Deutschland Mitbewerber aus der traditionell orientierten Landtagsfraktion durch. Ihr Kollege in Hessen, Alexander Lorz, gehört dem liberalen Flügel seiner Partei an. Die Sächsin Brunhild Kurth war lange parteilos, erst als Ministerin trat sie in die CDU ein. Damit gehört die Bildung zu den Themen, bei denen sich die CDU zur politiBundesländer Die Union entschen Mitte geöffnet hat – genau wie bei deckt die Schulpolitik wieder für der Wehrpflicht, der Atomkraft oder der Flüchtlingspolitik. Nur ist der Schwenk im sich – doch konservative unübersichtlichen föderalen System weitKernanliegen vertreten die CDU- hin unbemerkt geblieben. Kultusminister kaum noch. Gut sichtbar ist er im Südwesten: Das Stuttgarter Kultusministerium besetzten usanne Eisenmann hat ein Organi- einst Haudegen wie Gerhard Mayer-Vorgramm vor sich auf dem Konferenz- felder, Roman Herzog oder Annette Schatisch ausgebreitet. Wer für was zu- van. Der Erstere wollte Schüler noch mit ständig ist an ihrer Arbeitsstelle, das muss allen drei Strophen des Deutschlandliedes die neue Chefin erst noch ergründen. vertraut machen. Eleven, die Turnschuhe Einige Umzugskartons sind in ihrem al- trugen, sollten nach seinem Willen nicht ten Büro im Stuttgarter Rathaus geblieben. am Abitur teilnehmen dürfen. Schavan Fürs Erste hat sie ein rosa Glücksschwein kämpfte dagegen, dass Lehrerinnen mit aus Plüsch mitgebracht sowie eine Mini- Kopftuch unterrichten dürfen. kopie des WM-Pokals – als BürgermeisteAuf die Zeiten der ideologischen Konrin der Landeshauptstadt war Eisenmann flikte folgte aufseiten der CDU eine Phase 2006 für die WM-Organisation am Spielort des Desinteresses: Lange Jahre betrachteStuttgart mit zuständig. ten die Parteistrategen das Kultusministelhre neue Aufgabe verspricht wenig Fei- rium als Ressort, das Ärger einbringt – mit erlaune und verlangt politische Fortune: Lehrern, Eltern oder Beamtenlobbyisten. Seit wenigen Tagen ist Eisenmann, 51, KulIn der Landespolitik galt das Diktum des tusministerin der grün-schwarzen Koali- in Niederlagen kundigen ehemaligen SPDtion in Baden-Württemberg. „Die CDU Fraktionsvorsitzenden in Bayern, Franz darf sich Bildungspolitik durchaus zutrau- Maget: „Mit Bildungspolitik kannst du keien“, sagt sie. Und sie glaube, dass „Schule sich auch an den gesellschaftlichen Veränderungen orientieren muss“. Die Kommunalpolitikerin steht für einen Trend in ihrer Partei: Nach Jahren der Indifferenz interessieren sich die Christdemokraten in den Bundesländern wieder für die Bildungsressorts. Da auch in Sachsen-Anhalt ein CDU-Mann einen SPDVorgänger ablöste, stellt die Union bundesweit fünf Kultusminister. So viel schwarze Pädagogik war seit Jahren nicht – noch 2013 stand der Bayer Ludwig Spaenle als einziger Unionskultusminister einer Phalanx von roten und grünen Kollegen gegenüber. Doch konservative Kernanliegen vertritt die neue Riege kaum noch. Statt im Klassenzimmer das Abendland retten zu wollen, agiert sie weithin pragmatisch. Eisenmann setzte sich gegen S * Beim Startschuss zu einem Marathonlauf in Stuttgart 2011. 44 DER SPIEGEL 22/ 2016 PRESSEFOTO BAUMANN / IMAGO Schwarze Pädagogik ne Wahlen gewinnen“, so Maget. „Aber inzwischen kann man sie damit verlieren.“ Diesem Grundsatz scheint die CDU nun nicht mehr zu folgen. So wichtig ist ihr in Baden-Württemberg die Schulpolitik, dass sie den Grünen lieber das Finanzministerium überließ, welches über die Budgets aller Ressorts wacht. Als der stellvertretende Regierungschef und CDU-Verhandlungsführer Thomas Strobl Mitte Mai seine Minister vorstellte, rief er als Erste die Stuttgarterin Eisenmann auf. Er lobte ihre politische Erfahrung als Vorgesetzte von 2000 Mitarbeitern. Dann sagte er: „Auf der CDU-Seite ist sie jemand, der für die großen Städte im Land stehen soll.“ Strobls Sätze erklären die strategischen Überlegungen hinter dem neuen Interesse an der Schulpolitik. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg musste die Union durch ihr schlechtes Abschneiden schmerzlich erfahren, dass sie den Kontakt zur Lebenswelt urbaner Familien verloren hat. „Die CDU hat derzeit ein Problem, ihre Wähler in den Städten zu erreichen“, diagnostiziert Eisenmann. Nicht nur deshalb weigert sich die neue Kultusministerin, die von Grün-Rot in Baden-Württemberg eingeführten Gemeinschaftsschulen zu verdammen. Sie sind eine Form von Gesamtschulen, die auch zum Abitur führen können. Einigen Parteifreunden gelten Gemeinschaftsschulen als Hort linker Gleichmacherei. Eisenmann argumentiert, es gebe eine „gewisse Nachfrage“, vor allem weil Eltern ihren Kindern die Hauptschule ersparen wollten. Auch setzt sich die Ministerin dafür ein, Ganztagsschulen auszubauen. Viele Frauen wollten arbeiten, so Eisenmann, und bei einer heterogenen Schülerschaft biete die Schulform Chancen. Es sei ihr Ziel, „den Bildungserfolg stärker von der sozialen Herkunft zu entkoppeln“ – ein Satz, den sonst eher Sozialdemokraten formulieren. „Mit Bildungspolitik kann man durchaus Wahlen gewinnen“, sagt Eisenmann. Einige Parteifreunde warnen allerdings davor, Stammwähler zu verprellen. Sie sehen das Schicksal des SPD-Kultusministers Andreas Stoch als warnendes Beispiel. Der Jurist machte eine über Parteigrenzen respektierte Bildungspolitik – und doch holten die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl das schlechteste Ergebnis aller Unionspolitikerin Eisenmann*: „Die CDU darf sich Bildungspolitik zutrauen“ Jan Friedmann Zeiten.
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