Die Tempelreinigung Lukas 19, 41 - 48 (41) Und als er sich näherte und die Stadt sah, weinte er über sie, (42) und sprach: Wenn auch du an diesem Tag erkannt hättest, was zu deinem Frieden dient! Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen. (43) Denn Tage werden über dich kommen, da werden deine Feinde einen Wall um dich aufschütten und dich umzingeln und dich von allen Seiten einengen; (44) und sie werden dich und deine Kinder in dir zu Boden werfen und werden in dir nicht einen Stein auf dem anderen lassen, dafür daß du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast. Tempelreinigung - Die Frage nach der Vollmacht Jesu. (45) Und als er in den Tempel eingetreten war, fing er an, die Verkäufer auszutreiben, (46) und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: `Mein Haus ist ein Bethaus; ihr aber habt es zu einer `Räuberhöhle gemacht. (47) Und er lehrte täglich im Tempel; die Hohenpriester aber und die Schriftgelehrten und die Ersten des Volkes suchten ihn umzubringen. (48) Und sie fanden nicht, was sie tun sollten, denn das ganze Volk hing ihm an und hörte auf ihn. Liebe Gemeinde, die Geschichte aus dem Lukasevangelium, die wir eben in der Schriftlesung gehört haben, wird auch die Tempelreinigung genannt. Alle vier Evangelien berichten davon. Als Jesus kurz vor seinem Tod am Kreuz Jerusalem besucht, geht er in den Tempel und ist entsetzt von dem, was er da sieht. Lukas berichtet kurz und knapp, dass Jesus die Händler aus dem Tempel ausgetrieben habe. Er schreibt: Und als er in den Tempel eingetreten war, fing er an, die Verkäufer auszutreiben, (46) und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: `Mein Haus ist ein Bethaus; ihr aber habt es zu einer `Räuberhöhle gemacht. der Evangelist Johannes ist da etwas detaillierter. Bei ihm lesen wir: und Jesus zog hinauf gen Jerusalem. 14 Und er fand im Tempel sitzen, die da Ochsen, Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler. 15 Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechslern das Geld und stieß die Tische um 16 und sprach zu denen, die die Tauben feil hatten: tragt das von dannen und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause! "Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus", das will so gar nicht zu dem Jesus der Bergpredigt passen, der gesagt hat, wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halte ihm auch die rechte hin. Das passt nicht zu dem Jesus, der zu seinem Jünger Petrus sprach, stecke Dein Schwert ein, als dieser seinen Herrn zu verteidigen suchte bei der Gefangennahme im Garten Gethsemane. Dieser Jesus, der immer vom Frieden und von der Gewaltlosigkeit predigt, macht eine Geißel aus Stricken und prügelt auf Kaufleute ein, die nichts weiter als ihre Waren im Tempel verkaufen wollen. Kann das ein und der selbe Jesus sein? Ich versuche mir das so vorzustellen. Da ist ein Mensch, den wir alle kennen. Er ist freundlich und zuvorkommend. Niemand erzählt etwas schlechtes über ihn. Seine besten Freunde sagen: Der könnte keiner Fliege etwas zu leide tun. Aber doch gibt es eine Sache, da hört auch für diesen Menschen der Spaß auf, da macht er keine Kompromisse, da lässt er nichts durchgehen. Vielleicht kennen sie den Satz, wenn Unrecht zu Recht wird, dann wird Widerstand zur Pflicht. Dieser Satz wird Bertolt Brecht zugeschrieben. Allgemein gilt er als Legitimation für Zivilcourage, wenn einer sich über geltende Normen hinwegsetzt um jemandem zu helfen oder jemandem Recht zu verschaffen. Wir feiern die Helden des Widerstandes in der Zeit des Nationalsozialismus, wie zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer, der seine Rebellion gegen Hitler und den Nationalsozialismus mit dem Leben bezahlen musste. Auch Jesus bringt sich mit dieser Aktion im Tempel von Jerusalem in Gefahr. In Vers 45 lesen wir: Und er lehrte täglich im Tempel; die Hohenpriester aber und die Schriftgelehrten und die Ersten des Volkes suchten ihn umzubringen. Was ist so verwerflich an den Händlern und Geldwechslern? Warum ist die Reaktion auf die Tempelreinigung so heftig, dass Jesus sogar um sein Leben fürchten muss? Versuchen wir uns die Situation damals in Jerusalem vorzustellen. Das ganze Jahr über kommen tausende Juden von überall her in diese Stadt um den Tempel zu besuchen. An den hohen Festen können es leicht hunderttausend oder mehr sein. Sie kommen um ein Opfer zu bringen und um zu beten. Im Vorhof des Tempels werden die Opfertiere verkauft. Im Tempel selbst gilt eine eigene Währung. Deshalb braucht es die Geldwechsler, die die fremde Währung in das Tempelgeld umtauschen. Ihr habt den Tempel Gottes zu einem Kaufhaus und zu einer Bank gemacht, er sollte aber ein Bethaus sein. Dieser Zwischenruf Jesu könnte aktueller gar nicht sein. Mich erinnert das an Demonstrationen, wie wir sie unlängst bei der Einweihung der Europäischen Zentralbank hier in Frankfurt erlebt haben oder an die Aktionen der Globalisierungsgegner, die wochenlang mit einer Zeltstadt vor den Banken in der Innenstadt protestiert haben. Auch sie prangern wie Jesus an, dass unser Leben beinahe vollständig der Logik von freiem Welthandel und dem Bankensystem unterworfen wird. Einem System, dass dazu führt, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Es geht aber nicht darum, dass wir angemessen am Reichtum beteiligt werden, sondern es geht darum, was mit uns im inneren geschieht, wenn wir unser Denken und Handeln der Logik von Markt und Profit unterwerfen. Manchmal stelle ich mir vor, dass Jesus auch in unsere Kirchenverwaltung nach Darmstadt kommen könnte, mit dem selben Vorwurf. Euer ganzes Trachten und Streben, so könnte er sagen, ist darauf ausgerichtet, Euer Geld zusammenzuhalten und zu vermehren. Selbst das Evangelium habt ihr zu einer Ware gemacht, die ihr an den Mann und die Frau bringen wollt, um sie zu verkaufen. Das Evangelium Selbst, so sagt ihr, sei ein Produkt, das nach betriebswirtschaftlichen Kriterien bewertet werden muss. Ich gehe durch Eure Hallen und Büros und suche den Heiligen Geist und finde ihn nicht, so könnte Jesus sagen, wo ist das Gebet, wo ist Eure Spiritualität. Im Gebet richten wir uns gemeinsam auf den einen Geist, den Geist Gottes aus. Das Gebet stiftet Gemeinschaft, mit Gott und Gemeinschaft untereinander. Das Vaterunser beten wir gemeinsam. Wenn wir unsere Konfirmandenstunde beenden, stehen wir im Kreis und halten einander an den Händen. Wir sprechen das Gebet gemeinsam, wie mit einer Stimme. Die Logik des Marktes und des Geldes funktioniert aber gerade anders herum. In der Logik des Marktes kommt es darauf an, dass einer mit dem anderen in Konkurrenz steht. Nicht auf das Miteinander sondern auf das Gegeneinander kommt es an. Der Stärkere soll sich gegen den Schwächeren durchsetzten und langfristig kann nur der Stärkste überleben. Diese Logik des Marktes hat der unlängst früh verstorbene Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Frank Schirrmacher in seinem Buch Ego beschrieben. Wir leben in einer Welt, so schreibt er, in der nur noch das Ego, der Egoismus zählt. Dieses Programm ist in die Maschinen und Computer, die unser Leben mehr und mehr bestimmen, nahezu fest eingeschrieben. Wir folgen, so sagt er, mehr und mehr der Logik des Schachspiels. Ein Schachprogramm geht davon aus, dass der Gegner gewinnen will. Das Programm muss so konstruiert sein, dass es auch starke Gegner bezwingen kann. Auch betriebswirtschaftliche Programme folgen der selben Logik. Es kommt darauf an, mit dem geringsten Einsatz den größten Profit zu erzielen. Eine Welt, in der Gegner antreten, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben, ist berechenbar wie ein Schachspiel. Ein hinreichend komplexer Computer kann heutzutage nahezu jeden menschlichen Schachspieler überwinden. Das heißt, Menschen, die nur gewinnen und für sich das Beste herausholen wollen, sind berechenbar, wie ein Computer, wie eine Maschine. Seit 50 Jahren, so Frank Schirrmacher, wird versucht den Menschen immer mehr dieser Logik des Gewinnen Wollens zu unterwerfen. Je mehr wir in unserem Denken diesem Modell des Egoismus folgen, desto berechenbarer und manipulierbarer werden wir. Es kommt darauf an, aus dieser Logik auszubrechen. Dieses Haus soll kein Warenhaus, keine Räuberhöhle, sondern ein Bethaus sein. Nicht ein Haus in dem jeder seinen eigenen Vorteil sucht und bemüht ist, den anderen auszustechen und zu übertrumpfen sondern ein Bethaus, in dem wir uns gemeinsam ausrichten auf Gott. Ein Haus, in dem wir auf das Wort Gottes hören, ein Haus in dem wir unser Leben miteinander teilen. Jesus hat nicht die Konkurrenz gepredigt sondern die Gemeinschaft, die Kooperation. Wenn wir vor dem Essen beten, besinnen wir uns gemeinsam auf Gott und bedenken miteinander, dass wir die guten Gaben ihm zu verdanken haben und bringen unsere Dankbarkeit gemeinsam zum Ausdruck. Der Apostel Paulus hat einmal gesagt, der Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes. Wenn es dann um die Tempelreinigung geht, dann können wir das auch durchaus im übertragenen Sinn verstehen. Es kommt darauf an, unser Denken zu reinigen vom Ungeist nur egoistischer Bestrebungen und zurückzufinden in den Geist, der uns zum Gebet führt. Zum Gebet, in dem wir unsere Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck bringen, für alles, was er uns geschenkt hat. Am Anfang eines jeden Gottesdienstes beten wir um uns zu sammeln, um unsere Gedanken auf Gott auszurichten, wir nennen es das Kollektengebet und am Ende eines jeden Gottesdienstes halten wir Fürbitte. Fürbitte, das heißt wir treten im Gebet für andere ein, für Notleidende, für Kranke für Verzweifelte. Die Fürbitte ist kein persönlicher Wunschzettel wie bei Amazon. Und wir beschließen unsere Fürbitte mit dem Vaterunser, dem Gebet, das wir miteinander beten und das uns vereint untereinander und mit Gott. Amen
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