Der Trend: weniger, aber größere Betriebe

Wirtschaft
Seite 6 ABCDE · Nummer 98
Dienstag, 28. April 2015
Der Trend: weniger, aber größere Betriebe
Die Landwirtschaft hat sich verändert. Kleine höfe können kaum mehr überleben. Eine Bestandsaufnahme der situation im Land.
Von ThorsTen Karbach
und hermann-Josef
delonge
Höfe in Nordrhein-Westfalen
Aachen. Es war immer schon ein
hartes Brot, Getreide anzubauen,
Kühe zu halten, Schweine zu züchten oder Gemüse anzubauen.
Doch die Landwirtschaft in
Deutschland steht mal wieder am
Scheideweg. Der Wegfall der
Milchquote ist dafür nur ein Beispiel. Zunehmend gilt: Größe fördert die Rentabilität eines landwirtschaftlichen Betriebes, die
Kleinen haben es immer schwerer.
Das ist mehr als ein Gefühl, das belegen Zahlen: 1979 gab es in Nordrhein-Westfalen noch 37 208 sogenannte Kleinbetriebe mit weniger
als fünf Hektar landwirtschaftlich
genutzter Fläche. 2010 waren es
nur noch 2700.
Betriebsgröße
Ökonomische Gründe
Auf der anderen Seite ist während
des gleichen Zeitraums die Zahl
der Großbetriebe mit mehr als 100
Hektar Nutzfläche von 529 auf
2775 gestiegen. Auch die Zahl der
Höfe mit fünf bis 50 Hektar ist
deutlich rückläufig. Insgesamt
heißt dies: 1979 gab es in Nordrhein-Westfalen noch 107 800
Höfe. Im März 2010, bei der letzten
großen Erhebung, waren es nur
noch 35 570.
Und es ist mehr als ein Verdacht,
dass eine Vielzahl der Betriebe aus
ökonomischen Gründen geschlossen wurde. Das bestätigt die Landwirtschaftskammer. Das geht aus
den „Zahlen zur Landwirtschaft in
Nordrhein-Westfalen 2012“, dem
letzten umfangreichen statistischen Kompendium hervor, das
für NRW veröffentlicht wurde.
Eine Bestandsaufnahme:
Mehr Große, weniger Kleine: Die
Zahl der Betriebe mit weniger als
fünf Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche ist von 1979 bis
2010 von 37 208 auf 2700 zurückgegangen. Auf der anderen Seite ist
die Zahl der Großbetriebe mit
mehr als 100 Hektar Nutzfläche
von 529 auf 2775 gestiegen. In Fläche bedeutet dies Folgendes: Die
Kleinstbetriebe verfügten 1979
insgesamt über eine Fläche von
82 852 Hektar. 2010 waren es nur
noch 5436 Hektar. Die Großbetriebe wiederum besaßen 1979 insgesamt 78 799 Hektar in NRW,
2010 waren es dann schon 421 354
Hektar. Die durchschnittliche
landwirtschaftlich genutzte Flä-
che pro Betrieb stieg in dieser Zeit
von 15,6 auf 40,9 Hektar. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche insgesamt ist in NRW dabei kleiner geworden – von 1 670 282 auf
1 463 087 Hektar.
Acker, Kühe, Schweine: 29 406 Betriebe in NRW bewirtschaften
Ackerland von 1 052 326 Hektar
Gesamtfläche. Durchschnittlich
sind das 35,8 Hektar pro Betrieb.
Davon werden 644 863 Hektar von
24 835 Betrieben für Getreide genutzt (durchschnittlich 26,3 Hektar pro Betrieb), wobei Weizen
(286 770 Hektar) und Wintergerste
(161 773 Hektar) die größten Posten bilden. Hackfrüchte bauen
7110 Betriebe auf 86 881 Hektar
(durchschnittlich 12,2 Hektar pro
Betrieb) an, davon 4723 Betriebe
auf 53 743 Hektar Zuckerrüben
und 3426 Betriebe auf 31 074 Hektar Kartoffeln. Die Jülicher Börde
zählt insbesondere mit dem Zuckerrübenanbau zu den weltweit
so steht es um die Landwirtschaft der Region
Auch in der Region ist die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig. Das wird nicht nur deutlich,
wenn die treckerkolonnen zur Zuckerfabrik rollen.
Unsere Zeitung wird sich in den
kommenden Wochen in einer klei-
nen serie dem thema widmen: Wir
besuchen eine junge frau, die den
hof ihrer Eltern übernommen hat.
Wir beobachten die arbeit in Betrieben, die auf Expansion setzen. Und
wir schildern die herausforderungen, vor denen Bio-Bauern heute
stehen.
ertragreichsten Ackerbauregionen.
Einen ebenso großen Stellenwert
wie der Ackerbau hat in der NRWLandwirtschaft die Viehhaltung.
27 700 der 35 750 Betriebe hielten
zum Stichtag 1. März 2010 1,38
Millionen Rinder (392 500 Milchkühe), 6,67 Millionen Schweine,
3,42 Millionen Legehennen, 4,84
Millionen Masthähnchen, 1,56
Millionen Puten, 78 550 Pferde,
136 800 Schafe und 8790 Ziegen.
Auffällig: In der Rinderhaltung besitzen 30 Prozent der Halter mehr
als 100 Tiere. Im Schnitt sind es 48
Kühe pro Betrieb, vor 20 Jahren
waren es laut Landwirtschaftskammer lediglich 31. Die größten
Milchviehherden mit 82 Kühen
pro Betrieb leben im Kreis Kleve.
Ebenfalls auffällig: 91 Prozent aller
Schweine in NRW werden in Westfalen-Lippe gehalten, also in den
Kreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt
und Warendorf. 40 Prozent aller
Hühner werden im Münsterland
gehalten.
Ökolandbau wächst: Rund 1300 Betriebe (23 in Stadt und Städteregion Aachen, elf im Kreis Düren
und acht im Kreis Heinsberg) gaben an, dass sie ihren Betrieb auf
ökologischen Landbau umgestellt
haben. Die Tendenz sei steigend.
2010 wurden 54 400 Hektar
(durchschnittlich 42 ha pro Betrieb), also 3,6 Prozent der Gesamtfläche, als Ökolandbau betrieben.
Anzahl
37 208
2700
1979
2010
< 5 Hektar
1979
2010
5 - 10 Hektar
15 767
5236
1979
2010
10 - 20 Hektar
22 263
6806
1979
2010
20 - 50 Hektar
27 820
10 382
1979
50 - 100 Hektar
2010
3564
7851
1979
2010
529
2775
> 100 Hektar
Blick in die Region: Laut den Kennzahlen der Landwirtschaftskammer zählte die Region 2010 2075
landwirtschaftliche Betriebe: 508
in Stadt und Städteregion Aachen
(Durchschnittsgröße 46,9 Hektar),
765 im Kreis Düren (65,5 Hektar)
AZ-SERIE
Landwirtschaft
heute
und 802 im Kreis Heinsberg (46,5
Hektar). Wobei nur die Bauern der
Stadt Köln durchschnittlich eine
größere Fläche (89,5 Hektar) bewirtschaften als die im Kreis Düren. Kleinbetriebe unter fünf Hektar gibt es in der Region noch 114,
Großbetriebe über 100 Hektar bereits 262. Sowohl in Aachen als
auch in den Kreisen Düren und
Heinsberg ist die Zahl der Höfe
rückläufig – allein von 2007 bis
2010 mussten jeweils etwa 50 Betriebe (größer als fünf Hektar) aufgegeben werden. 392 Betriebe in
Stadt und Städteregion Aachen,
357 aus dem Kreis Düren und 477
aus dem Kreis Heinsberg halten
Vieh, davon 304, 239 beziehungsweise 348 Rinder.
Arbeitsplatz Bauernhof: In der
Landwirtschaft wurden für NRW
2010 123 700 Arbeitskräfte (9649
in der Region Aachen, 3645 davon
Familienmitglieder des jeweiligen
Hofes) ermittelt, 66 820 waren Familienmitglieder der Landwirte,
die einen eigenen Hof führen. Der
Frauenanteil lag insgesamt bei 38
Prozent. Ein zunehmendes Problem ist die Nachfolge in den Familienbetrieben:
Seiteneinsteiger
sind in der Landwirtschaft weit seltener als vierblättriger Klee im Vorgarten. Nur in 33 Prozent der
23 100 Familienbetriebe in NRW
ist die Nachfolge geklärt.
Weiterer Rückgang erwartet: Die
Prognosen der Landwirtschaftskammer sind eindeutig. Sie gehen
davon aus, dass sich der Trend zu
weniger, dafür aber größeren Betrieben fortsetzen wird. Die sogenannte Abnahmerate soll bei drei
Prozent liegen, bis 2020 soll die
Zahl der Betriebe bei 29 100 liegen. Die größten Probleme werden
für Betriebe in der Größenordnung
fünf bis 20 Hektar erwartet, deren
Zahl von 12 042 auf etwa 7750 abnehmen werde. Auf der anderen
Seite soll die Zahl der Großbetriebe
von 2775 auf mehr als 4300 steigen.