Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.03.2015 Seite: Ressort: Seitentitel: 20 Wirtschaft Unternehmen Gattung: Nummer: Auflage: Serientitel: Ausgabe: Menschen und Wirtschaft Hauptausgabe Reichweite: Tageszeitung 64 356.208 (gedruckt) 305.257 (verkauft) 320.864 (verbreitet) 0,76 (in Mio.) MENSCHEN & WIRTSCHAFT Irans Mann für alle Fälle Botschafter Ali Majedi will von Berlin aus vor allem der Wirtschaft seines Landes dienen - genug Erfahrung hat er Wenige ausländische Botschafter in Berlin haben einen so klar auf die Wirtschaft ausgerichteten Werdegang wie Ali Majedi. Bevor er im vergangenen Oktober seinen Posten als Botschafter Irans angetreten hat, hatte er jeweils acht Jahre als stellvertretender Minister (in den Ressorts Wirtschaft und Finanzen, Öl und Gas sowie Auswärtiges), als Botschafter (in Brasilien und Japan) sowie in der Privatwirtschaft gearbeitet. Zuvor hatte der am 1. November 1946 in Teheran geborene Majedi nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in seiner Heimatstadt bei der iranischen Zentralbank erste Berufserfahrungen gesammelt. Mit der Wahl von Mahmud Ahmadineschad war der als pragmatische Reformer geltende Majedi 2005 aus dem Staatsdienst ausgeschieden; dessen Nachfolger Hasan Rohani holte ihn zurück. Majedi hat in Berlin viel vor. Sein Ziel ist, im bilateralen Handel, der zu mehr als 90 Prozent aus deutschen Exporten besteht, wieder das Niveau aus der Zeit vor den Sanktionen zu erreichen. 2014 war er als Folge des "Joint Action Plan" vom 24. November 2013 bereits um 33 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro gestiegen. In diesem Dokument hatten sich die "Sechsergruppe", also die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und Deutschland, sowie Iran auf konsekutiv erfolgende Schritte für eine Lösung des Konflikts über das iranische Atomprogramm und für die Aufhebung einiger Sanktionen geeinigt. In diesem Jahr erwartet Majedi ein Handelsvolumen von mehr als 4 Milliarden Euro, 2016 von 6 Milliarden Euro - also wie vor den Sanktionen. "Nach fünf Monaten in Deutschland habe ich ein gutes Gefühl", sagt Majedi. "Die Atmosphäre verbessert sich." Er selbst trägt dazu mit seiner sachlichen und zielorientierten Art maßgeblich bei. "Noch sind wir nicht bei normalen Geschäftsbeziehungen angekommen", gibt er zu bedenken. So erlaube der "Joint Action Plan" zwar die Lieferung von humanitären Gütern, Arzneimitteln und medizinischem Gerät. Banken aber zierten sich, die Überweisungen vorzunehmen. Das hat er in Berlin mit dem Außen- und dem Finanzministerium besprochen, auch mit einer Bank. "Jetzt gibt es da gute Signale." Überzeugt ist Majedi, dass der "takeoff" der iranischen Wirtschaft einsetzt, wenn am 31. März in Genf mit der Bekanntgabe einer Rahmenvereinbarung für ein Atomabkommen auch die Aufhebung von Sanktionen bekanntgegeben wird; welche es sein werden, wird noch verhandelt. In den ersten 18 Monaten der Regierung Rohani wächst die Wirtschaft wieder um 1,5 Prozent, nachdem sie zuvor um 6 Prozent geschrumpft war. Die Inflation hat sich auf unter 20 Prozent mehr als halbiert, und die Währung ist stabil. Majedi kümmert sich mit den iranischen Unternehmen um Lösungen, damit deutsche Firmen die Anlagen und Maschinen, die sie einst geliefert haben, ersetzen. Zunächst konzentriert er sich auf drei Gebiete: Öl, Gas und Petrochemie, Luftfahrt, erneuerbare Energie. So ist er der offizielle Vertreter des Ministeriums für Öl und Gas in Europa. Er will nicht nur neue Händler für iranisches Öl finden, sondern auch Unternehmen, die in den Ausbau der Öl- und Gasindustrie investieren und dabei beispielsweise die Diversifizierung der Gasbezüge Europas im Blick haben. Die erste LNG-Anlage Irans ist zu 70 Pro- zent fertiggestellt. Jetzt werden Komponenten benötigt, die in Deutschland bestellt worden sind, wegen der Sanktionen aber nicht geliefert werden. Majedi kennt dieses Projekt und alle anderen. Denn bevor er nach Berlin kam, war er in Teheran stellvertretender Minister für Öl und Gas. Die Luftfahrt ist sein zweiter Schwerpunkt. Denn Iran muss mehr als 80 Prozent seiner Flugzeugflotte ersetzen und etwa hundert neue Flugzeuge kaufen. Zudem führt er Gespräche mit deutschen Unternehmen und dem Umweltministerium, um sie für Iran als Markt für erneuerbare Energien zu interessieren. Majedi hat aber noch viel mehr vor: etwa das duale Bildungssystem nach Iran bringen sowie kleine und mittelständische Unternehmen für Iran gewinnen, etwa als Hersteller für Kfz-Teile. Er will daran anknüpfen, was er von 1999 bis 2004 als Botschafter in Japan geleistet hat. Damals brachte er Zulieferer von Nissan dazu, in Iran zu produzieren, sodass der Anteil der lokal hergestellten Komponenten der iranischen Renaults auf über 50 Prozent stieg. Zudem fädelte er ein, dass Japan das Ölfeld Azadegan erschließt. Das scheiterte aber 2004 an einem Einspruch aus Washington. Nun in Berlin hat er ein gutes Gefühl. Irans Firmen wollen mit Deutschland zusammenarbeiten. Andererseits ist im vergangenen Jahr die Zahl der iranischen Tourismus- und Geschäftsvisa für deutsche Staatsbürger um 50 Prozent auf 30000 gestiegen. "Beide Seiten kennen sich ja gut", sagt Majedi. RAINER HERMANN Abbildung: Abbildung: Wörter: © 2015 PMG Presse-Monitor GmbH Ali Majedi Foto Matthias Lüdecke 706
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