um 9,49 Prozent und einer Steigerung um 1,70 Prozent. Der Anteil von Strom am energetischen Endverbrauch wächst zwischen 3,63 und 4,12 Prozentpunkten. „BP Energy Outlook 2035“ – Erneuerbare wachsen am stärksten • • • • • • • Bevölkerungswachstum und Einkommenszuwächse sind die wichtigsten Treiber in Bezug auf die Energienachfrage. Das weltweite BIP wird sich mehr als verdoppeln, wobei 60 Prozent des Zuwachses aus Asien kommen. 2035 wird das BIP pro Kopf weltweit um 75 Prozent höher liegen als heute. Der Primärenergieverbrauch steigt um 37 Prozent, also im Jahresschnitt um 1,4 Prozent, und liegt damit unter dem bisherigen Trend von 2,4 Prozent plus jährlich. Der Kohleverbrauch, der seit dem Jahr 2000 um 3,8 Prozent pro Jahr zulegte, wächst langsamer und erreicht nur noch ein Plus von 0,8 Prozent im Jahr – gleichauf wie Erdöl. Stärker, nämlich mit durchschnittlich 1,5 Prozent jährlich, wird der Erdgasverbrauch wachsen. Am stärksten wachsen erneuerbare Energien mit 6,3 Prozent pro Jahr. Atomenergie legt jährlich um 1,8 Prozent zu und Wasserkraft um 1,7 Prozent. 2035 halten die Fossilen gemeinsam (in etwa zu gleichen Teilen) 81 Prozent des Energieeintrags. Die Welt elektrisiert sich zusehends. Im Zuge des langfristigen Trends in Richtung Strom steigt der Anteil der Primärenergie, die für die Stromproduktion benötigt wird, von 42 auf 47 Prozent. Die CO2-Emissionen steigen zwischen 2013 und 2035 um 25 Prozent. Das Wachstum der Emissionen bremst • • • • • sich jedoch ein – von durchschnittlich 2,5 Prozent jährlich im abgelaufenen Jahrzehnt auf 0,7 Prozent jährlich in den Jahren 2025 bis 2035. Dank Schiefergas und unkonventioneller Öl-Vorkommen, die zunehmend entdeckt und erschlossen werden, sieht BP keine Ressourcenknappheit bei Gas und Öl, die Produktion werde sich aber zunehmend nach Amerika verlagern. 2014 war in den USA das Jahr mit der historisch höchsten Ölproduktion. Spätestens 2030 erwartet BP, dass die USA vom Öl- und Gasimporteur zum Exporteur werden. Die Fahrzeugflotte der Welt wächst bis 2035 von 1,2 auf 2,4 Mrd. Fahrzeuge. Dank effizienterer Antriebe wächst der Energiebedarf im Verkehr „nur“ um 30 Prozent. Die Kosten für erneuerbare Energien sinken dank Massenproduktion und neuer Technologien. Zumindest Windenergie wird ab 2030 am Energiemarkt voll wettbewerbsfähig sein. Fotovoltaik wird zumindest in Nischenmärkten kompetitiv. Ab 2035 wird der Anteil der Erneuerbaren in Europa so hoch sein, dass die europäischen Stromnetze zu einem begrenzenden Faktor werden. Es gibt ausreichend Optionen, zusätzlich zwei Mrd. t CO2 gegenüber dem im Outlook skizzierten Basistrend einzusparen, allerdings ist immer ein Maßnahmenbündel erforderlich. Insgesamt erhöht sich aber die Komplexität des Systems. 10 COVERSTORY Signifikante Steigerungen des Endenergieverbrauchs sehen die drei Szenarien nur bei der produzierenden Wirtschaft. In allen anderen Bereichen ist der Endenergieverbrauch unter anderem durch Effizienzmaßnahmen rückläufig bis stagnierend. Ein Wachstum des Stromverbrauchs entsteht vor allem in der Industrie durch Mengenentwicklung der Produktion und im Verkehr bedingt durch die erwartete Zunahme der Elektromobilität. EU-Ziele nicht erreicht Betrachtet man Strom- und Wärmeaufbringung als zusammengehörende Bereiche, zeigen die Szenarien einen Mehrbedarf von 5,7 bis 11,3 TWh Strom. Die Abdeckung des künftigen höheren Strombedarfs erfolgt in Abhängigkeit von den Energiemärkten in unterschiedlichem Ausmaß durch erneuerbare Energien, die Nutzung fossiler Energieträger oder Stromimporte. Deutlichere Unterschiede ergeben sich aus den Szenarien für die Entwicklung innerhalb des Stromsektors: Hier liegen die Erneuerbaren-Anteile 2030 zwischen 64,54 und 74,12 Prozent. Die CO2-Emissionen sinken in jedem Szenario, die Reduktion liegt – überwiegend abhängig vom Wirtschaftswachstum – zwischen dreizehn und 22 Prozent. Szenarien mit höheren Preisen für fossile Energieträger erbringen schlussendlich auch höhere Der Anteil erneuerbarer Energieträger am Endenergieverbrauch zum Ende des Betrachtungszeitraums wird durch die in den Szenarien wirkenden Trends nicht entscheidend beeinflusst und schwankt zwischen 36,3 und 38,7 Prozent. Damit werden die politisch bereits formulierten Ziele der Europäischen Union nicht erreicht. Szenarien für Österreichs Energieverbrauch Ölpreise sieht man auf Basis der zunehmenden Unabhängigkeit der USA von Importen und anderer Trends eher im Rahmen einer gemäßigten Entwicklung. Das Preisniveau bei Stromimporten erwarten die Experten von Frontier Economics ebenfalls nicht sehr hoch. Hingegen steigen die Preise am ETS-Markt steil an, denn die Wirtschaftsentwicklung schlägt hier voll durch. Insgesamt weist dieses Szenario auf den stärksten Zuwachs im Stromverbrauch hin. Damit ergibt sich auch eine Verbesserung der Investitionschancen für Elektrizitätsinfrastruktur. Die Internationale Energie Agentur geht von einer eher gedämpften Wirtschaftsentwicklung und einem hohen Erdölpreis aus. Die Importpreise für Strom bleiben weiterhin niedrig. Gedämpft bleiben ebenfalls die Preise für CO2-Emissionen. Weil die Wirtschaft nur geringfügig wächst, gibt es auch keine großen Veränderungen des Importbedarfs bei Strom. Damit kann auch die Elektrizitätswirtschaft nur wenig investieren, eine Dynamik des Sektors, getragen von den Anforderungen der Energiewende, ist damit nicht abzusehen. • • Europäische Kommission Die Europäische Kommission beurteilt die Wirtschaftsentwicklung positiver als die internationale Energieagentur. Unter diesem Aspekt geht sie von einem hohen Preis für Öl aus. Höheres Wirtschaftswachstum geht andererseits einher mit einer besseren Wirkung des ETS-Systerms, womit die Kosten der CO2-Emissionen wahrscheinlich anziehen würden. Weil die Industrie auch beim Stromverbrauch der wichtigste Faktor ist, wird auch ein höherer Importpreis für Strom erwartet. Davon könnte auch die thermische Erzeugung im Inland mittels Gaskraftwerken profitieren. Höhere Strompreise bedeuten zudem bessere Investitionsbedingungen für die Branche. Zumindest Investitionen in den Bestand und ein gewisser Ausbau dürften sich rechnen. Frontier Economics Frontier Economics rechnet von allen drei Szenarien mit der stärksten wirtschaftlichen Entwicklung. Die • Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung Aktuelle Zahlen zeigen, dass der Zuwachs des Endenergieverbrauchs noch nicht wirklich dauerhaft vom Wirtschaftswachstum entkoppelt ist. Das Wirtschaftswachstum wird somit zum entscheidenden Faktor. 2005 bis 2012 ist das BIP um ungefähr 11 Prozent gewachsen, was einer jährlichen Wachstumsrate von rund 1,5 Prozent entspricht. In diesem Zeitraum ist der energetische Endverbrauch praktisch stabil geblieben. Extrapoliert man diese Entwicklung bis 2020, dann wäre mit dieser Dynamik des Energiesystems ein energetischer Endverbrauch von 1100 Petajoule bei einem jährlichen BIP-Wachstum von 1,5 Prozent durchaus erreichbar. Für 2030 sieht das WIFO verschiedene Entwicklungspfade, die abhängig von der Realisierung bestimmter Technologieoptionen einen energetischen Endverbrauch von rund 905 Petajoule aufweisen. COVERSTORY COVER-STORY Nettoimportkosten für Energie. Niedrige Preise für fossile Energieträger verbessern die Produktionschancen für thermische Anlagen und verringern durch bessere Auslastung der thermischen Anlagen im Inland den Importbedarf bei Strom. ›Umwelt- und Energieziele können ohne politische Maßnahmen nicht erreicht werden.‹ Das Umweltbundesamt erstellt in zweijährigem Intervall Szenarien über die Entwicklung von österreichischen Treibhausgas-Emissionen, die als Grundlage zur Erfüllung der EU-Berichtspflicht im Rahmen des Monitoring Mechanismus herangezogen werden und die auch als Unterlagen für die Diskussion über die nationale Klimaschutzpolitik (Klimaschutzgesetz) und für die Zielverhandlungen für das Jahr 2030 sowie im Hinblick auf 2050 dienen. Treibhausgas-Emissionen stabil Das Szenario „Mit bestehenden Maßnahmen” zeigt bis 2020 eine weitgehende Stabilisierung der österreichischen Treibhausgas-Emissionen bei 79,1 Mio. t CO2-Äquivalent (+0,5 Prozent gegenüber 1990). Bis 2050 ist eine geringfügige Reduktion auf 75,5 Mio. t CO2-Äquivalent (-4,1 Prozent gegenüber 1990) abzulesen. Jene Emissionen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen und somit dem Effort-Sharing-Bereich angehören, zeigen in diesem Szenario von 2005 bis 2020 eine Abnahme von 10,1 Prozent auf 51,01 Mio. t CO2-Äquivalent. Dies bedeutet, dass das österreichische Effort-Sharing-Ziel 2020 von 48,8 Mio. t CO2-Äquivalent ohne zusätzliche Maßnahmen verfehlt wird. Dabei hat sich das Umweltbundesamt auch unterschiedliche Wirtschaftsentwicklungen angesehen – ein Szenario mit bestehenden Maßnahmen geht von durchschnittlich 0,8 Prozent aus, ein zweites von 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) erwartet in den kommenden vier bis fünf Jahren ein durchschnittliches Wachstum von 1,25 Prozent. Man darf also mit einiger Gewissheit annehmen, dass die Wahrheit in der Mitte zwischen den aufgezeigten Szenarien liegen wird. Im Szenario „Mit zusätzlichen Maßnahmen” wird die geforderte Reduktion 2020 im Effort-Sharing-Bereich mit 45,7 Mio. t CO2-Äquivalent jedenfalls erreicht werden (-19,3 Prozent gegen- 11 über 2005). Das Szenario zeigt bis 2020 gegenüber 1990 eine Abnahme der gesamten Emissionen auf 73,3 Mio. t CO2-Äquivalent (-6,9 Prozent); ab 2030 wird sich der zuvor leicht sinkende Trend in einem konstanten Emissionslevel fortsetzen (2050: 64,8 Mio. t CO2-Äquivalent). Im Szenario „Mit zusätzlichen Maßnahmen Plus“ ist eine deutliche langfristige THG-Reduktion zu erwarten (-27 Prozent bis 2030 bzw. -57 Prozent jeweils gegenüber 1990). Energie-Offensive notwendig Auf jeden Fall braucht das Umweltbundesamt im Sektor Energieaufbringung eine echte Energie-Offensive, damit die Ziele geschafft werden. Dabei geht es vor allem um einen Energieträgerwechsel von Öl und Kohle zu Gas und Erneuerbaren. Laut Zwei Szenarien des Umweltbundesamts Szenario mit bestehenden Maßnahmen: Energie/Industrie: Ökostromgesetzziele bis 2020 werden erfüllt; Emissionshandel. Verkehr: Forcierung von Biokraftstoffen, ökonomische Anreize – Mineralölsteuer-(MöSt-)Erhöhung 2011 („Klimabeitrag“), klimaaktiv mobil Programm, ökonomische Anreize (LKW-Maut, NoVA), Anschlussbahnförderung im Güterverkehr, Mobilitätsmanagement und Bewusstseinsbildung – Spritspar-Initiative. Gebäude: Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energie für die Raumheizung sowie Steigerung der Energieeffizienz der privaten Stromnachfrage. Szenario mit zusätzlichen Maßnahmen: Energie/Industrie: Weiterer Ausbau der Ökostromanlagen nach 2020. Verkehr: Ökonomische Anreize – MöSt-Erhöhung 2016 und 2019; Umsetzung Wegekosten-Richtlinie; verstärkte ÖV-Nutzung, Forcierung Mobilitätsmanagement inkl. „Masterplan Radfahren & Masterplan Gehen“, Forcierung Elektromobilität gemäß Energiestrategie Österreich. Gebäude: Umsetzung des „Nationalen Plans“ gem. Gebäuderichtlinie (EPBD 2010/31/EU) für Nichtwohngebäude (NWG) bis 2020, Anpassung bestehender Förderprogramme: Änderung der Förderbudgets. COVERSTORY Foto: BP 12 In den nächsten Jahren wird sich die Produktion von Öl und Gas zunehmend nach Amerika verlagern. Papieren des Umweltbundesamts wird erwartet, „dass sich die installierten Kapazitäten von Fotovoltaikanlagen, Windkraftanlagen, Wasserkraftwerken und Biomasse-Kraftwerken deutlich erhöhen“. Nach 2017 würden jedoch schrittweise BiomasseKraftwerke stillgelegt, was den Rückgang an TreibhausgasEmissionen im Szenario mit bestehenden Maßnahmen mindern werde. Dem kann für ein Verschärfungs-Szenario mit neuen Förderungen entgegengewirkt werden. Ab 2030 wird erwartet, dass sich der Gesamtelektrizitätsbedarf weiterhin erhöht und verfügbare Kraftwerke, betrieben mit fossilen Energieträgern, wieder an Bedeutung gewinnen – wie dies in den von Oesterreichs Energie betrachteten Szenarien auch für möglich gehalten wird. Die Folge wären wieder mehr Treibhausgas-Emissionen. Notfalls denkt man da sogar an die Schließung der Raffinerie und ähnlich Grausames. Beim Verkehr stünde dann eine „Reduktion des PKW-Besitzes“ an, sowie eine nicht begründete generell stagnierende Güterverkehrsleistung ab 2035. Auch die Industrie müsste dann deutlich mehr emissionsmindernde Maßnahmen ertragen. Politisch ist hierbei aber derzeit noch nichts fix. Wie aus Expertenkreisen verlautet, hält sich Österreich in Sachen Klimagipfel an die EU, eigene Ideen für Paris wurden keine entwickelt. Info Die UN-Klimakonferenz in Paris 2015 findet als 21. UN-Klimakonferenz und gleichzeitig als elftes Treffen zum Kyoto-Protokoll statt. Den Vorsitz hat der französische Außenminister Laurent Fabius. Dieser Konferenz wird eine äußerst zentrale Bedeutung zugemessen, da eine neue internationale Klimaschutz-Vereinbarung in Nachfolge des Kyoto-Protokolls verabschiedet werden soll. Vom 8. bis 13. Februar 2015 fand in Genf dazu bereits eine Vorbereitungskonferenz statt. POLIT-KURZE COVER-STORY 13 Kurzmeldungen Politik Brüssel will Kennzeichungschaos beseitigen Eigentlich sollen sie Klarheit schaffen, tatsächlich kann die EnergieKennzeichnung von A bis G und von A bis A+++ auf Waschmaschinen, Fernsehern und anderen Haushaltsgeräten die Verbraucher wegen des uneinheitlichen Systems derzeit eher verwirren. Die EU-Kommission will daher die Kennzeichnung vereinfachen und hat einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorgestellt. Er sieht eine Rückkehr zur einfachen Skala von A bis G vor. Foto: Siemens Ursprünglich war das System einheitlich mit der Skala A bis G gestartet – diese sollten auch etwa für Klimaanlagen, Staubsauger, Geschirrspüler und Glühbirnen die Energieklasse angeben. Da aber der technische Fortschritt bei verschiedenen Geräten unterschiedlich schnell war, reichte zum Beispiel bei Waschmaschinen die Skala bald nicht mehr aus. EU plant Regeln für CO2Handel zu verschärfen Um das Klima besser zu schützen, will die EU-Kommission den CO2Handel überarbeiten. Beim Emissionshandel können Unternehmen in Europa nach Bedarf mit Rechten zum Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) untereinander handeln. Der Preis ist jedoch so niedrig, dass Anreize zum CO2-Sparen fehlen, heißt es. Daher will die EU-Kommission ab 2020 schärfere Regeln: Die Zahl der industriellen Emissionszertifikate soll ab 2021 jedes Jahr stärker sinken. Zudem will man weniger Ausnahmen für Branchen, die sehr stark im Wettbewerb stehen. Wachablöse bei der globalen Energieversorgung WKO kritisiert Energieeffizienzgesetz Die Staats- und Regierungschefs der G-7-Länder haben beim Gipfel in Elmau ein verbindliches Zwei-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung beschlossen. Damit wollten sie eine Mindestvoraussetzung schaffen, dass die UNO-Klimakonferenz in Paris im Dezember ein Erfolg werden kann. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hatte kurz vor dem Gipfel den Druck auf die G-7-Partner bei diesem Thema erhöht. Das Zwei-GradZiel war 2009 bei der UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen vereinbart worden. Bis kurz vor dem Gipfel war wegen der japanischen Vorbehalte noch unklar, ob das Zwei-Grad-Ziel überhaupt im GipfelAbschlussdokument auftauchen würde. Die USA sind zum weltgrößten Energieproduzenten aufgestiegen. Das ist das Ergebnis eines in London vorgestellten Welt-Energieberichts des britischen Ölund Gaskonzerns BP. Der Studie zufolge stieg die US-Ölförderung 2014 um den Rekordwert von 1,6 Mio. Barrel (etwa 159 l) Rohöl pro Tag. Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) kritisiert „mangelnde Rechtssicherheit“ beim Energieeffizienzgesetz. „Die Wirtschaft bekennt sich zur Energieeffizienz, doch derzeit sind die Bestimmungen des Gesetzes zum Teil nicht in die Realität umsetzen“, sagt Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik. „Der Grund liegt in den fehlenden Vorgaben, die die Akteure brauchen würden“, erläutert er. So fehle immer noch eine „Richtlinienverordnung“, die festlegen muss, welche EinsparMaßnahmen anrechenbar sind und in welchem Ausmaß, sowie ein Methodendokument. Foto: BP Einigung auf Zwei-Grad-Ziel beim Klimaschutz POLITIK Foto: Amprion 14 Absage an den Kapazitätsmarkt Anfang Juli war es so weit: Die lange diskutierte Streitfrage „Kapazitätsmarkt ja oder nein?“ ist vom Tisch. Die deutsche Bundesregierung hat sich in einem Weißbuch entschieden, dem Kapazitätsmarkt eine Absage zu erteilen und stattdessen den bisherigen Strommarkt weiterzuentwickeln. Von Stefan May POLITIK WIRTSCHAFT I m vorigen Oktober hatte die Regierung ein Grünbuch vorgelegt, das vier Monate lang diskutiert werden konnte. 700 Institutionen, Behörden und Unternehmen, aber auch Einzelpersonen haben sich daran beteiligt. Aus Österreich haben Oesterreichs Energie und E-Control dazu Anmerkungen übermittelt. Im nun vorliegenden Weißbuch wurden die Stellungnahmen zusammengefasst und die Entscheidung der Bundesregierung vorgestellt. Zentraler Punkt des Weißbuchs ist die Entwicklung eines Strommarktes 2.0. In dieser zentralen Frage konnte sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nicht mit seiner Forderung nach Einführung eines Kapazitätsmarktes durchsetzen. „Die damit getroffene politische Grundsatzentscheidung zur Weiterentwicklung eines Energy-onlyMarktes 2.0 löst aus unserer Sicht die wesentlichen Probleme der Energiewirtschaft nicht“, heißt es in einer Stellungnahme der Vorsitzenden der Hauptgeschäftsführung, Hildegard Müller. „Unsere Unternehmen brauchen dringend eine wirtschaftliche Perspektive zum Beispiel für moderne, effiziente Gaskraftwerke. Wir sehen weiterhin die alleinige Weiterentwicklung des Strommarktes 2.0 als nicht ausreichend an, um mittelfristig eine jederzeit sichere Energieversorgung zu gewährleisten.“ Weißbuch Strommarkt 2.0 Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) hingegen begrüßen die Richtungsvorgabe der Bundesregierung. Der Strommarkt 2.0 gewährleiste erstens Versorgungssicherheit, sei zweitens kostengünstiger und ermögliche drittens Innovationen und Nachhaltigkeit, führt das Weißbuch als Gründe für die Entscheidung der Regierung an. Da er keine Eingriffe in Marktmechanismen erfordere, sei ein solcher Strommarkt auch weniger anfällig für Fehler, lautet die Argumentation. Im Wettbewerb würden sich die für die Integration der erneuerbaren Energien kostengünstigsten Lösungen durchsetzen. Die Kapazitäten im für Deutschland relevanten Marktgebiet würden in den nächsten Jahren ausreichen, beruhigt das Weißbuch und beruft sich dabei auf zwei entsprechende Untersuchungen. Allerdings werde mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien der länderübergreifende Stromaustausch noch wichtiger. Insgesamt sei ein solcher weiterentwickelter Strommarkt günstiger als ein Kapazitätsmarkt. Die vorgesehene Kapazitätsreserve, die nicht am Markt teilnehmen dürfe, werde als „Hosenträger zum Gürtel“ funktionieren. Diese Kraftwerke würden Wettbewerb und Preisbildung nicht verzerren. Nur 15 wenn der Markt wider Erwarten Angebot und Nachfrage nicht ausgleichen könne, würden die Reserve-Kraftwerke zum Einsatz kommen. Während in einem Kapazitätsmarkt die reine Vorhaltung von Kraftwerks-Kapazitäten bezahlt werden müsste, könnten sich die benötigten Kapazitäten im Strommarkt über Marktmechanismen refinanzieren. Außerdem würden Kapazitätsmärkte tendenziell zu ungewollten Überkapazitäten führen, was ein zentrales Kostenrisiko für die Verbraucher bedeute, führt das Weißbuch an. Flexibilität lautet das Zauberwort der Bundesregierung, mit dem sie den Strommarkt an die nur schwer berechenbaren erneuerbaren Energien anpassen will. Sie sieht sich zudem durch die Mehrzahl der Bundesländer in ihrer Entscheidung bestärkt: Während sich die meisten Länder in der vom Grünbuch ausgelösten Diskussion für einen Strommarkt 2.0 ausgesprochen hatten, waren nur Baden-Württemberg und Bayern für die Einführung eines Kapazitätsmarktes. 20 Bausteine fürs Strommarktdesign Aus 20 Bausteinen wird das neue Strommarktdesign aufgebaut sein. So soll die Stromversorgung flexibel und effizient gestaltet werden, weshalb Deutschland die europäische Binnenmarktintegration vorantreiben will. Außerdem soll die Stromversorgung zusätzlich abgesichert werden. Neben der Überwachung der Versorgungssicherheit werden unter den 20 Punkten auch die Garantie der freien Preisbildung und die Weiterentwicklung der Regelleistungsmärkte angeführt. Stärkere Marktmechanismen sollen es ermöglichen, dass die Akteure ausreichend Reserven vorhalten und im erforderlichen Umfang einsetzen. „Vorübergehend werden auf vertraglicher Basis alte Braunkohlekraftwerke in die Kapazitätsreserve überführt und anschließend stillgelegt“, heißt es im Weißbuch. „Diese Maßnahme dient der Erreichung der nationalen Klimaziele für 2020.“ Kommt die Kapazitätsreserve zum Einsatz, würden die Stromlieferanten, die ihre Lieferpflichten nicht erfüllen konnten, zu zahlen haben – entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag einen angemessenen Anteil der Gesamtkosten der Reserve. Konventionelle Energien würden auch noch in Zukunft ihre Bedeutung haben, schreiben die Verfasser. Dann allerdings nur noch als Ergänzung zur fluktuierenden Einspeisung durch erneuerbare Energien. Bei deren weiterem Ausbau wäre aber die Verknüpfung von Strom, Verkehr und Wärme zunehmend wichtig. 16 POLITIK Oesterreichs Energie begrüßt Entscheidung In der Stellungnahme von Oesterreichs Energie zum Weißbuch wird die Grundsatzentscheidung, den bestehenden Strommarkt zu einem „Strommarkt 2.0“ weiterzuentwickeln, eindeutig begrüßt. Insbesondere jene Maßnahmen, welche die bestehenden Marktmechanismen stärken und die freie Preisbildung garantieren, sind wesentliche Weichen für einen funktions- und zukunftsfähigen Strommarkt 2.0, der sich durch intensiven Wettbewerb und Innovationskraft auszeichnet. Eine nur unvollständige Weiterentwicklung des Strommarktes gefährdet unseres Erachtens mittel- bis langfristig die Versorgungssicherheit, heißt es in der Stellungnahme. Beim Vorsatz, den europäischen Binnenmarkt zu stärken und Versorgungssicherheit vertieft europäisch zu betrachten, wird im Weißbuch zwar die Aufrechterhaltung einer einheitlichen deutschen Preiszone als Ziel formuliert, allerdings findet die deutsch-österreichische Preiszone, das erfolgreiche Beispiel eines integrierten Strommarkts mit überdurchschnittlich hoher Liquidität und Preissignalwirkung für den gesamten europäischen Raum – im Gegensatz zum Grünbuch – leider keine Erwähnung mehr. Die österreichische E-Wirtschaft tritt insbesondere in Anbetracht ständig steigender Einspeisung erneuerbarer Energien in Europa für die Beibehaltung großer Marktgebiete und die Fortsetzung der Marktintegration ein. Da hierzu der Netzausbau sowohl innerhalb Deutschlands als auch in den Nachbarländern und an Grenzkuppelstellen vorrangig zu bewerkstelligen ist, begrüßt Oesterreichs Energie die politische Vereinbarung der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 1. Juli 2015, das deutsche Stromnetz in die Lage zu versetzen, den vermarkteten Strom zu den Kunden zu transportieren und damit die bestehenden Netzengpässe zu beseitigen. In der aktuellen Situation, in der das Übertragungsnetz die im Norden Deutschlands anfallenden erneuerbaren Energiemengen noch nicht optimal in den Süden transportieren kann, ist Österreichs E-Wirtschaft jedenfalls willens und in der Lage, gesicherte grenzüberschreitende Redispatchkapazität und Reserveleistung für die gemeinsame deutschösterreichische Preiszone zu unterstützen, heißt es in der Stellungnahme. Die gemeinsame Preiszone hat Vorteile für Deutschland und Österreich, insbesondere die Flexibilität der österreichischen Kraftwerke kann von Deutschland kostenreduzierend genutzt werden. Unabhängig davon, dass das EU-Recht regelt, dass der grenzüberschreitende Handel nur im Fall von systematischen und strukturellen Engpässen beschränkt werden darf und das Verschieben von Engpässen an Ländergrenzen untersagt ist, warnen Studien von Consentec (2015)/Frontier Economics (2013)/RWTH Aachen (2012) vor der Aufteilung großer, liquider Gebotszonen, insbesondere der Gebotszone Deutschland-Österreich, denn ein Splitting der gemeinsamen Preiszone würde auch in Deutschland erhebliche Kosten durch Marktineffizienzen und die Steigerung der Transaktionskosten verursachen. Viele der von Oesterreichs Energie vorgeschlagenen, weniger marktinvasiven technischen Maßnahmen und Kooperationen werden im Weißbuch bestätigt: allen voran der bürgerfreundliche Netzausbau, der europäische Ansatz zur Versorgungssicherheit wie auch die Weiterentwicklung der Regelenergiemärkte und der Netzentgeltsystematik. Wir bitten Sie daher, im Sinne eines europaweiten Strombinnenmarktes und zum beiderseitigen Vorteil nicht allein die Beibehaltung der einheitlichen deutschen Preiszone, sondern ebenso die Beibehaltung der bewährten gemeinsamen deutsch-österreichischen Preiszone zu unterstützen. Kapazitätsreserven ab 2020 Oesterreichs Energie begrüßt das Bekenntnis des Bundesministeriums für Wirtschaft im Weißbuch sowohl zur europäischen Betrachtung von Versorgungssicherheit als auch zur internationalen Beteiligung an den geplanten Maßnahmen für die Reserven. Die skizzierte Ausgestaltung der Maßnahmen für Kapazitäts- und Netzreserve vernachlässigt allerdings wesentliche Prämissen, allen voran Technologieneutralität, Transparenz und marktwirtschaftliche, diskriminierungsfreie Beschaffung (Ausschreibung) mit internationaler Beteiligung, die ein europäisches, wettbewerblich organisiertes Modell aufweisen müsste. Insbesondere die Bevorzugung von alten deutschen Braunkohlekraftwerken widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung, auch von österreichischen Kraftwerkskapazitäten im gemeinsamen Marktgebiet. Darüber hinaus ist es aus volkswirtschaftlichen Erwägungen wohl sinnvoller, bestehende hochflexible und schwarzstartfähige Kraftwerkskapazitäten in Süddeutschland und Österreich weiterhin zu nutzen, anstatt isoliert in Süddeutschland neue und gesondert subventionierte Kraftwerkskapazitäten zu errichten. POLITIK WIRTSCHAFT 17 Qualitätsanforderungen der Leistungserbringer führen. Nur ein adäquater Daten- und Informationsaustausch über Regelenergieabrufe der ÜNB bei Aggregatoren in Bilanzkreisen von Dritten kann das grundsätzlich korrekte „Gegenregeln“ des Bilanzkreis-Verantwortlichen verhindern, der die Ausgeglichenheit seines Bilanzkreises verantwortet. Bei der Entwicklung eines Zielmodells für staatliche Preisbestandteile und Netzentgelte muss ein fairer, diskriminierungsfreier Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern im Vordergrund stehen und die Verursachergerechtigkeit bei der Verumlagung beachtet werden. Die Energiepolitik Europas wird nur dann die intendierte Versorgungssicherheit und die potenziellen Vorteile für Bürger und Wirtschaft hervorbringen, wenn die nationalen Politiken und Maßnahmen auch europäisch und wettbewerblich ausgestaltet sind. „Wir bitten Sie daher, in Verfolgung eines europaweiten Strombinnenmarktes grenzüberschreitende, internationale Beteiligungen für die deutschen Reserven diskriminierungsfrei zuzulassen und die Beibehaltung der bewährten gemeinsamen deutsch-österreichischen Preiszone zu unterstützen,“ so Oesterreichs Energie. Bilanzkreise und Regelenergie Oesterreichs Energie bewertet die Stärkung der Bilanzkreistreue positiv, die Steigerung der Prognosegüte, gerade von volatilen Verbräuchen oder Erzeugungen unterstützt Versorgungssicherheit und Systemstabilität. Jedoch sollte eine überschießende Einengung des Handlungsspielraums der Marktteilnehmer hintangehalten werden, damit nicht ineffizientes Sicherheitsverhalten den Nutzen überwiegt. Im Vergleich zu einer werktäglichen wird die kalendertägliche Ausschreibung von Sekundärregelleistung und Minutenreserve generell begrüßt. Eine Angleichung der Ausschreibung Regelenergie an den Handelskalender der EPEX SPOT SE ist zu präferieren. In Anbetracht der im Juli 2015 durchgeführten Verkürzung der Vorlaufzeit für Intradaygeschäfte an der EPEX SPOT SE dürfte der zusätzliche Nutzen der Einführung eines Regelarbeitsmarktes gering ausfallen. Ein Einheitspreisverfahren für die Bestimmung der Regelenergiepreise der Sekundärregelleistung und der Minutenreserve kann lediglich für die jeweiligen Verrechnungspreise Anwendung finden. Der Abruf der Regelleistung hat nach der Merit-OrderList zu erfolgen. EUROPÄISCHE ENERGIEWIRTSCHAFT >> Technik-Bachelor kombiniert mit Wirtschaftsinhalten >> Inkl. Auslandssemester und Praxisprojekten JETZT bewerben .ac.at www.fh-kufstein Jedenfalls unterstützt Oesterreichs Energie klare Regeln für neue, zuverlässig zur Verfügung stehende Anbieter (Aggregatoren, Verbraucher) am Regelenergiemarkt, jedoch dürfen neue Regeln nicht zu einer einseitigen oder generellen Reduktion der fhkufstein_presse_österreichsenergie_90x114_20150731.indd 1 06.08.2015 10:23:53 POLITIK Foto: Europäisches Parlament 18 „Strom kennt keine Grenzen“ Am 23. Juni 2015 lud Oesterreichs Energie zum Arbeitsfrühstück ins Europäische Parlament. Gegenstand der Diskussion war die Rolle der Energieunion und ihre Auswirkungen auf die künftige österreichische Energiepolitik. Von Ralf Pastleitner E nde Juni veranstaltete Oesterreichs Energie ein Arbeitsfrühstück im Europäischen Parlament in Brüssel, um die Situation der österreichischen Energiepolitik angesichts der zu erwartenden Maßnahmen im Rahmen der Energieunion auf EU-Ebene näher zu beleuchten. Gastgeber waren der langjährige Europa Abgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments, Paul Rübig sowie Wolfgang Anzengruber, Präsident von Oesterreichs Energie. Neben den beiden Gastgebern waren als weitere hochrangige Redner Edith Hofer, Mitarbeiterin des Generalsekretariats der Europäischen Kommission sowie Hans ten Berge, Generalsekretär des europäischen Branchenverbandes Eurelectric vertreten. Knapp 50 Gäste aus Politik, Wirtschaft und den EU-Institutionen lauschten der angeregten Debatte. In seiner Einleitung lud Rübig unter anderem auf die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission im Rahmen der Energieunionsmitteilung ein. Gerade im Bereich der heimischen Energiequellen könne die Wasserkraft auch weiterhin eine tragende Rolle bei der Versorgungssicherheit Europas spielen und auch durch die bisher weitgehend unangefochtene Rolle von Pumpspeicherkraftwerken als verlässlicher Stromspeicher für die nötige Flexibilisierung des europäischen Energiesystems sorgen. Der Europaabgeordnete wies auch auf die Notwendigkeit lokaler Infrastrukturinvestitionen hin, da diese eine nachhaltige Energieversorgung sicherstellen könnten und gleichzeitig die europäische Wirtschaft mit den dringend erforderlichen Wachstumsimpulsen versehen sollten. Schließlich sei ein POLITIK COVER-STORY integrierter Energiebinnenmarkt nicht durch weitere Aufteilungsmaßnahmen und geschlossene Stromhandelsgrenzen zu erreichen, sondern im Gegenteil nur durch ein verstärktes und grenzüberschreitendes Zusammenarbeiten sämtlicher Akteure auf europäischer Ebene. Wasserkraft als Motor der Volkswirtschaft Der Präsident von Oesterreichs Energie, Wolfgang Anzengruber, baute seinen Vortrag im Wesentlichen auf den fünf Säulen der Energieunion auf: Versorgungssicherheit, Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Klimaschutz sowie Forschung und Innovation. Eine Kernbotschaft im Bereich Versorgungssicherheit lautete, die heimische Ressource Wasserkraft als Motor für die Volkswirtschaft zu fördern. Wasserkraft leiste einen maßgeblichen Beitrag zum europäischen Gemeinwohl, zur Energiesicherheit und zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft, unterstrich Anzengruber. Die Realisierung von Österreichs Wasserkraft-Ausbaupotenzial sinke dennoch von Jahr zu Jahr, da sich Eigenerzeugung – derzeit – aufgrund des geringen Börsepreises nicht rentiere. So seien etwa die Investitionen der Branche in Erneuerbare gegenüber der Wasserkraft 2014 erneut gestiegen. Die Ausführungen Anzengrubers zum Energiebinnenmarkt fokussierten insbesondere auf die aktuelle Diskussion zur Aufrechterhaltung der deutsch-österreichischen Strompreiszone. Ein derzeit im Gespräch befindliches Marktsplitting widerspräche dem Ziel des europäischen Binnenmarktes. Die gemeinsame Preiszone sei ein erfolgreiches Beispiel europäischer Integrationsbestrebungen. Darüber hinaus würde eine Aufteilung enorme volkswirtschaftliche Mehrkosten bedeuten sowie einen Liquiditätsrückgang, höhere Transaktionskosten und Marktkonzentration bewirken. Im Netzbereich erforderten neue Aufgaben und Rollen für eine smarte Energiewelt die entsprechenden Rahmenbedingungen. Die notwendigen Voraussetzungen für Smart Meter und Smart Grids müssten rasch geschaffen werden, um der Entwicklung hin zu einem kundenzentrierten Marktmodell besser begegnen zu können, sagte Anzengruber. Beim Thema Energie Energieeffizienz betonte er vor allem, dass saubere elektrische Energie derzeit nur rund 20 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs ausmache, weshalb große Energieeffizienz-Potenziale eher bei Verkehr und Raumwärme lägen. Klare Aussagen fand der Präsident von Oesterreichs Energie auch beim Thema Klimaschutz. Die geförderten erneuerbaren Energien müssten künftig Marktkriterien entsprechen. Das bisherige Fördersystem in Österreich sieht bei vollständiger Abschirmung von Marktsignalen eine staatlich festgelegte Einspeisevergütung und 19 Abnahmegarantie für erneuerbare Energien vor. Zukünftig solle aber die produzierte Strommenge am Markt abgesetzt werden müssen, und nur die Investition in die Anlagen selbst solle noch gefördert werden. Anzengruber begrüßte jedenfalls den Fokus der Europäischen Kommission auf die Energieforschung. Im Zusammenhang damit verwies er auf den Forschungsschwerpunkt von Österreichs E-Wirtschaft im Bereich der Speichertechnologien, auf die rund die Hälfte der jährlichen Energiefördersumme entfalle. Hans ten Berge, langjähriger Eurelectric-Generalsekretär wiederum kritisierte in seinen Ausführungen vor allem die Vielzahl nationaler Alleingänge der Mitgliedstaaten im Energiebereich. 28 nationalen Erneuerbaren-Fördermodellen würden nun womöglich 28 Kapazitätsmechanismen folgen, sofern die Europäische Kommission diesen Entwicklungen nicht rasch einen Riegel vorschiebe. Harmonisierung, grenzüberschreitende Kooperation sowie einen starken regionalen Ansatz als Basis für die weitere Integration des europäischen Energiebinnenmarktes sah Hans ten Berge als wichtigste Eckpunkte einer zukunftssicheren EU-Energiepolitik an. Keine neuen Subventionstöpfe Die Vertreterin der EU-Kommission, Edith Hofer, verwies auf die kommenden Initiativen der EU-Behörde zum Marktdesign sowohl im Endkunden- als auch im Großhandelsbereich. Eine diesbezügliche Konsultation soll noch im Laufe des Monats Juli 2015 gestartet werden. Es gebe bereits Fortschritte bei der Integration des Energiebinnenmarktes zu verzeichnen, jedoch sei auch die Kooperation und engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander gefragt, sagte sie. Hier wird die Kommission ebenfalls Vorschläge zur besseren regionalen Abstimmung vorlegen, die sogenannte Governance werde den Mitgliedsländern Anleitung zur effizienteren Zusammenarbeit bei der Erstellung ihrer nationalen Energiepläne geben. Schnellerer Netzausbau und zusätzliche Interkonnektoren seien ebenso wichtige Faktoren, um das Ziel eines vollständigen Energiebinnenmarktes ohne Energieinseln in absehbarer Zeit zu erreichen. Die Kommission plane jedoch keine Einrichtung neuer Subventionstöpfe. Dies zeige sich sowohl bei Betrachtung der aktuellen Gesetzeslage – konkret der Umweltschutzund Energiebeihilfeleitlinien – zu den Erneuerbaren als auch an der kritischen Haltung der Kommission betreffend Kapazitätsmechanismen. POLITIK Foto: Carinthischer Sommer 20 Meisterstück Energiewende Bei den „Energy Talks 2015“ diskutierten Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft im idyllischen Kärntner Ossiach über die Werkzeuge der Energiewende und wie man sie am besten für eine erfolgreiche Umgestaltung des Energiesystems einsetzt. Von Klaus Fischer S ie standen im Mittelpunkt der heurigen Energy Talks: „Die Werkzeuge der Energiewende“. Wie Albrecht Reuter, der Wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, erläuterte, stützte sich die „Energiewende“ bisher auf die „Zukunftsvisionen unserer Eltern“. Nun aber seien die geschaffenen Ressourcen für die Energieversorgung „weitgehend aufgebraucht, und wir stoßen immer mehr an technische, ökonomische und ökologische Machbarkeitsgrenzen“. Liege der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung derzeit in Deutschland bei etwa 25 Prozent, werde er in den kommenden Jahrzehnten auf 50 bis 60 Prozent steigen: „In einigen Regionen sind diese Werte bereits erreicht oder überschritten.“ Da der Umbau der Energieversorgung konzeptionell und handwerklich gemeistert werden müsse, komme geeigneten „Werkzeugen“ eine entscheidende Rolle zu: „So wie die Energiewende als systemischer Prozess zu verstehen ist, 21 Foto: Sympos/Koblinger POLITIK WIRTSCHAFT Die Themen der „Energy Talks“ fanden heuer bereits zum 18. Mal großes Publikumsinteresse. so breit ist auch das Spektrum der dafür benötigten Werkzeuge und ihr Gebrauch“, sagte Reuter. Launig verwies er auf Kaiserin Maria Theresia, die den nach ihr benannten Militärorden eingeführt habe, um befehlswidriges Handeln auszuzeichnen, das zum Erfolg führte: „Ein solcher Orden hätte auch für die Energiewirtschaft Sinn.“ E-Wirtschaft zur Liberalisierung und zur Weiterentwicklung des Energiemarktes. Doch gehe es nicht an, sie durch ungeeignete rechtliche sowie regulatorische Vorgaben gleichsam „zu einem Tunnelblick zu zwingen und zu verhindern, dass wir uns vernetzen“, betonte Schmidt. Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Energiewende – Handwerk oder Kunst?“ warnte dann Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, davor, „zu sehr schwarz zu malen“. Immer wieder sei die Rede von den „Teslas und Googles“, die binnen kürzester Zeit den Markt aufmischen und den etablierten Energieunternehmen ihr Geschäft abnehmen würden. Freilich dürfe diese Herausforderung auch nicht unterschätzt werden. Die Empfehlung mancher Unternehmensberater, zu investieren, sei unter den derzeitigen Marktbedingungen alles andere als leicht zu verwirklichen. Doch trotz aller Hindernisse arbeiteten die Beschäftigten der Energieunternehmen ständig an neuen Produkten und Dienstleistungen. Gefragt sind dabei laut Schmidt weiterhin Experten, „die das System der Energieversorgung verstehen. Denn die Versorgungssicherheit muss unter allen Umständen erhalten bleiben“. Auch für die neuen Marktteilnehmer werde es daher nicht möglich sein, sich lediglich die kommerziellen Rosinen aus dem Kuchen zu picken und die Verantwortung für das Funktionieren der Energieversorgung den traditionellen Energieunternehmen zu überlassen. „Wir brauchen die Neuen, aber sie brauchen uns ebenso“, stellte Schmidt dezidiert klar. Versorgungssicherheit unbedingt erhalten Energiewirtschaft 4.0 Auch das – gerade in Österreich – in sehr strenger Form eingeführte Unbundling verhindere, neue Themen offensiv zu behandeln: „Rahmenbedingungen wie diese sind neuartigen Lösungen nicht gerade förderlich. Wir leben in Excel-Spalten, andere leben in der Cloud.“ Bekanntermaßen stehe die Roger Kohlmann, Mitglied der Hauptgeschäftsleitung und Geschäftsbereichsleiter Energienetze und Regulierung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), ergänzte, dass „die Welt, wie wir sie kennen, ohne Strom buchstäblich zusammenbrechen würde“. Die Digitalisierung 22 POLITIK der E-Wirtschaft verlaufe in einem rasanten Tempo. Habe sich noch vor zehn Jahren kaum jemand in der Branche mit Themen wie Cloud und Big Data befasst, so erfinde sich „die klassische Energiewirtschaft gerade neu“. › Die Verteilnetzbetreiber werden zu „Information Utilities“. ‹ Und getrieben durch die Energiewende sowie die damit verbundene Dezentralisierung der Erzeugung werde sich die Dynamik dieses Prozesses noch weiter beschleunigen: „Weit über die E-Wirtschaft sowie den Informations- und Telekommunikationssektor wachsen die Branchen zusammen. Denken wir nur an die Autoindustrie und den Gebäudebereich.“ Letzten Endes entwickle sich in Analogie zur vielzitierten „Industrie 4.0“ eine „Energiewirtschaft 4.0“ mit einem „Energieinformationsnetz“ als zentralem Werkzeug der Energiewende. Damit verbunden ist laut Kohlmann ein grundlegender Wandel der Rollenverständnisse in der Energiewirtschaft. So stehe – anders als bisher – künftig nicht mehr ausschließlich der Übertragungsnetzbetreiber (TSO) im Mittelpunkt der Verantwortung für die Versorgungssicherheit, sondern eher der Verteilnetzbetreiber (DSO): „Denn die Energiewende findet ja wesentlich in den Verteilnetzen statt.“ Der im regulierten Bereich operierende DSO werde zum „Market Facilitator“, zum neutralen „Marktermöglicher“. Erheblich mehr Bedeutung wird laut Kohlmann das Thema Datensicherheit bekommen, das – anders als der individuelle Datenschutz – seiner Ansicht nach noch immer zu wenig Aufmerksamkeit genießt: „Ob sich mittels Smart Meter feststellen lässt, dass jemand noch um zehn Uhr abends duscht, sollte eigentlich weniger wichtig sein, als die Gefahr eines gezielten Hackerangriffs auf die Netzsteuerung.“ Kohlmann zufolge ist es sinnlos, „Masterpläne für 2050“ zu entwerfen, weil diese ohnehin von der tatsächlichen Entwicklung überholt werden. Der BDEW habe eine Roadmap für die kommenden drei Jahre erarbeitet. Im Wesentlichen gehe es darum, dass jeder Netzbetreiber auf seiner Ebene „neue Verantwortlichkeiten“ übernehme. Die Zahl der Verteilnetzbetreiber mit Systemverantwortung werde sich signifikant verringern. Doch die betreffenden Unternehmen würden die Digitalisierung als Chance begreifen. Zentrale Bedeutung hätten auch weiterhin Datensicherheit und Datenschutz, „denn wir müssen die Netze gegen Angriffe sichern“. Klar ist laut Kohlmann auch, dass die Komplexität der Prozesslandschaft und die Tiefe der regulatorischen Weniger „Egonomie“, mehr „We-Nomics“ Alle noch so ausgefeilten technischen Werkzeuge für die Energiewende bleiben letzten Endes nutzlos, wenn es nicht gelingt, die Kunden einzubinden. Dies betonte vor allem der Direktmarketing-Experte Alfred Koblinger bei den Energy Talks. Ihm zufolge ist die derzeitige Wirtschaftsweise von der „Egonomie“ geprägt, bei der die Individuen sich selbst in den Mittelpunkt ihres Agierens stellen: „Das Resultat war die Wirtschaftskrise.“ Koblinger plädierte für eine Veränderung „vom Mehr zum Besser, von der Quantität zur Qualität.“ Das bedeute auch eine Abkehr von der „Egonomie“ und eine Hinwendung zu einer stärker am Gemeinwohl ausgerichteten Wirtschaft, die Koblinger mit dem Begriff „We-Nomics“ umschrieb. Freilich sei die sogenannte vierte industrielle Revolution auch eine technische, digitale Revolution, erläuterte Koblinger. Doch indem sie alle Lebensbereiche umfasste, sei sie auch eine „soziale Revolution, bei der sich die Menschen plötzlich als Teil eines großen Meinungsbildungsprozesses verstehen“. Die Verbreitung von Botschaften werde faktisch unkontrollierbar. „Digitale Champions“, die damit umgehen können, verfügen über die Möglichkeit, traditionellen Unternehmen „die Beziehung zu den Kunden und damit die Kunden selbst zu rauben“. Deshalb müssten sich auch die Energieversorger völlig anders verstehen als bisher. Anstelle von Produktverkäufern seien „Kundenmanager mit Querschnittsfunktionen“ gefragt. Diese haben laut Koblinger die Aufgabe, Leistungen zu kreieren, die den Kunden Nutzen bringen und über welche die Kunden kommunizieren. So entstehe eine Art „Community“, die ihrerseits neue Ideen für Dienstleistungen entwickle. Konsumenten suchen „Sinn, Vertrauen, Authentizität und Relevanz“. Um sie dazu zu bringen, die Energiewende zu unterstützen, müsse der Sinn der Wende, das „Warum“, in den Mittelpunkt der diesbezüglichen Kommunikation gestellt werden. Das Einverständnis mit der Wende müsse in konkrete, bewusste und wiederholte Handlungen der Kunden münden. POLITIK WIRTSCHAFT 23 gleich zum herkömmlichen Ansatz in etwa verdoppeln könne. Foto: Energie Burgenland Allerdings müsse das Regulierungsregime angepasst werden. Derzeit könnten die Netzbetreiber ihre Kostenvorteile nicht ausreichend an Kunden weitergeben, die sie dank eigener Erzeugungseinheiten sowie Anlagen mit flexiblem Verbrauch beim Netzmanagement unterstützen: „Wir bräuchten flexible Tarife, um solchen Kunden ihre Leistungen abzugelten.“ Diesbezügliche Gespräche mit der E-Control Austria sind laut Strebl im Gang. Die Erneuerbaren sind ein zentrales Element der Energiewende. Eingriffe noch weiter zunehmen werden. Smart Grids werden ihm zufolge „die Grundlage der Energiewende“ sein. Auf dem Weg zum „Information Utility“ Ähnlich argumentierte Michael Strebl, Geschäftsführer der Salzburg Netz GmbH. Auch er sieht in den intelligenten Stromnetzen ein wesentliches Werkzeug der Energiewende: „Wenn wir die Smart Grids mit den Smart Homes zusammenschalten, wird das sehr spannend.“ Freilich müssten Datensicherheit und Datenschutz angemessen berücksichtigt werden: „Aber das Banken- und das Gesundheitswesen, die mit sehr sensiblen Daten operieren, haben das auch geschafft. Wir könnten daher deren Regulatorien übernehmen und auf unsere Branche anwenden.“ › Wenn man Smart Grids mit Smart Homes zusammenschalten, wird es sehr spannend. ‹ Laut Strebl haben Smart Grids nicht zuletzt folgende Vorteile: Sie wirken zumindest grundsätzlich kostendämpfend und tragen somit zur Erschwinglichkeit der Energiewende bei. Ein vom Klimafonds gefördertes Pilotprojekt der Salzburg Netz in einem Ortsteil der 2500-Einwohner-Gemeinde Köstendorf, rund 15 km nordöstlich der Stadt Salzburg, habe gezeigt, dass die Entwicklung eines Smart Grids die Einspeisekapazität eines örtlichen Stromnetzes im Ver- Seiner Ansicht zufolge,werden die Verteilnetzbetreiber künftig organisatorisch im Mittelpunkt der Energiewende stehen. Strebl: „Sie werden für das Datenmanagement verantwortlich sein. Als solche werden sie sich zu Information Utilities entwickeln, die energierelevante Informationen über die Kunden allen Marktteilnehmern zur Verfügung stellen, wenn die Kunden das wünschen. Letzten Endes werden sie eine Art Verkehrsleitzentrale darstellen.“ Auf den Nutzen von Smart Meter für die intelligente Netzsteuerung und damit auch für die Energiewende verwies Energie AG-Vorstand Werner Steinecker. Die Energie AG hat bereits rund 200.000 Smart Meter installiert. Fast ein Drittel ihrer rund 650.000 Zählpunkte ist somit mit derartigen Geräten ausgestattet. Laut Steinecker sind „das Spannende nicht die Kundendaten, sondern die Frage, was die Smart Meter für das Netz leisten“. Dank Geräten, die an 150 Messpunkten installiert sind „wissen wir genau, was sich in unserem Netz tut“. Über regelbare Ortstrafos, speziell in Gebieten, in denen eine große Anzahl an Fotovoltaikanlagen installiert ist, kann die Energie AG bzw. deren Netzgesellschaft gezielt eingreifen, wenn dies erforderlich ist. Laut Steinecker ist dieses System „schlicht und einfach nicht mehr wegzudenken“. Zudem ermöglicht es, die Netzausbauten zu minimalisieren und so Kosten zu sparen. Für die Netzsteuerung selbst würden diese „150 Augen im Netz“ zwar streng genommen ausreichen, doch plant die Energie AG, in Zukunft – über bereits bestehende Angebote hinaus – verstärkt auch Dienstleistungen zu vermarkten, für deren Nutzung die Kunden Smart Meter benötigen. Alles aus einer Hand Einen ganz eigenständigen Weg geht unterdessen die ZEAG Energie AG in Heilbronn, berichtete deren Vorstand Eckard Veil. Auf dem rund 72.000 m² großen Areal Südbahnhof der 24 POLITIK baden-württembergischen Stadt entsteht zurzeit ein modernes Wohn- und Gewerbegebiet mit rund 400 Wohnungen. Die ZEAG ist für die wärme- und kommunikationstechnische Erschließung des Gebiets zuständig. Veil: „Wir legen Glasfaserleitungen in jede Wohnung. Damit können wir selbst alle möglichen Dienste anbieten.“ Veil geht davon aus, dass Kommunikations- und Energiedienstleistungen immer enger zusammenwachsen werden. Telefonie und Fernsehen werde die ZEAG auf dem Areal Südbahnhof sicher anbieten. Auch werde sie sämtliche Elektroinstallationen einbauen und auch Fußbodenheizungen installieren. So bekomme der Kunde die gesamte Energie- und Telekommunikationsversorgung aus einer Hand. Für die ZEAG bedeute das, weg vom Commodity- und hin zum Dienstleistungsgeschäft zu gehen und die Kunden via Infrastrukturbereitstellung langfristig zu binden. „Theoretisch“ könne der Kunde seinen Stromanbieter natürlich wechseln, konstatierte Veil: „In der Praxis wird er das aber vermutlich kaum wollen, weil er von uns ein Komplettangebot bekommt.“ Dafür bezahle der Kunde eine Pauschale und brauche sich buchstäblich um nichts mehr zu kümmern. Die Wohnungen würden auch nicht mit eigenen Energiezählern ausgestattet, was laut Veil mit deutschem Recht im Einklang steht, da von einer „wohnungsgenauen Abrechnung“ in den einschlägigen Bestimmungen nirgends die Rede sei. Auch werde die ZEAG den Kunden nicht mitteilen, welchen Anteil Strom, Wärme und Telekommunikation an der von ihnen zu entrichtenden Pauschale aufweisen: „Normalerweise interessieren die Kunden vor allem die Gesamtkosten.“ Inwieweit das Modell mit dem Kartellrecht sowie den Unbundling-Bestimmungen vereinbar ist, hat die ZEAG noch nicht geprüft: „Ich gebe zu, das ist ein etwas aggressiver Ansatz. Aber wir versuchen es einfach einmal.“ Letzten Endes laufe das Ganze natürlich darauf hinaus, ein zunächst auf das Areal Südbahnhof begrenztes Monopol zu schaffen. Um als Anbieter attraktiv zu bleiben, werde die ZEAG die Bewohner der Anlage immer wieder nach ihren Wünschen fragen und entsprechende Leistungen entwickeln. Info Die „Energy Talks Ossiach“ wurden erstmals 1997 im Stift Ossiach abgehalten. Sie verstehen sich als unabhängige Plattform zur Diskussion von Zukunftsthemen im Energiebereich. Seit 2014 findet am Vorabend der Veranstaltung das „Ossiacher Talente-Forum“ statt, bei dem junge Energieexperten Projekte und Ideen präsentieren können. Technik für die „Wende“ In technischer Hinsicht sind für die Energiewende vor allem drei Arten von Werkzeugen nötig, erläuterte Wolfgang Gawlik, Professor am Institut für Energiesysteme und elektrische Antriebe der TU Wien: • erstens Planungs- und Analysewerkzeuge, um die Verteilnetze modellieren und analysieren zu können, • zweitens Werkzeuge für das reibungslose Netzmanagement und • drittens Werkzeuge für den Schutz der Netze gegen Störungen, für die Behebung von Fehlern und notfalls für den Wiederaufbau nach einer Störung. All das werde benötigt, „um die steigende Komplexität der Systeme zu beherrschen und ihre Zuverlässigkeit zu erhalten und um das Potenzial, das die neuen Komponenten für das Energiesystem eröffnen, auch auszuschöpfen“. Wie die Sonnenfinsternis Ende März zeigte, reichen die derzeitigen Werkzeuge zwar aus, „um mit Extremereignissen zurechtzukommen“ jedoch fehlten die Möglichkeiten, um die dezentralen Erzeugungsanlagen so zu steuern, wie dies in den kommenden Jahrzehnten für einen sicheren Netzbetrieb notwendig sein werde, warnte Gawlik. Die Lösung sieht er zumindest prinzipiell in virtuellen Kraftwerken. Diese bündeln „kleine Erzeugungseinheiten so, dass sie sich in Summe wie ein klassisches Großkraftwerk betreiben lassen“. Die Herausforderung besteht allerdings darin, dass die „Bestandteile“ solcher virtuellen Kraftwerke oft geografisch vergleichsweise weit voneinander entfernt sein können. Hier „fehlen Werkzeuge, um etwa den Blindleistungsfluss zwischen den verschiedenen Spannungsebenen und insbesondere an der Schnittstelle vom Hoch- zum Mittelspannungsnetz auch in Zukunft zu koordinieren“. Entwickelt werden müssten auch Werkzeuge, um Hybridnetze aus Strom-, Gas-, Wärme- und Kältenetzen koordiniert zu steuern und auf diese Weise Speicherpotenziale sowie Möglichkeiten zum Demand Side Management optimal zu nutzen. KOMMENTAR WIRTSCHAFT 25 Kommentar von Dkfm. Milan Frühbauer Es war gleich zu Beginn des Projektes eine klare Sache: Die Beiträge für und die Risiken bei den Maßnahmen zum EuroRettungsschirm werden weitgehend nach der Wirtschaftskraft der Euroländer verteilt. Wer sich die Summen der diversen Stabilitätsmechanismen näher ansieht, der findet im Engagement der einzelnen Länder die jeweiligen Proportionen des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in der Währungsunion wieder; mit Deutschland auch als „Rettungslokomotive“ oder den mit Abstand größten „Schirmspanner“ an der Spitze. Ökonomen nennen das Lastenverteilung nach gesamtwirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, Sozialpsychologen oder Integrationsethiker (so es diese schon gibt) müssten wohl von Solidarität sprechen. Ein Begriff, der gegenwärtig – wenn auch in anderem Zusammenhang – die europäische Auseinandersetzung beherrscht. Die Flut der Flüchtlinge und Asylwerber, die sich derzeit über die Europäische Union ergießt und die für 2015 wohl eine Million Menschen ausmachen wird, ruft nach Solidarität. Es begann vor Jahren damit, dass man vor allem die Italiener mit täglich hunderten von Bootsflüchtlingen aus Nordafrika allein gelassen hat. Als sich dann der Flüchtlingsstrom auch Landwege bahnte und nunmehr weite Teile Ostmitteleuropas die zweite Welle des Asylantenansturms zu bewältigen haben, stellte man sich im Baltikum, aber auch in einigen Ländern des CEE-Raumes, allesamt noch nicht bevorzugte Destinationen des organisierten Exodus aus Kriegschaos und wirtschaftlicher Depression, taub. Das Anliegen der Hauptbetroffenen, die EU möge sich – wiederum nach dem Schlüssel der ökonomischen Leistungskraft - zu einer Quotenregelung für alle 28 Länder durchringen und somit die Belastung solidarisch schultern, scheiterte in einer mehr als blamablen Form. Wir haben inzwischen eine Bankenunion, eine Versicherungsunion via Solvency II, wir vereinheitlichen Konsumentenrechte und Energiesparmaßnahmen, aber es mangelt an einer Europäischen Solidarunion, wenn es um den Ausnahmezustand einer humanitären Katastrophe geht. Selbstverständlich kann Europa nicht alle aufnehmen, die den Nahen Osten oder Afrika deshalb verlassen, weil die ökonomischen Aussichten triste sind. Europa wird auch nicht allen Asyl gewähren können, die sich in ihrer Heimat bedroht fühlen. Alles klar und unbestritten. Warten auf die Solidarunion Doch es wäre ein gigantischer Schub für die ethische und soziale Akzeptanz der EU gewesen, wenn sich einer der jüngsten Regierungsgipfel – nach erfolgreicher Abwehr des Grexit – zu einer EU-weiten, vorübergehenden Lastenverteilung durchgerungen hätte. Der aus Sonntagsreden sattsam bekannte Begriff von der Wertegemeinschaft hätte mit einem Schlag eine handfeste Dimension bekommen. Sicher, die Regierungen wären dafür national nicht gefeiert worden, aber Europa hätte ein Integrationssignal abgegeben, das es seit Jahren wieder dringend braucht. Dkfm. Milan Frühbauer langjähriger Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Industrie“, Journalist und Universitätslektor für Öffentlichkeitsarbeit 26 WIRTSCHAFT Kurzmeldungen Wirtschaft Griechenland sucht nach Alternative für Privatisierung Griechenlands Regierung will nach Alternativen für eine Privatisierung des staatlichen Stromnetzbetreibers ADMIE suchen. Dies sagte der griechische Energieminister Panos Skourletis in einem Interview. ADMIE ist Teil des Stromanbieters PPC, an dem der griechische Staat mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Griechenland hatte den Geldgebern in den Gesprächen über weitere Milliardenhilfen die Privatisierung von Staatsbesitz zugesagt. Laufzeit von AKW Krško verlängert Foto: EDF Das AKW sei „sicher und wirtschaftlich“, sagte der slowenische Infrastrukturmi- nister Peter Gasperic. Das AKW wurde 1983 erbaut. Seit der Inbetriebnahme gab es etliche Zwischenfälle. 2008 gab die EU-Kommission wegen eines Lecks im Kühlsystem eine europaweite Warnung aus. Kärntens Landeshauptmann-Stellvertreterin Beate Prettner kündigte unterdessen ein Vorgehen des Landes gegen die Laufzeitverlängerung des AKW an. Foto: Oesterreichs Energie Slowenien und Kroatien haben sich auf eine Laufzeitverlängerung des gemeinsam betriebenen Atomkraftwerks Krško geeinigt. Eigentlich sollte der Reaktor im Jahr 2023 stillgelegt werden, nun soll er bis 2043 Strom liefern. EDF muss 1,37 Mrd. Euro zurückzahlen Allianz-Versicherung kauft Windparks Der französische Stromriese EDF soll nach einem Beschluss der EU-Kommission 1,37 Mrd. Euro an den französischen Staat zurückzahlen. Es handele sich um eine mit dem EU-Recht unvereinbare staatliche Steuerbeihilfe, erklärte die Kommission in Brüssel. Die Allianz-Versicherung hat erstmals auch in Österreich in Windräder investiert. Der Münchener Versicherungskonzern kaufte vier Windparks rund um die Hauptstadt Wien. Zwei davon wurden vor Kurzem fertiggestellt, die anderen beiden sollen 2016 ans Netz gehen. Die 21 Turbinen können 65 MW Strom erzeugen. Gebaut hatte die Anlagen der österreichische Windparkbetreiber ImWind, der sie im Auftrag der Allianz auch betreiben soll. Dadurch habe EDF, das außer in Frankreich auch auf anderen EU-Märkten tätig sei, unfaire Vorteile gegenüber der Konkurrenz erlangt. EDF erklärte, die Entscheidung der EU-Kommission zur Kenntnis zu nehmen und die von Brüssel geforderte Summe zurückzuzahlen. Zugleich betonte der Konzern, er bestreite nach wie vor, eine illegale stattliche Hilfe erhalten zu haben. Insgesamt hat die Allianz damit nach eigenen Angaben mehr als 2,5 Mrd. Euro in sieben Solar- und 54 Windparks in Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien und Österreich investiert. WIRTSCHAFT 27 Monitoringstelle Energieeffizienz gestartet Strompreisanstieg erwartet Der Präsident von Oesterreichs Energie, Wolfgang Anzengruber, rechnet im Gefolge des von Deutschland beschlossenen Atomausstiegs mit einem kontinuierlichen Anstieg der Strompreise. „Es ist offensichtlich, dass der Strom nicht billiger wird“, sagte Anzengruber bei einer Pressekonferenz in Brüssel (sh. Artikel S 18). Als „Blut unseres Wirtschaftswachstums“ müsse Strom aber leistbar bleiben, daher müsse die Energie Effizienz besser werden. „Wir werden mittelfristig einen Anstieg der Strompreise sehen“, sagte Anzengruber. Dies habe sich bereits nach dem deutschen Moratoriumsentscheid zur Abschaltung von sieben Atomkraftwerken gezeigt. Er erwarte keine Riesensteigerung, sondern eher ein kontinuierliches Klettern der Strompreise. Für 30 bis 40 Jahre würden Gaskraftwerke als Brückentechnologie für den Wechsel zu erneuerbaren Energien gebraucht werden. Diese könnten rasch gebaut werden und seien klimafreundli- nehmen als Anlaufstelle zur Verfügung. „Wir freuen uns, unsere langjährige Erfahrung für diese Aufgabe einbringen zu können“, so Peter Traupmann, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur. In weiteren Ausbaustufen werden Datenbanken und Register eingerichtet und aufgebaut. Derzeit wird gemäß Energieeffizienzgesetz an einer Richtlinien-Verordnung mit einem neuen Methodendokument als Fundament für die Bewertung von Effizienzmaßnahmen gearbeitet. Seit Mitte Juni sind eine Telefon-Hotline (Tel. +43 1 / 20 52 20) und die Website www.monitoringstelle.at in Betrieb. Vattenfall rutscht weiter in die roten Zahlen Vattenfall kämpft weiter gegen die Folgen der Energiewende. Sehr hohe Abschreibungen drückten das schwedische Unternehmen im zweiten Quartal tiefer in die roten Zahlen. Unterm Strich verbuchte Vattenfall Verluste von 28,8 Mrd. Schwedischen Kronen (3,1 Mrd. Euro). Der Umsatz fiel mit 36,1 Mrd. Kronen (3,86 Mrd. Euro) etwas geringer aus als im Vorjahreszeitraum. Seine deutsche Braunkohle-Förderung in der Lausitz will Vattenfall bis zum Jahresende verkaufen. In Sachsen und Brandenburg betreibt der Konzern fünf Kohlegruben und drei Kraftwerke. Es wird auch weiter Personal abgebaut werden. Foto: Vattenfall AG Ende April dieses Jahres hatte die Österreichische Energieagentur vom Wirtschaftsministerium den Zuschlag für den Aufbau und Betrieb der Nationalen Energieeffizienz-Monitoringstelle erhalten. Die Energieagentur hat danach die erforderliche Infrastruktur aufgebaut und steht den vom Energieeffizienzgesetz angesprochenen Unter- RWE-Töchter werden verschmolzen Deutschlands zweitgrößter Energiekonzern RWE will angesichts eingebrochener Gewinne seine Firmenstruktur deutlich straffen. Dazu wird Firmenchef Peter Terium bei einer Sondersitzung des Aufsichtsrates noch im Sommer ein Umbauprogramm unter dem Stichwort „Parent“ vorlegen. Etwa ein Drittel der rund 100 Töchter und Einheiten sollen dabei gebündelt oder verschmolzen und die Essener Zentrale soll gestärkt werden. Das betriebliche Ergebnis bei RWE hat sich seit dem Jahr der Fukushima-Katastrophe 2010 von 7,7 Mrd. auf vier Mrd. Euro annähernd halbiert. 28 WIRTSCHAFT Interview »Erneuerbare müssen Systemverantwortung übernehmen« Mit Austrian Power Grid-Vorstand Thomas Karall verfügt Österreich über einen renommierten Vertreter im Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E, zu dessen vorrangigen Aufgaben die Schaffung eines harmonisierten, möglichst liquiden Marktes sowie eine effiziente Ordnung der Energiemärkte gehört. Von Harald Hornacek Oesterreichs Energie: Ende Juni erfolgte Ihre Wiederwahl ins ENTSO-E-Board auf eine weitere Funktionsperiode von zwei Jahren. Welchen Einfluss hat die ENTSO-E auf die Gestaltung des europäischen Energiemarktes? Thomas Karall: Diese hat sehr großen Einfluss, muss man sagen. Umso wichtiger ist es, dass es, unabhängig von meiner Person, einen Vertreter Österreichs im obersten Gremium gibt. Wir haben als Austrian Power Grid (APG) lange darauf hingearbeitet, weil wir der Meinung sind, dass eine aktive Mitgestaltung der europäischen Energiewirtschaft für Österreich extrem wichtig ist. Immerhin vertritt die ENTSO-E die Interessen der nationalen Übertragungsnetzbetreiber auf europäischer Ebene. In der ENTSO-E sind europaweit insgesamt 41 Mitglieder repräsentiert. Im Board sind neben Österreich noch elf Länder vertreten: Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Norwegen, Polen, die Schweiz, Spanien, Tschechien und Ungarn. Oesterreichs Energie: ENTSO-E wurde auf Basis des 3. EUBinnenmarktpakets gemeinsam mit ACER (Agentur der europäischen Energieregulatoren) gegründet, um den von ihr vorgegebenen Stufenplan zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Strommarkts umzusetzen. Wie weit sind Sie auf diesem Weg? Thomas Karall: Der Fokus liegt sicherlich auf der Internationalisierung des Strommarkts, losgelöst von rein nationalstaatlichen Interessen. Allein das ist nicht immer einfach, wobei mir wichtig ist zu betonen: In der ENTSO-E erarbeiten wir wirklich gemeinsame, länderübergreifende Standpunkte. Schrebergartendenken hat da einfach keinen Platz, und alle sind bemüht, diesen Anspruch zu erfüllen. Das ist umso bedeutender, als ja die ENTSO-E neben ihrer beratenden Funktion den gesetzlichen Auftrag hat, sich um Aufgaben in den Bereichen Network Codes, Infrastrukturplanung (TYNDP) aber auch die regelmäßige Überprüfung einer ausreichenden Bedarfsdeckung zu kümmern. WIRTSCHAFT 29 Oesterreichs Energie: Welche Rolle spielt die ENTSO-E konkret im Transformationsprozess des europäischen Stromversorgungssystems? Thomas Karall: Vorweg muss man sagen, dass mit dem europaweit voranschreitenden Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien die Herausforderungen für die europäische Elektrizitätswirtschaft enorm gewachsen sind. Stromnetzbetreiber – allen voran die Übertragungsnetzbetreiber – stehen hier besonders im Fokus, denn der Umbau des Stromversorgungssystems in Richtung eines Kraftwerksparks, der in Europa künftig zu einem großen Teil aus Windkraft- und Fotovoltaikanlagen bestehen soll, ist eine Aufgabe von noch nie dagewesener Dimension. Die Regeln des Strommarktes, also das „Strommarktdesign“, müssen daher so weiterentwickelt werden, dass der Strommarkt auch künftig eine zuverlässige, kosteneffiziente und umweltverträgliche Stromversorgung sicherstellt. Das ist eine Aufgabe, die wir nur auf europäischer Ebene bewältigen werden können. Die ENTSO-E spielt dabei eine ganz gewichtige Rolle, weil sie die wesentlichen inhaltlichen Inputs für die notwendigen Um- und Ausbaumaßnahmen im Netzbereich liefert und weiterhin liefern wird und an der Formulierung der Network Codes – das sind auch die Strommarktregeln – für die Bereiche Markt, Betrieb und Netzanschluss arbeitet, welche die Grundlage für einen einheitlichen europäischen Strommarkt bilden. Oesterreichs Energie: Inwieweit dient die ENTSO-E auch als Diskussionspartner für die Politik? Thomas Karall: Zu den wichtigen Aufgaben des Boards zählt auch die Koordination der einzelnen Komitees und der Legal & Regulatory Group sowie das Delegieren und die Umsetzung von Entscheidungen der Vollversammlung. In weiterer Folge erfüllt die ENTSO-E eine wichtige Rolle als Ansprechpartner für politische Entscheidungsträger und Meinungsbildner. Wir haben von der EU den gesetzlichen Auftrag erhalten, die künftigen Marktregeln Zur Person Mag. Thomas Karall ist seit 2001 Mitglied des Vorstandes der Austrian Power Grid AG (APG). Von 1999 bis 2001 war er als Geschäftsführer der Verbund-Austrian Power Grid GmbH tätig. Zusätzlich ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Clearingstelle APCS AG und vertritt Österreich zudem seit 2001 im Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E. Außerdem ist er stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der OeMAG. Foto: APG/Franco Garzarolli Wir als APG engagieren uns hier auf vielen Ebenen – etwa bei Network Codes oder regionalen Sicherheitszentren – damit Österreich bzw. die österreichischen Stakeholder bestmöglich vertreten sind. 30 WIRTSCHAFT gemeinsam zu gestalten. Wir sind also keine Interessenvertretung, sondern eine per Gesetz eingerichtete Organisation. Allerdings ist es auch bedeutend, dass man im „Dreieck“ von EU-Kommission – ACER – ENTSO-E auch immer wieder klare Standpunkte erarbeitet. Oesterreichs Energie: Wie viel Zeit investieren Sie dabei in Ihre ENTSO-E-Tätigkeit? Thomas Karall: Es gibt mehrere Treffen im Jahr, aber natürlich gibt es gerade in unseren heutigen, energiepolitisch bewegten Zeiten eine Vielzahl von Entscheidungen, die permanent getroffen werden müssen, beinahe täglich. Die APG stellt für diese Prozesse und Diskussionen übrigens das Know-how von rund 60 Mitarbeitern zur Verfügung – das zeigt, wie wichtig uns die Mitwirkung in der ENTSO-E ist. Wir müssen hier mit Kompetenz, Fachwissen und Weitblick agieren. Mitarbeiter der APG sind neben den nationalen auch immer häufiger mit europäischen Aufgaben ›Im ENTSO-E-Raum werden bis 2030 rund 150 Mrd.Euro investiert werden.‹ beschäftigt. Oesterreichs Energie: Worin liegen aus Ihrer Sicht die bedeutendsten Aufgaben für die nächsten Jahre? Thomas Karall: Die Sicherstellung der Stromversorgung hat oberste Priorität. Europa braucht funktionierende Musterlösungen für eine sichere, effiziente und klimafreundliche Energieversorgung bei hohen Anteilen schwankender Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie. Absolute Voraussetzung dafür sind der Netzausbau und eine koordinierte, gut abgestimmte Zusammenarbeit der Übertragungsnetzbetreiber (TSO) auf regionaler Ebene. Die ENTSO-E hat den gesetzlichen Auftrag, alle zwei Jahre einen Zehn-Jahres-Netzausbauplan (TYNDP) zu erstellen – wobei die aktuelle Version aus 2014 stammt –, der bestehende Netzengpässe beseitigen und die Integration der Erneuerbaren sicherstellen soll. Basis für den TYNDP sind unter anderem die nationalen Netzentwicklungspläne (NEP) der Mitgliedstaaten. Die APG erstellt ihren NEP jährlich. Oesterreichs Energie: Mit welchen Investitionen ist in den nächsten Jahren zu rechnen? Thomas Karall: Der TYNDP für den Netzausbau im ENTSO-E-Raum sieht bis 2030 rund 18.000 km neue Freileitungen sowie 4000 km Leitungsupgrades vor. Dazu werden wir im ENTSO-E-Raum bis 2030 insgesamt 150 Mrd. Euro investieren müssen. Um einen Vergleich aus Österreich zu ziehen: Die Investitionskosten aus dem APG NEP 2014 belaufen sich im Planungszeitraum 2015–2024 auf rd. 2,2 Mrd. Euro. Oesterreichs Energie: Dazu ist es zweifellos nötig, die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene bzw. zwischenstaatlich zu verbessern. Welche Pläne gibt es hierzu? Thomas Karall: Um die Zusammenarbeit der TSO auf europäischer Ebene zu verbessern, sollen in den kommenden Jahren regionale Sicherheitszentren (Regional Security Cooperation Initiatives/RSCI) implementiert werden. Bis 2017 sollen sich alle TSO einem derartigen Sicherheitszentrum anschließen. Bereits bestehende, freiwillige Sicherheitskooperationen sind das TSC mit Sitz in München mit dreizehn Mitglied-TSO und Coreso in Brüssel mit fünf Mitglied-TSO. Das erste RSCI in Südosteuropa wurde heuer von den TSO in Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro implementiert. Oesterreichs Energie: Welche Agenden sollen die Zentren übernehmen? Thomas Karall: Die Zentren sollen unter anderem Services wie etwa koordinierte Kapazitätsberechnungen und Sicherheitsanalysen erstellen. Bis November müssen alle TSO erklären, welchem regionalen Sicherheitszentrum sie sich anschließen oder ob sie vorhaben, ein neues zu gründen. Der Projektmanager für dieses europaweite Projekt ist der Leiter der APG-Steuerzentrale, Tahir Kapetanovic. Oesterreichs Energie: Die vielleicht noch größere Aufgabe der ENTSO-E ist aber wohl die Schaffung funktionierender, liquider (über-)regionaler Märkte. Thomas Karall: Diese Aufgabe ist tatsächlich eine große Herausforderung. Die Voraussetzung dafür ist das Market WIRTSCHAFT Coupling, also die Verbindung der nationalen Strommärkte über Ländergrenzen hinweg. Dieses Market Coupling ermöglicht eine koordinierte, marktbasierte Strompreisfindung. In der ENTSO-E gibt es dazu dutzende Arbeitsgruppen, um die entsprechenden Rahmenbedingungen auszuarbeiten. Österreich ist seit 24. Februar Teil des MRC (Multi Regional Coupling), das 19 europäische Länder miteinander verbindet und eine simultane Kalkulation von Strompreisen und grenzüberschreitenden Stromtransporten innerhalb der gesamten MRC-Region ermöglicht. Die verbesserte Koordination zwischen den einzelnen Märkten trägt EU-weit zu einem effizienteren Betrieb des Stromversorgungssystems bei. Oesterreichs Energie: Die größte Herausforderung liegt wohl in der Systemintegration der erneuerbaren Energien. Welche Ansätze verfolgt die ENTSO-E hier? Thomas Karall: Wir haben heute Windkraftwerke in Deutschland mit rund 38 GW Leistung, und täglich werden es mehr, vor allem im Norden. Zusätzlich sind in Deutschland rund 39 GW Fotovoltaikanlagen installiert, vor allem im Süden. Die europäischen TSOs mussten sich erst darauf einstellen, diese neuen erneuerbaren Energien zu integrieren, zumal diese ja per Gesetz Vorrang in der Einspeisung haben und konventionelle Kraftwerke dadurch zunehmend unrentabel werden. Diese Verwerfungen haben zu großen Problemen im Markt geführt, das kann man heute täglich sehen. Die TSO müssen immer häufiger in das System und damit auch in den Markt eingreifen, um die Systemstabilität aufrecht zu erhalten. Das klare Ziel ist daher die Gleichberechtigung von erneuerbaren Energien und konventionellen Kraftwerken. Das heißt, es muss eine Marktreife und –integration der erneuerbaren Energien erfolgen. Erneuerbare müssen künftig auch Systemverantwortung übernehmen, denn ein sicherer Netzbetrieb muss auch bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien gewährleistet sein. Die dezentralen und schwer planbaren erneuerbaren Erzeugungseinheiten werden zunehmen. Zum Erhalt der Systemstabilität werden wir aber weiterhin planbare konventionelle Kraftwerke benötigen. 31 Oesterreichs Energie: Welche technischen und organisatorischen Veränderungen sind dazu nötig? Thomas Karall: Die Voraussetzungen zur Realisierung dieses Ziels sind einerseits die effiziente Nutzung der vorhandenen Netzstruktur, gepaart mit notwendigem Netzausbau, andererseits auch ein stark IT-getriebenes intelligentes Zusammenspiel von Stromerzeugung, Verbrauch und modernen Netzen. ›Im ENTSO-E-Raum sind 18.000 km neue Freileitungen und 4000 km Upgrades vorgesehen.‹ Wir werden künftig eine stärkere Flexibilisierung des Lastmanagements – Stromerzeugung und -nachfrage, Prosumer, virtuelle Kraftwerke durch Pooling/Aggregatoren – haben müssen. Unverzichtbar ist auch die Weiterentwicklung des Strommarktdesigns hin zur Harmonisierung der Märkte. Um diese Ziele zu erreichen, sind verschiedene Gestaltungsoptionen möglich, die auch mit allen relevanten Akteuren diskutiert werden müssen. Und nicht zu vergessen: Die Anforderungen an die IT steigen ständig. Marktveränderungen in der Produktion und in der Verteilung müssen heute in Echtzeit berücksichtigt werden. Nicht zuletzt werden ganz neue, kurzfristige Produkte aus diesen enormen Volatilitäten heraus entstehen – auch hier wieder Stichwort Flexibilität. Das wird nicht ohne europäische Dimension möglich sein, und hier bringt sich die ENTSO-E ein. Oesterreichs Energie: Ein letzter Punkt: Transparenz ist derzeit ein bedeutendes Schlagwort in der Energiewirtschaft. Wie sieht es hier in der ENTSO-E aus? Thomas Karall: Auch die ENTSO-E beschäftigt sich sehr intensiv mit Fragen der Transparenz. Wir haben dazu die ENTSO-E-Transparenzplattform installiert. Auf der OnlinePlattform werden unter anderem Daten zu Erzeugung, Last, Übertragung oder Netzausfällen zur Verfügung gestellt. Der Umfang dieser Daten zeigt, wie bedeutend ein gemeinsames europäisches Vorgehen ist und dass sich alle Mitglieder der ENTSO-E auch wirklich dazu bekennen. Ein Beispiel für diesen europäischen Gemeinschaftsgeist ist auch unser „Vision“-Package, das wir gerade erarbeiten. 32 WIRTSCHAFT Struktur der Stromerzeugung ändert sich massiv Wie sich die Herausforderungen für die Stromversorgung durch den Ausbau von Windenergie und Fotovoltaik bewältigen lassen, war Thema der 4. Viktor-Kaplan-Lecture von Oesterreichs Energie und der FH Technikum Wien. Von Klaus Fischer 33 Foto: Energie Burgenland WIRTSCHAFT A nfang Juni diskutierten Experten aus Forschung, Lehre und Praxis, wie Fotovoltaik und Windkraft europaweit das Energiesystem verändern. Zurzeit sind europaweit Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 128 GW sowie Fotovoltaikanlagen mit etwa 80 GW installiert. Der maximale Bedarf an Leistung (Spitzenlast) liegt in den drei wesentlichen europäischen Verbundnetzen bei 500 GW. Schon heute stellen Wind und Fotovoltaik das Lastmanagement also vor große Herausforderungen. Wie Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, einleitend feststellte, „deckten die Erneuerbaren 2013 rund 22,1 Prozent des weltweiten Strombedarfs; Österreich nimmt mit 79 Prozent eine Spitzenstellung ein.“ Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) wird weltweit bis 2040 ein Drittel des Elektrizitätsbedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Die EU hat beschlossen, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 auf 27 Prozent zu steigern. Für die Stromerzeugung heißt das: Großkraftwerke verlieren an Bedeutung, die Produktion in Kleinanlagen mit wenigen kW Leistung, zum Beispiel Fotovoltaikanlagen, nimmt demgegenüber zu. „Dadurch werden vor allem die Verteilernetze, an denen die Ökostromanlagen angeschlossen sind, erheblich belastet“, warnte Schmidt. Die an günstigen Standorten installierte Leistung übersteigt oft den regionalen Bedarf. Deshalb sei ein neues Verständnis für die Rollen und Verantwortlichkeiten im Stromsystem erforderlich, um die in Österreich bis 2020 geplanten 4000 MW an Windkraft und 1200 MW an Fotovoltaik ohne Gefahr für die Versorgungssicherheit in die Netze zu integrieren. Die Herausforderung durch den Ausbau der Erneuerbaren könnten nur alle energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Akteure gemeinsam meistern, stellte Schmidt klar. Unterschätzte Entwicklung Laut Hubert Fechner, Studiengangsleiter der FH Technikum Wien, wurde die Entwicklung der Windenergie und der Fotovoltaik „lange Zeit unterschätzt“. So prognostizierte etwa die IEA im Jahr 2005, Solaranlagen würden bis 2050 nicht einmal zwei Prozent der globalen Stromerzeugung ausmachen. Im 34 WIRTSCHAFT Jahr 2009 habe sie diesen Wert allein für Fotovoltaikanlagen auf elf Prozent korrigiert, im Jahr 2014 auf 16 Prozent für Fotovoltaik und weiters mehr als elf Prozent für Concentrated-Solar-Power- (CSP-) Anlagen. CSP beschreibt Technologien, bei denen durch konzentrierte Solarstrahlung ein Medium verdampft wird, das wie bei einem normalen thermischen Kraftwerk eine Turbine antreibt, die ihrerseits mittels eines Generators Strom erzeugt. ›Verteilernetze, an denen Ökostromanlagen angeschlossen sind, werden erheblich belastet.‹ Schon heute sind laut Fechner in Deutschland Wind- und Fotovoltaik Anlagen mit jeweils mehr als 39 GW Leistung installiert, die benötigte Leistung schwankt zwischen 40 und 80 GW. Er verwies auf Angaben der European Wind Energy Association (EWEA), der zufolge im vergangenen Jahr in Europa neue Windparks mit einer Leistung von rund zwölf GW sowie Fotovoltaik Anlagen mit weiteren acht GW installiert wurden. Wirkungsgrade steigen, Kosten fallen Demgegenüber errichtete Europas E-Wirtschaft zwar auch neue Kohlekraftwerke mit etwa 3,3 GW, nahm aber alte Kohlekraftwerke mit 7,2 GW aus dem Markt. Auch seien die Kosten speziell für neue Fotovoltaikanlagen im Fallen, fügte Fechner hinzu. Laut Berechnungen der IEA liegen die durchschnittlichen Kosten zurzeit zwischen 117 und 201 US-Dollar pro MWh. Für das Jahr 2050 erwartet die Agentur einen Rückgang auf 56 bis 78 US-Dollar. Im Steigen sind dagegen die Wirkungsgrade: Unter Laborbedingungen werden mittlerweile bis zu 43,5 Prozent erreicht, im praktischen Einsatz immerhin bis zu 20 Prozent. Schon heute beeinflussen die Erneuerbaren die Preise auf den Strommärkten erheblich und erhöhen die Anforderungen an das Netzmanagement, sagt Fechner. Da die Kosten für Windund Solarenergie weiter sinken werden, werden diese Technologien künftig die Stromerzeugung dominieren. Dies stellt die Energiewirtschaft und ihre Energieinfrastrukturen vor große Herausforderungen. Zu deren Bewältigung sind geeignete politische sowie regulatorische Rahmenbedingungen und neue technische sowie systemische Ansätze nötig. Der FHTechnikum-Experte: „Fotovoltaik und Wind benötigen eine massive Anpassung der Versorgungsstrukturen und des Energiemarktes. Gefragt ist vor allem Flexibilität.“ Diese könne grundsätzlich durch den Ausbau und die Ertüchtigung der Netzinfrastruktur, Speicher, geeignete Erzeugungseinheiten sowie Demand Side Management bzw. durch Kombinationen dieser Technologien bereitgestellt werden. Das jeweilige Optimum müsse im Einzelfall ermittelt werden. Treiber der Energiewende Andreas Dangl, Vorstandsvorsitzender der WEB Windenergie AG, bezeichnete Windkraft und Fotovoltaik als die Treiber der Energiewende, die seiner Ansicht nach wegen des Klimawandels unverzichtbar ist. Insofern sei es mehr als gerechtfertigt, den Erneuerbaren mittels Subventionen „Starthilfe“ zu bieten. Dies habe sich im Fall der Windkraft gut bewährt: „Wir sind heute bei rund 35 bis 40 Prozent der Erzeugungskosten von 1990.“ Schon bald würden neue Technologien zur dezentralen Stromspeicherung weite Verbreitung finden, darunter Lithium-Ionen-Speicher. Diese ließen sich nicht zuletzt in den Türmen der Windparks unterbringen: „Damit können wir viel zielgerichteter in den Strommarkt gehen und beispielsweise Regelenergie anbieten“, schildert Dangl. Klar ist seiner Ansicht nach, dass für eine zuverlässige Versorgung mit elektrischer Energie „ein gutes Netz“ notwendig sein wird. Die Politik müsse „schnell genug sein“, um geeignete Rahmenbedingungen für den Umbau des Energiesystems zu schaffen. An technologischen Innovationen fehle es keineswegs, sehr wohl dagegen an notwendigen Regularien. Laut Dangl ist die Politik „leider ein wenig träge geworden. Als man Kaprun aufgebaut hat, ging es mit den Genehmigungsverfahren ein bisschen schneller. Die Politik bräuchte mehr Mut“. ›Die künftige Energieversorgung wird weitestgehend auf fluktuierenden Erneuerbaren basieren.‹ Nach Auffassung von Eva Hauser, wissenschaftliche Mitarbeiterin am „Institut für ZukunftsEnergieSysteme“ in Saarbrücken, hat die Fotovoltaik „das Energiesystem schon sehr stark verändert. Und die Veränderungen, die noch kommen werden, sind um einiges pikanter als das, was wir bisher gesehen haben“. Sie ist überzeugt, dass das künftige System zur Energieversorgung weitestgehend auf fluktuierenden erneuerbaren Energien basieren wird. Hauser hält dies aus zwei Gründen für sinnvoll: Erstens fallen bei Wind- und Solaranlagen keine Brennstoffkosten an, zweitens halten sich die „negativen externen 35 Foto: © Oesterreichs Energie/Andy Urban WIRTSCHAFT v. l. n. r. FH-Prof. Dipl.-Ing. Christian Kollmitzer, Vize-Rektor Fachhochschule Technikum Wien; Dipl.-Ing. Klaus Kaschnitz, Bereichsleiter Betrieb Austrian Power Grid; Eva Hauser, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme Saarbrücken; Dr. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie; Andreas Dangl, Vorstandsvorsitzender WEB Windenergie AG; FH-Prof. Dipl.-Ing. Hubert Fechner, MAS, MSc., Studiengangleiter FH Technikum Wien. Effekte“ in Grenzen. Kernkraftwerke verursachten demgegenüber nur schwer zu behandelnden Atommüll, konventionelle thermische Kraftwerke trügen zum Klimawandel bei. Großhandelspreise sinken Die Energiewende müsse zunächst bedeuten, „den Vorrang der fluktuierenden erneuerbaren Energien zu sichern und auszubauen. Langfristig müssen wir die Versorgungssicherheit mittels der erneuerbaren Energien und mittels umweltfreundlicher Flexibilitätsoptionen gewährleisten“. Dabei sei es unverzichtbar, für eine planbare Refinanzierung von Neuinvestitionen, aber auch von Bestandsanlagen, zu sorgen. Die Wissenschaftlerin sieht darin eine große Herausforderung: Immer wenn große Mengen an Strom aus Fotovoltaikanlagen ins Netz eingespeist werden, sinken die Großhan- delspreise für elektrische Energie. Nehme dagegen die Stromproduktion dieser Anlagen ab, „gehen die Preise nach oben“. Damit ist eine Refinanzierung der Fotovoltaik über den Markt in seiner derzeitigen Form nicht möglich. Außerdem kommen infolge der tendenziell sinkenden Strompreise auch alle anderen Erzeugungstechnologien unter Druck. „Wir müssen also den Strommarkt komplett ändern, wenn wir in irgendeiner Form Erzeugungsanlagen refinanzieren wollen“, betonte Hauser. Gelinge dies nicht, „bekommen wir vermutlich bald wirklich Probleme“. Unverzichtbarer Netzausbau Klaus Kaschnitz, Bereichsleiter Betrieb bei Austrian Power Grid (APG), erläuterte, die installierte Windkraft- und Fotovoltaikleistung, insbesondere in Deutschland, aber auch in Österreich, habe sich binnen weniger Jahre vervielfacht: 36 WIRTSCHAFT „Wind- und Sonnenstrom sind – begünstigt durch die Förderregime in vielen Ländern Europas - mittlerweile eine sehr relevante Größe im europäischen Strommix geworden.“ Damit haben sich jedoch auch die Herausforderungen für das Systemmanagement deutlich erhöht, nicht zuletzt, weil der Netzausbau nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren Schritt hält. Der Netzentwicklungsplan der APG für die kommenden zehn Jahre sieht Investitionen von insgesamt rund 1,4 Mrd. Euro vor. Dieses ambitionierte Programm ist, so Kaschitz „die dringend notwendige Grundlage für eine nachhaltige und sinnvolle Integration erneuerbarer Stromerzeugung – insbesondere aus Windkraft und Fotovoltaik in Österreich.“ davon ist die aktive Verbrauchssteuerung, deren Potenzial jedoch „zumindest derzeit viel zu gering“ ist. Auch könnten in zunehmendem Ausmaß Ökostromanlagen abgeschaltet sowie Backup-Kraftwerke errichtet werden, vor allem solche, die Erdgas als Brennstoff verwenden. Möglich ist auch der „Ausbau von Speicherkapazitäten, etwa Pumpspeichern“. Um die Ausgleichsenergiekosten zu vermindern, schlug Kaschnitz vor, „absehbare Windprognose-Abweichungen“ auf den IntradayMärkten zu handeln. Überdies biete sich die „Schaffung eines Stabilisierungsanreizes“ sowie die „Erweiterung des Regelenergiemarktes“ an. So könnten etwa grenzüberschreitende Regelkonzepte (weiter)entwickelt werden, auch die Zulassung neuer Anbieter wie etwa Pool-Anbieter, sei eine ernst zu nehmende Option. ›Erzeugung und Verbrauch driften geografisch und zeitlich auseinander.‹ Aus der Sicht des Netzbetriebs bringt die Energiewende laut Kaschnitz vor allem folgende Herausforderung mit sich: Erzeugung und Verbrauch driften geografisch und zeitlich auseinander. Sei der Stromaustausch zwischen Österreich und Deutschland noch vor wenigen Jahren vom Verbrauchsverhalten bestimmt worden, richte er sich heute nach der Einspeisung von Ökostrom. Die Netzbetreiber müssten permanent Vorschaurechnungen durchführen und die Netzbetriebsplanung international koordinieren, um „rund um die Uhr rechtzeitig Notmaßnahmen einleiten zu können“. Am 2. Jänner 2015 wurden laut Kaschnitz neue ImportRekordwerte erreicht. Dies machte umfangreiche Redispatch-Maßnahmen notwendig, um das Netz stabil zu halten. Allein in Österreich kamen dafür Kraftwerke mit rund 1700 MW Gesamtleistung zum Einsatz. Binnen nur zweier Jahre, von 2013 bis einschließlich heuer, werden sich die Redispatch-Kosten europaweit von weniger als 15 Mio. Euro auf über 45 Mio. mehr als verdreifachen. Dazu kommen zunehmende Schwierigkeiten, Kraftwerke für Redispatch-Maßnahmen bereitzuhalten. Immer mehr solcher Anlagen würden mangels Rentabilität vorübergehend eingemottet oder völlig geschlossen. „Das verringert natürlich die Möglichkeiten der Übertragungsnetzbetreiber, Notmaßnahmen zu setzen“, warnte Kaschnitz. Flexibilität steigern Um das zeitliche Auseinanderdriften von Erzeugung und Verbrauch zu bewältigen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine Info Mit den Viktor-Kaplan-Lectures bieten Oesterreichs Energie und die FH Technikum Wien eine Plattform zur offenen Diskussion über die technische sowie organisatorische Bewältigung der Umgestaltung des Energiesystems. Die Lectures finden seit Okotber 2013 zweimal jährlich statt. Die bisherigen Veranstaltungen befassten sich mit Power-to-Gas, den von Oesterreichs Energie entwickelten Strom-Szenarien, Speichern im Netzverbund sowie der Stromproduktion mittels erneuerbarer Energien. Näheres unter http://oesterreichsenergie.at/veranstaltungen/victor-kaplan-lectures/die-viktor-kaplan-lectures-von-oesterreichs-energie.html KOMMENTAR WIRTSCHAFT 37 Kommentar von Dr. Thomas Hofer An unaufgeregte Diskussionen ist in der innenpolitischen Landschaft derzeit nicht zu denken. Vor zwei entscheidenden Landtagswahlen herrscht Hysterie. In Oberösterreich bricht in den Umfragen nicht nur die SPÖ, sondern auch die Landeshauptmann-Partei ÖVP ein. Dabei hat Josef Pühringer in der ablaufenden Legislaturperiode nicht viel falsch gemacht. Im vierzehn Tage später wählenden Wien ist die Lage noch weit aufgeheizter: Hier sehen selbst optimistische Genossen ihre Felle langsam, aber sicher davonschwimmen. Selbst eine rot-grüne Mehrheit scheint nicht mehr gesichert. Klar ist für alle Politik-Afficionados nur eines: Zum großen Sieger wird in beiden Fällen die FPÖ aufsteigen. In Oberösterreich scheint Platz 2 schon fast sicher, und in Wien ist selbst die Führungsposition nicht gänzlich ausgeschlossen; jedenfalls gibt es mit der Sozialdemokratie erstmals ein (echtes) Duell auf Augenhöhe. Dafür müssen die Freiheitlichen nicht viel machen. Heinz-Christian Straches Maxime bis zum Oktober lautet: Nur keine Fehler machen; für verbale Ausrutscher prädestinierte Funktionäre schickt man am besten auf einen ausgedehnten, bezahlten Urlaub. Denn vom politischen Mitbewerb droht derzeit keine bis geringe Gefahr. Anstatt angesichts der Umfragelage in hektische Betriebsamkeit zu verfallen und alles Mögliche gegen den zu erwartenden blauen Siegeslauf zu unternehmen, verfallen die anderen Parteien in Lethargie. Man hat den Eindruck, dass SPÖ und ÖVP ihr Schicksal akzeptiert haben und nur noch darauf hoffen, dass der „worst case“ dann doch nicht eintritt. Die Hoffnung auf ein anti-blaues Wunder ist aber unbegründet. Blickt man auf die Themenkonjunktur, beginnt sich der politische Herbst dunkelblau einzufärben. Thema Nummer 1 ist und bleibt das Flüchtlingsdrama – öffentliche und veröffentlichte Meinung fallen da immer deutlicher auseinander. Dazu kommt das ebenfalls emotional aufgeladene nächste Hilfspaket für Griechenland. Das ist – gepaart mit der steigenden Arbeitslosigkeit im Land – aus Sicht der Regierenden nur ein weiterer Brandbeschleuniger. Hysterische Lethargie In Wien darf sich die FPÖ zudem bei den Initiatoren einer möglichen „türkischen Liste“ bedanken: Diese könnte der SPÖ nicht nur direkt einige Stimmen aus diesem Bereich wegnehmen. Viel entscheidender aber sind für die SPÖ zentrale, autochthone Zielgruppen in den Wiener Flächenbezirken. Diese lassen sich durch solche Parteigründungen wohl noch zusätzlich verunsichern. Ist die Umwälzung der politischen Landschaft also nicht mehr aufzuhalten? Doch, aber dafür müssten die anderen Parteien versuchen, die thematische Landschaft in ihrem Sinne zu gestalten. Es bräuchte Offensive. Wenn man sich weiter in hysterischer Lethargie übt, braucht man sich im Nachhinein über das Ergebnis nicht zu wundern. Dr. Thomas Hofer Politikberater, Buchautor und Universitätslektor für politische Kommunikation www.hppa.at 38 WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT COVER-STORY 39 Mehr „Kohle“ für weniger Kohle Beim BDEW-Kongress Ende Juni in Berlin zeichneten sich bereits die Entscheidungen der deutschen Bundesregierung für ihre künftige Energiepolitik ab. So wurde etwa die Stilllegung der größten CO2-Verursacher beschlossen und dass es dafür Geld geben soll. Foto: RWE Von Stefan May 40 WIRTSCHAFT V on 23. bis 25 Juni fand in Berlin der diesjährige Kongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) statt. Ein recht ungünstiger Zeitpunkt, denn er lag genau eine Woche vor dem Treffen der großkoalitionären Politspitzen, bei dem diese die lange erwarteten Pfähle in der deutschen Energiepolitik einzuschlagen gedachten. Doch wer dem Vortrag von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel genau zuhörte, der konnte schon einiges heraushören, was dann am 1. Juli fix auf Politebene beschlossen wurde. „Wir versuchen die Fäden der Energiewende in dieser Legislaturperiode zusammenzufügen“, hatte Gabriel seiner Rede vorausgeschickt. Es gebe zwei Vorschläge: zum einen den von ihm erdachten Klimabeitrag für Kohlekraftwerke. Da sah sich Gabriel allerdings schon seit Längerem einer breiten Phalanx aus Gewerkschaft, Union und Bundesländern mit starkem Kohle-Verstromungsanteil gegenüber, weshalb er beim BDEW-Kongress eine Alternative aus dem Hut zauberte: „Statt eines Klimabeitrags bringen wir die KohleKraftwerke schrittweise zur Stilllegung und ersetzen sie durch neue Gas-Kraftwerke. Ein zweiter Schritt ist die Stilllegung von mindestens 2,7 GW an Braunkohle-Kraftwerken.“ Das bringe 12,5 t an CO2-Einsparung. Obwohl sich der Minister beiden Varianten gegenüber neutral gab, war klar: Gabriels Klimaabgabe war gefallen. ›Es gibt geopolitische Unsicherheiten, aber keine Krise im Energiemarkt.‹ dahin widerspenstigen – bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer die Zustimmung zum Ausbau der dringend benötigten Nord-Süd-Stromtrassen abringen wolle: „Unser Vorschlag ist, den Ostlink auf bestehender Trasse zu führen und die letzten Kilometer unter der Erde sowie den Südlink mit alternativer Trasse“. Dabei sollten vermehrt „vorhandene Trassen durch ein ,Dazuhängen‘ genutzt werden“. Allerdings schränkte Gabriel ein, dass es Erdverkabelungen nur über kurze Strecken geben werde, die technisch möglich seien und bei denen sich „die Mehrkosten im Vergleich zu Ausbauverhinderung in überschaubarem Ausmaß“ hielten. Genauso wurde es dann am 1. Juli politisch vereinbart. Weil es bei der Energiewende bisher nicht gelungen sei, einen gemeinsamen Weg zu finden, zeigte sich jedenfalls SiemensChef Joe Kaeser bei seinem Statement skeptisch: „Von den Politikern muss man erwarten, dass sie führen, auch wenn sie in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr gewählt werden“, sagte er. „Das ist der Unterschied zwischen Politikern und Staatsmännern.“ Deutschland sei in eine Schieflage geraten, da es eine Reihe von Unternehmen gebe, die an der Energiewirtschaft hängen, so der Siemens-Vorsitzende. „Ohne Innovation wird es nicht gehen. Je größer die digitale Kompetenz ist, umso besser werden wir es schaffen.“ Es müsse der Gesellschaft klar gemacht werden, dass Stillstand nicht die Bewahrung des Wohlstands sei. „Wer stillsteht, wird überholt“, sagte Kaeser. Er verwies darauf, dass Energieeffizienz verbrauchsorientiert sei und ihre größten Potenziale in der Industrie liegen. Und so kam es dann auch: Die stillzulegenden Kohlekraftwerke werden als Reserve gehalten. Und: Statt eine Klimaabgabe zahlen zu müssen, erhalten die Betreiber nun Geld vom Staat, um die Betriebe stillzulegen. Das spart aber nur die Hälfte jener CO2-Mengen ein, die bei der Abgabe vorgesehen waren. Wenige Tage danach entschied die deutsche Bundesregierung dann: Energiesparen soll gleichzeitig weitere 5,5 Mio. t CO2 vermeiden. Für die Förderung von mehr Energieeffizienz sollen ab nächstem Jahr zusätzlich rund 1,16 Mrd. Euro über den Energie- und Klimafonds des Bundes bezahlt werden. „Das ist nur möglich, weil wir eine ausgesprochen gute wirtschaftliche Lage haben“, sagte Gabriel. Insgesamt wird das Energiepaket aber auch aus Steuern bezahlt werden. Fördergrenze erweitert Weichenstellung oder Scheitern Der Wirtschaftsminister hatte aber noch anderes beim BDEWKongress angekündigt, was eine Woche später in der Koalition beschlossen wurde. „Wenn wir uns für Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) entscheiden, werden einige von Ihnen auf den Bäumen sein, weil KWK etwas kostet“, hatte er vorsorglich deponiert. Tatsächlich wird nun die Fördergrenze der Anlagen von 0,75 auf 1,5 Mrd. Euro aufgestockt. Aber auch wenn Gabriel in seiner Rede betont hatte, dass es mehr Marktwirtschaft in der Energiewirtschaft mit dem Ziel von mehr Berechenbarkeit brauche, war die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Hildegard Müller, nicht milde zu stimmen: „Man wird auf das Jahr 2015 als das Jahr der Weichenstellungen oder als Jahr des Scheiterns zurückblicken“, sagte sie vor dem Kongress. Bisher habe es lediglich Aktionspläne, unreife Positionspapiere und ein Grünbuch gegeben. Schließlich kündigte er bei der Tagung an, wie er dem – bis WIRTSCHAFT COVER-STORY 41 „Der Weg in die Dekarbonisierung muss klug gewählt werden“, mahnte Müller. Nach wie vor käme die Energie in Deutschland zu 46 Prozent aus Braun- und Steinkohle. Die BDEW-Geschäftsführerin verlangte nicht nur einen Zertifikathandel, sondern als „ersten und wichtigsten Stützpfeiler“ auch einen funktionierenden Markt. Zwar ist sie damit einer Meinung mit dem Wirtschaftsminister, doch am „Wie“ scheiden sich die Ansichten. Foto: RWE ›Diversifizierung, Infrastruktur und stabile Märkte sind die Garantie für Sicherheit.‹ „Der Markt muss Knappheitssignale senden. Klar ist, dass wir quasi Gürtel zum Hosenträger brauchen, eine Reserve für den Notfall“, sagte Gabriel. Ein Kapazitätsmarkt bringe aber die Gefahr einer Störung des Strommarkts, mit steigenden Kosten. „Deshalb bin ich entschieden gegen das BDEW-Modell“, so der Politiker. „Zudem gibt es Überkapazitäten. Ein nationaler Kapazitätsmarkt würde dazu führen, dass sich die Nachbarländer darauf verlassen, dass deutsche Stromkunden schon zahlen würden, wenn dort Knappheit droht.“ Die größte politische Herausforderung des Jahres würden die Fragen des Strommarkts sein, Fragen nach seinem Design. Gesicherte Leistung für die Zukunft Was die Regierung vorschlägt, ist zwar in Ordnung, aber nicht ausreichend. Das war der Tenor der Diskussion über die Zukunft der gesicherten Leistung beim BDEW-Kongress. In Bezug auf den Kapazitätsmarkt sehe man an anderen Ländern, dass er funktioniere, sagte Rolf Martin Schmitz, Stellvertretender RWE-Vorsitzender. „Aber man muss sich auf Grundlinien einigen, damit es keinen Wildwuchs gibt.“ Wenn man staatlicherseits Kapazitätsreserven einführe, werde es allerdings nicht funktionieren. Überschaubare Regelungen müssten vorgeben werden, verlangte Schmitz. „Ausstieg, Einstieg, Ausstieg aus Kernenergie – wir fahren eine Geisterbahnfahrt sondergleichen“, kritisierte er den politischen Kurs. Würde der Kapazitätsmarkt 2018, also nach den nächsten Bundestagswahlen im übernächsten Jahr, eingeführt, würde er erst 2023 greifen. Da müsse man sehen, dass man mit dem Instrument nicht zu spät komme, warnte der RWE-Manager. Allerdings: „Beim Gas haben wir keine Kapazitätsprobleme. Dafür brauchen wir, anders als beim Strom, keine staatlichen Interventionen, um Engpässe zu beseitigen.“ „Knappheitssignale sind etwas Wunderbares“, stimmte Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München, der Forderung des Wirtschaftsministers nach dem Spiel der Marktkräfte zu. Die Frage sei aber, ob es ein vernünftiges Marktsignal sei, wenn der Strompreis eine Zeit lang gleich Null und dann riesig hoch sei. „Wer wird investieren, wenn man auf ein paar Stunden im Jahr mit aberwitzig hohem Strompreis wartet?“, fragte Bieberbach. Harmonisierung im Herzen Europas „Wir brauchen möglichst viel Europa im Strommarkt“, forderte der Münchner Stadtwerke-Manager. „Deshalb begrüße ich es, wenn die EU einen Rahmen für einen europäischen Leistungsmarkt schafft.“ De facto seien alle der Meinung, dass es eine Harmonisierung zumindest im Herzen Europas geben solle. Bieberbachs Fazit: „Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, müssen wir weiter inhaltlich miteinander reden.“ Auch Han Fennema, CEO der niederländischen Gasunie, sprach sich für eine europäische Annäherung aus: „Wir haben in Europa nicht 28, sondern eine einzige Energiewende“, sagte er. Die Niederlande seien abhängig von ihren Nachbarn. Der Gasbedarf werde in den nächsten 50 Jahren gleich bleiben. Deshalb sollte man sich unabhängiger vom russischen Import machen. Stephen Woodhouse, Direktor von Pöyry Management Consulting in Oxford, sah viel Übereinstimmung in der Diskussion, warnte aber davor, einen stabilen Kapazitätsmarkt zu erwarten, weshalb es nur ein Minimum an Regulierung geben sollte. Ein Land, das für Europa als Hort gesicherter Leistung steht, ist Norwegen. Seit den frühen 1990er Jahren sei das Land Teil 42 WIRTSCHAFT Foto: BDEW werden. Vom Stromtransport über die Grenzen könnten beide Seiten profitieren, sagte er. Gas wiederum könne eine wichtige Reserve für die erneuerbaren Energien sein. Mit drei Pipelines durchs Meer ist Deutschland der wichtigste Partner beim Erdgas. v. l. n. r.: Hildegard Müller, Vorsitzende BDEW-Hauptgeschäftsführung; Dr. Maroš Šefcovic, Vizepräsident Energieunion; Sigmar Gabriel, Deutschlands Bundesminister für Wirtschaft und Energie; Dipl.-Ing. Johannes Kempmann, BDEW-Präsident. des Energiebinnenmarktes, sagte Kare Fostervold, Vizeminister im norwegischen Energieministerium. Mehr als 30.000 MW Wasserkraft sind installiert und können gespeichert „Wenn man sich entscheidet, weniger Erdgas zu verwenden, würde das weniger Sicherheit bei der Versorgung bedeuten“, bestätigte Tor Martin Anfinnsen, Vizepräsident des norwegischen Ölproduzenten Statoil. Eine langfristige Perspektive für Erdgas sei wichtig. „Vor Entwicklung eines neuen Feldes muss geklärt sein, ob auch noch in Jahrzehnten Bedarf dafür besteht“, meinte Anfinnsen. Steigendes Interesse an langfristigen Verträgen über Erdgas sei ein klares Zeichen, dass europäische Verbraucher Erdgas als Energieform für die Zukunft sehen. Mehr Beachtung für KWK „Ein Problem der Vergangenheit war, dass Energie aus dem nationalen Blickwinkel gesehen wurde“, sagte Maroš Šefcovic. Dass er in seiner Funktion als Vizepräsident der Energieunion in der EU vor dem BDEW-Kongress sprach, zeigte, dass sich die Zeiten geändert haben. „Die Energie Union kann nicht in Brüssel aufgebaut werden, sie muss hier in Berlin, Leipzig, in der EU geschaffen werden“, unterstrich er. Beim Thema Klimawandel brauche man auch „die restliche Welt“. Dafür muss es aber die passende Basis geben. Der Energiebeauftragte der Union im Bundestag, Thomas Bareiß, ist sich dessen bewusst: „Die Politik muss das Spielfeld definieren.“ Beispiel Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): Sie könne strom- oder wärmegeführt werden, so Bareiß. „Wir müssen vorankommen und Rahmenbedingungen für Investoren schaffen, sowohl für industrielle KWK als auch für kommunale Anlagen.“ Ein zweiter Schritt betreffe die Versorgungssicherheit. Die Energieunion wolle eine größere Streuung, alle Möglichkeiten erforschen, das Portfolio zu erweitern, so Šefcovic. Dafür wolle man den Mittelmeerraum entwickeln. Und: „Die Energiedirektive muss updated werden“. Im Herbst soll ein Forschungs- und Innovationsprogramm präsentiert werden, Ende des Jahres das Ergebnis der eigenen Vorschläge zur Gas-Sicherheit. Für nächstes Jahr stehen Verkehr und Dekarbonisierung auf der Liste. „Deutschlands Wirtschaft, Verpflichtung und Geografie sind Schlüsselfaktoren für Europa“, sagte der EnergieunionsVertreter und schloss hoffnungsfroh: Von der Energiewende sei Ähnliches zu erwarten wie von der Digitalisierung in den letzten 15 Jahren. „Es ist eine halbe Minute nach zwölf Uhr“, konterte Udo Wichert, Sprecher der STEAG-Fernwärme-Geschäftsführung. „Die Anlagen sind Schritt für Schritt betroffen, und danach werden KWKAnlagen stillgelegt. Das wird dazu führen, dass man 56 Mio. CO2, die die KWK jährlich einspart, mutwillig zur Disposition stellt.“ Halbe Minute nach zwölf Uhr „Die KWK-Förderung ist positiv begleitet“, beruhigte Garrelt Duin, Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen: „Wir in NRW haben ein 250-Mio-Euro-Programm für KWK.“ Allerdings hätte man das Thema schon früher gemeinsam diskutieren können, räumte er ein: „Es ist viel schiefgelaufen. Viele Unternehmen sind schon in Schwierigkeiten. Wenn wir ganzheitlich gedacht hätten und – zumindest nach Fukushima – konzentrierter die Sache angegangen wären, dann wäre uns heute wohler.“ KOMMENTAR COVER-STORY 43 Kommentar von Dr. Christof Zernatto „Strom machen kann jetzt einfach jeder –“, mit diesem Slogan wirbt die Ökostrom AG auf ihrer Website für eine so genannte Plug-in-Fotovoltaik-Anlage mittels Schukostecker. Laut Ökostrom AG ist „Simon eine revolutionäre Solaranlage, die dank handlicher Größe auch erstmals in der Stadt verwendet werden kann und dich in drei Schritten zur hausgemachten Energie bringt“. Als Hersteller outet sich das Unternehmen energetica, auch Greenpeace Energy ist mit von der Partie. Soweit die frohe Botschaft. Ein wenig mulmig ist den Anbietern des Solarwinzlings aber dennoch, denn sie bezeichnen die aktuelle Rechts- und Vorschriftenlage in Österreich als hinderlich zur Erreichung der energiepolitischen Ziele und stellen diese in Frage. Sie sind der Ansicht, dass solche KleinFotovoltaikanlagen, die von Laien erworben und ohne Beiziehung einer Elektrofachkraft durch Einstecken in eine Schutzkontaktsteckdose selbst in Betrieb genommen werden können, sicher seien. Das ist aber ein Trugschluss. Über Schutzkontaktsteckdosen kuppelbare Anlagen bergen ein beträchtliches Sicherheitsrisiko für Personen und Sachen und sind deshalb in Österreich und auch in Deutschland verboten. Die Einspeisung von Strom an falscher Stelle kann nämlich dazu führen, dass die Schutzschalter der Wohnung nicht mehr richtig funktionieren. Es kann auch passieren, dass es zu Stromschlägen kommt. Außerdem besteht Brandund Überlastungsgefahr; wer garantiert denn, dass nicht besonders umweltbegeisterte „Simonistas“ vier oder fünf Simons an eine Steckdose hängen? Die Inbetriebnahme bewirkt auch eine Reihe von Rechtsverstößen, beispielsweise gegen das Elektrotechnikgesetz, die TOR, die EN 50438 die ÖVE ÖNORM E 8001, die TAEV II., die Vereinbarungen des Netznutzungsvertrags mit dem jeweiligen Netzbetreiber und die Allgemeinen Netzbedingungen. Der Netzparallelbetrieb einer Erzeugungsanlage ohne Zustimmung des Netzbetreibers berechtigt diesen letztlich sogar zur Abschaltung der Gesamtanlage. Zudem entsteht das Faktum einer Abgabenhinterziehung bei rückwärts laufenden Zählern, weil dann Netznutzungs- und Netzverlustentgelte, Ökostromförderbei- Simon, der Illegale träge, Elektrizitätsabgabe und Umsatzsteuer auf die gesamten vermiedenen Zahlungen nicht entrichtet werden. Dass auch der Netzbetrieb durch Anlagen, die nicht fachgerecht installiert und dem Netzbetreiber bekannt sind, erschwert würde, kommt noch hinzu. Prinzipiell zeigt das Beispiel Simon, dass sich die technologische Entwicklung im Elektrizitätsbereich nicht immer mit der der Vorschriftenlage und den Sicherheitsvorgaben verträgt. Sinnvoll wäre es, derartige Fragen im Vorfeld zu klären und einen Weg zu finden, wie Normen und neue Situationen rasch versöhnt werden können. Dr. Christof Zernatto Sprecher des Forums Versorgungssicherheit Foto: Mainova AG 44 WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT COVER-STORY 45 „Energieprojekte haben Top-Niveau“ Wie die Elektrizitätswirtschaft die Energiewende technisch erfolgreich bewältigen will, zeigte sich bei der Mainova AG in Frankfurt am Main. Von Klaus Fischer A ls Energiedrehscheibe der Zukunft wird Strom fossile Energie ersetzen und den Antrieb für effiziente Maschinen liefern“, unterstrich Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie anlässlich einer Pressereise zur Mainova AG in Frankfurt am Main, dem größten regionalen Energieversorger Hessens. Laut Schmidt arbeitet die Elektrizitätswirtschaft in Österreich, aber auch in Deutschland, „mit voller Kraft daran, die Energiewende zum Erfolg zu machen“. Ein Vorhaben dieser Dimensionen könne „kein Sektor allein durchziehen“. Bekanntlich sei die E-Wirtschaft seit jeher gewohnt, in Netzwerken zu denken – umso mehr in der heutigen Zeit, in der es gelte, europaweite Zusammenhänge in den Blick zu nehmen. Laut Schmidt bringt es wenig Nutzen, gestützt auf hohe Subventionen „viel Strom am falschen Ort zu erzeugen. Wir müssen dafür sorgen, dass die richtige Energie am richtigen Ort immer zur rechten Zeit verfügbar und nutzbar ist.“ Ihr zufolge ist dies der „Schlüssel für die Energiezukunft“. Zwar arbeiteten nicht zuletzt die Regulatoren seit nunmehr zwei Jahrzehnen daran, die Netzwerke der E-Wirtschaft 46 WIRTSCHAFT aufzuteilen und zu „entbündeln“, doch werde es gerade angesichts der Herausforderungen durch die Energiewende immer wichtiger, über den Tellerrand hinauszublicken und nicht nur individuelle Unternehmensziele sowie -strategien zu beachten. Vielmehr müsse das Gesamtsystem der Energieversorgung in all seinen vielfältigen Zusammenhängen und Wechselwirkungen betrachtet werden, so Schmidt. Rein rechtlich hätten die Netzbetreiber noch immer die Pflicht, die Versorgungssicherheit mit allen Mitteln zu gewährleisten. „Aber ohne entsprechende Unterstützung seitens der Stromerzeuger und neuer Marktteilnehmer sind sie weitgehend machtlos“, warnte die Generalsekretärin. Gefragt für das Gelingen der Wende seien auch „neue Technologien und eine neue Art der Kooperation aller Systemteilnehmer“. In Deutschland entfallen derzeit rund 26 Prozent der Stromerzeugung auf Fotovoltaikanlagen und Windparks. Deutschen Energiemarktexperten zufolge werden die Preise an den Großhandelsplätzen und die verfügbaren Strommengen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer stärker schwanken. Erreicht die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien das Niveau des Verbrauchs, wird der Großhandelspreis für Strom für bis zu 3000 h/Jahr bei null liegen. Roadmap „Smart Grids“ Spätestens dann würden neue Technologien, etwa im Bereich der Stromspeicherung, unbedingt benötigt, um die strukturelle Stabilität der Stromversorgung aufrechtzuerhalten, erläuterte Schmidt. Wie sie hinzufügte, „agieren die Unternehmen der österreichischen E-Wirtschaft mit ihren Projekten auf europäischem Top-Niveau und sind beispielgebend in vielen Bereichen. Aktuell ist Österreich auch führend bei der Erstellung der neuen Roadmap Smart Grids.“ von Oesterreichs Energie als Vorstand für das Technik-Ressort der Mainova AG zuständig war. Birkner - er verließ das Unternehmen Ende Juni 2015 - bezeichnete die immer wieder auftretenden Über- und Mindererzeugungen als „immanente Bestandteile eines auf den regenerativen Energieträgern Wind und Sonne basierenden Energiesystems“. Doch diese Volatilität auf der Erzeugerseite lasse sich durch die Kopplung der Energieträger Strom, Wärme und Gas beherrschen. Den städtischen Ballungsräumen komme dabei im Wesentlichen die Rolle „natürlicher Puffer und Speicher der Energiewende“ zu. Demgegenüber würden die ländlichen Regionen „tendenziell die regenerative Erzeugung übernehmen und stromfokussiert sein“. Als „Kernprinzipien einer kostenoptimierten Umsetzung der Energiewende“ bezeichnete Birkner die „technische Subsidiarität“, die Modifikation der bestehenden Infrastruktur und schließlich Diversifizierung als stabilisierendes Element. Das Prinzip der „technischen Subsidiarität“ erläuterte er dabei so: Es gelte, das Problem des Energiebilanzausgleichs dort zu lösen, wo es auftritt, von der Ebene des gesamteuropäischen Übertragungsnetzes bis – zumindest grundsätzlich – hinunter auf die Ebene einzelner Gebäude. Mit „technischer Diversifikation“ ist dabei die „Kombination von verschiedenen Erzeugungs- mit verschiedenen Verbrauchsmustern zur Systemstabilisierung und zum Energiebilanzausgleich“ gemeint. So lassen sich etwa Solar- und Windkraftanlagen mit Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungen ergänzen. Der Begriff der „technische Modifikation“ schließlich beschreibt die „Nutzung und Ergänzung der vorhandenen Infrastruktur im Sinne der Energiewende“, also etwa das Verwenden des Fernwärmesystems und des Gasnetzes als Energiespeicher. Ganzheitliche Betrachtung ›Der Strombedarf wird nicht erheblich steigen.‹ Österreichs E-Wirtschaft kennzeichne sich durch eine Vielfalt an Projekten, die sich gerade auch durch die unterschiedlichen Anforderungen in den einzelnen topografisch stark differenzierten Regionen ergebe. Einen Überblick über die neuen Technologien und deren Einsatzreife bot Peter Birkner, der zum Zeitpunkt der Pressereise Es sei notwendig, die Energiewende ganzheitlich zu betrachten und die Interdependenzen zwischen der Technik, dem rechtlichen sowie regulatorischen Ordnungsrahmen, den Bürgern, der Finanzwirtschaft sowie Industrie, Gewerbe und den unterschiedlichen Arten der Mobilität zu berücksichtigen. Entscheidend für den Erfolg der Energiewende sei ein wohldurchdachtes Management des Transformationsprozesses. Laut Birkner stellen sich dabei insbesondere folgende Fragen: „Wann brauchen wir welche Technik? Wie ist der technologische Fortschritt? Wie hoch ist die Transformationsgeschwindigkeit?“ Wie er erläuterte, setze die Energiewende „auf regenerative Energie unter den von der Ethikkommis- WIRTSCHAFT COVER-STORY sion definierten Bedingungen“. Doch die Realität halte diesem Anspruch bisher schwerlich Stand. Zwar würden die Erneuerbaren rasch ausgebaut und die Kernkraftwerke außer Betrieb genommen, doch die Forderungen der Ethikkommission – kein Anstieg der CO2-Emissionen, keine zusätzlichen Stromimporte aus ausländischen Kernkraftwerken, Gewährleisten der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, Vermeiden sozialer Instabilität durch hohe Energiepreise und ein Halten der Netzstabilität auf hohen Niveau – würden bis dato wohl eher nur unzureichend erfüllt. ›Die Energiewende kann kein Sektor allein durchziehen.‹ 47 teils erhebliche Vorbehalte gegen den Ausbau der Stromnetze bestünden, meint man bei der Mainova AG, wo betont wird, dass nur thermische und chemische Speicher das - durch die Energiewende geforderte - Speichervolumen bieten. Die Mainova selbst betreibt am Standort Niederrad in Frankfurt zwei Elektroerhitzer mit einer Leistung von jeweils vier MW. Power-to-Heat lässt sich technisch relativ einfach umsetzen, erlaubt die direkte Einspeisung der erzeugten Wärme in das Fernwärmenetz und macht es überdies möglich, negative Regelleistung sowie Wärmeenergie zur Verfügung zu stellen. Die künftige Flexibilität des Frankfurter Fernwärmesystems mit seinen KWK sieht Birkner gerade darin, die Wärme- und die Stromproduktion entkoppeln zu können. Power-to-Gas-Anlage im Probebetrieb Schon jetzt übersteigt die verfügbare konventionelle und installierte regenerative Stromerzeugungsleistung die zur gleichen Zeit benötigte und damit nutzbare Leistung in erheblichem Ausmaß. Infolgedessen wird jedoch Einsatz von Stromspeichern unverzichtbar – und das wegen der hohen Erzeugungsleistungen der dezentralen erneuerbaren Energien gerade auch auf lokaler Ebene. Dies gelte umso mehr, als – ähnlich wie in Österreich auch in Deutschland – in der Bevölkerung Aktiv ist die Mainova aber auch im Bereich Power-to-Gas, also grob gesprochen der elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser mittels Gleichstrom aus Wind- und Fotovoltaikanlagen. Die dazu erforderliche Anlage (Elektro-lyseur) der Thüga-Gruppe, die 24,4 Prozent der Mainova-Aktien hält, befindet sich in Frankfurt und ist derzeit im Probebetrieb. Sie kann bis zu 60 m³ Wasserstoff/h erzeugen. Ihre elektrische Leistung liegt bei 320 kW, der Wirkungsgrad bei 77 Prozent. Mit Innovationen punkten: von Power-to-Heat bis iNES Die Mainova AG will die Energiewende nicht zuletzt mit innovativer Technik bewältigen. In ihrer seit Kurzem in Betrieb befindlichen „Power-to-Heat“-Anlage mit insgesamt acht MW Leistung erzeugt sie aus überschüssigem Ökostrom Fernwärme, mit der sie vor allem den Flughafen Frankfurt versorgt. In den Sommermonaten kann sie damit seinen Wärmebedarf zu etwa einem Drittel decken und rund 800 l Heizöl pro Stunde sparen. Schon seit 2014 betreibt die Mainova im Auftrag ihres Miteigentümers Thüga eine Power-to-Gas-Versuchsanlage, die wie die Power-to-Heat-Anlage zum Speichern von (Öko-)Strom dient. Deren Kernstück ist ein Protonen-Austausch-Membran(PEM-)Elektrolyseur, der mit Gleichstrom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt und pro Stunde etwa 60 m³ Wasserstoff erzeugt. Die Anlage soll 2016 erweitert werden, um aus dem Wasserstoff durch Reaktion mit CO2 Methan (CH4) zu erzeugen, das ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Überdies nutzt die Mainova organische Solarzellen zur Ökostromerzeugung. Dabei handelt es sich um transparente Kunststofffolien, die auch bei diffusem Licht und bei künstlicher Beleuchtung Strom produzieren können. Aufgrund ihrer Flexibilität sind die Folien weitaus vielfältiger einsetzbar als normale Fotovoltaikmodule. So lassen sie sich etwa auf Fassaden anbringen oder in Fensterglas integrieren. Auch hinsichtlich des Stromtransports ist die Mainova innovativ unterwegs. Im Rahmen ihres „intelligentes Ortsnetzsystems“ (iNES) dienen 15 Messstationen in zwei Netzgebieten schon seit 2012 zur Netzüberwachung und seit heuer auch zur Netzsteuerung. Für den sicheren Netzbetrieb genügt es, rund zehn bis 15 Prozent der Netzknoten mit der iNES-Hardware auszurüsten. Zurzeit entwickelt die Mainova das Nachfolgeprojekt „iNES 2.0“, um auch das Mittelspannungsnetz intelligent zu machen. 48 WIRTSCHAFT Man geht davon aus, den Wasserstoff schon bald zu für die Industrie akzeptablen Preisen anbieten zu können, wenn es gelingt, die Herstellungskosten für den Elektrolyseur moderat zu senken und wenn keine Ökostrom-Aufschläge auf den eingesetzten Strom bezahlt werden müssen. Im Kostenvergleich der Speicher zeigt sich Power-to-Heat gegenüber Power-to-Gas allerdings zurzeit klar überlegen, rechnete Birkner vor. Die Investitionskosten für eine Powerto-Gas-Anlage liegen bei etwa 2,86 Mio. Euro/MW, jene für Power-to-Heat hingegen nur bei 0,15 Mio. Manager komplexer Systeme Die Energiewende ziele darauf ab, „steigende Brennstoffkosten durch Kapitalkosten zu ersetzen“. Dass der Strombedarf erheblich steigt, erwarten die Experten bei Mainova nicht. Vielmehr werde dieser in etwa konstant bleiben. Allerdings werden bisher nichtelektrische Anwendungen künftig durch elektrische ersetzt werden. Als Beispiele genannt: die Erzeugung von Wärme im Sinne von Power-to-Heat, aber auch die E-Mobilität. Foto: Mainova AG Den Energieunternehmer der Zukunft sieht man jedenfalls als „Manager komplexer Systeme“ sowie als „Katalysator und Moderator“ dezentraler Komponenten und Strukturen. Bei der Mainova AG geht man davon aus, dass die bisher gewohnten Geschäftsmodelle durch kleinteiligere Strukturen und neue Marktteilnehmer abgelöst werden. Organische Fotovoltaik auf dem Konzerngelände der Mainova AG E-Wirtschaft mit Zukunftstechnologien auf Innovationskurs Leonhard Schitter, Vorstand der Salzburg AG und bei Oesterreichs Energie für Forschung und Innovation verantwortlich, sieht mehrere Faktoren, durch die sich die Energiewirtschaft in den kommenden Jahren stark verändern wird. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg handelt es sich dabei vor allem um die „IKT-Revolution“ und die rapid voranschreitende Digitalisierung der gesamten Wirtschaft. Bei der Pressereise zur Mainova erläuterte Schitter, die Versorgungssicherheit sei künftig durch das Zusammenspiel von intelligenter Vernetzung, optimaler Steuerung von Netzen und Erzeugungsanlagen sowie leicht bedienbaren Instrumenten für Kunden zu gewährleisten. Die E-Wirtschaft sollte seiner Ansicht nach kontinuierlich Smart-Grid-Projekte entwickeln. Dafür müssten Politik und Verwaltung „optimale Rahmenbedingungen“ bereitstellen. Schitter empfiehlt eine „Sonderstellung“ für entsprechende Investitionen im Rahmen der Anerkennung der Netzkosten. Auch die politischen Rahmenbedingungen für die Energieforschung sind Schitter zufolge verbesserungswürdig. Zurzeit fließen in Österreich rund 0,05 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Energieforschung. Ein beträchtlicher Teil davon entfällt auf die Mitglieder von Oesterreichs Energie, die einschlägige Vorhaben häufig gemeinsam über Oesterreichs Energie Forschung & Innovation finanzieren. Wie Schitter erläuterte, betreibt die E-Wirtschaft unter anderem Forschungsturbinen, untersucht das Leistungsspektrum verschiedener Stromerzeugungstechnologien im Bereich Fotovoltaik, entwickelt und testet Prognosemodelle für den Einsatz erneuerbarer Energien und arbeitet an einer Reihe von Systemen für die künftige smarte Stromversorgung. Viele dieser Zukunftstechnologien haben sich laut Schitter bereits in der Praxis bewährt. BRENNPUNKT EUROPA COVER-STORY 49 EU-Kommission eröffnet Konsultation zum Marktdesign und diskutiert Vorschläge zu Großhandel und Endkundenmarkt Im EU-„Sommerpaket“: ein legislativer Vorschlag zur ETS-Reform, Best Practices zum Energieeigenverbrauch, eine neue Energieeffizienzkennzeichnungsverordnung Von Ralf Pastleitner Die Europäische Kommission hat am 15. Juli 2015 eine Mitteilung veröffentlicht, die den Konsultationsprozess für ein neues Energiemarktdesign einleiten soll. Stakeholdern soll die Möglichkeit gegeben werden, sich bis zum 8. Oktober 2015 zu diesem bedeutsamen Thema einzubringen. Die Kommission geht davon aus, dass das bestehende Marktkonzept von Grund auf angepasst werden muss, da es auf zentrale große Erzeugungsanlagen für passive Kunden ausgerichtet ist und die dezentrale Erzeugung nicht mehr abdecke. Die Mitteilung spricht drei Themenkomplexe an: • ein europäischer Strommarkt • verbesserte regionale Kooperation • Versorgungssicherheit und Kapazitätsmechanismen Potenzial zur Stärkung des Strommarktes der Zukunft sieht die Kommission unter anderem bei der Integration der Erneuerbaren in den Markt, der Verzahnung von Großhandels- und Endkundenmarkt, der fortschreitenden Integration des Energiebinnenmarktes durch bessere Infrastruktur im Rahmen der Projects of Common Interest (PCI) sowie in der Errichtung grenzüberschreitender Kurzfristmärkte. Mit verbesserter regionaler Kooperation meint die EU-Behörde vor allem eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer nationalen Energiepolitiken. Als positive Beispiele werden unter anderem das „Pentalaterale Forum“ oder die neu geschaffene „South-West Europe Interconnectivity Group“ genannt. Die grenzüberschreitende Vernetzung der Verbindungsleitungen der Mitgliedstaaten muss zügig vorangehen, ebenso die Koordination der Aktivitäten der Übertragungsnetzbetreiber sowie der Verteilernetzbetreiber untereinander. Hier soll ENTSO-E, dem Netzwerk der nationalen Übertragungsnetzbetreiber, eine stärkere Rolle zukommen. Auch die Bedeutung der europäischen Regulierungsagentur ACER bei der Beaufsichtigung der Weiterentwicklung des Energiebinnenmarktes und beim Ausbau der grenzüberschreitenden Infrastruktur soll steigen. Das Kapitel zur Versorgungssicherheit widmet sich vor allem den Themen Erzeugungsadäquanz und Kapazitätsmechanismen. Die Europäische Kommission möchte eine europaweit standardisierte Herangehensweise bzw. Methodologie zur Bestimmung der Frage, ob in einem Mitgliedstaat ausreichende Erzeugungskapazitäten vorhanden sind, entwickeln. Es sollen künftig Faktoren wie grenzüberschreitende Erzeugungskapazitäten, vorhandene Interkonnektoren, variable Erneuerbaren-Erzeugung und Speicheroptionen sowie Demand-ResponseMaßnahmen berücksichtigt werden, bevor eine Entscheidung für oder gegen einen Kapazitätsmechanismus gefällt wird. In jedem Fall erachtet die Kommission das Kriterium der Öffnung von Kapazitätsmechanismen für Erzeugungskapazitäten aus angrenzenden Ländern als essenziell. Begleitet wird das Dokument zum Marktdesign von einer Mitteilung zum Endkundenmarkt: „Delivering a New Deal for Energy Consumers“ zeigt die zukünftige Rolle des Verbrauchers im Energiemarkt auf, die laut Kommission darin bestehen könnte, ihn aktiver in die Energiewende zu involvieren, Vorteile der Entwicklung neuer Technologien nutzen zu können und so insgesamt durch ein höheres Engagement am Markt zu profitieren. Gleichzeitig sollen die Interessen schutzbedürftiger Verbraucher gewahrt bleiben. Aufbauend auf den Ergebnissen der Marktdesign-Konsultation will die Kommission im zweiten Halbjahr 2016 zahlreiche EU-Rechtsakte adaptieren bzw. neu vorlegen. Info Dr. Ralf Pastleitner ist Leiter des Brüsseler Büros von Oesterreichs Energie und berichtet in dieser Rubrik über die aktuellen Themen aus der EU-Zentrale. Oesterreichs Energie garantiert mit einem starken Team und einer effizienten Branchenvertretung in Brüssel, dass die Stimme der österreichischen E-Wirtschaft in der EU gehört wird und Entscheidungen im Sinne der Branche getroffen werden. Foto: Kelag Foto: Kelag RÜCKBLICK Foto: Kelag 50 Der Bau des Kraftwerkes Forstsee ging zügig voran. Sie arbeiteten an einem Industriebau mit dem Aussehen einer Villa. Bundespräsident Michael Hainisch eröffnete das Kraftwerk. Serie: Energiegeschichte – Teil 7 Schau-Kraftwerk Forstsee – Industriedenkmal am Wörthersee Direkt am Ufer des Wörthersees, zwischen Pörtschach und Velden, steht das Krafthaus des Speicherkraftwerkes Forstsee. Seit 1925 in Betrieb, ist es das älteste Speicherkraftwerk in Kärnten und markiert gleichzeitig den Beginn der Unternehmensgeschichte der Kelag. Von Josef Stocker G ebaut hat dieses Speicherkraftwerk die Kärntner Wasserkraftwerke AG (KÄWAG), die Rechtsvorgängerin der Kelag. Dieses Unternehmen wurde 1923 gegründet, mit den Unternehmenszielen, Spitzenstrom zu erzeugen und ein überregionales Stromnetz aufzubauen. Damals bestand die Stromversorgung in Kärnten aus einer Reihe von kleinen Kraftwerken und lokalen Stromnetzen im Besitz von Gemeinden, Privaten und Industrieunternehmen. Vor allem in den Wintermonaten war die Stromversorgung äußerst bescheiden, im Winter 1921 ließ extremes Niedrigwasser die Versorgung immer wieder zusammenbrechen. Besonders betroffen war davon die Landeshauptstadt Klagenfurt. Die Idee für den Bau des Speicherkraftwerkes Forstsee hatte Adolf Wolf, der Obmann des Verwaltungsrates des städtischen Elektrizitätswerkes Klagenfurt. Er wollte mit diesem Kraftwerk Spitzenstrom erzeugen und von hier ausgehend ein Mittelkärntner Stromnetz aufbauen, um die vielen lokalen Elektrizitätswerke miteinander zu verbinden und so die Sicherheit der Versorgung deutlich zu verbessern. Dies gelang innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit, denn bereits im Februar 1925 ging das Speicherkraftwerk Forstsee in Betrieb. Das Kraftwerk wurde als Pumpspeicherkraftwerk konzipiert: Damit konnte ab 1928 mit überschüssigem Strom Wasser aus RÜCKBLICK 51 von 2,4 MW an. Der Maschinensatz im Krafthaus stammt aus dem Jahr 1937. Foto: www.erlebnis.net Ursprünglich standen in der Maschinenhalle drei Maschinensätze, um mehr Leistung abrufen zu können. Der älteste Maschinensatz im Krafthaus Forstsee aus dem Jahr 1925 arbeitet seit 1975 im Kraftwerk Dellach im Drautal, der 1926 im Krafthaus Forstsee installierte Maschinensatz ist seit 1955 im Kraftwerk Arriach im Einsatz. Heute ist Forstsee Speicherkraftwerk und Tourismusmagnet in einem. dem Wörthersee in den 160 m über dem Krafthaus liegenden Forstsee gepumpt werden. Der Speicher Forstsee, ursprünglich ein natürlicher See, wurde in zwei Schritten zu einem Speicher mit einem Volumen von 4,7 Mio. m³ ausgebaut. Er ist heute ein beliebter, frei zugänglicher und unverbauter Badesee. Die Kelag hat die Aufgabe, im Sommer den Badepegel zu halten, nur im Winter wird der Pegel abgesenkt. In der Öffentlichkeit gilt der Forstsee heute als Naturjuwel. Die Speicherpumpe ist seit 1983 nicht mehr in Betrieb, weil die Kelag in anderen Kraftwerken über wesentlich größere und effizientere Pumpspeicherkapazitäten verfügt. Kraftwerk unter Denkmalschutz Das Krafthaus Forstsee wurde vom aus Wien stammenden Architekten Franz Eduard Josef Baumgartner geplant, dem bedeutendsten Vertreter der Wörthersee-Architektur. Er machte sich als Architekt mit seinen Hotelbauten, Villen und Privathäusern vorwiegend in Velden und Pörtschach, aber auch in Slowenien einen Namen. Das Krafthaus Forstsee ist sein einziger Industriebau. Das Gebäude gleicht eher einer großen Villa als einem Kraftwerk und steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Seit 1998, dem 75-Jahr-Jubiläum der Kelag, sind diese Jugendstilvilla und das parkähnliche Grundstück am Wörthersee in den Sommermonaten als Schau-Kraftwerk öffentlich zugänglich, wo auch Ausstellungen und Veranstaltungen stattfinden können. Trotzdem ist es als Speicherkraftwerk etwa tausend Stunden pro Jahr in Betrieb. Der Speicher Forstsee ist über einen gut 400 m langen Stollen und eine mehr als 300 m lange Druckrohrleitung mit dem Maschinensatz im Krafthaus verbunden. Hier treibt eine Pelton-Zwillingsturbine den Generator mit einer Engpassleistung Den Fußboden zieren heute die Namen der berühmtesten Elektrotechniker sowie die wichtigsten Formeln der Elektrotechnik. Hinter einer Glaswand ist der Maschinensatz zu sehen: das Gehäuse für die Pelton-Zwillingsturbine, das Schwungrad und das Gehäuse des Generators. Die Hochdruckspeicherpumpe war von 1928 bis 1983 in Betrieb. Sie pumpte pro Sekunde einen Kubikmeter Wasser aus dem Wörthersee hinauf in den Speicher Forstsee. Der Pumpbetrieb hatte keinen nennenswerten Einfluss auf den Spiegel des Wörthersees: Wenn 24 Stunden lang durchgehend gepumpt wurde, sank der Spiegel des Wörthersees gerade einmal um sechs Millimeter. Zur Eröffnung des Kraftwerks am 3. Februar 1925 hatten sich alle eingefunden, die Rang und Namen hatten. Angefangen vom damaligen Bundespräsident Michael Hainisch, über Fürstbischof Adam Hefter, Bundeskanzler Rudolf Ramek, Handelsminister Hans Schürf und Landeshauptmann Vinzenz Schumy waren auch die Honoratioren der Gemeinden und der Landesbehörden zahlreich vertreten. O-Ton des Bundespräsidenten in seiner damaligen Eröffnungsrede: „Sie wissen alle, dass ich immer die Meinung vertreten habe, dass der Ausbau unserer Wasserkräfte eine der Voraussetzungen unserer wirtschaftlichen Existenz ist … Es handelt sich hier um ein Werk, das unverhältnismäßig billig gebaut wurde und zumal als Spitzenwerk dient … Der Ausbau der Wasserkräfte ist für unsere Handelsbilanz von größter Bedeutung ... Ich beglückwünsche Sie bestens, dass das Werk zum Aufblühen und Gedeihen des schönen Landes Kärnten dienen möge!“ 1925 war Forstsee DAS Speicherkraftwerk in Kärnten, mit dem Spitzenstrom erzeugt und die Versorgung mit Strom sichergestellt werden konnte. Die Anlage ist nach wie vor als Speicherkraftwerk in Betrieb. Heute beträgt die Jahreserzeugung des Kraftwerkes Forstsee drei Mio. kWh, das entspricht jedoch nicht einmal einem Tausendstel des Strombedarfes im Bundesland Kärnten. Dies zeigt die Entwicklung des Strombedarfes in unserer Gesellschaft im Laufe von nahezu 100 Jahren an. Die Kelag verfügt heute in eigenen Kraftwerken und in Form von Bezugsrechten über eine Erzeugungsleistung von mehr als 1100 MW und eine Jahreserzeugung von mehr als 3000 GWh. 52 TECHNIK Kurzmeldungen Technik Oesterreichs Energie veröffentlicht Smart Meter-Use Cases Ein spezielles Service, das die Ausschreibung von Smart Meter-Projekten erleichtert, bietet Oesterreichs Energie, mit einem umfangreichen Arbeitsdokument. „Das Dokument dient der bestmöglichen und einheitlichen Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen durch die österreichischen Netzbetreiber“, erklärte Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie. Die 88 Seiten starke Sammlung von Daten und Fakten beschreibt Use-Cases die unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie diverser Vorgaben in einem Smart Metering System in Österreich unterstützt werden sollen. Die angeführten Use-Cases sind technologieneutral beschrieben und beschränken sich auf jene Funktionen und Komponenten die innerhalb eines Advanced Metering Communication System (AMCS) notwendig sind. Foto: Energie Steiermark Die Use Cases stehen unter http://oesterreichsenergie.at/branche/stromnetze/ smart-meter-use-cases.html zum Download bereit. Innovative Windrad-Türme aus einem Guss Nach Abdichtung aller Fugen wird der Innenraum durchgängig mit Beton gefüllt. Dazu sind in allen drei m Höhe Einfüllstutzen, in die selbstverdichtender Beton gedrückt wird. So entsteht ein monolithischer Betonblock. Mit Assetguard MVC hat Siemens ein neues Monitoringsystem für Leistungsschalter in Mittelspannungsschaltanlagen entwickelt. Das System überwacht vor allem die Funktionsfähigkeit des Leistungsschalterantriebs, der häufig rauen Umgebungsbedingungen ausgesetzt ist, aber selten schaltet. Daher prüft das Monitoringsystem die Zuverlässigkeit der Auslösetechnik, die Wirksamkeit der geschlossenen Schaltverbindung und die Beschaffenheit der Primärkontakte. Wartungsroutinen und ein möglicher Austausch von Komponenten können effizienter geplant werden. First Solar erzielt Wirkungsgrad-Rekord Foto: TU Wien Eine neue Bauweise für Betontürme von Windrädern haben Experten der TU Wien entwickelt. Statt große Fertigteile zur Baustelle zu liefern haben die Ingenieure eine im Hausbau übliche Bauweise adaptiert. Sechs Segmente mit bis zu sechs m Höhe und 19 t Gewicht werden dabei verbunden und betoniert. Grundelement sind rechteckige Doppelwandelemente mit einer Wandstärke von rund zwei Mal fünf bis sieben cm und einem 20 cm starken Hohlraum. Diese Elemente werden ringförmig aneinandergefügt und anschließend aufeinandergestellt. Siemens entwickelt neues Monitoringsystem Lauschen zum Energiesparen Mit Hilfe von Mikrofonen könnte künftig Energie gespart werden. Ein internationales Forscherteam hat erstmals Mikrofone in ein intelligentes Gebäudesystem eingebaut. Mit den Audiosensoren wird automatisch erkannt, wie viele Leute sich in einem Raum befinden. So kann das Gebäude optimal klimatisiert werden. First Solar Inc. hat bekanntgegeben, dass es einen Weltrekord bei CadmiumTellurid-Solarmodulen aufgestellt hat. Man habe einen Apertur-Wirkungsgrad von 18,6 Prozent für ein hochentwickeltes Modul erreicht, heißt es. Damit präsentiert First Solar ein Rekordmodul, das über einen höheren Wirkungsgrad verfügt als die besten bisher entwickelten multikristallinen Module. Der Apertur-Wirkungsgrad von 18,6 Prozent entspricht einem GesamtflächenWirkungsgrad von 18,2 Prozent und übertrifft somit die besten multikristallinen Siliziummodule mit PERC-Technologie, die über einen Gesamtflächen-Wirkungsgrad von ungefähr 17,7 Prozent verfügen. ENERGIETRENDS STANDARDISATION-CORNER 53 Kommentar von Uwe Fischer Um Wasserkraft sinnvoll nutzen zu können, müssen nicht unbedingt Staudämme gebaut werden. Mit so genannten „Strombojen“, die an einer fest verankerten Kette in den Fluss gehängt werden, lässt sich unter günstigen Bedingungen etwa die gleiche Menge Strom erzeugen, die auch ein Windrad zu liefern imstande ist. Nach mehreren Jahren intensiver Forschung und einem Dauer-Testbetrieb in der Wachau ist die in Österreich entwickelte Technologie jetzt serienreif, und es haben sich auch bereits die ersten Interessenten aus dem Ausland gemeldet, die mit Strombojen ihre regionale Energieversorgung erweitern wollen. Die Strombojen liefern 400 V, und das konstant rund um die Uhr – selbst bei Hochwasser muss der Betrieb nicht eingestellt werden. Diese Spannung kann entweder in ein Ortsstromnetz eingespeist werden, oder auch direkt zum Endverbraucher geliefert werden. So will die in Niederösterreich ansässige Herstellerfirma Aqua Libre sowohl Einzelabnehmer wie Hotels oder Weingüter, aber auch ganze Gemeinden als Kunden für ihre innovative und vor allem umweltfreundliche Art der Stromerzeugung gewinnen. Anfangs will Aqua Libre den Markt mit Bojen mit 250 cm großen Rotoren und einer Nennleistung von 70 kW beliefern – diese Systeme sind für große Flüsse wie etwa die Donau oder den Inn geeignet und setzen eine Mindestwassertiefe von drei Metern voraus. Je nach Standort sollen damit 200 bis 300 Megawattstunden Strom pro Jahr gewonnen werden können, was für die Versorgung von etwa 70 Haushalten ausreichen würde. Bei Bedarf können auch mehrere Bojen zu einem Strompark zusammengeschlossen werden. In einer späteren Phase sollen auch kompaktere Strombojen gebaut werden, die in kleineren, weniger tiefen Flüssen Platz finden und dann auch kleinste Dörfer oder sogar einzelne Gehöfte günstig mit Strom versorgen könnten – immerhin befinden sich sehr viele Ansiedlungen in der Nähe irgendeines fließenden Gewässers. Für entlegene Regionen der Welt, in denen Strom mangels der Anbindung an ein öffentliches Stromnetz bisher lokal mit Dieselaggregaten erzeugt werden musste, könnten sich Strombojen längerfristig ebenfalls als interessante Alternative erweisen. Wasserkraftwerk ohne Staudamm Bei Aqua Libre betont man jedenfalls, dass durch die Strombojen weder das Landschaftsbild beeinträchtigt wird, noch Fische, Vögel oder andere Wasserbewohner in ihrem Lebensraum gestört werden – im Gegenteil, die Stromboje soll sogar die Selbstreinigungskraft des Flusses fördern. In dem Mitte Juni eröffneten Forschungsgerinne der BOKU Wien sollen jedenfalls die Einflüsse der Bojen auf den Fluss auf wissenschaftlicher Basis gemessen und mit den in der Wachau in einem natürlichen Umfeld gewonnenen Daten abgeglichen werden. Uwe Fischer Redaktionsbüro und Multimedia-Agentur Binatang, www.binatang.at 54 TECHNIK Stationäre Brennstoffzellen auf dem Weg zur Serienreife Die Brennstoffzelle gilt nach 175 Jahren diskontinuierlicher Entwicklungsgeschichte weiterhin als Hoffnungsträger für eine saubere und effiziente Strom- und Wärmeversorgung. Von Manuel Mitterndorfer I n der Raumfahrt seit rund fünf Jahrzehnten kommerziell im Einsatz, hat die Brennstoffzelle (BZ) im zivilen Sektor bis dato weder als Fahrzeugantrieb noch stationär zur energetischen Gebäudeversorgung oder in der industriellen Strom-/ Wärmeerzeugung den Marktdurchbruch geschafft. Grund waren bisher vor allem technische Probleme, darunter die Versorgung mit umweltverträglich gewonnenem Wasserstoff als Brennstoff, sowie die hohen Kosten. Während die Autoindustrie nach einem vorübergehenden Hype in den 1990ern in den letzten Jahren stärker auf E-Mobilität setzt, gibt es beim stationären BZ-Einsatz inzwischen vielversprechende Pilotprojekte. Vorwiegend in Asien, aber auch in Europa werden seit mehreren Jahren groß angelegte Feldtests von stationären Brennstoffzellen durchgeführt. Das Vorreiterland bei den stationären Brennstoffzellen zur Hausenergieversorgung ist ohne Zweifel Japan. Im Rahmen des japanischen „enefarm“-Feldtests wurden seit 2009 mehr als 113.000 BZ-Heizgeräte in japanischen Gebäuden installiert. Neben erstaunlich hohen Gesamtwirkungsgraden von über 95 Prozent, die bereits erzielt wurden, konnten die Systemkosten um bis zu 75 Prozent gesenkt werden (sh. Abbildung 1). Abb. 1: Entwicklung der Systempreise sowie die Entwicklung der installierten Systeme im Zuge des „enefarm“ Feldtests in Japan (Quelle: NEDO, 2015) Das europäische Pendant zum Projekt „enefarm“ ist der EU-geförderte „ene.field“-Feldtest. In zwölf EU-Staaten sollen bis zu 1000 BZ-Mikro-KWK-Geräte von neun verschiedenen Herstellern erprobt werden. In den kommenden Jahren sind rund 53 Mio. Euro Investitionen vorgesehen, um den Aufbau einer Serienproduktion und die Vermarktung stationärer BZ-Heizgeräte zu fördern. TECHNIK COVER-STORY 55 Eine neu entwickelte Kommunikationsschnittstelle, die CalluxBox, überträgt Stör- und Fehlermeldungen und sorgt für eine effektivere Betreuung der Anlagen. Im Laufe des Projektes konnte die Installation vereinfacht werden, dank verbesserter Einbindung in die vorhandene Haustechnik. Foto: Vaillant Mit dem Fortschreiten des Projekts hat sich die Zahl der Serviceeinsätze halbiert. Dazu trug vor allem die Erhöhung der StackLebenserwartung auf bislang mehr als 20.000 h bei. Der elektrische Wirkungsgrad stieg auf bis zu 34 Prozent, der Gesamtwirkungsgrad auf bis zu 96 Prozent (Abbildung 3). Verglichen mit einer Brennwerttherme und Strombezug aus dem Netz ergibt sich bei den Anlagen eine Reduzierung der CO2-Emissionen um bis zu ein Drittel. Abb. 2: Installation eines BZ-Heizgerätes im Rahmen des „ene.field“ Feldtests (Quelle: Vaillant, 2015) „ene.field“ positioniert sich als partnerschaftliches Vorzeigeprojekt: Mit der Unterstützung von mehr als 30 Versorgungsunternehmen, Wohnbaugesellschaften und Gemeinden ermöglicht das EU-Projekt, Einblick in die Installation und Wartung einer Vielzahl von BZ-Heizgeräten beim Kunden zu gewinnen. Zudem werden die marktrelevanten Rahmenbedingungen und CO2-Einsparungen auf den europäischen Märkten erfasst. Untersucht werden auch mögliche sozioökonomische Barrieren gegen einen flächendeckenden Einsatz von BZ-Mikro-KWK. Die ersten Geräte wurden Anfang 2014 in Betrieb genommen. Abb. 3: Entwicklung der Wirkungsgrade – nach Geräte-Generation – im Rahmen des Callux-Praxistests (Quelle: Callux, 2013) Tests unter Alltagsbedingungen Schon seit September 2008 werden in Deutschland im Rahmen des Callux-Praxistests BZ-Heizgeräte unter Alltagsbedingungen erprobt. Nach bislang 350 Installationen mit 2,3 Mio. Betriebsstunden kann dieses Projekt bereits entscheidende Erfolge vorweisen. Zusammen haben die Geräte eine Laufzeit von in Summe 256 Jahren erreicht und 1,3 Mio. kWh Strom produziert. Der Praxistest läuft noch bis Mitte 2016. Bis dahin sollen insgesamt mehr als 500 Geräte unter Alltagsbedingungen in Ein- und Zweifamilienhäusern erprobt werden. Die am Callux-Projekt beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen haben mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung in den letzten Jahren bedeutende technische Verbesserungen sowie Kostenreduzierungen der BZ-Technologie erreicht. Der Aufwand zur Herstellung von BZ-Heizgeräten hat sich seit Projektstart bereits um 60 Prozent verringert. Die Kosten für den Service und die Vorhaltung von Ersatzteilen sanken sogar um 90 Prozent. Anders als bei den oben vorgestellten, in Japan und Europa laufenden Feldtests von BZ-Heizgeräten zur Hausenergieversorgung wird die Brennstoffzelle in den letzten Jahren auch in Projekten zur industriellen Stromerzeugung eingesetzt. So wurde in Hwaseong City in Südkorea der weltgrößte Brennstoffzellen-Park mit einer elektrischen Leistung von 58,8 MW installiert. Dieser liefert seit Ende 2013 Strom und Fernwärme in die Netze. Dadurch können 140.000 Haushalte mit Strom versorgt und jährlich 60.000 t an Treibhausgasen vermieden werden. Schwerpunkt Asien Wie die eingangs beschriebenen Pilotprojekte und Demonstrationsanlagen zeigen, sind die Schwerpunkte der weltweiten BZ-Aktivitäten überwiegend in Asien angesiedelt. Doch mit dem „ene.field“-Projekt sowie dem deutschen Callux-Projekt versucht man auch in Europa, die Brennstoffzelle für die ökologische Energiebereitstellung zu etablieren. In Österreich wurden im Rahmen des „ene.field“-Feldtests bereits mehrere 56 TECHNIK Anlagen installiert – insgesamt ist die Installation von 30 bis 40 Anlagen geplant. Die Zeichen stehen also durchaus positiv für die Brennstoffzelle. Was passiert jedoch, wenn derartige Feldtests und Demonstrationsprojekte auslaufen? Ist die Brennstoffzelle schon bereit für die Marktimplementierung, bzw. ist der Markt bereit für die Implementierung der Brennstoffzelle? Betrachtet man die Situation in Österreich, so muss man die Frage mit einem klaren Nein beantworten. Die Österreichische Energieagentur führte im Rahmen des „Implementing Agreement on Advanced Fuel Cells“ der International Energy Agency (IEA), deren BZ-Technologieinitiative Österreich 2004 beigetreten ist, einen ökonomischen Vergleich von konventionellen Gasbrennwertsystemen mit BZ-Heizgeräten durch. Die durchgeführten Berechnungen zeigen, dass – unter den derzeitigen Rahmenbedingungen – für einen ökonomischen Betrieb von BZ-Heizgeräten sowohl Investitions- als auch Einspeisetarifförderungen erforderlich sind. Das heißt, die Brennstoffzelle ist aktuell in Österreich wirtschaftlich noch nicht konkurrenzfähig. Durch die international laufenden Demonstrationsprojekte und Feldtests könnte diese Hürde jedoch zukünftig durchaus übersprungen werden. Markteinführung vorantreiben Um die im Rahmen der Praxistests und Demonstrationsprojekte erzielten Fortschritte weiter auszubauen und schließlich die Marktimplementierung der Brennstoffzelle voranzutreiben, sind die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen zu schaffen; der Markt sowie die entsprechenden Rahmenbedingungen müssen also bereits jetzt auf die Implementierung der Brennstoffzelle vorbereitet werden. Diese Rahmenbedingungen werden stark durch EU-Richtlinien und -verordnungen geprägt. Richtlinien wie die Gebäuderichtlinie oder die Richtlinien zu Ökodesign und Labelling sowie nicht zuletzt die Energieeffizienzrichtlinie haben einen wesentlichen Einfluss auf die Marktimplementierung der Brennstoffzelle. Die Österreichische Energieagentur, die im Rahmen des erwähnten „IEA Implementing Agreement on Advanced Fuel Cells“ den „Subtask 3 des Annex 33 – Stationäre Anwendungen“ leitet, befasst sich daher speziell auch mit den Effekten dieser Richtlinien auf die Markteinführung der Brennstoffzelle als Wärme- und Stromlieferant in Gebäuden. Beispielhaft sind hier die derzeitigen Schwierigkeiten bei der Erstellung eines Energieausweises für Gebäude, welche mit BZ-Heizgerät ausgestattet sind, angeführt. In den aktuell in Österreich verfügbaren und gängigen Energieausweisberechnungstools ist die Erstellung eines Energieausweises für derartige Gebäude nicht vorgesehen. Somit kann den Anforderungen der EU-Gebäuderichtlinie, welche die Vorlage eines Energieausweises bei Neubau, Verkauf oder Vermietung verlangt, nicht Genüge getan werden. Hier gibt es also noch Lücken in der Implementierung der Gebäuderichtlinie, die sich auf die Markteinführung der Brennstoffzelle hemmend auswirken. Dieses Projekt wird im Rahmen der IEA-Forschungskooperation im Auftrag des Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie durchgeführt. Foto: Vaillant Info Kompakte Brennstoffzellenheizung Manuel Mitterndorfer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Österreichischen Energieagentur. Diese vertritt Österreich im „Implementing Agreement on Advanced Fuel Cells“ der Internationalen Energieagentur (IEA). STANDARDISATION CORNER COVER-STORY 57 Der Network Code on Requirements for Generators ist fertiggestellt Am 26. Juni ist das Komitologieverfahren für den „Network Code on Requirements for Grid Connection of Generators“ offiziell zu Ende gegangen. Letztendlich fehlt nur mehr die Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rates. Es ist daher abzusehen, dass der Network Code spätestens mit Ende 2015 in Kraft tritt. Ab Inkraft treten des Network Codes ist dieser in den Mitgliedstaaten innerhalb einer Übergangsfrist umzusetzen. Der Implementation Guide zum Network Code sieht hier eine Periode von drei Jahren vor. nur sehr offen beschrieben werden, genauer definiert werden. Ein Beispiel ist die Definition von Schutz- und Leitsystemen. Der Network Code verlangt hier eine Abstimmung zwischen dem relevanten Netzbetreiber und dem Betreiber der Erzeugungseinheit, da unzulängliche Schutz- und Leitsysteme die Versorgungssicherheit gefährden würden. Der Network Code gibt aber keine Antwort darauf, wie diese Schutz- und Leittechnik auszusehen hat. Lokale Anforderungen Der Network Code wird, sobald er vom Europäischen Parlament und vom Rat geprüft wurde, als EU-Verordnung veröffentlicht. Damit steht der Network Code über bestehenden und zukünftigen nationalen Gesetzen und Regeln. Es wird daher notwendig, die bisher bestehenden Regeln, in diesem Falle insbesondere die technischen und organisatorischen Regeln des Netzbetriebs (TOR) an den Network Code anzupassen. Im Bereich der „non-exhaustive requirements“, das sind Anforderungen, für die der Network Code nur einen Rahmen vorgibt, ist einiges an Abstimmungsarbeit zu leisten. Die Umsetzung des Network Codes in den Mitgliedstaaten ist nicht im Code selbst geregelt, die Umsetzung wird dem Subsidiaritätsprinzip folgend den Mitgliedstaaten selbst überlassen. In der nationalen Umsetzung müssen Anforderungen, die im Network Code Eine zweite Art von „non-exhaustive requirements“ sind Anforderungen, die für eine Synchronzone oder auf nationaler Ebene definiert werden. Hier spielen Topografie und Netzdesign eine Rolle, da die physikalischen Gegebenheiten die Dynamik des Systems und seine Stabilität bestimmen. Aus diesem Grund und wohl auch in Hinblick auf die Kosten einer Vereinheitlichung sind nicht überall gesamteuropäische Regeln möglich. Als Beispiel sei hier die Fähigkeit der Erzeugungsanlagen erwähnt, Blindleistung bereitzustellen, um Netzdienstleistungen (z. B. Spannungshaltung) zu erbringen. Einheitliche europäische Regelungen würden hier zu unwirtschaftlichen Vorgaben für die Generatoren führen. Auch die sogenannte Fault-RideThrough-Fähigkeit, das bedeutet, die Fähigkeit, bei kurzzeitigem Spannungs- zusammenbruch am Netz zu bleiben, hängt sehr stark vom dynamischen Verhalten des Netzes während und nach einem Fehler ab. Bei Oesterreichs Energie wird derzeit daran gearbeitet, die Anforderungen des Network Codes zu analysieren und mit den national geltenden Vorgaben zu vergleichen. In einem ersten Schritt soll erarbeitet werden, welche Inhalte der nationalen technischen und organisatorischen Regeln an den Network Code angepasst werden müssen. Hier sind vor allem die Themen der Frequenzhaltung und der Spannungsstabilität im Vordergrund. Parallel dazu analysiert eine zweite Gruppe die Anforderungen an die Erzeugungseinheit selbst in Hinblick auf Robustheit und Netzwiederaufbau. Sind diese beiden Abschnitte erarbeitet, werden die weiteren Anforderungen organisatorischer Art, wie das Systemmanagement und die ComplianceFragen erörtert. Hier müssen vor allem Formulare für die notwendigen Meldungen an den relevanten Netzbetreiber erarbeitet und abgestimmt werden. Die Arbeit an der Umsetzung des Network Codes hat damit begonnen und einer zeitgerechten Umsetzung sollte damit – zumindest aus organisatorisch- technischer Sicht – nichts im Wege stehen. Weiterführende Informationen erhalten sie bei Dipl.-Ing. Gert Pascoli, MSc, Oesterreichs Energie, Bereich Netze, Tel. 01/501 98-233. 58 BLITZLICHTER Blitzlichter Spatenstich – Rainbach Leistungsfähige E-Tankstelle Foto: Kelag v. l. n. r. Dipl.-Ing. Manfred Freitag, Vorstand der Kelag, Stefan Forst, Kelag, Daniela Ullmann, Tesla, Sebastian Ackermann, RWE, Jürgen Zarth, RWE und Daniel Hammerl, Geschäftsführer Tesla Motors Austria. Weinelt – Vorstand für Infrastruktur und Personal Robert Grüneis, Wiener-StadtwerkeEnergievorstand und Mitglied des Präsidiums von Oesterreichs Energie, ist zum Obmann des Fachverbandes der Gas- und WärmeversorgungsunternehMag. Robert Grüneis mungen (FGW) gewählt worden. Er war bereits zu Jahresbeginn in die „alte“ Funktionsperiode eingestiegen und wurde nun bis 2020 bestätigt. Der Aufsichtsrat der Wiener Stadtwerke hat den bisherigen Geschäftsführer der Wiener Netze, Peter Weinelt, mit 1. Jänner 2016 zum neuen Vorstand für Energieinfrastruktur und Personal ernannt. Weinelt folgt im Vorstand der Wiener Stadtwerke auf Marc Hall, dessen Funktionsperiode im Vorstand Ende 2015 ausläuft. Der Vorstand der Wiener Stadtwerke Holding AG wird somit ab 2016 aus Martin Krajcsir (Vorsitzender) sowie den Mitgliedern Gabriele Domschitz, Robert Grüneis und Peter Weinelt bestehen. Foto: Linz AG lität. „Das Umfeld und die Technologien für Elektro-Fahrzeuge, vor allem für die Batterien, wurden in dieser Zeit beachtlich weiterentwickelt“, betont Hermann Egger, Kelag-Vorstandssprecher. Grüneis als Obmann bis 2020 bestätigt Neue Obmann-Stellvertreter sind EVNChef Peter Layr und Gerhard Fida von der Wiener Netze GmbH. Herbert Jöbstl und Elfriede Taurer sind neu im Präsidium. Erdgas sei der Energieträger der Zukunft, eine erfolgreiche Energiewende sei nur mit Erdgas möglich, hieß es. Am 7. Juli erfolgte der Spatenstich für das neue 110kV/30kV-Umspannwerk im Gemeindegebiet Rainbach. Mit dem Umspannwerk Rainbach erhöht die Linz Strom Netz GmbH nachhaltig die Zuverlässigkeit der elektrischen Energieversorgung der Kunden im Großraum Freistadt. Die Anlage beinhaltet im Wesentlichen das Schalthaus mit je einer 110-kV- und einer 30-kV-Schaltanlage sowie zwei Transformatoren mit einer Leistung von jeweils 20 MVA. Diese Leistung entspricht der Stromversorgung von 10.000 Haushalten. v. l. n. r. Mag. Christian Jachs, Bürgermeister Freistadt, Ing. Michael Hirtl, Bürgermeister Waldburg, Dipl.-Ing. Wolfgang Dopf, Linz AG-Vorstand, Friedrich Stockinger, Bürgermeister Rainbach i. M., Dipl.-Ing. Erich Haider, Linz AG-Generaldirektor, Dr. Jutta Rinner, Linz AG-Vorstand, Dipl.-Ing. Helmuth Köpplmayr, Linz AG Strom Netz, Dipl.-Ing. Johannes Zimmerberger, Linz Strom Netz, Dipl.-Ing. Siegfried Laimgruber, Linz Strom GmbH. Dachgleiche beim Smart Campus Foto: Wiener Stadtwerke Foto: Wiener Stadtwerke/Ian Ehm Die Kelag und der E-Auto-Hersteller Tesla haben in Villach die leistungsfähigste E-Tankstelle in Österreich eröffnet. „An dieser E-Tankstelle können 16 Elektrofahrzeuge gleichzeitig laden, wir stellen hier 830 kW Ladeleistung zur Verfügung“, erläuterte Kelag-Vorstand Manfred Freitag. Die Akkus der E-Fahrzeuge können in 20 bis 30 Minuten zu etwa 80 Prozent geladen werden. Für die E-Tankstelle hat die KNG-Kärnten Netz GmbH, ein Tochterunternehmen der Kelag, eine eigene Trafostation mit zwei Transformatoren errichtet.Die Kelag beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema Elektro-Mobi- Dipl.-Ing. Peter Weinelt Der Smart Campus der Wiener Netze hat konkrete Formen angenommen. Verbaut wurden in etwa 82.000 m3 Beton und 10.000 t Stahl. „Der Bau einer neuen Unternehmenszentrale war im Sinne der neuen Firmenstruktur und der Optimierung der Prozesse und Kosten unumgänglich. Doch wer heute baut muss energiebewusst handeln. Deshalb gehen die Wiener Netze mit einem der nachhaltigsten Bauprojekte mit gutem Beispiel voran“, heißt es. BLITZLICHTER Transformatoren für Kaprun geliefert Staatspreis 2015 Ende Juli ratterte ein Schwertransport mit 590 t durch den Pinzgau: Der erste von insgesamt zwei 380-kV-Transformatoren wurde ins APG-Umspannwerk Kaprun geliefert. Die beiden Trafos mit einer Leistung von je 300 MVA sind Teil der Effizienzsteigerungsmaßnahmen für das Kraftwerk Kaprun-Hauptstufe. Die Installation der neuen Trafos optimiert den Betrieb des Kraftwerks und bringt weitere Verbesserungen für die Netzsicherheit in der Region. Die Austria Power Grid AG (APG) investiert rund 55 Mio. Euro. Am 16. Oktober 2015 werden Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Umweltminister Andrä Rupprechter und Technologieminister Alois Stöger gemeinsam die höchste Auszeichnung für die österreichische Umwelttechnologiebranche, den „Staatspreis 2015 für Umwelt- und Energietechnologie“, vergeben. Die Preisverleihung findet im Rahmen der Fachkonferenz „envietech 2015 für Ressourceneffizienz und Umwelttechnologie“ statt. Neben dem Staatspreis wird auch ein Preis an Jungunternehmen vergeben. In einer Ausschusssitzung des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) wurde Brigitte Ederer erneut zur Obfrau gewählt. Als Stellvertreter Mag. Brigitte Ederer fungieren erstmals Wolfgang Hesoun, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG Österreich, Kari Kapsch, COO der Kapsch-Group, und Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria AG, im obersten Lenkungsgremium des FEEI. Nach 15 Jahren Tätigkeit ist Monika Kircher (Infineon Technologies Austria AG) aus dem Gremium ausgeschieden. Der Fachverband vertritt die Interessen von knapp 270 Unternehmen mit rund 60.000 Beschäftigten und einem Produktionswert in Höhe von 12, 45 Mrd. Euro. EVN-Tochter baut SmartGrid-Großbatterie Um die Netze künftig stabil zu halten, wird die EVN-Tochter „Netz NÖ“ eine Großbatterie mit einer Leistung von 2,2 MW und einer Kapazität von zwei MWh einsetzen. Dabei werden die gleichen Lithium-Ionen-Batterien zum Einsatz kommen, wie sie auch in Elektroautos verwendet werden. In einem begleitenden Forschungsprogramm gemeinsam mit der TU Wien sollen die Möglichkeiten, die eine Batterie zur Netzstabilisierung bietet, wissenschaftlich untersucht werden. Jubiläum voller Energie Der Generaldirektor der Energie AG, Leo Windtner, feiert am 30. August seinen 65. Geburtstag. Der gebürtige Linzer maturierte an der Handelsakademie und studierte Handelswissenschaften an der Hochschule für Welthandel in Wien, wo er 1977 zum Doktor promovierte. Nach dem Studium war er anfangs Wirtschaftsaspirant in der damaligen Handelskammer Oberösterreich. 1978 trat er in die damalige Oberösterreichische Kraftwerke AG ein, 1985 wurde er zum Abteilungsleiter bestellt. Bereits seit dem 1. November 1994 leitet er das vier Jahre zuvor in Energie AG Oberösterreich (EAG) umbenannte Unternehmen als Vorsitzender des Vorstandes und Generaldirektor. Er ist auch Präsident des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB).Windtner ist zudem Vizepräsident von Oesterreichs Energie und als Mitglied in Präsidium und Hauptausschuss tätig. Oesterreichs Energie gratuliert seinem Vizepräsidenten herzlich! Foto: Energie AG Foto: FEEI Brigitte Ederer bleibt FEEI-Obfrau 59 Dr. Leo Windtner 60 VERANSTALTUNGEN Veranstaltungen: Oesterreichs Energie Akademie 15. und 16. September 2015 Fortbildungsseminar für Brandschutzbeauftragte und Brandschutzwarte Seminar, Linz 16. September 2015 Erst- und wiederkehrende Überprüfung elektrischer Anlagen und elektrischer Betriebsmittel im EVU Seminar, Wien 22. September 2015 Technisches Controlling für Verteilernetzbetreiber Seminar, Wien 22. September 2015 Energieeffizienz – aktuelle Herausforderungen für die Lieferanten Fachtagung, Wien 23. September 2015 Elektrische Energietechnik für NichttechnikerInnen Seminar, Wien 24. September 2015 Oesterreichs Energie Fachdialog Windkraft Fachtagung, Wien 29. bis 30. September 2015 Österreichs E-Wirtschaft kompakt Seminar, Wien 6. bis 8. Oktober 2015 Brandschutz in Elektrizitätsunternehmen Seminar, Lebring 13. bis 14. Oktober 2015 Basisseminar – gesamtheitliches Notfall- und Krisenmanagement Seminar, Wien 20. Oktober 2015 TAEV – Technische Anschlussbedingungen für den Anschluss an öffentliche Versorgungsnetze Seminar, Salzburg 21. Oktober 2015 Arbeitsvorbereitung, Einsatzsteuerung und Workforce Management weiterführender Infotag, Salzburg 22. Oktober 2015 Arbeitsvorbereitung und Asset Management in den Zeiten der Betriebskosteneffizienz Expertenworkshop, Salzburg 22. Oktober 2015 Arbeitsvorbereitung und operatives/ strategisches Asset Management in Zeiten erhöhter Effizienzansprüche vertiefender Expertenworkshop, Salzburg 28. und 29. Oktober 2015 Informationssicherheitsmanagement in der E-Wirtschaft Fachtagung, Wien 3. bis 5. November 2015 Grundlagenseminar Netzrückwirkungen Seminar, Salzburg 4. und 5. November 2015 Fortbildungsseminar – ArbeitnehmerInnenschutz im EVU Seminar, Salzburg 6. November 2015 Sicherer Umgang mit elektrischen Anlagen? Seminar, Wien 10. November 2015 Recht in der Energiewirtschaft Seminar, Wien VERANSTALTUNGEN 12. und 13. November 2015 Basiswissen: Betrieb von elektrischen Anlagen nach ÖVE/ÖNORM EN 50110 Seminar, Salzburg 17. und 18. November 2015 Leadership by communication Seminar, Wien 18. und 19. November 2015 Wiener Netzservice-Forum Internationale Fachtagung, Wien 25. November 2015 Public Affairs – „Meinungsmanagement“ an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Seminar, Wien 26. November 2015 Update-Seminar: Betrieb von elektrischen Anlagen nach ÖVE/ÖNORM EN 50110 Seminar, Wien 1. Dezember 2015 Tiefbau- und Kabellegetechnik Fachtagung, Wien Information und Anmeldung: 61 Weitere Branchentermine: 31. August 2015 Temperaturdifferenzen als Energiequellen Energietag, Wien Österreichische Physikalische Gesellschaft, Wiedner Hauptstraße 104/3/5, 1050 Wien, Frau Brigitte Pagana-Hammer Tel.: +43 -(0)1 52486 11 E-Mail: [email protected], Internet: www.ak-energie.at www.akademie.oesterreichsenergie.at Oesterreichs Energie Akademie, Brahmsplatz 3, 1040 Wien Tel.: +43 1/501 98-304, E-Mail: [email protected] Impressum Herausgeber und Medieninhaber: Österreichs E-Wirtschaft, Brahmsplatz 3, A-1040 Wien, Telefon: +43 1/501 98-0, Telefax: +43 1/505 12 18, E-Mail: [email protected], Internet: www.oesterreichsenergie.at Redaktion: Ernst Brandstetter, Chefredakteur; Monika Bachhofer, Chefin vom Dienst Verleger: „Die Presse“ Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, Hainburger Straße 33, 1030 Wien, Telefon: +43 1/514 14-0, Telefax: +43 1/514 14-405 Anzeigen: Peter Syrch, DW 332, [email protected]; Elisabeth Samadinger-Regner, DW 281, elisabeth. [email protected] | Anzeigentarif 2015 gültig ab 1. Jänner 2015, DVR: 0368491 Abonnement: Aboservice für Oesterreichs Energie, Telefon: +43 1/514 14-281, Telefax: +43 1/514 14-405; E-Mail: [email protected] Preise: Abonnement: Inland: € 135,–, Ausland: € 171,–; Mitglieder Inland: € 83,–, Mitglieder Ausland: € 119,–; alle Preise inklusive Mehrwertsteuer und Versandkosten. Abonnements, die nicht einen Monat vor Ablauf des Bezugsjahres storniert werden, laufen weiter. Projektleitung: Mag. Elisabeth Samadinger-Regner, Die Presse Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG. Projektkoordination & Grafik: Styria Multi Media Corporate GmbH, Mag. Carmen Schlögl, Rosi Horvath, Jennifer Fiala Produktion: m4! Mediendienstleistungs GmbH & Co KG, www.m-4.at Lektorat: www.onlinelektorat.at Druck: Druckhaus Thalerhof GesmbH, A-8073 Feldkirchen/Graz, Gmeinergasse 1–3, www.druckhaus.at Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beitrage und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. 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Entgeltliche Einschaltungen sind als solche gekennzeichnet und liegen in der redaktionellen Verantwortung des Auftraggebers. Erscheinungsweise: zehnmal pro Jahr Grundlegende Richtung dieser Zeitschrift: Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen aller Mitglieder von Oesterreichs Energie. Offenlegung der Eigentumsverhältnisse nach dem Mediengesetz: Oesterreichs Energie, Brahmsplatz 3, A-1040 Wien Verlags-, Erscheinungs- und Herstellungsort: Wien P.b.b. Verlagspostamt: A-8000 Graz Coverfoto: Fotolia/William 62 BÜCHER Anlagenbilanzierung in der Energietechnik Rönsch, S. (2015): Anlagenbilanzierung in der Energietechnik: Grundlagen, Gleichungen und Modelle für die Ingenieurpraxis. Berlin: Springer Verlag GmbH. 455 Seiten, Softcover. ISBN 978-3-658-07823-2, € 44,99 Dieses Buch beschäftigt sich mit dem Vorgehen und der Methodik von Anlagenbilanzierung in der Energietechnik. Neben Grundgleichungen, Modellierungsansätzen und numerischen Methoden wird die stoffliche und energetische Bilanzierung anhand einer Vielzahl von Beispielrechnungen ausgeführt. Das Buch spannt dabei einen Bogen von der Funktionsweise der Komponenten über die Grundlagen der Thermodynamik, Reaktionsrechnung, Phasengleichgewichtsrechnung und Stoffwertberechnung bis hin zur computergestützten Umsetzung. Beachtung finden alle relevanten Anlagenkomponenten der Energietechnik wie Brennkammern, Turbinen, Kompressoren, Wärmetauscher, Gleichgewichtsstufen und Synthesereaktoren. Grundriss zum Energierecht Stuhlmacher/ Stappert/ Schoon/Jansen (Hrsg., 2015): Grundriss zum Energierecht – Der rechtliche Rahmen für die Energiewirtschaft. 2., überarbeitete Auflage. Essen: EW Medien und Kongresse. 1000 Seiten, gebunden. ISBN 978-3-8022-1125-6, € 98,00 Dieses Buch bietet für alle energiewirtschaftlichen Aktivitäten eine rechtsgebietsübergreifende Darstellung über die geltenden Gesetze und gibt Hinweise zur Auslegung und Anwendung der rechtlichen Bestimmungen. Auch das EEG 2014 und seine Auswirkungen auf die Praxis sind in dieser neuen Auflage berücksichtigt worden. In diesem Werk werden unter anderem folgende Themen behandelt: Netzanschluss-, Netzzugang und Messwesen, Energie- und Stromsteuern, Kartell-, Beihilfen- und Vergaberecht, Energiespeicherung und Power-to-Gas, sowie Klimaschutz (inkl. Energieeffizienzgesetz 2014, Emissionshandel, EEWärmegesetz). CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung Fischedick, M. /Görner, M./ Thomeczek, M. (Hrsg., 2015): CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung: Ganzheitliche Bewertung im Bereich Energiewirtschaft und Industrie. Berlin: Springer Verlag GmbH. 855 Seiten, Hardcover. ISBN 978-3-64219527-3, € 99,99 In diesem Buch werden die Technologie der CO2-Abtrennung und -Speicherung (CCS) sowie die CO2-Nutzung (CCR) aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet. Experten aus Forschung und Industrie stellen die CCS- und CCR-Technologie auf Basis der naturwissenschaftlichen und technischen Grundlagen vor und legen den Stand der Technik dar. Sie vergleichen Energiebilanzen für verschiedene Techniken und diskutieren rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Aspekte. In Szenarioanalysen zeigen sie den zukünftigen Beitrag der Technologien auf und stellen die Sichtweisen der verschiedenen Stakeholder-Gruppen vor. Handbuch Elektromobilität 2015 Korthauer, R. (Hrsg., 2015): Handbuch Elektromobilität 2015. Essen: etv Energieverlag GmbH. Handbuch, 244 Seiten, kartoniert. ISBN 978-3-8022-1251-2, € 34,00 Diese neue Ausgabe gibt einen Einblick in die zentralen Themenfelder der Elektromobilität. Die einzelnen Beiträge bieten u. a. Blicke in Vergangenheit und Zukunft der Elektromobilität, zeigen statistische Daten diverser Herstellerländer im Batteriesektor auf und geben einen Überblick über Entwicklungen in Nischen (z. B. elektrische Fähren) und Boombereiche (Fahrrad oder Pedelec). Außerdem beinhalten sie komplexe technische Themen und setzen sich mit juristischen Fragestellungen der Elektromobilität und des autonomen Fahrens auseinander. Das Buch richtet sich vor allem an Techniker, Ingenieure und Vertriebs- und Marketingexperten. 63 19. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft Österreich 2015 12. und 13. November 2015, Vienna Marriott Hotel, Wien Kilobytes statt Kilowatt. Plus: StartupPitches Wie digital wird die Energiewirtschaft? Themen im Fokus: Megatrend Digitalisierung: Welche Chancen bieten sich der Energiewirtschaft? Flexibilisierung und Regelenergie: Schlüssel zum Energiesystem der Zukunft Energieeffizienz: Neue Strategien für Energieversorger Der weltweite Gasmarkt im Umbruch: Wo liegt die Zukunft für den österreichischen Markt? Treffen sie u.a.: Hamead Ahrary, WINGAS DI Wolfgang Anzengruber, VERBUND Dr. Florian Ermacora, Europäische Kommission Sev K-H Keil, TrueChoice Solutions Dr. Barbara Schmidt, Oesterreichs Energie handelsblatt-energie.at 0800.56008990 (Freephone) Timo Funk Key-Account-Manager Ihr Energieklick r Beratung, Mehr Service, meh n unter mehr Informatione s.de www.gvs-erdga So einfach wie eine helfende Hand: die GVS Residuallieferung. Je nach Konjunktur und Jahreszeit kann man bei der Erdgasbeschaffung schnell einmal ins Schwitzen kommen. Damit Ihnen nicht die Puste ausgeht, gibt es die GVS Residuallieferung als offenen Liefervertrag. Bei Bedarf liefern wir Ihnen einfach zusätzliche Mengen zu vorher definierten Konditionen. So greifen wir Ihnen bei der Deckung Ihres Lastgangs unter die Arme und minimieren das Beschaffungsrisiko. Ob mit Gasmarktanbindung oder mit Festpreis, entscheiden Sie dabei selbst. Wie wir Sie darüber hinaus unterstützen können? Vereinbaren Sie einen Termin mit uns: +49 711 7812-1400
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