Extra Clevere Tauschbörse für Elektrizität Ein raffinierter Ansatz zur Vermarktung von Elektrizität innerhalb einer Gemeinschaft schafft Anreize für die Nutzung von Grünstrom. Das Zentrum für Integrale Gebäudetechnik hat die Wirkungsweise simuliert. Text Thomas Schluck* E ine Generation genügt, um die Energiewende zu schaffen, lässt Change38 verlauten, also die Schweiz ausschliesslich mit regenerativem Strom zu versorgen. Das bedeutet, dass schon im namensgebenden Jahr 2038 dieses Ziel erreicht ist – 25 Jahre nach dem Gründungsjahr von Change38. Nach Einschätzung von Robert Bühler, CEO von Change38, genügt das Warten in der KEV-Bewerbungsreihe nicht, um genügend rasch das Ziel zu erreichen. Mit Change38 dagegen beschleunigt sich die Neuorientierung – und dies erst noch ohne staatliche Beiträge. Im Spiel von Angebot und Nachfrage Change38 bewirtschaftet eine Vielzahl von Energie-Pools, über die Konsumenten und Produzenten virtuell vernetzt sind. Mit dieser Vernetzung fördert Change38 die bessere Übereinstimmung von Produktion und Verbrauch, indem Strom zu Zeiten produziert wird, in denen eine Nachfrage besteht respektive Strom bei genügendem Angebot nachgefragt wird. Dieser Wechsel von Angebot und Nachfrage spielt sich innerhalb der Energiepools ab. «Liefere, wenn benötigt», heisst es für Produzenten, «verbrauche, wenn vorhanden» für Konsumenten. Grünstromproduktion in Mangelzeiten wird mit einem Bonus honoriert. Mit diesem Ansatz wagt sich Change38 an eines der grössten Vorhaben der Energiewende, nämlich an den marktwirtschaftlichen Ausgleich zwischen den Lastgängen der Produzenten und der Konsumenten. Die Alternative dazu ist die aufwendige Weiterleitung und Speicherung des Stroms. Beides ist mit enormen betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Wer an Change38 teilnimmt, bezieht, neben vielen Informationen, drei elektronische Komponenten: Ein Leser über- * Thomas Schluck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Integrale Gebäudetechnik, Hochschule Luzern. 40 Haustech 12/2015 Supplement für Change38 Zahlung eines Aufpreises übliche Vernetzung mit dem EW Konsument Zahlung des Strombezugs Bezug von Grünstrom zum regulären Change38 Energiepool Lieferung von Grünstrom (virtuell) Change38 zahlt GrünstromVergütung: Basis und Bonus Lokales Energieversorgungsunternehmen liefert Strom an EW Produzent von Grünstrom EW zahlt Vergütung für Stromlieferung Abbildung 1: Die Beziehungen von Produzenten und Strombezüger mit ihrem EVU sind in keiner Weise betroffen. K PRO ON Z DU M SU EN EN T> <K T> CHANGE38 CLOUDIT-SERVICES GRÜNSTROMPOOL Abbildung 2: Die Mechanik von Change38. ON SU <K UN ONSU DP M RO ENT DU ZEN T ENERGY CENTER ME NT Focus Der Beitrag des ZIG Grafiken: ZIG Um die Funktionalität eines Energie-Pools zu testen und die Auswirkungen auf den Markt und Teilnehmende abzuschätzen, erarbeitete das ZIG ein Simulationstool. Die Resultate zeichnen ein vielversprechendes Bild: Der produzierte Grünstrom wird in Pools mit ausgeglichenem Verhältnis zwischen Konsumenten und Produzenten annähernd komplett verteilt. Die Produzenten generieren zusätzliche Einnahmen und können die Einspeisevergütung des Werks mehr als verdoppeln. Auf der Konsumentenseite ergeben sich naturgemäss grosse Unterschiede zwischen Strombezügern mit und ohne Wärmepumpe. Logischerweise liegen die gesamten Stromkosten in Häusern mit Wärmepumpen höher als in Bauten mit anderer Wärmeerzeugung – allerdings lediglich 30 bis 40 Prozent. Der Anreizmechanismus von Change38 beeinflusst den Mikro-Markt sehr stark. Die Simulationen zeigen aber auch, dass die Bezüge von Grau- und Grünstrom korrelieren. Ein hoher Graustromverbrauch bedeutet demnach einen hohen Grünstromanteil. Die Kosten liegen – grob geschätzt – bei 20 Franken pro Monat. Also durchaus im akzeptablen Bereich. Die Simulationen zeigen relativ grosse saisonale Unterschiede, was mit der schwankenden Produktionsmenge innerhalb eines Jahres zusammenhängt. Diese Saisonalität ist naturgemäss weitgehend vom Erzeugerpark abhängig. PV-Anlagen sind «sommerlastig», Windkraft und Wärmekraftkopplung dagegen erzeugen grosse Anteile im Winter. Eine wichtige Rolle kommt Change38 zu. Durch ein geschicktes Management lassen sich die Produktionsschwankungen in der Tarifstruktur abbilden, was in der Konsequenz zu einer Balance zwischen Angebot und Nachfrage führt. www.change38.ch nimmt kontinuierlich den Stand des Elektrozählers und meldet die Daten an das Steuergerät. Von diesem «Energy Master» gehen Signale an die dezentralen Schaltgeräte, beispielsweise für die Wasch maschine. Das vierte Element bildet der in der Regel hauseigene Router, der die Verbindung zum Web sicherstellt. Über das Webportal von Change38 können Teilnehmende ihre Profile anschauen und kommunizieren. Die Vernetzung der vier erwähnten Komponenten erfolgt wahlweise über Funk im Megahertz-Bereich oder über Kabel. Die gesamte Software zur Erfassung der Stromflüsse und zur Kommunikation unter den am Energie-Pool Teilnehmenden stellt Change38 zur Verfügung. Was die Hardware-Ausrüstung auch zeigt: Die Energiewende ist nicht eine Frage der Tonnage. Die Geräte wiegen ein paar hundert Gramm. Zur Mechanik von Change38 Man muss sich Change38 als virtuelles, aber durchaus realitätsbezogenes Supplement zur üblichen Vernetzung mit dem lokalen Energieversorgungsunternehmen (EVU) vorstellen. Die Beziehungen von Produzenten und Strombezügern mit ihrem EVU sind in keiner Weise betroffen (Abbildung 1 und Abbildung 2). Der Konsument bezieht Grünstrom zum regulären Graustrom-Tarif, also sozusagen zu einem Vorzugspreis. Falls dem Strombezüger dieser Grünstrom nicht genügt und er darüber hinaus Graustrom bezieht, ist ein Aufpreis fällig (Malus). Die Beziehung zwischen Produzierenden und Change38 ist sehr ähnlich: Die Lieferung von Grünstrom wird von Change38 vergütet. Bei einer Lieferung unabhängig von der Nachfrage bekommt der Produzent die Basisvergütung. Ein Bonus wird ausbezahlt, sofern der Grünstrom zu Zeiten mit Nachfrage angeboten wird. Die Statistik und die Verrechnung laufen im Hintergrund ab, davon bekommen die Teilnehmenden wenig mit. Aktiv sind Konsumierende hingegen beim Energiemanagement, indem sie den Geschirrspüler oder andere Geräte während eines grossen Grünstromangebots laufen lassen. Und Produzierende, indem sie die Technologie und Betriebsweise ihrer Anlage auf das Nachfrageprofil ausrichten. Denn möglichst viele Wärmekraftkopplungsanlagen mit Biogas, Windenergie und Wasserkraft sollten die zahlreichen PV-Anlagen ergänzen. Energie-Pool Eine Gemeinschaft von Produzenten und Konsumenten bilden einen Energie-Pool. Mit wachsender Pool-Grösse steigt auch das Potenzial, zwischen Angebot und Nachfrage einen Ausgleich zu schaffen. In der Anfangsphase dürften Gemein schaften mit 5 bis 20 Teilnehmenden die Regel sein. Energiepolitisch relevant sind nachbarschaftliche Gruppen, aber auch Gemeinschaften in einem Dorf oder Quartier sowie unter Mitarbeitenden von Firmen sind attraktiv.
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