Foto: H. Hess Ernteschock und Verbiss Volle Silos, leere Mägen Die Ernte in Bayern ist abgeschlossen. Die Felder sind geräumt. Doch was den Bauern freut, wird unserem Wild zum Verhängnis. Denn über Nacht ist sozusagen die Speisekammer leer. Das heißt für die Rehe auf den Feldern beginnt die Notzeit. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Wald. Ein hausgemachtes Problem, sagt Hartmut Dauner, Regierungsjagdberater von Schwaben. Hartmut Dauner weiß, wovon er spricht, immerhin betreut der Agraringenieur und Forstmann fast 8.000 Hektar Jagdfläche in Schwaben, für die Fuggerschen Stiftungen, die Stadt Augsburg und einige Eigenjagdbesitzer. 20 bis 25 Prozent der Flächen sind Ackerland, der Rest ist Wald. Auf 40 Prozent der Ackerfläche steht Mais, meistens Biogas-Mais. Für die Rehe, die ihren Lebensraum in der Feldflur haben, wird das zum Riesenproblem. Denn innerhalb weniger Tage sind die Felder abgeerntet, Deckung und Äsung verschwunden. „Land- und Forstwirtschaft haben sich völlig verändert. Die Wälder sind wildfreundlicher geworden, auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen aber findet das Wild über Monate keinen Lebensraum mehr.“ Auf der Fahrt durchs Revier zeigt Hartmut Dauner, dass es kaum noch kleinräumige Strukturen gibt, keine Feldraine, Hecken und Baumgruppen. Das Grünland 16 10/2015 Für Hartmut Dauner bedeutet der Ernteschock Notzeit fürs Rehwild. wurde, wann immer es nur möglich war, umgebrochen und die noch verbliebenen Grünlandflächen werden begüllt. Dann rücken die riesigen Erntemaschinen an und rund um die Uhr wird gemäht, gedroschen und gehäckselt. Sicher liefert ein Feld nach der Ernte immer noch einen reich gedeckten Tisch, doch auch den kann das Wild in der Regel nicht lange nutzen, denn unmittelbar nach der Ernte rücken die Bodenbearbeitungsgeräte an und ausgefallene Saat oder Ernterückstände werden eingearbeitet. Sie stehen dem Wild nicht mehr zur Verfügung. „Die Ernteverfahren sind ein riesiges Problem geworden“, sagt Hartmut Dauner. „Früher zog sich die Ernte über mehrere Wochen hin, heute gibt es die 24-Stunden-Ernte. Außerdem haben wir enorme Ernteverluste beim Jungwild und bei Alttieren. Während der Zuckerrübenernte beispielsweise werden mehr Füchse und Hasen getötet, als man überhaupt noch schießen kann.“ Auch die Zahl der Wildunfälle steigt während der Erntekampagnen. „Wenn die letzten Felder leer geräumt sind, werden die Rehe heimatlos, die Tiere sind ständig unterwegs auf der Suche nach neuen Einständen.“ In den ausgeräumten Feldrevieren bleibt gestresstes Schalenwild zurück. Und weil das Wild draußen keine Äsung und auch keinerlei Deckung mehr findet, zieht es in den Wald, um den notwendigen Energiebedarf zu decken. Gerade im Herbst ist der Energiebedarf hoch, um genügend Feist für den Winter anzusetzen. Im Wald macht sich das Wild dann natürlich auch über junge Bäumchen her, Verbiss ist programmiert. Blühstreifen am Waldrand bieten Deckung, davor eine Wildackermischung zur Äsung, so lässt sich Verbiss vermeiden. Hartmut Dauner legt auch im Wald, auf Rückegassen oder anderen freien Flächen Wildäsungsflächen an. Das allerdings muss nicht sein, sagt Hartmut Dauner. „Früher hat die Flächenstilllegung dafür gesorgt, dass das Wild in der ausgeräumten Feldflur Deckungs- und Äsungsinseln findet. Heute müssen die Landwirte und ihre Jäger Deckungs- und Äsungsinseln selbst schaffen. Wildäcker und Blühflächen bieten beides. Sinnvolle Greening- oder KULAP-Maßnahmen oder der Anbau von Zwischenfrüchten helfen dabei. Wichtig sind solche Ausgleichsmaßnahmen vor allem in der intensiv genutzten Feldflur. „In kleinräumig strukturierten Mittelgebirgslagen, in denen von Haus aus eine gute Struktur vorhanden ist, brauche ich solche Maßnahmen nicht, sondern dort, wo der Dachstuhl brennt und das ist in den intensiv genutzten Regionen.“ Ein zweiter Baustein, um die Auswirkungen des Ernteschocks zu vermindern, ist die rechtzeitige artgerechte Fütterung. Im November beginnt der Forstmann in der Regel mit dem Beschicken der Fütterungen. So bietet er dem Rehwild einen Ausgleich zur leergeräumten Feldflur und verhindert Verbiss im Wald. Die Maßnahmen lohnen sich, in seinen Jagdrevieren jedenfalls hat er keine Verbissprobleme und das bei einem durchaus guten Wildbesatz. G. Helm 10/2015 17
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