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Good design goes to heaven, bad design goes everywhere
Ein Vortrag von Paolo Tumminelli anlässlich der Autonis Preisverleihung 2005
Meine sehr geehrte Damen und Herren,
Schön, hier zu sein! Zum Warm-up habe ich Ihnen ein schönes Auto aus Italien
mitgebracht. Eines meiner Lieblingsautos.
Ich bin gespannt, denn heute Abend gibt es Antworten auf die Frage die ich täglich
gestellt bekomme: „Welches neue Auto finden sie „wirklich“ schön?“
In der Tat, die ehrliche Antwort wäre: „Gar keins“. Das muss allerdings begründet
werden. Ich befürchte, das Problem könnte bei mir liegen, aber Sie können sich kaum
vorstellen, wie frustrierend das Leben sein kann, wenn man sich mit Design beschäftigt.
Derartig hoch wird der Anspruch an Vollendung, konzeptionell wie gestalterisch, so dass
die Suche nach dem passenden Produkt – egal, ob Schuhe oder Autos – zur wahren
Qual wird. Nicht dass alle Dinge grundsätzlich schlecht seien, manche wären sogar fast
„schön“. Aber irgendwo gibt es sie immer, die unerträgliche Designmacke.
„Gott ist im Detail“ sagte Mies van der Rohe. Von wegen! Es sind meistens die Details,
die die heutigen Autos kaputt machen, wie eine kleine Designkrankheit. Ich schaue mich
um und sehe immer dickere, größere noch biederere Autos. Zum Glück sind Autos nun
meistens in Silber mit schwarzem Leder und somit dezent getarnt unterwegs. Oder ja, in
schwarz. Denn Schwarz steht auch einer unvorteilhafter Figur immer gut!
Aber ob silbrig oder schwarz, wahrhaftig schön, das sind sie immer noch nicht.
Und so sind wir schon bei der Frage des Tages: „Was ist Schönes und ist Schönes auch
Gutes und umgekehrt?“ Da passt mein Titel gerade gut dazu.
Auf gutem Deutsch bedeutet der Satz nichts anderes als dass das Gute – und wenn
sie wollen auch das Schöne - zwar früher oder später ins Paradies geht (und somit
womöglich sein Schöpfer auch). Das entscheidende ist aber dass das Schlechte – oder
das Hässliche – sonst überall hinkommt. Und das ist, für ein besseres Verständnis des
Verhaltens unserer Konsumgesellschaft, eine durchaus traurige, wichtigere Erkenntnis.
Schlechtes kann auf dem Markt erfolgreicher sein als Gutes!
Deswegen muss aufgepasst werden, wenn man die Menschen fragt, „Was finden sie
schöner?„. Denn dies bedeutet nicht, dass die Schönheit in der Antwort liegt. Man weiß
lediglich, was den Menschen „gefällt“. Und zwischen dem, was schön ist und dem, was
den meistens gefällt liegen Welten. Schönheit als statistischer Wert kann nicht ermittelt
werden. So viel ist klar. Würde man es mit Essen versuchen, so würde Foie Gras niemals
besser als die Wurst der Rügenwalder Mühle punkten, Rehrücken gegen Burger King?
Keine Chance. Trüffel gegen Champignons? Niemals und schon gar nicht im Weiß!
„Elitärer Wahnsinn!“, mögen Sie behaupten. Wenn ja, so bitte ich um Verzeihung. Aber
das Thema Schönheit animiert mich seit Jahren und die Menschheit seit jeher. Bereits
Sokrates stellte fest, dass über nichts so wenig Einigkeit erzielt werden kann wie über
das Schöne. Sein Dialog „Hippias“, endet mit dem Seufzer: „Das Schöne ist schwer“.
Tatsache ist, dass das gegenwärtige Verständnis der Menschen für das „Schöne“ relativ
begrenzt ist, und noch dazu sehr einfach zu beeinflussen. Das hat man dem modernen
Marketing zu verdanken, das seit den 80er richtig mitmischt. Schön ist nicht mehr nur
eine Eigenschaft des Gegenstandes, sondern viel mehr Bestandteil der Botschaft der
Markenkommunikation. Was sehen die Menschen wirklich, wenn sie etwas sehen? Sind
sie in der Lage Marke von Produkt zu trennen? Objekte objektiv zu bewerten?
Das habe ich an der Köln International School of Design empirisch erforschen lassen.
Jetzt kommt der Test! Welches von diesen Autos glauben Sie, dass die Menschen
schöner finden? Den Mercedes natürlich, mit 45%. Aber was passiert, wenn ich die
Leute da draußen etwas verwirre und ihnen die Autos mit ausgetauschten Logos zeige?
Überraschung, dann ist Lexus mit Stern plötzlich schöner. Macht der Marke? In der
Tat: Männer bevorzugen eindeutig Mercedes, Frauen mögen Lexusformen besser. Erst
wenn man wirklich gemein ist und die Leute ganz allein lässt, also ohne die Hilfe der
Marke, nähert man sich womöglich der Wahrheit. Und das Ergebnis lasse ich lieber
unkommentiert - dann kommt der nackte Lexus sogar noch besser an.
Wie kommt es, dass der Mensch unfähig ist, sich über Schönheit konsequent zu
äußern? Absurd, vor allem wenn man weiß, wie sehr sich Menschen mit dem Thema
beschäftigen. Wir haben eine panische Angst, „hässlich“ zu sein oder gar Hässliches zu
kaufen, aber bei dem Urteil ist man allein gelassen, weder Freunde noch Medien können
helfen. Die Freunde lügen aus Barmherzigkeit immer und die Medien beweisen stets
salomonische Gerechtigkeit, äußern sich also kaum kritisch darüber. Ihre Meinung liegt
in der Mitte zwischen Lesergunst und Werbekundenlaune.
In der Tat gibt es einige wahrnehmbare Dimensionen des Schönen, die noch allgemeine
Gültigkeit besitzen, so wie die psycho-physiologische Dimension: Aus dem, was unser
Gehirn mit Hilfe der Augen sehen und verstehen kann (wie z. Bsp. die Verhältnisse
und Kongruenz von Linien, Formen, Licht, Farben) entwickelt unser Kopf Konzepte wie
parallel, divergent, proporzioniert, unproporzioniert, warm oder kalt, die unsere „Ästhetik“
– die sinnliche Wahrnehmung – beeinflussen. Diese Konzepte sind deckungsgleich mit
den ungeschriebenen Gesetzen der Natur, (die spätestens seit dem „daVinci-Code“ allen
bekannt sein dürften), dem Phi, der Fibonacci Reihe, dem goldenen Schnitt. Verhältnisse
und Proportionen die der Mensch, egal welcher Kultur und Ausbildung, als besonders
„harmonisch“ wahrnimmt.
Trotz dieser grundlegenden Gemeinsamkeiten steht eines allerdings fest: Nicht jeder
sieht etwas genau so, wie ein anderer es sieht. Da spielt das Gehirn gewaltig mit.
Es gibt da nämlich auch noch eine kognitive Dimension. Man empfindet etwas als
schön, wenn man etwas Ähnliches schon gesehen und für schön gehalten hat.
Das Gehirn assoziiert gerne, weil es grundsätzlich faul ist. Das ist bei Menschen so
(sie finden jemanden nett, weil er sie an ihren besten Freund oder ihren verstorbenen
Opa erinnert) und bei Produkten auch. Produkte mit Gesicht, deren Form assoziativ
verstanden werden kann, haben es einfacher auf den Markt. Es ist schön, wenn man
sich an etwas erinnern kann. Wie es z. Bsp. beim Käfer.
Das, was in unserem Kopf als „Schönes“ vorgebrannt ist, kommt immer gut an.
Die Menschen finden den neuen Mini schön, weil sie ihn seit 46 Jahren kennen und sie
ihn immer schön fanden. Damit arbeitet übrigens Automobilmarketing heute: Sie geben
Vorschau auf das was kommt, damit man es schön findet, wenn es endlich zum Verkauf
steht. Wenn man Glück hat.
Menschen erkennen alte Schönheit schnell, neue Schönheit braucht Zeit.
Wahrscheinlich deswegen interessiert viele Hersteller die Zukunft nicht mehr wirklich.
Somit können wir unser Gehirn nicht mehr trainieren, Neues zu bewerten. Und das ist
– kulturell gesehen – gefährlich.
Früher war es anders. Die Citroen DS, 50 Jahre alt. Solche Emotionen sind uns nicht
mehr gegeben. Noch 3 Tage vor der Messe wusste niemand, dass die DS kommen
würde. Heute würde man so etwas nicht verstehen. Und würde sich nicht trauen, es zu
kaufen. Damals gingen allein am ersten Tag des Pariser Salons 12.000 Bestellungen
ein. Aber das ist eine andere Geschichte...
Mit der zweiten ist die dritte, empirische Dimension der Ästhetik verbunden. Sie ist
in der Tat ganz banal und basiert auf der individuellen Erfahrung. Diese beeinflusst
jeden von uns – wenn auch oft auf unbewusste Art - in unseren Entscheidungen.
Diese Dimension ist völlig individuell und unvorhersehbar, und der Schreck eines jeden
Designers. Wenn Sie als Kind ein Unfall in einem Auto mit roter Lederinnenausstattung
hatten, so werden Sie sich nie in einem solchen Auto wohl fühlen - und Sie wissen gar
nicht warum.
Oder wenn Ihre Mutter ein lila Kleid trug als Sie zum ersten Mal ein leckeres Eis essen
durften, so werden Sie die Farbe Lila immer mit etwas positivem assoziieren.
Auch nur somit kann ich mir die wahnsinnigen Farb-Kombinationen der verschiedenen
Designo- und Exklusivabteilungen erklären und auch den 928 in Amethyst-Metallic mit
Lila Lederausstattung, der immernoch in Düsseldorf auf einen zweiten Besitzer wartet.
Eine noch wichtigere Dimension des Schönen ist die phenomenologische Dimension
mit der Marketing und Design arbeiten, da sie die Einzige ist, die von außen direkt und
indirekt beeinflussbar ist. Sie ist auch die Dimension der Stile, bei der einfach festgelegt
wird was schön ist. Früher gestalltete sich dies sehr einfach: Die Römer mit dem
romanischen Stil, die Mitteleuropäer mit dem Gotischen, und die Italiener wieder mit der
Renaissance, alles wurde klar und akademisch festgelegt. Mit der Zeit entwickelte sich
aber alles schneller und aus den Stilen ergab sich die Moden (zuerst durfte jeder König
oder Königin die sie bestimmen, dann jeder Mode-Zar), und dann kamen die Trends
(sog. kurzlebige Stile). Dabei fing alles erst richtig an und es wurde immer chaotischer.
Das alles hat mit Geschwindigkeit zu tun und mit Wachstum, beides ideologische Mythen
des vergangenen Jahrhunderts und - was Automobildesign angeht, eine Idee Harley Earls
seit 1927.
In der Tat kann man, mit einer guten Ausbildung und einem geschulten Auge, Schönheit
(ganz Unabhängig vom Stil) doch bewerten! Eine Definition von Schönheit wurde schon
bereits 450 v. Chr. durch Hippasos von Metapont (des Namens zum Trotz, ein Italiener)
vorgenommen. Wirklich ausschlaggebend war allerdings erst Vitruvius´ „De Architecura“
aus dem 1. Jhr.v.Chr., in dem Prinzipien zur „Messung“ von Schönheit vorgestellt
wurden, die nahezu 2.000 Jahre halten sollten. Seine Triade war: die Langlebigkeit, der
Nutzungswert und die gestalterische Qualität. Hier geht es vor allem um letzteres.
Dies führte Vitruvio den Proportionen des Menschen und der Natur zurück (Leonardos
berühmter Vitruvian-Mann im Kreis ist in der Tat die Visualisierung der Theorie
Vitruviuss). Eines seiner Worte dafür war Eurythmie: Die harmonische Kongruenz von
Linien, Formen und Volumen. Noch Pininfarina der Erste (immerhin Jahrgang 1883)
orientierte sich daran. Er ist übrigens der Createur des Automobils , das ich Ihnen ganz
am Anfang gezeigt habe.
Aber um die vorletzte Jahrhundertwende herrschte bereits das stilistische Chaos, dessen
Auslöser die Maschine – ja, im Prinzip das Automobil – war. Es war eine unerträglich
dekadente und konfuse Situation des Stilpluralismus, in der man sich befand.
In der Kunst wie in der Architektur – und dann im Design – rief man zur Revolution auf.
Man versuchte einerseits, gegenüber Historismus „modernere“ Stile einzuführen (die
Wiener Sezession, der Jugendstil, das Bauhaus, später das Art Deco: alles finden Sie
übrigens im Käfer wieder), andererseits fand eine grundsätzliche Reaktion gegen die
Akademie und de facto, gegen alle vorgeschriebenen Stile statt.
Es gelang der modernen intellektuellen Elite jedoch keine Neudefinition des Konzepts
von Schönheit. Mit dem Bauhaus und später mit Ulm scheiterten die letzten Versuche,
Schönheit als Prozess zu definieren. Kurz danach erklärten Warhol die Campbell Dose,
und Manzoni sogar pure Scheiße zur POP-ulären Kunstform. Nach 1968 wird jeder zum
Schiedsrichter der eigenen Eleganz. Die Akademie war endgültig vorbei, ein ganzes
Wissen vernichtet. Bello war tot. Nicht der Hund, sondern das Schöne.
Seitdem (und es sind fast 40 Jahre) wird Schönheit weder gelehrt noch wird sie
irgendwie gelernt. In keiner Design- oder Kunstschule weltweit wagt heute jemand zu
sagen, wie man etwas zu komponieren oder zu gestalten hat. Es fehlt jegliche Grundlage
wissenschaftlicher oder gar ästhetischer Natur. Die Menschen sind ahnungslos.
Wallpaper kann da auch nicht wirklich helfen.
Aber manche profitieren wieder davon. Weil, wenn das Schöne tot ist, geht es dem
Hässlichen auch nicht gut – was für mich noch schlimmer ist. Keiner beschäftigt sich
mehr mit dem Thema „Hässlich“, wir haben Angst davor. Hässlich ist, in unserer von
Schönheit besessener Gesellschaft, Tabu. Natürlich gibt es noch Leute die meinen, dass
das Produkt A so wie die Person B s hässlich seien. Aber kluge Marketingmenschen
haben ein besseres Wort dafür erfunden: po-la-ri-sie-rend.
Gefällt etwas allen, so ist es schön, gefällt es vielen nicht, so ist es nicht weniger
schlecht oder gar „hässlich“ sondern einfach „polarisierend“. Eine pfiffigere Variante von
„schön“ womit viele auch „Design“ meinen.
Dank der Polarisierung, einen schlechten Geschmack zu haben ist durchaus
gesellschaftlich vertretbar geworden. Und wer kritisiert? Es muss gekauft werden! Vorbei
sind die Zeiten, als Walter Gotschke in „Auto-Motor-und-Sport“ seine scharfe Kritik der
Form schreiben dürfte, oder gar als das italienische Pendant „Quattroruote“ wagte, bei
Probefahrten das automobile Äußere mit 1 bis 5 Sternen zu bewerten. Heute überlässt
man es lieber den Lesern. Unter Fachleuten gilt „Piep, piep, piep, wir haben uns alle
lieb“.
Lieb!? Nicht mit mir! Ich blättere durch die Autonis-Ergebnisse. Da stehen biedere
Coupés im Populuxe-Stil, hier und dort sind Sportwagen mit komischen Pappnasen,
Luxuslimousinen die wie skurrile Karikaturen des Vor-vorgängers aussehen, aufgeblasene
Riesenjeeps, die nicht in die Alpen, sondern in jeden Alptraum passen. Und wieder die
Details: Diese verchromten Kunststoffteilchen, diese verspielten Scheinwerfer, diese
magendarmartigen Spaltmassen, diese Türgriffe, diese komischen Rococo-Uhren. Und
all diese stehen ganz oben auf der Liste. Der Kleine Horrorladen!
Dafür verlange ich wenigstens das Wort „hässlich“ zurück! Diese Welt des schönredens
gefällt mir nicht und sie tut uns auch nicht gut. Ich plädiere nicht für eine Welt, in der
alles schön ist – das wäre banal und erst recht unmöglich – aber ich möchte, dass
wir uns öffentlich zum Hässlichen bekennen und auch darüber reden. Hässlich ist in
sich nicht schlecht. Hässlich ist anders, ist mutig, ist Gegentrend und ja irgendwann
womöglich im Trend, oder? Das Neue ist auch – wie wir wissen – zunächst immer
hässlich!
Es gibt in diesem Sinne übrigens Menschen, die gern hässliches als Lifestyle tragen,
aus Protest oder als Zeichen intellektueller Souveränität. Geben Sie Ihnen ein richtiges,
selbstbewußt hässliches Auto. Der kann zum Kult werden, wie der hier.
Wer den Fiat Multipla einfach hässlich nennt, der hat wenig Ahnung. Dies ist ja kein
Sportauto, deswegen sieht es auch nicht wie ein Sportauto aus. Aber es ist ein
intelligentes, charaktervolles, prägnantes Automobil (Obwohl für mich im Detail ja doch
wieder etwas unbefriedigendes gibt). In seiner mutigen Urform ist es um einiges besser
als die vielen muffigen Wettbewerber und bestimmt besser als der Not-Nachfolger, mit
einem 0815 Gesicht, so unbedeutend wie eine Barbara Streisand mit der Nase von
Anastacia.
Wo liegt das Problem? Sind wir einfach müde? Müde und gelangweilt von einer
Gesellschaft, die zu groß geworden ist? Die dem Menschen den Ausdruck seiner
Persönlichkeit nur schwer ermöglicht? Ist aus der Ästhetik ein Anästhetikum geworden?
Jetzt, wo wir ganz oben auf der Pyramide von Maslow sind, scheint die Aussicht doch
nicht besser als früher zu sein.
Ein vernünftiger Geschäftsmann bekannte sich vor kurzem dazu, dass er sich diesmal
gegen Audi und für BMW entschieden habe – diesmal ist bei ihm übrigens alle 24
Monate. Der Audi sei ja schöner, aber auf Dauer auch langweilig. Der BMW sei mal was
neues, auffälligeres. Zuerst ist es heute ja nicht selbstverständlich, dass neueres auch
schöneres ist. Aber was soll bitte „auffällig“ bedeuten? Zwischen auffällig und schön
oder geschmackvoll gibt es schon gewaltige Unterschiede.
Was ich meine erkläre ich jetzt gerne mit einem kleinen Exkursus.
Vor kurzem wurde ich eingeladen, mich mit Automobildesignern über das Thema „Basic
Instinct“ zu unterhalten. Dabei fiel mir sofort, wie Ihnen wahrscheinlich auch, ein Bild
auf. Jetzt muss ich die gnädigen Frauen bitten, mir zu verzeihen, wenn ich zu sexistisch
wirke - es geht um Autos, es gehört klischeeartig dazu.
Da ist sie: Sharon Stone, in Basic Instinct, 1992. Das, was mir hier gefällt, ist ganz und
gar nicht, dass Mrs. Stone nichts drunter trägt und dies provokativ zeigt. In der Tat, war
es mir beim Filmgucken nie aufgefallen, ich habe es später von Freunden erfahren. Was
mich hier anzieht (Roland Barthes würde es „Punktum“ nennen“) ist natürlich Ihr Outfit.
Die unwiderstehliche Anziehungskraft hat viel weniger mit der Knappheit zu tun, als
mit den spannenden Widersprüchen, die es in sich trägt. Er ist natürlich sehr knapp
und kurz – also würde man sagen „sexy“ – aber er ist in keinster Weise vulgär, weil er
ausgerechnet jenes Körperteil schützt, worauf sonst meistens die Blicke fallen würden,
das Decolleté. Dabei lässt es Schulter und Arme frei wobei Mrs. Stone, zwar halbnackt
ist und trotzdem athletisch und kampfbereit wirkt.
Dazu ist das Kleid weder schwarz (wobei man in die Klischee-Ecke des kleinen
schwarzen fallen würde) noch rot (womit man Signalwirkung erzeugt, von wegen „hey
guck mal, ich bin‘s hier!“), sondern es ist weiß. Eine wohl unterschätzte Farbe, die
einzig die Echtheit einer Form, also seine Gestaltungsqualität wirken lässt. Wer so einen
„Weißen“ trägt, der braucht keinen Schmuck, kein Dekor, keine Sonderausstattung um
elegant und dabei attraktiv zu wirken, also schön zu sein.
Das automobile Pendant zu diesem Bild wird sie womöglich überraschen:
Der Golf GTI aus der ersten Serie: kompakt, schlank, schlicht, dezent breit und tief, also
auch leichtathletisch. Natürlich in weiß. Unauffällig und schön. Ich wette mit Ihnen,
Vitruvius und Leonardo wären einverstanden.Aber auffällig? Nein das ist er nicht. Viele
würden sogar meinen, wie langweilig!
Als Gegenstück zeige ich Ihnen jetzt - nur für kurze Zeit - einen Ferrari, der nicht von
Pininfarina gestaltet wurde. Da haben wir Sie: Lollo Ferrari, Modelljahr 2000.
Mit vollem Respekt für eine Person, die ihr Leben dem medialen Wahnsinn geopfert
hat. Wie auffällig! Ein Traum aus Silikon, eine wundervoll aufgeblasene Karikatur des
Schönen - sie war ja selber früher eine hübsche Frau. Einziger Sinn der Sache: Auffallen.
Diese Lippen und diese Titten, diese aufgeblasenen Kurven. Ich finde Sie auch im
gegenwärtigen Automobildesign immer wieder!
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Jetzt käme der Test: Sharon Stone, Lollo Ferrari oder eine Mischung davon?
Was glauben Sie, dass die Konsum-Herren (aber auch Frauen) heute als Begleitung
auswählen würden, wenn Sie freie Wahl hätten? (beim Leasen geht es ohnehin nur um
One-Night-Stands). Ich befürchte, dass ich die Antwort bereits kenne.
Wir sind uns hoffentlich einig, dass Nachholbedarf besteht.
Und ich sehe es gelassen. Designer sind ja intelligent. Und die Autoindustrie war ja
immer antizyklisch. Nach dem Historismus kam die Moderne, nach den bunten 50er
kamen die schlichten 60er. Heute sind wir noch etwas zu viel „New Economy“. Abert
es gibt gute Signale und ich freue mich auf die Zukunft. Ich bin mir sicher, irgendwann
kommt schon das Auto meiner Träume. Ein flacher, geradliniger, schlanker, ShootingBrake, 2 Türen plus eine große Heckklappe für viel Gepäck, und genau wie Sharon: auch
in weiß unwiderstehlich sexy.
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Das war es, vielen Dank!
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Ein Vortrag von Paolo Tumminelli anlässlich der Autonis Preisverleihung 2005
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