Aktuelle Themen und interessante Fälle aus der Pharmakovigilanz

Fortbildungsveranstaltung der AkdÄ am 7. November 2015
Sächsische Landesärztekammer, Dresden
Aktuelle Themen und interessante Fälle aus der
Pharmakovigilanz
Dr. med. Thomas Stammschulte
Interessenkonflikte
 Referent für Pharmakovigilanz bei der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin,
International Society of Pharmacovigilance (ISoP)
 Tätigkeit in der Testberatung bei der Berliner Aidshilfe e.V.
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Inhalt
 Pharmakovigilanz:
Hintergrund & Beispiele
 Europäische Arzneimittel-Agentur: PRAC
 Medikationsfehler
 Informationen zur Arzneimittelsicherheit
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Pharmakovigilanz: Definition (WHO) und Ziel
= Maßnahmen zur Entdeckung, Erfassung, Bewertung und
Vorbeugung von Nebenwirkungen sowie anderen arzneimitteltherapiebezogenen Problemen, die bei der Anwendung von Arzneimitteln auftreten.
 Pharmakovigilanz soll sicherstellen, dass die verfügbaren
Arzneimittel ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil aufweisen.
Nebenwirkungen von Arzneimitteln
− Ursache für 5 % der Krankenhausaufnahmen
− ca. 200.000 Todesfälle pro Jahr in der EU
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Beteiligte am europäischen Pharmakovigilanzsystem
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Offene Fragen zur Sicherheit eines Arzneimittels
bei Marktzulassung
 seltene und sehr seltene Nebenwirkungen (< 0,1 %)
 Langzeitanwendung / Spätfolgen
 spezielle Patientengruppen
(z. B. Kinder, Schwangere, Ältere, multimorbide Patienten)
 Wechselwirkungen
 nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch / Off-Label-Use
 Anwendung unter Alltagsbedingungen
 Monitoring
 Überwachung der Sicherheit nach Markteinführung
Folie 6
Number of patients studied prior to approval of new
medicines (Duijnhoven et al. 2013)
Folie 7
200 new molecular entities 2000–2010,
including 39 orphan drugs
Wie viele Patienten werden benötigt um UAW
zuverlässig zu entdecken?
Inzidenz der UAW
≥1 : 10
≥1 : 100 < 1 : 10
≥1 : 1000 < 1 : 100
≥1 : 10.000 < 1 : 1000
Zahl der exponierten Patienten
(sehr häufig)
30
(häufig)
300
(gelegentlich)
3.000
(selten)
30.000
 seltene undsehr seltene UAW werden nicht entdeckt
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Folie 9
Seltene /sehr seltene UAW: Beispiel SGLT2-Inhibitoren
Risikobewertungsfahren der EMA zu Ketoazidosen
Folie 10
UAW nach Langzeitanwendung: Beispiel Olmesartan
Folie 11
Deutsches Ärzteblatt vom 2. September 2013
Metamizol: Ambulante Verordnungen (GKV) und
Fallmeldungen von Agranulozytosen
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Folie 12
Verordnungen [Mio DDD]
Fallmeldungen Agranulozytose
Spontanberichte über Metamizol-assoziierte Agranulozytose:
Indikationen (Auswertung von 161 AkdÄ-Fällen)
Indikation (nach Fachinformation)
akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen
Kolik
Tumorschmerzen
Folie 13
Fälle
55 (34,2 %)
–
5 (3,1 %)
sonstige akute oder chronische starke Schmerzen, soweit
andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind
23 (14,3 %)
hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht
5 (3,1 %)
Off-Label-Use
40 (24,8 %)
unklar
33 (20,5 %)
Anwendung unter Alltagsbedingungen:
Beispiel Vitamin-K-Prophylaxe
Folie 14
Beispielfall Fumaderm® / Lymphopenie
Differenzialblutbild:
Auszug Fachinfo 2011:
Folie 15
Leukozyten 14.200 /µl
Lymphozyten
630 /µl (1320–3570)
T4-Helferzellen 24 /µl (435–1600)
Monitoring: Drug Safety Mail vom 30.03.2015 zu Metformin
Folie 16
Spontanmeldesystem: Frühwarnsystem
zur Erkennung von Arzneimittelrisiken
Systematische Erfassung und Bewertung von Verdachtsfällen
unerwünschter Arzneimittelwirkungen, die von Ärzten, Apothekern oder Patienten „spontan“ (= außerhalb von Studien)
gemeldet werden:
 Entdeckung bislang unbekannter und seltener Reaktionen
 Entdeckung von UAW neuer Arzneimittel
 ständige Überwachung bekannter Arzneimittel
 Generierung von „Signalen“:
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Ausgangspunkt weiterer Untersuchungen
Was sollte gemeldet werden?
Folie 18
Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2010;
1 (4): 18-26.
AkdÄ: Vorgehen bei der Bewertung von Spontanmeldungen
Einzelfall
Expertenbewertung
Signal
Folie 19
Maßnahmen
ärztliche Referenten
UAW-Besprechung
Fachmitglieder
UAW-Ausschuss
Weiterleitung und Austausch von Spontanberichten
(jeweils ohne Weitergabe von Daten zum Meldenden)
Ärzte
Hersteller
Paul-Ehrlich-Institut
WHO Database
Folie 20
PRAC: Abgeschlossene Risikobewertungsverfahren
Juli 2012 bis Dezember 2013 (referrals)
Folie 21
Arlett et al.,Nature Reviews Drug Discovery 13, 395–397 (2014)
Folie 22
TORCH investigators, N Engl J Med 2007; 356:775-789
Folie 23
Werbung für Fusafungin-haltiges Arzneimittel im Internet
Folie 24
Zusammenfassung
• Pharmakovigilanz trägt dazu bei, dass die verfügbaren
Arzneimittel ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil haben
• Spontanmeldungen durch Ärzte und Apotheker sind ein
unverzichtbarer Bestandteil von Pharmakovigilanz
• zukünftig soll auch die Meldung von Medikationsfehlern
zur Verbesserung der Patientensicherheit beitragen
• praxisrelevante Informationen zur Arzneimittelsicherheit
durch AkdÄ sowie andere nationale und internationale
Institutionen
Folie 25
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
www.akdae.de
[email protected]
Folie 26
Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC):
Risikobewertungsverfahren
Bericht PRAC-Rapporteur
PRAC
nur nationale
Zulassungen
Empfehlung
mindestens eine
zentrale Zulassung
Abweichende Stellungnahmen
CHMP
CMDh
Konsens
Umsetzung in
Mitgliedstaaten
kein Konsens
Europäische
Kommission
Durchführungsbeschluss
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CHMP: Committee for Medicinal Products for Human Use
CMDh: Co-ordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – Human
Zusätzliche Informationsquelle:
Educational Material / Schulungsmaterialien
= ergänzende Information für die sichere Anwendung eines
Arzneimittels, die zusätzlich zur Fach- und Gebrauchsinformation für bestimmte Arzneimittel zur Verfügung
gestellt werden muss.
Tabelle mit Wirkstoffe und Warenzeichen
 www.bfarm.de
Folie 29
Informationen zu Nebenwirkungen:
Datenbanken mit Spontanmeldungen
http://nebenwirkung.bfarm.de/
www.pei.de
http://www.adrreports.eu/
http://www.vigiaccess.org/
Folie 30
Publikationen der AkdÄ zur Arzneimittelsicherheit
Folie 31
Anzahl von Nebenwirkungsmeldungen über 10 Jahre in
verschiedenen Ländern
Folie 32
Aagaard et al., Drug Saf 2012; 35 (12): 1171-1182
PRAC recommendations on safety signals:
Beispiele Onkologie (http://www.ema.europa.eu/)
Update of product
information
recommended by
PRAC
INN
Signal
Androgen
deprivation
therapy (ADT)
QT interval prolongation due to long-term use
Yes
Brentuximab
Vedotin
Interstitial lung disease, pulmonary alveolar haemorrhage, pulmonary toxicity
Yes
Docetaxel
Serious and fatal interactions involving CYP3A4 inh. (grapefruit, dronedarone)
Yes
Enzalutamide
Myalgia
Yes
Erlotinib
Palmar-plantar erythrodysaesthesia syndrome (PPES)
Yes
Filgrastim,
Pegfilgrastim
Systemic capillary leak syndrome (SCLS) and cytokine release syndrome (CRS)
Yes
Goserelin
Long duration flushing and hyperhidrosis
Yes
Imatinib
Decreased estimated glomerular filtration rate (eGFR)
Yes
Lenograstim
(Systemic) capillary leak syndrome (CLS)
Yes
Leuprorelin for
injection
Medication error – wrong technique in drug usage process
Yes
Temozolomide
Hepatic Failure
Yes
Trabectedin
Capillary leak syndrome
Yes
Folie 33