Irans Mann für alle Fälle

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.03.2015
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20
Wirtschaft
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Menschen und Wirtschaft
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Tageszeitung
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MENSCHEN & WIRTSCHAFT
Irans Mann für alle Fälle
Botschafter Ali Majedi will von Berlin aus vor allem der Wirtschaft seines Landes dienen - genug
Erfahrung hat er
Wenige ausländische Botschafter in
Berlin haben einen so klar auf die Wirtschaft ausgerichteten Werdegang wie
Ali Majedi. Bevor er im vergangenen
Oktober seinen Posten als Botschafter
Irans angetreten hat, hatte er jeweils
acht Jahre als stellvertretender Minister
(in den Ressorts Wirtschaft und Finanzen, Öl und Gas sowie Auswärtiges), als
Botschafter (in Brasilien und Japan)
sowie in der Privatwirtschaft gearbeitet.
Zuvor hatte der am 1. November 1946
in Teheran geborene Majedi nach dem
Studium der Volkswirtschaftslehre in
seiner Heimatstadt bei der iranischen
Zentralbank erste Berufserfahrungen
gesammelt. Mit der Wahl von Mahmud
Ahmadineschad war der als pragmatische Reformer geltende Majedi 2005
aus dem Staatsdienst ausgeschieden;
dessen Nachfolger Hasan Rohani holte
ihn zurück.
Majedi hat in Berlin viel vor. Sein Ziel
ist, im bilateralen Handel, der zu mehr
als 90 Prozent aus deutschen Exporten
besteht, wieder das Niveau aus der Zeit
vor den Sanktionen zu erreichen. 2014
war er als Folge des "Joint Action Plan"
vom 24. November 2013 bereits um 33
Prozent auf 2,7 Milliarden Euro gestiegen. In diesem Dokument hatten sich
die "Sechsergruppe", also die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat
und Deutschland, sowie Iran auf konsekutiv erfolgende Schritte für eine
Lösung des Konflikts über das iranische
Atomprogramm und für die Aufhebung
einiger Sanktionen geeinigt. In diesem
Jahr erwartet Majedi ein Handelsvolumen von mehr als 4 Milliarden Euro,
2016 von 6 Milliarden Euro - also wie
vor den Sanktionen.
"Nach fünf Monaten in Deutschland
habe ich ein gutes Gefühl", sagt Majedi.
"Die Atmosphäre verbessert sich." Er
selbst trägt dazu mit seiner sachlichen
und zielorientierten Art maßgeblich bei.
"Noch sind wir nicht bei normalen
Geschäftsbeziehungen angekommen",
gibt er zu bedenken. So erlaube der
"Joint Action Plan" zwar die Lieferung
von humanitären Gütern, Arzneimitteln
und medizinischem Gerät. Banken aber
zierten sich, die Überweisungen vorzunehmen. Das hat er in Berlin mit dem
Außen- und dem Finanzministerium
besprochen, auch mit einer Bank. "Jetzt
gibt es da gute Signale."
Überzeugt ist Majedi, dass der "takeoff" der iranischen Wirtschaft einsetzt,
wenn am 31. März in Genf mit der
Bekanntgabe einer Rahmenvereinbarung für ein Atomabkommen auch die
Aufhebung von Sanktionen bekanntgegeben wird; welche es sein werden, wird
noch verhandelt. In den ersten 18 Monaten der Regierung Rohani wächst die
Wirtschaft wieder um 1,5 Prozent, nachdem sie zuvor um 6 Prozent
geschrumpft war. Die Inflation hat sich
auf unter 20 Prozent mehr als halbiert,
und die Währung ist stabil.
Majedi kümmert sich mit den iranischen Unternehmen um Lösungen,
damit deutsche Firmen die Anlagen und
Maschinen, die sie einst geliefert haben,
ersetzen. Zunächst konzentriert er sich
auf drei Gebiete: Öl, Gas und Petrochemie, Luftfahrt, erneuerbare Energie. So
ist er der offizielle Vertreter des Ministeriums für Öl und Gas in Europa. Er
will nicht nur neue Händler für iranisches Öl finden, sondern auch Unternehmen, die in den Ausbau der Öl- und
Gasindustrie investieren und dabei beispielsweise die Diversifizierung der
Gasbezüge Europas im Blick haben. Die
erste LNG-Anlage Irans ist zu 70 Pro-
zent fertiggestellt. Jetzt werden Komponenten benötigt, die in Deutschland
bestellt worden sind, wegen der Sanktionen aber nicht geliefert werden. Majedi
kennt dieses Projekt und alle anderen.
Denn bevor er nach Berlin kam, war er
in Teheran stellvertretender Minister für
Öl und Gas.
Die Luftfahrt ist sein zweiter Schwerpunkt. Denn Iran muss mehr als 80 Prozent seiner Flugzeugflotte ersetzen und
etwa hundert neue Flugzeuge kaufen.
Zudem führt er Gespräche mit deutschen Unternehmen und dem Umweltministerium, um sie für Iran als Markt
für erneuerbare Energien zu interessieren. Majedi hat aber noch viel mehr vor:
etwa das duale Bildungssystem nach
Iran bringen sowie kleine und mittelständische Unternehmen für Iran gewinnen, etwa als Hersteller für Kfz-Teile.
Er will daran anknüpfen, was er von
1999 bis 2004 als Botschafter in Japan
geleistet hat. Damals brachte er Zulieferer von Nissan dazu, in Iran zu produzieren, sodass der Anteil der lokal hergestellten Komponenten der iranischen
Renaults auf über 50 Prozent stieg.
Zudem fädelte er ein, dass Japan das
Ölfeld Azadegan erschließt. Das scheiterte aber 2004 an einem Einspruch aus
Washington. Nun in Berlin hat er ein
gutes Gefühl. Irans Firmen wollen mit
Deutschland zusammenarbeiten. Andererseits ist im vergangenen Jahr die Zahl
der iranischen Tourismus- und
Geschäftsvisa für deutsche Staatsbürger
um 50 Prozent auf 30000 gestiegen.
"Beide Seiten kennen sich ja gut", sagt
Majedi.
RAINER HERMANN
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Ali Majedi
Foto Matthias Lüdecke
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