Erschienen in: Straubinger Tagblatt, 26.02.2016 Der AntiGlücksratgeber Dr. Manfred Lütz stellt sein neues Buch vor Cham. (juf) „Wer einen Glücksratgeber liest, ist danach meistens unglücklich.“ Das hat Psychotherapeut Dr. Manfred Lütz felsenfest behauptet. Statt sich in die Liste der unzählichen Glücksgurus einzureihen, startet er mit seinem neuesten Werk ,,Wie Sie unvermeidlich glücklich werden“ die Gegenoffensive. Entgegen dem Irrglauben der Masse, sei Glück für ihn nicht definierbar. Ganz unverblümt machte er am Mittwochabend in der Buchhandel Rupprecht in Cham kurzen Prozess mit allen unglücklichmachenden Glücksbüchern. Chefarzt, Psychiater, Psychotherapeut, Nervenarzt, Theologe, Kabarettist, Kolumnist und Bestsellerautor: Der Bonner Manfred Lütz scheint viele Berufungen zu haben. Nun könnte noch ein weiterer Titel seine Vita schmücken: Glücksguru. Doch dagegen legt er Protest ein. Nach einer Reihe von Hetz-Bestsellern wie ,,Lebenslust – Wider die Diätsadisten, den Gesundheitswahn und den FitnessKult“ oder ,,Irre! Wir behandeln die Falschen!“ muss in seinem neuesten Werk ,,Wie Sie unvermeidlich glücklich werden“ die Glücksindustrie Federn lassen. | Glück ist etwas ganz Persönliches „Arbeiten sie Punkt A bis Z durch, und sie sind glücklich.“ Das versprechen dem Leser unzählige Selbsthilfebücher, wenn dieser mal einen Durchhänger hat. Dass diese aber tatsächlich helfen, bezweifelt Lütz. Glück sei etwas ganz Persönliches und ließe sich nicht einfach so von einem auserkorenen Lebensexperten bestimmen. Der Versuch, eine allgemein gültige Definition zu finden, sei zum Scheitern verurteilt. Für den einen sei Glück ein bestimmter Geruch. Den anderen mache das Hören einer besonderen Melodie glücklich. Wieder ein anderer erfahre Glücksmomente beim Betrachten einer Landschaft. Es gebe so viele glücksstiftende Faktoren, dass diese kaum in nur einen Schmöker passen. Daher hat der gesellschaftskritische Autor nicht noch einen illusorischen Versuch unternommen, das Glück für alle Welt greifbar zu machen. In seinem Anti-Ratgeber gehe es darum, zu erkennen, dass man Glück nicht suchen muss, um es zu finden. Unglückliche Menschen würden stets versuchen, Glück einzufordern. Dass das Verhalten meist in die Abhängigkeit führt und nicht wirklich glücklich macht, zeige das Worst-Case-Szenario des Drogenabhängigen. Setze sich ein Heroinabhängiger einen ,,Schuss“, wolle er so ,,sein Glück erzwingen“. Zudem räume sein Buch mit typisch gesellschaftlichen Phantasievorstellungen auf. Dr. Manfred Lütz. Schon lange bestimme man nicht mehr selbst, wann man glücklich sein dürfe, sondern der gesetzte Trend. Im Zeitalter der Castingwettbewerbe sei es trendig, Erfolg zu haben. Immer versuche man, besser als die Konkurrenz zu sein. Dass dies bereits aufgrund individueller Fähigkeiten nicht möglich ist, werde ausgeblendet. „Bestes Beispiel dafür ist eine namhafte Model-Castingshow. Vielen jungen Mädchen wird dort vorgegaukelt, das größte Glück bestehe darin, Model zu werden. Dass tatsächlich nur vier Prozent aller Frauen die anatomischen Voraussetzungen hierfür besitzen, kehrt die Sendung unter den Tisch“, sagte Lütz. Doch die Zuschauerinnen definieren ihr Glück auf diese Weise. Im Extremfall werde so der Grundstein für zahlreiche Magersuchtserkrankungen gelegt. | Am Ende doch ein ernster Kern Trotz der zynischen Auseinandersetzung mit dem Glückswandel hat sein Buch am Ende doch einen ernsten Kern. Mit einer Back-to-the-roots-Mentalität schildert Lütz unterhaltsam die Geschichte des Glücks – von Thales über Nietzsche bis zur modernen Psychotherapie. „Das Buch garantiert nicht, dass man nach der Lektüre glücklicher ist“, erklärte Lütz. Bestenfalls habe der Leser aber erkannt, dass Unglücklichsein ein Teil der menschlichen Existenz ist. Schließlich seien Tiefpunkte im Leben, wie Leid, Schuld und Tod, unvermeidlich. Dennoch dürfe man sich nicht dem Gefühl hingeben, jederzeit aus der Bahn geworfen werden zu können. ,,Dann kann nämlich tieferes Glück nie erlebt werden“, erklärte der AntiGlücksratgeber Lütz unter tosendem Beifall.
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