12. Das alte Gaswerk _1854

SCHRIFTEN DER GESELLSCHAFT
FÜR FLENSBURGER STADTGESCHICHTE E. V. NR. 6
11. Das alte Gaswerk (1854)
Im Flensburger Wochenblatt für Jedermann stoßen wir zum ersten Male im Jg.
1841 auf das „Gas aus England“. 105 Jahre sind es also her, drei Menschenalter,
seitdem man von dieser neuen Erfindung hier zuerst hörte und sie zur öffentlichen Besprechung stellte. Man versteht die Spannung, mit der die Stadtleute
der damit einsetzenden Entwicklung entgegensahen; an die Landleute kam sie ja
nicht unmittelbar heran. Das Gas ist aus England über Dänemark zu uns
gekommen, und Flensburg war die erste Stadt in den Herzogtümern, in der
ein Gaswerk errichtet wurde. Das ist ja recht bedeutsam, und da das Werk
seinen Platz in der Neustadt erhielt, woran die alte Gasstraße noch jetzt erinnert,
darf ein kurzer Bericht über den Ursprung und Anfang in dieser Chronik nicht
fehlen.
Heute liegen an der Flensburger Förde die „Städtischen Werke“ in langer, stattlicher Reihe nebeneinander, unter ihnen auch das Gaswerk. Dem jüngeren
Geschlecht ist es nicht immer klar, wie diese einzelnen Dinge aufeinander
gefolgt sind. Wer aber auf 70 oder 80 oder auch mehrere Jahre zurückblicken
kann, der braucht deswegen kein Buch zu befragen, sondern weiß noch sehr
wohl aus seiner Kindheit, daß die Gasrohre zuerst gelegt wurden, ehe von allgemeiner Wasserleitung oder gar von elektrischem Licht die Rede war; erinnert
sich auch deutlich daran, daß das Gaslicht von damals noch recht unfertig und
verbesserungswürdig erschien.
In Odense war 1853 von den Engländern eine Gesellschaft gegründet worden
unter dem Namen „Det danske Gaskompagnie“ mit dem Ziel, die dänischen
Städte mit Gas, vor allem mit Straßenbeleuchtung zu versorgen. Ihr Hauptkontor hatte diese Kompagnie zunächst hier in Flensburg, ein Anzeichen dafür,
welch guten Rufes die Stadt sich im wirtschaftlichen und technischen Leben
erfreute. Erst 1865 ist der Sitz der Gesellschaft nach Kopenhagen verlegt
worden. So wurde die Errichtung eines Gaswerks schon gleich 1853 hier in
Angriff genommen, und am 8. Dezember 1854 konnte das Werk in Betrieb
gesetzt werden. Der ehemalige Richtplatz, von dem wir schon öfter hörten, der
eigentlich Kirchplatz hätte werden sollen, mußte nun diesem Zwecke dienen und
hat auch mehr als 50 Jahre seinem Zweck entsprochen. Wir brauchen den Platz
nicht umständlich zu beschreiben: im Westen die Feldstraße, im Norden der
Garten von C. C. Christiansen, im Osten die Förde, im Südosten die Tranbrennerei, im Süden die spätere sog. Gasstraße, die als Zufuhrsstraße für das
Werk ausgebaut wurde. Die Stadt überließ der Kompagnie im Juli 1854 hier ein
Areal von 90 Ellen Breite und 150 Ellen Tiefe zur freien Benutzung in 25
Jahren. Sie hatte sich aber eine Strecke von 15 Ellen Breite für eine Weganlage
zwischen Bollwerk und dem Areal vorbehalten und wollte einen Steindamm von
der neuen Schiffbrücke nach dem Galgenberg legen. Hier war ein Fehler im Anfang gemacht worden, der sich in der Folge als recht schwerwiegend erwies. Es
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wurde versäumt, die Lage am Wasser so auszunutzen, wie es damals noch hätte
geschehen können. Die Kohlen mußten daher mit Fuhrwerk von der Schiffbrücke herangeholt werden, eine Ladestelle am Wasser in nächster Nähe wurde
des Werkes wurde nicht geschaffen. Später wurde dann der Brauereiweg zu
Gunsten der neu errichteten Aktienbrauerei durchgeführt, und der Schiffsbau
hatte den Platz zwischen diesem und dem Hafen mit Beschlag belegt. So hatte
das Gaswerk, das doch zuerst dagewesen war, das Nachsehen; eine Erweiterung
nach dem Wasser war jetzt nicht mehr möglich.
Die Übertragung des Unternehmens an eine ausländische englisch-dänische
Kompagnie rief natürlich allerlei Bedenken hervor, da die Stadt den Gewinn,
den ein solches Werk abwerfen würde, nun selber nicht einziehen konnte. Die
Stadt erteilte eine Konzession auf 25 Jahre, sicherte sich selbst aber die
Möglichkeit, vorher in den Besitz des Werkes zu kommen. Davon hat sie aber
keinen Gebrauch gemacht, es hat lange gedauert, bis das Gaswerk in den Besitz
der Stadt überging.
Eine Denkschrift zum 75jährigen Jubiläum des Werks aus dem Jahre 1929 setzt
uns in den Stand, einige Angaben zu machen über das Wachsen des Betriebs.
Der Gasverbrauch hat in der ersten Zeit nur sehr langsam zugenommen, es
handelte sich zunächst meist um Gas für die Straßenbeleuchtung. Im Jahre 1881
belief sich die Jahresabgabe auf 512000 cbm, nicht mehr. Die Länge des Hauptrohrnetzes war 1882 ca. 54000 Fuß, verwendet wurden im selben Jahre ca. 2 190
000 kg englische Kohle (nach Holdt). Als man aber 1882 anfing, für das Kochen
und Heizen mit Gas lebhaft zu werben, nahmen die Dinge eine neue Wendung,
und der Verbrauch stieg sehr schnell. 1896 war die Gasabgabe auf 2 000 000
cbm gestiegen.
Nach Süden hin wurde das Areal im Jahre 1889 über die Gasstraße hinaus erweitert, und dort auf der anderen Seite wurde ein neuer Gasbehälter für 5000
cbm errichtet und zugleich ein neuer Koksschuppen. Man baute auch sonst auf
beiden Seiten, aber der Kern des ganzen Werkes blieb auf der Nordseite. Zehn
Jahre später wurde das bisherige Verwaltungsgebäude abgerissen, da der Kohleplatz, der nach dem Brauereiweg zu lag, größer werden mußte, und das
bescheidene Haus Gasstraße 8 wurde für Büro und Wohnung des Betriebsleiters,
Inspektor H. Madsen, gemietet. Bemerkt sei noch, daß der allererste Betriebsleiter in Flensburg C. A. Hansen war, von 1854 bis 1860, der erste Kassierer A.
B. Dittmar von 1854 bis 1865.
Aus der ersten Zeit des Gaswerks erwähnen wir noch ein Experiment, das man
in der St. Marienkirche gemacht zu haben scheint. Im November 1858 machten
die Pastoren Peters und Wedel dem Pastorat den Vorschlag, einen Versuch zu
machen mit Erwärmung der Kirche durch Koksöfen, sechs würden wohl
genügen. Die Rohre könnten zunächst durch die Fenster in das Freie geführt
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werden, bis es sich zeige, ob die Einrichtung brauchbar sei. Gleichzeitig wurden
Versuche in der Heiliggeistkirche in Kopenhagen angestellt durch einen englischen Fabrikanten. Der Stadtbaumeister Winstrup machte den Vorschlag, drei
Öfen in den Kapellen an der Nordseite anzubringen und drei woanders. Über das
Ergebnis des Versuchs erfahren wir nichts.1)
Mit den Koks wußte man in der ersten Zeit der Gaserzeugung nichts anzufangen, man hatte keine Verwendung dafür. Entweder vergrub man die Koks,
oder man fuhr sie auf Wagen ins Wasser hinaus und versenkte sie dort. Es ist
noch ein Bild aus jener Zeit erhalten, wo man diese Vorgänge vor Augen hat.
Wir sind ja mittlerweile in Bezug auf den Wert der Koks zu anderen Einsichten
gekommen (s. Abb. 13).
Mit dem Plan der Erbauung eines neuen Gaswerks ging man schon 1904 um,
aber er scheiterte, wie die Denkschrift sagt, an dem Widerspruch der benachbarten Brauerei. Als aber die Jahresabgabe vom Gas 1910 auf über 5 ½
Millionen cbm gestiegen war, war kein weiterer Aufschub möglich. Das neue
Werk erhielt seinen Platz auf zwei Grundstücken, der Batterielücke, die der
Stadt gehörte, und auf einer Lücke, die der uns bekannte Bäckermeister Erich
Herbst für ein Legat gestiftet hatte. Dazwischen lag die Batteriestraße. Auf der
Herbstschen Lücke befand sich die Verwaltung, der Gasbehälter für 10000 cbm
Inhalt, das Uhrenhaus und die Wohnung des Betriebsleiters, nach dem Wasser
zu lagen die übrigen Gebäude und Einrichtungen. Der 21. Nov. 1910 war der
Einweihungstag des neuen Gaswerks – und damit kehren wir in die alte Zeit
zurück.
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) Stadtarchiv A 517.
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