Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Es gilt das gesprochene Wort Rede des Chefvolkswirtes der DekaBank Dr. Ulrich Kater anlässlich der Pressekonferenz „Konjunkturprognose“ am 2. Februar 2016 in Berlin Deutscher Sparkassenund Giroverband Charlottenstraße 47 10117 Berlin Meine Damen und Herren, nach wie vor finden die Notenbanken aus dem geldpolitischen Notfallmodus nicht heraus. In den USA hat die Zentralbank mit der Beendigung ihrer Anleihekäufe und einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte im vergangenen Jahr die Zinswende versucht, bleibt aber angesichts der Strukturprobleme in der Weltwirtschaft weit hinter dem angestrebten Tempo und Ausmaß zurück. Da die europäische Wirtschaft bei der Abarbeitung der Ursachen der gerade überstandenen Finanzkrise der US-amerikanischen Volkswirtschaft um einige Jahre hinterherläuft, ist auf absehbare Zeit im Euroraum nicht mit Zinserhöhungen zu rechnen. In der gegenwärtigen Phase der Unsicherheit in der Weltkonjunktur sowie an den Finanzmärkten wird wohl auch die EZB eher versuchen, durch weitere expansive Maßnahmen gegenzusteuern: Weitere expansive Schritte in diesem Jahr sind wahrscheinlich. Sie wird allerdings dabei die gleiche Erfahrung machen wie die US-amerikanische Fed, dass nämlich ihre Aktionen die Erwartungen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft immer weniger beeinflussen. Darüber hinaus ist die EZB mit ihren negativen Einlagenzinsen für das Bankensystem in Regionen vorgedrungen, wo die Gefahr ansteigt, dass einzelne Banken die Negativzinsen an ihre Kunden weitergeben. Die Geldpolitik hat ihr Pulver weitgehend verschossen. Das Sparverhalten der Deutschen hat sich durch die Niedrigzinsphase bislang nicht grundsätzlich geändert. Die Sparquote dürfte im Jahr 2015 mit 9,6 Prozent leicht über dem Vorjahresniveau gelegen haben. In absoluten Werten sparten die Deutschen 2015 mit etwa 173 Mrd. Euro rund 5 Mrd Euro mehr als im Vorjahr. Grund dafür war zum einen der fortgesetzte Rückgang des Ölpreises (der nicht vollständig verkonsumiert wurde), zum anderen das satte Plus bei den verfügbaren Einkommen. Auch für das Jahr 2016 erwarten wir eine ähnliche Sparquote mit voraussichtlich 9,7 Prozent. Die Sparquote liegt gegenwärtig nur leicht unter dem langfristigen Durchschnitt von 10,2 Prozent. Vordergründig entmutigen die Nullzinsen das Sparen. Allerdings wirken daneben auch Faktoren, die weiterhin eine starke Ersparnis bei den privaten Haushalten in Deutschland nahelegen, wie hohe und steigende Einkommen sowie die demographische Entwicklung. Langfristig bewirken Nullzinsen jedoch, dass der Vermögensaufbau nur langsamer vorankommt und daher für ein gegebenes Vermögensziel mehr gespart werden müsste. Modellhaft gerechnet, müssten bei 0 Prozent Verzinsung knapp 20 Prozent mehr an Sparleistung aufgewendet werden, um nach zehn Jahren zum gleichen Endvermögen zu gelangen, wie bei einer Verzinsung von 3 Prozent. Auf einen Sparzeitraum von 30 Jahren läge aufgrund des Zinseszinseffekts die notwendige Mehrersparnis sogar bei mehr als 60 Prozent. Allerdings spricht viel spricht dafür, dass die privaten Haushalte sich bisher wenig von solchen Überlegungen beeinflussen lassen und einen geringeren Vermögensaufbau hinnehmen. Die Entwicklung der deutschen Geldvermögen wird denn gegenwärtig auch wesentlich durch die Zuflüsse in Gestalt der jährlichen Sparleistung getrieben, statt von Sparerträgen oder 2 Kursveränderungen. Dazu werden bei der Geldvermögensrechnung noch die Veränderungen bei den Krediten der Privaten Haushalte sowie die Sachvermögensbildung berücksichtigt. Seit Ende der 90er Jahren haben die Deutschen ihre Ersparnis nicht so sehr zur Geldvermögensbildung als vielmehr zur Tilgung von Krediten eingesetzt. Auf diese Weise ist die Verschuldung der Privaten Haushalte insgesamt mit 30,9 Prozent in Relation zum Geldvermögen mittlerweile auf einem historisch niedrigen Niveau angelangt. Dieser Trend läuft allerdings langsam aus. Zwar ist die aktuelle Neuverschuldungsaktivität der privaten Haushalte trotz Niedrigzinsen weiterhin als moderat zu bezeichnen; sie kommt aber langsam wieder ins Laufen, insbesondere bei Hypothekenkrediten. Wenngleich weder bei der Kreditvergabe noch bei den Immobilienpreisen in Deutschland gegenwärtig von einer breiten Blasenbildung gesprochen werden kann, so ist beim anzunehmenden Fortbestehen des extrem niedrigen Zinsniveaus die Entwicklung genau zu beobachten. Dem Trend steigender Immobilienpreise und damit der Gefahr von Übertreibungen könnte schon dadurch entgegengewirkt werden, dass die EZB keine Erwartungen mehr auf eine immer expansivere Geldpolitik erzeugt. Die Geldvermögensbestände dürften 2015 gegenüber dem Vorjahr um rund 3,5 % auf knapp 5,3 Billionen Euro angestiegen sein. Das weiterhin hohe Sparvolumen und das Auslaufen der Kredittilgungen lässt die Geldvermögensbildung weiter nach oben klettern. Für 2016 erwarten wir einen Bestand von knapp 5,5 Billionen Euro. Dabei machten Zuflüsse im Jahr 2015 161 Mrd Euro aus, für das Jahr 2016 erwarten wir, dass die Deutschen sich mit 165 Mrd Euro neu bei Einlagen und an den Finanzmärkten engagieren. Während das Volumen der Geldvermögensbildung wenig von der Nullzinsphase beeinflusst wird, ergeben sich bei der Struktur langsam Veränderungen. Zunächst zeichnet sich eine stärkere Geldvermögensbildung in Wertpapieren zulasten der niedrig verzinsten Bankeinlagen ab. Bei den Bankeinlagen, die mit etwa einem Drittel immer noch einen großen Anteil an der Geldvermögensbildung ausmachen, erwarten wir lediglich für die Teilgruppe der Sichteinlagen einen spürbaren Nettomittelzufluss. Alle anderen Einlagen-Teilgruppen werden wohl Nettomittelabflüsse verbuchen. Im Bereich der Wertpapiere setzen die Anleger derzeit sehr stark auf breit streuende Instrumente wie Investmentfonds. Aus Anlagen in Einzeltiteln flossen wie schon in den Vorjahren netto Gelder ab, wobei Aktien noch leicht mit 2 Mrd Euro gewinnen konnten, Anleihebestände sich jedoch um 18 Mrd Euro verringerten. Für 2016 wird sich dieser Trend nach unserer Vorausschau fortsetzen: Insbesondere bei den Schuldverschreibungen ist mit einem weiteren massiven Mittelrückgang zu rechnen, während auf die Investmentfonds erneut hohe Nettozuflüsse zukommen könnten und AktienDirektbestände mit plus 4 Mrd Euro wieder leicht zunehmen dürften. Deutliche Zuflüsse dürfte es auch weiterhin in Vorsorgeinstrumente wie Lebensversicherungen oder andere Alterssicherungssysteme geben. Demografisch bedingte Eigenvorsorge wie auch das anhaltende Nullzinsumfeld werden das Anlageverhalten der kommenden Jahre verstärkt prägen. Dabei sind Ansätze für ein 3 Umdenken bei der Geldanlage zu beobachten: weg von der noch vorherrschenden Kurzfristorientierung hin zu langfristigeren Portfoliostrukturen. Bei der Wertpapieranlage bedeutet dies eine größere Rolle von Sparplänen gegenüber hektischen Kauf- und Verkaufsentscheidungen. Das lässt auch eine größere Robustheit von Anlegern gegenüber Kursschwankungen, etwa an den Aktienmärkten erwarten. Wenngleich von einer breiten Wertpapierkultur in Deutschland noch nicht gesprochen werden kann, entwickelt sich doch schleichend ein entspannterer Umfang der privaten Haushalte mit dem Instrument der langfristigen Wertpapieranlage. Insgesamt ist künftig mit einer stärkeren Bedeutung von Wertpapieren im deutschen Geldvermögen zu rechnen, um einer drohenden negativen realen Verzinsung durch fortgesetzte Nullzinspolitik bei weiterhin leichten Inflationstendenzen zu begegnen. 4
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