Wehe, wenn der ganz normale Mensch zuschlägt

Coburger Tageblatt, 15. Februar 2016
LANDESTHEATER-PREMIERE II
Wehe, wenn der ganz normale Mensch zuschlägt
CAROLIN HERRMANN
Coburg — Zunächst einmal sind
das ganz Menschen unserer Zeit,
der gutwillige Familienvater, die
junge Mutter, der feine Yuppie.
Der amerikanische Autor Neil
LaBute lässt sie ihre Geschichten
erzählen. Als könne man noch
stringente Geschichten erzählen, mit Anfang und Ende, Ordnung und Sinn. Doch tatsächlich
wirbeln „wir alle nur durch die
Gegend“. Am Ende ist „nichts
wieder einzurenken.“ Alle drei
haben gemordet, gezielt und
sehr wohl überlegt.
Und dann ging ihr Leben weiter. Lacht der Kosmos da oben
über uns? Die junge Frau, mit 14
von ihrem Lehrer entführt in die
Liebe und dann schwanger im
gefährlichen Land zurück gelassen wie Medea von Jason, geht
am weitesten und fragt am mutigsten.
Die drei unabhängigen Szenen von „Bash – Stücke der letzten Tage“ sind von existenzieller
Wucht, nahe gehend und verstörend, weil sie die Situationen erfassen, aber keine wirkliche Erklärung geben (können). Ja. So
ist der Mensch. So sind wir. Irgendeine „Lehre“, Konsequenz
für uns werden wir schon selbst
daraus ziehen müssen. Nur welche?
Und so, mit großer Innerlichkeit, werden die Figuren auch
gespielt in der Reithallen-Produktion des Landestheaters, von
Anne Rieckhof als „die Frau“
und Thorsten Köhler als der tapfere Businessman mit Haus und
Familie. Die beiden Gelackten
auf Party-Tour in die City, Sue
(Maja Lehrer) und John (Florian
Thunemann), stellen eine andere Variante menschlicher Anmaßung über das Leben, über den
Tod, dar, den purer Willkür,
Lust und Laune, ohne die ge-
ringste Spur von Not. „Bash“
bedeutet schlagen, kritisieren.
Die von LaBute gezeigten Menschen, die Menschen an sich, haben die Macht zuzuschlagen,
über alle Vernunft und Zivilisation hinweg.
Ein Experiment
Gastregisseur Andreas Nathusius zieht in seiner engagierten
Inszenierung bewusst aus dem
herkömmlichen Rahmen heraus. Um größtmögliche Nähe
herzustellen, teilt er das Publikum in drei Gruppen, die an die
drei Spielorte in der Reithalle
geführt werden. Die Schauspieler müssen den furchtbaren
Gang durch die Geschichten drei
Mal hintereinander gehen.
Allerdings wird die Intensität
des unmittelbaren Gegenübers,
die ins gnadenlose Miterleben
zwingt, in den kleinen, nur
durch hohe Vorhänge abgehängten Kojen nicht wenig relativiert
durch die akustische Situation.
Die benachbarten Szenen drinSie haben ungeheure Geschichten zu erzählen: Florian Thuneman, Maja Lehrer, Anne Rieckhof und Thorsten gen herein, stören, erschweren
Köhler in Neil LaButes „Bash – Stücke der letzten Tage“.
Fotos: Andrea Kremper die Konzentration. Dann als Zu-
schauer in aufgewühltem Bewusstsein zwei Mal wieder hinaus geschickt zu werden ins pure
Herumstehen im Vorraum der
Reithalle, nimmt der Szenenfolge die Wucht ihrer Wirkung.
Eher krampfhaft erfolgt die Organisation der Abfolge, samt komischer Anordnungen per Lautsprecher.
Die Inszenierung ist ein interessantes Experiment, aber nicht
wirklich zweckdienlich.
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Info
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VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED
Landestheater Coburg
Bash - Stücke der letzten Tage. Schauspiel von Neil LaBute. Inszenierung und Bühnenbild: Andreas Nathusius,
Kostüme: Susanne Weiske,
Dramaturgie: Carola von Gradulewski, Darsteller: Thorsten Köhler , Frederik Leberle ,
Maja Lehrer, Anne Rieckhof.
Weitere Termine 16., 17.,
18., 29., 31. März, 20 Uhr in
der Reithalle.