Packende Partie: Juist unterliegt unglücklich - juist

Sport
Ostfriesischer Kurier
MOntag, 7. septeMber 2015 / seite 17
2000 Zuschauer erleben „Spiel des Lebens“ im „Hafenkessel“
Zuschauerrekord bei einem Juister Heimspiel. Mehr als 2000 Fans verfolgten die einmalige
Partie im eigens geschaffenen „Hafenkessel“.
FoToS: Tebben-WIllgRubS
Stimmen
Jörg van raden, Torhüter
TuS Pewsum: „Beide Mannschaften hatten mit dem
Wind zu kämpfen. So wurden
die Bälle für uns Torhüter
auch gefährlicher und unberechenbarer.“
Jens Weerda, Mittelfeldspieler TuS Pewsum: „Der
Glücklichere hat gewonnen.
Ich denke, leider wurde solch
ein Event vom Wetter kaputt
gemacht. Das war nur Kampf,
kein Fußball. Die Euphorie
bleibt bei uns auch nach
diesem Spiel für die Meisterschaft. Wir haben hier am
Freitag schön gegrillt, beim
Länderspiel ein bisschen gefeiert und sind dann pünktlich ins Bett gegangen.“
Ottmar Hitzfeld, Co-Trainer TSV Juist: „Das war eine
engagierte Leistung von allen Amateur-Fußballern. Und
es war bis zuletzt ein spannendes Spiel.“
friedHelm funkel, CoTrainer TSV Juist: „Wir haben
den Jungs gesagt, dass sie
selbstbewusster in die zweite
Halbzeit gehen müssen, vor
Schüssen aus der zweiten
Reihe aufpassen müssen wegen des Windes und vor allem
den Ball flach spielen in den
Fuß. Für jeden hier war es toll,
sich vor Hunderttausenden
an den Bildschirmen zu präsentieren.“
dr. micHael scHamberger, Mitorganisator und TSVSpieler: „Das war natürlich
das größte Spiel in meiner
Fußballerkarriere mit 45 Jahren. Für mich vom OrgaTeam war es wichtig, dass
viele Zuschauer auf den Platz
kommen. Die Fans haben uns
toll unterstützt.“
tObias nickenig, TSV-Spieler und Ex-Profi 1. FC Köln,VfL
Osnabrück und Erzgebirge
Aue: „Für mich war es eine
Ehre, als ehemaliger Profifußballer einmal von der Bank
von Ottmar Hitzfeld gecoacht
zu werden. Was die Jungs hier
auf Juist auf die Beine gestellt
haben, ist schon Wahnsinn.“
rOnaldO saHm, Trainer
TSV Juist: „Es ist natürlich
bitter, durch ein Abseitstor
verloren zu haben. Aber wir
haben es versäumt, mit dem
Wind in der ersten Halbzeit
in Führung zu gehen. Von
Hitzfeld und Funkel habe ich
viele Tipps erhalten. “
Kreisklassen-Fußballer im Rampenlicht. Die Spieler des TSV Juist und des TuS Pewsum II lieferten sich ein spannendes Kräftemessen. Der starke Wind störte aber erheblich.
Packende Partie: Juist unterliegt unglücklich
Einmalig
tsV-spiel gegen pewsum ii live übertragen – fernsehkameras zeigen abseitsstellung
Der tabellenführer aus
der Krummhörn siegte
bei der Windlotterie.
sein torjäger hinrich
van gerpen traf.
Von HennIng WIeTIng
Juist – Sie waren die Gewinner der Spaßveranstaltung „Spiel des Lebens“ des
Bezahlsenders Sky, aber die
Verlierer des ganz normalen
Punktspiels in der FußballOstfrieslandklasse C: Die Inselkicker vom TSV Juist haben
vor Hunderttausenden SkyFernsehzuschauern und vor
mehr als 2000 Zuschauern im
für dieses Spiel geschaffenen
„Hafenkessel“ die Partie gegen den TuS Pewsum II mit
0:1 verloren. Bitter für das
Team von Juists ehrgeizigem
Spielertrainer Ronaldo Sahm:
Die Fernsehbilder des Senders zeigen, dass der Siegtreffer von TuS-Torjäger Hinrich
van Gerpen per Abstauber
nach einem Kopfball des
zur Halbzeit eingewechselten Heino Armbrecht in der
55. Minute aus einer äußerst
knappen Abseitsposition erzielt worden ist. Tabellenführer Pewsum II hat somit nach
dem 3:2-Hinspielerfolg auch
Mann des Tages. Hinrich van
gerpen traf.
das vorverlegte Rückspiel gegen die Insulaner gewonnen.
An ein richtiges Fußballspiel war aufgrund der extrem
windigen Bedingungen auf
dem Platz unmittelbar am
Fähranleger nicht zu denken: „Ein Bundesliga-Spiel
wäre bei diesen Voraussetzungen gar nicht angepfiffen worden“, sagte Ottmar
Hitzfeld, der sich wegen des
Inselwindes nur selten an den
Spielfeldrand wagte. Der ehemalige
Bundesliga-Trainer
stand wie sein Kollege Friedhelm Funkel als Co-Trainer
des TSV zur Verfügung. Es
war eben alles eine Gaudi, ein
von Sky zum „Spiel des Lebens“ hochstilisiertes Event,
dem sich alle Beteiligten unterordneten und mitspielten.
Nicht mit dabei, sondern auf
Krücken gestützt, schleppte
sich Maciej Piotrowski mit
einem vor vier Wochen erlittenen Sprunggelenksbruch
in einen der Strandkörbe am
Spielfeldrand: „Ich kann gar
nicht laut genug sagen, wie
weh es tut, dass ich bei diesem Spiel nicht dabei sein
kann“, so der gebürtige Pole
vor dem Spiel. „Egal, was die
Ärzte sagen, so endet meine
Fußballerkarriere nicht. Ich
werde noch ein Spiel machen.
Alles im blick. Auf dem leuchtturm beim Juister Hafen erlebte
auch Sky-Kommentator Wolff-Christoph Fuss eine Premiere.
Noch ein Spiel“, sagte der 42Jährige nach der unglücklich
verlorenen Partie.
„Das war ein glücklicher
Sieg“, sagte denn auch
Matchwinner Hinrich van
Gerpen. Aus sportlicher Sicht
war das Gästeteam von TuSTrainer Kevin de Vries die
Mannschaft mit den hochkarätigeren Torgelegenheiten.
Dennis Wiechmann traf mit
einem Distanzschuss in der
28. Minute gegen den Wind
Prominenz im Juister Trainer-Strandkorb. ottmar Hitzfeld und
Friedhelm Funkel unterstützten den TSV.
noch die Unterkante des von
Alexander Morel gehüteten
TSV-Gehäuses. Nach 66 Minuten trafen die Gäste ebenfalls nach einem Freistoß das
Torgebälk. Pewsums Schlussmann Jörg van Raden rettete
mit einer Glanztat in der 84.
Minute den Sieg des Tabellenführers. Den anschließenden
Eckball setzte Juists Star, ExProfi Ansgar Brinkmann, per
Kopf nur ganz knapp neben
das Tor. Die Gastgeber waren indes das aktivere Team
mit mehr Ballbesitz, das es
allerdings versäumte, in der
ersten Halbzeit mit dem Wind
das erste Tor zu erzielen.
An den Zuschauern hat es
nicht gelegen, dass Juist als
zweiter Sieger den Platz verlassen musste. Mit Rufen wie
„TSV, du bist ne geile Sau“ und
anderen Sprechchören sorgte
der Juister Anhang permanent für Stadionatmosphäre
im Fernsehen, doch nicht nur
auf den Fähren zurück nach
Norddeich hallte es „Aus-,
Aus-, Auswärtssieg!“ vonseiten des Pewsumer Anhangs.
Mit dreiminütiger Verspätung rollte der Ball im Hexenkessel namens „Hafenkessel“.
Dass die Partie eine Windlotterie werden würde, zeigte
bereits ein Schuss von Juists
Derk Rose, der aus knapp 30
Metern abzog. Sein Schuss
nahm sichtlich an Fahrt zu
und senkte sich gefährlich auf
das Tornetz der Gäste. Nach
22 Minuten war dann bereits
aus dem ersten Spielball die
Luft raus. Er musste ausgewechselt werden.
„Wir müssen selbstbewusster auftreten und dürfen uns
gegen den Wind nicht hinten
reindrängen lassen“, machte
Hitzfeld seinen für 90 Minuten anvertrauten Jungs
Mut. Die Mannschaft von
TSV-Trainer Sahm setzte dies
auch gut um, nur fiel das Tor
des Tages auf der anderen
Seite. „Ich habe mich nicht
im Abseits gefühlt“, sagte
van Gerpen: „Ich habe den
Schiedsrichterassistenten so
lange angelächelt, dass er die
Fahne schön unten gelassen
hat.“ Der 19-jährige souveräne Schiedsrichter Ole Onneken von Ostfrisia Moordorf
sagte nach der Fährfahrt: „Es
waren angeblich nach den
Fernsehbildern Zentimeter,
aber wir hatten diese Hilfe
nicht. Solche Fehler passieren
aber auch jede Woche in der
Bundesliga.“
Hätte er den Treffer nach
Rücksprache mit seinen Assistenten Sven Münkenhove
und Keno Gronewold nicht
gegeben, wäre das „Spiel des
Lebens“ torlos in die Geschichtsbücher eingegangen.
So wird die Partie, die Juists
Vereinsvorsitzender
Ingolf
Kleinau „als größtes Spiel der
Vereinsgeschichte nach dem
Norderneyspiel vor 1200 Zuschauern“ bezeichnete, auch
noch nach Jahren Gesprächsstoff geben. „Es war abseits,
und wenn das Tor aus einer
Abseitsposition erzielt wurde,
dann ist es irregulär“, so Trainer Sahm. Irregulär waren
auch die Windbedingungen,
zumindest im Fußballsport...
TSV Juist: Alexander Morel, Artur Turek,
Derk Rose, Andreas Langenberg (46. Dr.
Michael Schamberger), Ronaldo Sahm
(46. Tobias Nickenig), Jörg Pohl, Florian
Jansssen, Gero Schönrock, Tim Sasse,
Fynn Schwips, Ansgar Brinkmann.
TuS Pewsum II: Jörg van Raden, Andrè
Reimann, Ralf Peters, Dennis Wiechmann, Stephan de Beer, Christian Veldkamp, Jens Weerda, Tobias Frerichs,
Eike Groenewold (46. Armbrecht), Enno
de Riese, Hinrich van Gerpen.
Tor: 0:1 Hinrich van Gerpen (55.).