Sie gehen mit leuchtendem Beispiel voran

BASEL-STADT 25
BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE
FREITAG, 20. NOVEMBER 2015
Sie gehen mit leuchtendem Beispiel voran
Innovative Firmen Die bz stellt die für den Swiss-Venture-Preis nominierten Unternehmen vor
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VON STEFAN SCHUPPLI
NOCH EIN PREIS
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Innovation – das ist ein wichtiger wirtschaftlicher Motor unserer Region. Und
diese braucht sich nicht zu verstecken.
Neben den grossen Konzernen tragen
auch kleine und mittelgrosse Firmen
(KMU) dazu bei. Viele von ihnen haben
eine über hundert Jahre alte Tradition,
andere sind erst seit wenigen Jahren im
Geschäft.
Der Swiss Venture Club, ein unabhängiger nicht Profit orientierter Verein
zur Förderung und Unterstützung von
KMU in der Schweiz, zeichnet alle zwei
Jahre KMU aus, die durch ihre Produkte und Dienstleistungen, durch ihre Innovationen, Firmenkultur, Qualität der
Mitarbeitenden und des Managements
sowie durch einen nachhaltigen Erfolgsausweis und regionale Verankerung überzeugen.
Aus 84 Unternehmen der Region
Nordschweiz hat die 15-köpfige Expertenjury sechs Firmen ausgewählt. Drei
davon stellen wir nachfolgend vor. Bei
den anderen drei Nominierten handelt
es sich um Medartis (Medizinaltechnik),
Polyphor (Pharma) und Rolic (optoelektronische Hightech). Diese werden in
der bz vom Montag vorgestellt. Die
Preisverleihung findet am 26. November
im Congress Center Basel statt.
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Swiss
Technology Award
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M
ininavident hat, zusammen
mit zwei anderen Unternehmen, den Swiss Technology Award gewonnen. Mininavident
ist genuin «lokales Gewächs». Für
Peter Burckhardt von der Start-upOrganisation EVA, die die Firma unterstützte, sei Mininavident ein «Vorzeige-Case», ein Start-up aus dem
Umfeld des Basler Unispitals, der
Fachhochschule Nordwestschweiz
und des Innovationsparks SIP. Mininavident hat ein Handgerät für die
präzise Einsetzung von Zahnimplantaten entwickelt. Es umfasst ein miniaturisiertes Kamerasystem und eine Echtzeit-Visualisierung auf einem
Tablet-Computer. Der Preis wurde
gestern am 10. Swiss Innovation Forum in Basel verliehen. (STS)
Wer hats erfunden? Eduard Gruner entwarf 1946 die Idee eines Gotthard-Basistunnels. Bild: Bohrkopf der Bohrmaschine.
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KEY
in der Fondation Beyeler entwickelt. Eine riesige Installation an einer Fassade
in Sotschi konnte zuvor aufgenommene
Gesichter in 3D widergeben. Spannend
und sehr innovativ sind die interaktiven, mit Sensoren und OLED-Technologie ausgestatteten Lichtinstallationen
Namens «Flokk». Das 2001 von CEO Valentin Spiess gegründete Unternehmen
beschäftigt 40 Mitarbeitende und
machte 2014 einen Umsatz von rund
sieben Millionen Franken.
Gruner, Basel
Die Ingenieurfirma Gruner AG mit
Sitz in Basel wurde 1862 gegründet und
ist breit aufgestellt. Sie realisiert Projekte in den Bereichen Energieanlagen,
Gebäudetechnik, Generalplanung, Infrastruktur, Konstruktion, Umwelt, Sicherheit und Wasserkraftanlagen. Die
Gruner AG hat 22 Tochterfirmen an 34
Standorten. Geleitet wird das Unternehmen von CEO Flavio Casanova. Die
Firma beschäftigt über tausend Mitarbeitende und erreichte 2014 einen konsolidierten Umsatz von 141 Millionen
Franken. 1946 verfasste Eduard Gruner
den visionären Aufsatz mit dem Titel
«Reise durch den Gotthard-Basistunnel
im Jahr 2000». Etwas später als erwartet, aber doch, wird diese Reise Realität. Gruner hat an diesem Jahrhundertprojekt auch mitgearbeitet,
Wesco, Wettingen
Iart, Basel
Die Iart AG entwickelt innovative
Kommunikationskonzepte und Kunstvermittlung. Iart hat beispielsweise das
Beleuchtungskonzept in den Entrées
der neuen Basler Messehalle, das LEDFries am Kunstmuseum-Neubau und einen Multimedia-Raum mit interaktiven
Katalogen für die Gauguin-Ausstellung
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Die Wesco-Spitze: Beat Ernst, Erling Boller.
ROLAND SCHMID
Iart-Chef Matthias Spiess, OLED-Lampen.
KENNETH NARS
Als Pionier und führendes Schweizer
Unternehmen der Lüftungs- und Filtrationstechnik sorgt die Wesco AG aus
Wettingen für optimale Luft. Für Industrieunternehmen entwickelt es in enger
Zusammenarbeit mit den Kunden neue
Anlagen, Systeme und Technologien
zum Schutz von Menschen, Produkten
und Produktionsprozessen. Für Privatkunden bietet es innovative Einzel- und
Gesamtlösungen für die bestmögliche
Luftqualität in allen Räumen. Das Familienunternehmen der zweiten Generation wird von CEO Erling Boller geführt, Eigentümer und Verwaltungsratspräsident ist Beat Ernst. Wesco beschäftigt über 380 Mitarbeitende, davon 204 in der Schweiz. Der
Jahresumsatz beträgt rund 100 Millionen Franken. Wesco ist die einzige nominierte Firma, die nicht in Basel oder
in der unmittelbaren Nachbarschaft domiziliert ist.
Nicht illegal, aber unmoralisch
Steueroptimierung Der Film
«The Price We Pay» dokumentiert, wie multinationale
Unternehmen ihre Gewinne
in Steueroasen verschieben.
VON NOEMI LEA LANDOLT
Auf den Cayman Islands kommen 80 000
Firmen auf 57 000 Einwohner – wer richtig rechnet, kommt auf einen Durchschnitt von 0,7 Angestellten pro Firma.
Das ist ein typisches Merkmal einer Steueroase. Die Cayman Islands sind somit ein
beliebtes Ziel von multinationalen Unternehmen, die keine Lust haben, Steuern zu
bezahlen. Die Firmen verschieben ihre
Gewinne in Staaten, wo möglichst wenig
Steuern anfallen. So entziehen sie der öffentlichen Hand mehr als die Hälfte der
Weltgeldmenge. Die Folgen: Wo Steuereinnahmen fehlen, wird bei Infrastruktur,
Bildung oder Gesundheit gespart. Das ist
für die Bevölkerung in den südlichen Ländern fatal, betrifft aber am Ende uns alle.
Auch in der Schweiz: Ein internationales Netzwerk von Steuerexperten, das Tax
Justice Network (TJN), veröffentlichte An-
fang November den Financial Secrecy Index. Den obersten Platz auf dieser Rangliste der attraktivsten Steueroasen weltweit hat zum dritten Mal in Folge die
Schweiz inne. Die Schweiz, ein stabiles
Land mit starkem Bankenplatz und einem
– zumindest für Entwicklungs- und
Schwellenländer – intakten Bankgeheimnis. Die Schweiz, ein Land also mit idealen Voraussetzungen für multinationale
Unternehmen mit viel Geld, die ihre Gewinne tief versteuern möchten. «Das
Hauptproblem der Schweiz ist, dass sie in
Sachen Bankgeheimnis eine Zebrastrategie verfolgt», sagt Dominik Gross, Finanzund Steuerexperte bei Alliance Sud, der
entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke. Zebrastrategie heisst: «Aus Industrieländern soll
nur noch Weissgeld auf Konten in der
Schweiz fliessen, Schwarzgelder aus Entwicklungs- und Schwellenländern sind dagegen weiterhin willkommen.»
Die Mehrheit hat das Nachsehen
Der Film «The Price We Pay» des kanadischen Regisseurs Harold Crook dokumentiert, wie legale Steueroptimierung
funktioniert. Auf der Anklagebank sitzen
Weltkonzerne wie Apple oder Amazon,
die dafür plädieren, dass das, was sie tun,
nicht illegal sei. «Wir klagen sie nicht dafür an, illegal zu sein, aber unmoralisch»,
erwidert die Richterin. Denn etwas zeigt
der Film deutlich: Während auf der einen
Seite wenige ihre Steuern optimieren und
profitieren, fehlen die Einnahmen auf der
anderen Seite. Bei der Mehrheit, deren Situation sich durch das Verhalten von wenigen verschlechtert – oder zumindest
nicht verbessert.
Internationale Gesetze als Lösung
Filmvorführung «The Price
We Pay» Samstag, 21. November, um 12 Uhr im Stadtkino Basel. Anschliessend Diskussion mit Regisseur Harold
Crooks und SP-Nationalrätin
Magret Kiener Nellen. Moderation: Roman Künzler, Multiwatch
Der Film klagt zwar vieles an und kritisiert, er stellt aber auch Lösungen vor. Die
Welt brauche ein globales Gesetz, das die
Steuern regelt, für alle gilt und verhindert, dass multinationale Unternehmen
ihre Gewinne in Steueroasen verschieben
können. Wenn das Prinzip von fairen
Steuern nicht gelte, riskiere man das
Scheitern der Demokratie. «Aus Sicht vieler nicht-staatlicher Organisationen würde
hier ein öffentliches ‹Country by Country
Reporting› helfen», sagt Gross. Das würde
bedeuten, dass jedes Unternehmen seine
Geschäftstätigkeiten in einer länderspezifischen Bilanz öffentlich ausweisen müsste. Die OECD schlägt ein solches Reporting auf Behördenebene vor. In der EU hat
das Parlament einem öffentlichen Reporting zugestimmt.
Kantonaler Steuerwettbewerb
Die Schweiz wird im Film nur am Rande
erwähnt: «Der Regisseur hat einen angelsächsischen Fokus gewählt», sagt Gross.
Dazu kommt, dass Grossbritannien wohl
an der Spitze der Rangliste der attraktivsten Steueroasen stehen würde, wenn
Überseegebiete wie die Cayman Islands zu
Grossbritannien gezählt würden.
Trotzdem: «Es wäre falsch, zu denken,
in der Schweiz sei deshalb alles weniger
schlimm», sagt Gross. Bei uns zeigen sich
die Folgen des Steuerwettbewerbs schon
im Kleinen: «Steuergünstige Kantone wie
Zug, die im globalen Steuerwettbewerb
äusserst aggressiv agieren, zwingen andere Kantone, mitzuziehen, um im Wettbewerb zu bestehen.» So fehle plötzlich Geld
und die Kantone müssen sparen.
In der Diskussion nach der Filmvorführung wird deshalb vor allem auf die
Schweiz eingegangen. Regisseur Harold
Crook diskutiert mit SP-Nationalrätin und
Steuerpolitikerin Margret Kiener Nellen.
Kiener Nellen war letztes Jahr wegen ihrer
privaten Steueroptimierung in Kritik geraten.