128 24h-Projekt 2008 Der Rennmotor ist zusammen

Audi R8
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24h-Projekt 2008
Der Rennmotor ist zusammengesteckt, die Krümmer
sind geschweißt, und
die Kevlar-Karosserie ist kurz
vor ihrer Fertigstellung –
die Hochzeit von
Chassis und Motor steht bevor
HochzeitsLäuten
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Fotos: HERZOG
sport auto 5/2008
W
ir sind auf der Zielgeraden –
die Metamorphose des Audi
R8 vom braven Serien-Supersportler zum heißen Renngerät geht
in ihre entscheidende Phase. Und die
Zeit kennt keine Gnade: Nur noch wenige Wochen bleiben bis zum Start
des 24-Stunden-Rennens in der grünen
Hölle am 24. Mai.
Keiner weiß das genauer als Teamchef Michael Düchting, bei dem sämtliche Fäden der Projekts R8 zusammenlaufen. Das Alu-Chassis samt Fahrwerk,
Lenkung, Bremsanlage und dem auf
das Wesentliche beschränkten Innenraum samt Digitaldisplay und Schalthebel des sequenziellen Hollinger-Getriebes meldet er als bereits fertig. Was
jetzt noch fehlt, ist das Herz des Ganzen – der Motor.
Serienmäßig leistet der hoch drehende V8, der in fast identischer Form
auch im Audi RS4 zum Einsatz kommt,
420 PS bei 7800/min. Genug für den
Alltag, nicht aber für den berühmtberüchtigten Klassiker am Nürburgring. Dazu kommt eine weitere Hürde:
Um die Leichtigkeit des Alu-R8 zu nutzen, soll das Auto in der Klasse SP7 an
den Start gehen. Hier müssen die
Autos mindestens 1250 Kilo auf die
Waage bringen, dürfen aber auch maximal vier Liter Hubraum haben.
Ein Limit, das der Mittelmotorrenner serienmäßig um exakt 163 Kubikzentimeter überschreitet. Mit 4,2 Liter
Hubraum müsste er in der Klasse SP8
starten, die 1300 Kilo Mindesgewicht
erfordert, aber eben auch gewaltige
6,5 Liter Hubraum zulässt.
Runter auf vier Liter, so Düchtings
Erkenntnis, sollte mit Sicherheit zielführender sein. Dazu muss das Originaltriebwerk allerdings nach allen
Regeln der klassischen Tuningkunst für
den Renneinsatz optimiert werden.
Wer wäre dazu besser geeignet als
Lehmann Motorentechnik? Der Liechtensteiner Motorenpapst genießt in
der Branche einen exzellenten Ruf,
speziell dann, wenn es um Produkte
aus dem Volkswagenkonzern geht.
„Der R8-Motor ist zwar komplex auf-
Motorenpapst Heinz Lehmann
(rechts) kümmert sich um das
stark modifizierte Innenleben
des Vier-Liter-V8, der nach seiner
Fertigstellung rund 530 PS leisten
wird. Bis auf die Saugrohreinspritzung und das Krümmer-Gewürm
entspricht der Achtzylinder äußerlich weit gehend der Serie. Die
extrem dünnwandigen InconelKrümmer sind eine Spezialanfertigung von Eisenmann
Die Anbauteile der auf zwei Meter
Breite angewachsenen KevlarKarosserie wiegen weniger als 60
Kilogramm. Vom Serien-R8 bleiben
nur noch die Türen und das Dach.
Design-Künstler und Handwerker
in Personalunion: Norbert Weber
(rechts), Chef von Light Weight
gebaut“, so Heinz Lehmann, „im Grunde
genommen aber nichts anderes als zwei
Zwei-Liter-Vierzylinder im 90-Grad-Winkelversatz.“ Und die sind genau sein Metier, gibt es doch kaum eine Rennserie bis
hin zur Rallye-WM, wo nicht auf die Künste von Lehmanns Truppe zurückgegriffen
wird.
Um die Kosten für das Triebwerk in
Grenzen zu halten, sollte der V8 möglichst
seriennah aufgebaut werden, was so ganz
nebenbei der Standfestigkeit zugute kommen soll – bei einem 24-Stunden-Rennen
die Grundbedingung für den Erfolg. Der
feine Alu-Block bleibt demnach unverändert, nicht jedoch die Kurbelwelle. Die
muss einem aus dem Vollen gefrästen 180Grad-Pendant des italienischen Herstellers
Omesa weichen, welches den Serienhub
von 92,8 Millimeter auf jetzt 89 Millimeter
reduziert. Die Bohrung der zusätzlich mit
Nikasil beschichteten Serienzylinder bleibt
mit 84,5 Millimeter auf Originalmaß, die
neuen Kolben stammen von Mahle.
So gerüstet liegt der Hubraum bei reglementgerechten 3988 cm3. Die Leistung
wird jetzt mit rund 530 PS bei gleicher
Nenndrehzahl – 7800/min – angegeben.
Das maximale Drehmoment beträgt satte
480 Newtonmeter bei 7000/min.
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Selbstredend wurden dazu
alle Kanäle ein- und auslassseitig geglättet und poliert, dazu
der Ventiltrieb von Hydraulik
auf die im Rennbetrieb bewährte Mechanik umgestellt.
Die Ventile bleiben serienmäßig, hingegen ersetzen spezielle Sportnockenwellen von
Schleicher die Originalteile
von Audi. Last but not least
kommt ein modifizierter Trockensumpf zum Einsatz, der
die Ölmenge auf ausreichende
sieben bis acht Liter reduziert.
Auch beim Einspritzsystem setzt Lehmann auf das, was er bestens kennt: Einzeldrosselklappen ersetzen das voluminöse
Serienteil mit seinen Ladungsbewegungsklappen, welches pro Zylinderbank nur
eine Drossel trägt.
Jetzt also findet die Atemluft ihren
Weg über acht Alu-Trichter und eine spezielle Airbox in die Brennräume. Die Saugrohr-Einspritzung wird mittels einer MS4Sport-Motronic von Bosch gesteuert. Der
Grund, warum die modernere Direkteinspritzung des Serientriebwerks ersetzt
wurde, ist finanzieller Natur. „Um auf die
Effizienz der Saugrohr-Version zu kom-
men, wären neue Einspritzdüsen zu einem
sündhaften Preis fällig“, erklärt Lehmann,
der seit nunmehr 25 Jahren Rennmotorentuning betreibt. Halbheiten sind nicht sein
Ding. Sein Credo lautet: Es wird das gemacht, was mit einfachsten Mitteln zum
Erfolg führt.
Ähnlich denkt auch Rolf Eisenmann. Er
kümmert sich seit 1988 um die Entwicklung hochwertiger Edelstahlabgasanlagen
und betrachtet auch noch so schwierige
Probleme auf dem Gebiet als persönliche
Herausforderung. Dass der quirlige Schwabe
aus Hemmingen bei Stuttgart dem R8-Projekt sofort seine Zusage gab, überrascht
genauso wenig wie die Präzision der von
sport auto 5/2008
Eisenmann Exhaust Systems gebauten
Teile. So sind die beiden Krümmer des
Achtzylinders schon optisch ein Gedicht:
Feinstens verschweißt winden sich die Einzelrohre auf scheinbar verschlungenen
Pfaden zu einem Knotenpunkt.
Das Ganze hat natürlich System. Die
Rohrlängen sind exakt auf die Gassäulen
bei Nennleistung abgestimmt. Die beiden
Krümmer wurden übrigens nicht aus profanem Edelstahl gefertigt, sondern aus
hochtemperaturfestem Inconel.
Bei Wandstärken von gerade einem
Millimeter verkraftet der auch in der Formel 1 zum Einsatz kommende, ultrateure
Hightech-Werkstoff Temperaturen bis zu
1350 Grad Celsius. „Damit sind wir thermisch auf der sicheren Seite“, sagt Eisenmann, der natürlich auch für den übrigen
Teil der Abgasanlage verantwortlich
zeichnet.
Über je einen ungeregelten Kat pro
Zylinderbank finden die Abgase schließlich
ihren Weg über zwei Edelstahldämpfer ins
Freie. Dabei verzichtet Eisenmann selbstredend auf die dämpfende Wirkung von
schnell zerblasener Stahlwolle, schließlich
fordert das Reglement einen GeräuschHöchstwert von dauerhaft 98 dB(A).
Das wird während der 24 Stunden über
drei Mikrofone an der Strecke peinlichst
genau überwacht. Wer zu laut ist, wird
disqualifiziert. Aber Eisenmann verspricht:
„Der Renn-R8 wird kein langweiliger Leisetreter sein, sondern mit standesgemäßem, sattem V8-Sound unverwechselbaren
Ohrenschmaus bieten.“
So oder so wird der sport auto-R8 am
Ring für Furore sorgen – schon auf Grund
seiner atemberaubenden Figur. Der Renner wird selbstredend als R8 erkennbar
bleiben, allerdings als einer mit geschärften Gesichtszügen und gestähltem Body.
Dafür zeichnet Norbert Weber mit seiner Firma Light Weight im Eifelstädtchen
Mendig verantwortlich. Als Spezialist für
Carbon-Karosserieteile ist das Projekt für
ihn insofern eine Herausforderung, als die
neue Karosserie kein Einzelstück bleiben
soll. Eine optisch reduzierte Straßenversion ist bereits in Planung.
Der 1,80 Meter breite Heckflügel wird
allerdings der Rennversion vorbehalten
bleiben und dort für den notwendigen
Abtrieb sorgen. Gemäß des neuen Reglements schließt er direkt mit dem Heck ab,
in dem riesige Öffnungen die Luft entweichen lassen, welche zuvor durch die seitlichen, sich hinter den Serientüren auftuenden Schächte zur Kühlung in den Motorraum geführt wurde. In der Mitte, wo
normalerweise beim R8 das Kennzeichen
sitzt, münden die beiden fetten Endrohre
der Auspuffanlage. Das Heckteil geht
schließlich in Form einer imposanten, mit
Kühllamellen bestückten Motorhaube fließend in die serienmäßige Dachhaut über.
Die Atemluft des Motors gelangt übrigens über neue, hinter den Seitenscheiben
angebrachte Schächte in die gänzlich neu
konstruierte Airbox. Zwei zusätzliche kleine Schächte am Schweller versorgen die
hinteren Bremsen mit Kühlluft.
Auch vorn pflegt der R8 mit einer Breite von rund zwei Metern und dem riesigen
Maul, hinter dem die Kühler liegen, einen
auch für Rennverhältnisse sehr markanten
Auftritt. Tief heruntergezogen schwebt
die Carbonhaut nur wenige Zentimeter
über dem Asphalt. Die originalen Lufteinlässe unter den Scheinwerfern sind hier
nur optischer Blickfang und bleiben geschlossen. Das verbessert die Aerodynamik
und bringt mehr Endgeschwindigkeit.
Bevor das Unikat endlich rollen darf,
stehen aber noch ausgiebige Windkanalversuche mit den insgesamt nur rund 60
Kilogramm wiegenden Karosserie-Komponenten auf dem Programm.
Schließlich soll der sport auto-R8 mit
sattem Abtrieb am Boden bleiben, und das
– die Renngötter mögen gnädig sein – 24
Stunden lang.
Bernd Weiser
Die typischen Designmerkmale des
Audi R8 mussten zwingend erhalten
bleiben. Die Luftschächte unterhalb
der Scheinwerfer sind aber aus
aerodynamischen Gründen nur
noch angedeutet. Dafür dienen in
der Flanke drei Schächte der Luftzuführung
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