Übersicht - Juristisches Repetitorium Hemmer

§§ 52 ff., 252 StPO - Überblick / Seite 1
Übersicht:
Zeugnisverweigerungsrechte, §§ 52 ff. StPO /
Verwertungsverbote nach § 252 StPO
I. Zeugnisverweigerungsrechte, §§ 52 ff. StPO
Verstoß gegen § 52 III StPO fehlende Zeugenbelehrung
Grundsatz: Verwertungsverbot; Rechtskreistheorie, Schutzzweck „schonende Rücksicht auf die Familienbande“
BGH St (GrS) 11, 213, 216.
Ausnahme: Kein Verwertungsverbot, wenn Zeuge Zeugnisverweigerungsrecht kannte und auch nach erfolgter Belehrung ausgesagt hätte, Zeugenaussage beruht dann nicht
auf unterlassener Belehrung.
(M-G, § 52, Rn. 32 ff.)
Verstoß gegen § 53 StPO / fehlende Befreiung
Grundsatz: Kein Verwertungsverbot; Verletzung des Berufsgeheimnisses berührt strafprozessuale Verwertbarkeit nicht,
die Strafbarkeit nach § 203 StGB betrifft allein den Risikobereich des Zeugen.
Ausnahme: Beweisverwertungsverbot, wenn Gericht dem
Zeugen wissentlich oder unwissentlich die falsche Auskunft
erteilt, dass er von seiner Schweigepflicht entbunden worden ist = Gericht verletzt seine Fürsorgepflicht gegenüber
Prozessbeteiligten ( BGHSt 42, 73 ff. = NStZ 1996, 348 ff.)
(M-G, § 53, Rn. 50)
RA Christian Daxhammer
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Verstoß gg. § 54 StPO / fehlende Aussagegenehmigung
Die fehlende Aussagegenehmigung führt nicht zu einem
Beweisverwertungsverbot bezüglich der gemachten Aussage. Rechtskreistheorie = § 54 StPO dient dem Schutz des
öffentlichen Interesses, nicht dem Interesse des Angeklagten.
(M-G, § 54, Rn. 32)
Verstoß gegen § 55 II StPO fehlende Belehrung
Es muss differenziert werden:
Verwertungsverbot (-) gegenüber dem Beschuldigten, § 55
StPO schützt allein den Zeugen vor einer Selbstbelastung,
der Rechtskreis des Angeklagten wird durch die Verletzung
der Belehrungspflicht nicht berührt ( Rechtskreistheorie).
Verwertungsverbot (+) bei späterer Anklage gegen Zeugen, §
55 StPO will gerade den Zeugen vor Strafverfolgung schützen.
(M-G, § 55, Rn. 16 ff. m.w.N.)
II. Verwertungsverbot nach § 252 StPO
Grundsatz
§ 252 StPO ist eine Ergänzung zu §§ 52 ff. StPO und regelt
den Fall nachträglicher Zeugnisverweigerung. Dem Wortlaut nach verbietet § 252 StPO nur der Verlesung der Aussage, die h.M. entnimmt dieser Vorschrift jedoch ein umfassendes Verwertungsverbot. Argumente:
- Ein Verlesungsverbot folgt schon aus § 250 S.2 StPO,
§ 252 StPO wäre dann überflüssig.
- Schutzzweck von § 252 StPO ist es, den angehörigen
Zeugen vor einer Konfliktsituation zu schützen, dieses Ziel
kann nur durch umfassendes Verwertungsverbot erreicht
werden.
(M-G, § 252, Rn. 1 ff., 12 ff.)
RA Christian Daxhammer
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Umfang
• Vernehmung: § 252 StPO bezieht sich auf Aussagen vor
der Hauptverhandlung.
• Erfasst werden auch Aussagen in einem Zivilprozess oder
einem sonstigen Verfahren (str. M-G, § 252, Rn. 7).
• Vgl. Sedlmayr-Fall BGHSt 40, 211 = NJW 1994, 2904: Äußerungen gegenüber einem gezielt eingesetzten V-Mann.
(M-G, § 252, Rn. 8)
• Verwertbar bleiben alle Äußerungen des Zeugen aus freien
Stücken außerhalb einer Vernehmung, Spontanäußerungen
und Mitteilungen in Briefen oder Strafanzeigen.
(M-G, § 252, Rn. 8)
• Zeuge: Es kommt auf die Zeugenstellung im Zeitpunkt der
aktuellen Hauptverhandlung an.
• Zeugnisverweigerungsrecht: Nach BGH gilt § 252 StPO
nicht für § 55 StPO; Argument § 252 StPO erfasst nur
Zeugnisverweigerungsrecht, nicht Auskunftsverweigerungsrecht.
(M-G, § 252, Rn. 5)
Zwingender Charakter
§ 252 StPO ordnet ein Beweisverwertungsverbot an, welches
von den Verfahrensbeteiligten nicht abbedungen werden
kann, vgl. OLG Hamm StV 2002, 592 ff.; Geltendmachung
des Zeugnisverweigerungsrechts hindert aber den Zeugen
nicht, nach ordnungsgemäßer Belehrung die Verwertung
der bei einer nicht-richterlichen Vernehmung gemachten
Aussage zu gestatten!
(M-G, § 252, Rn. 12; vgl. aber auch Rn. 16a !)
Sonderfälle
- Klassiker: Vernehmung der richterlichen Verhörsperson; BGH differenziert zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen. Das Argument für die Zulassung
der Aussage einer richterlichen Verhörsperson ist das geRA Christian Daxhammer
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steigerte Vertrauen der Rechtsordnung in die Funktion
des Richters. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Vernehmung des Richters ist jedoch, dass der Zeuge in seiner
früheren Vernehmung von dem Richter tatsächlich über
das ihm zustehende Zeugnisverweigerungsrecht belehrt
wurde (BGH St 2, 99, 106). Für die Verwertung richterlicher
Vernehmungen sprechen kriminalpolitische Überlegungen:
Den Ermittlungsbehörden soll ein Weg eröffnet bleiben,
verwertbar bleibende Aussagen zu erhalten.
Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH war eine sog.
qualifizierte Belehrung, d.h. eine Belehrung darüber, dass
die jetzige Aussage auch bei späterem Gebrauchmachen
von dem Zeugnisverweigerungsrecht in der Hauptverhandlung verwertbar bleibt, nicht erforderlich (BGHSt 32, 25
(31f.); BGH NStZ 1985,36). Entgegen dieser Rechtsprechung hat der 2. Strafsenat des BGH in einem Anfragebeschluss an den Großen Strafsenat entschieden, dass eine
solche qualifizierte Belehrung Voraussetzung für die spätere Verwertbarkeit der Aussage vor dem Ermittlungsrichter
sein soll (BGH NStZ 2014, 596; eine äußerst lesenswerte
Entscheidung, da der 2. Strafsenat wie zuletzt häufig vorbildlich argumentiert). In Antwortbeschlüssen wollen dagegen der 1. und der 4. Strafsenat (NJW-Spezial 2015, 153
und NStZ-RR 2015, 48) an der bisherigen Rechtsprechung
festhalten. Der 3. Strafsenat sieht keine Kollision mit seiner
Rechtssprechung mangels bisheriger Befassung mit dem
Thema, neigt aber ebenfalls der Auffassung des 1. und 4.
Strafsenats zu (NJW-Spezial 2015, 153). Der 1. Strafsenat
wirft in seiner Entscheidung ganz grundlegend die Frage
auf, ob die Ausnahme von § 252 StPO bei Vernehmung der
richterlichen Verhörsperson angesichts des Schutzzweckes
des § 252 StPO und des gesetzgeberischen Willens überhaupt legitimierbar ist (BeckRS 2015, 02348 Rn 24ff.)
(M-G, § 252, Rn. 13, 14)
RA Christian Daxhammer
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- Verteidiger als Verhörsperson: BGH NJW 2000, 1277 ff.,
Urteilsbesprechung in Jus 2001, 130 ff.; die „Vernehmung“
durch den Verteidiger und das Verwertungsverbot des
§ 252 StPO; die Zeugin wurde von einem Verteidiger vor
der Hauptverhandlung befragt. In der Verhandlung machte
sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 StPO
Gebrauch. Kann der Verteidiger als Verhörsperson vernommen werden? BGH lehnt dies ab - der Rechtsgedanke
von § 252 StPO erfasse auch Aussagen vor dem Verteidiger, also Verwertungsverbot (+).
(M-G, § 252, Rn. 13)
- Sachverständiger als Verhörsperson: BGH NJW 2001,
528 ff., kann der Sachverständige mit der richterlichen Verhörsperson gleichgestellt werden und aus diesem Grund
die „klassische Einschränkung“ auf diese Konstellation
übertragen werden? BGH (-), keine Gleichsetzung, Verwertungsverbot nach § 252 StPO gilt zumindest für Zusatztatsachen, die der Sachverständige bekunden soll – str.: Verwertbarkeit zu bejahen, wenn zuvor richterliche Belehrung
erfolgte.
(M-G, § 252, Rn. 10)
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RA Christian Daxhammer