Aktionärszahlen des 1 Deutschen Aktieninstituts 2015 Negativer Trend gebrochen: Zahl der Aktienbesitzer steigt um mehr als eine halbe Million 2 Vertrauen in die Aktie kehrt zurück 2015 Die Deutschen haben in 2015 wieder Vertrauen in die Aktie und den Aktienfonds gefasst. Im Jahres durchschnitt lag die Zahl der Aktionäre und Aktienfondsbesitzer bei gut 9 Millionen und damit auf dem höchsten Stand der letzten drei Jahre. Das sind rund 14 Prozent der Bevölkerung. Im Ver gleich zu 2014 wurden damit 560.000 Aktienbesitzer mehr gezählt, was einem Plus von 6,7 Prozent entspricht. Angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus interessieren sich offenbar viele Anleger zunehmend für renditestärkere Anlageformen wie Aktien und Aktienfonds. Dies zeigen auch die jüngeren Statistiken der Bundesbank zur Vermögensbildung, in der Zuflüsse in Aktieninvestments berichtet wurden. Diese Entwicklung unterstützt vermutlich die verstärkte Berichterstattung in den Medien, in der die Aktienanlage deutlich öfter als in der Vergangenheit als Alternative zu Sparbuch, Festgeld und Staatsanleihen beschrieben wird. Die Zahl der Aktionäre ist trotz hoher Volatilität an den Aktienmärkten gestiegen. Offensichtlich ist den Anlegern zunehmend bewusst, dass Aktieninvestments kurzfristig zwar mit merklichen Kursausschlägen nach oben und nach unten verbunden sein können, diese Schwankungen in der langen Frist jedoch zugunsten einer attraktiven Rendite in den Hintergrund treten. Wenn Anleger in der Aktie kein kurzfristiges „Spekulationsobjekt“, sondern eine nachhaltig renditeträchtige Anlageform sehen, ist dies ein gutes Zei- chen für die Aktienkultur in Deutschland. Dies muss sich jedoch im Jahr 2016 und danach noch bestätigen. Der deutliche Kurseinbruch an den Aktienmärkten im Januar 2016 ist daher sowohl für die Entwicklung der Aktionärszahlen als auch für die Wahrnehmung der Aktienanlage in der Öffentlichkeit eine wichtige Prüfung. Nicht nur den neuen Aktienanlegern ist dabei prinzipiell zu empfehlen, Ruhe zu bewahren. So konnten die Anleger mit einem breit gestreuten Aktieninvestment in der Vergangenheit im Mittel eine Rendite von gut 9 Prozent erwirtschaften. Im Vergleich dazu lag die Rendite deutscher Staatsanleihen über den gleichen Zeitraum im Mittel bei etwa 7 Prozent. Dieser Renditeabstand erscheint nicht besonders groß. Er macht sich aber in der langen Frist deutlich bemerkbar. Wer beispielsweise am Ende seiner Berufstätigkeit 10 Jahre lang eine Zusatzrente von etwa 1.000 Euro beziehen möchte, muss dafür mit Aktien etwa 26 Jahre lang 100 Euro monatlich zur Seite legen. Bei der historischen Rendite am Rentenmarkt muss man hingegen 30 Jahre lang 100 Euro monatlich sparen. Und beim aktuellen Zinsniveau, das bei deutschen Staatsanleihen je nach Laufzeit zwischen 0,5 und 1 Prozent liegt, ist ein „normales“ Sparerleben viel zu kurz. 3 Ein breites Aktieninvestment ist daher von großer vermögenspolitischer Bedeutung. Der Anleger erreicht damit auf einfache Weise in kürzerer Zeit ein geplantes Vermögen oder eine zusätzliche Reserve für das Alter. Es ist insofern sehr bedenklich, dass junge Sparer grundsätzlich deutlich weniger Interesse an der Aktie zeigen als ältere Sparer. Positiv ist jedoch, dass sich auch hier im Vergleich zum Jahr 2014 eine Trendwende abzeichnet. Die Zahl der Aktienbesitzer unter 40 Jahren hat um insgesamt 170.000 und damit um 10 Prozent zugelegt. Positiv ist auch, dass sich die Aktienkultur in Ost- und Westdeutschland zunehmend angleicht. Ohne Zweifel bleibt auch die Politik weiter gefragt, damit Aktieninvestments künftig stärker von den Anlegern genutzt werden. Doch die politischen Entwicklungen sind hier widersprüchlich: ■ Auf der einen Seite geht die steuerpolitische Debatte klar in die falsche Richtung. So wird aktuell eine Reform des Investmentsteuerrechts diskutiert, die zu einer Verteuerung der indirekten Aktienanlage führen würde. Zwar wird es dabei nicht zur generellen Besteuerung von Streubesitz veräußerungsgewinnen für Kapital gesellschaften kommen, wie sie im ersten Entwurf Interesse an der Aktienanlage steigt in Tausend nur Aktien Aktien und Aktienfonds nur Aktienfonds 14.000 12.853 11.828 12.000 7.159 11.549 11.127 10.504 5.617 10.796 6.549 10.000 6.081 5.899 10.314 10.317 6.074 6.270 6.052 9.490 9.317 8.477 8.385 8.231 8.441 4.958 5.764 8.000 4.361 5.187 6.789 6.000 5.601 4.298 4.586 4.731 3.226 9.007 8.921 8.811 4.598 2.274 2.748 1.681 911 4.000 2.607 1.518 2.088 2.086 1.944 627 1.662 2.014 1.874 1.677 1.365 1.405 1.305 1.749 1.534 1.516 1.669 2.000 3.293 3.604 3.487 3.463 3.087 2.912 2.960 2.661 2.730 2.366 2.370 2.188 2.219 2.349 2.357 2.870 2.811 2.474 2.893 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Abbildung 1: Aktionäre und Besitzer von Aktienfonds* *Aktienfonds einschließlich Mischfonds 4 des neuen Rechts noch vorgesehen war. Diese hätte die Aktienanlage im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge schwer beeinträchtigt. Dennoch enthält auch der aktuelle Diskus sionstand Elemente, die abschreckend wirken. So sollen zum Beispiel künftig Dividendenerträge auf Fonds ebene besteuert werden, wobei sich der Anleger diese Steuern in einem nachträglichen Teilfreistellungsverfahren anrechnen lassen kann. Dies ist aber für Sparer irrelevant, die Erträge unterhalb der Sparpauschbeträge haben. Außerdem ist das Verfahren komplex und dürfte viele Anleger überfordern. Auch die Debatte um die Zukunft der Abgeltungsteuer, die im zweiten Halbjahr wieder aufgeflammt ist, geht in die falsche Richtung. Würden Dividenden und Kursgewinne künftig mit dem persönlichen Steuersatz und nicht mehr mit dem einheitlichen Abgeltungsteuersatz besteuert, würde dies die steuerliche Belastung vieler Aktionäre noch einmal deutlich erhöhen. Ähnlich würde die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wirken, um deren Ausgestaltung nach wie vor 10 EU-Mitgliedsstaaten ringen. Was derzeit in der steuerpolitischen Debatte hingegen völlig fehlt, ist der Hinweis auf die steuerliche Diskriminierung von Aktienerträgen gegenüber Erträgen aus festverzinslichen Wertpapieren, die generell in der Abgeltungsteuer angelegt ist.1 ■Im Widerspruch zu den steuerpolitischen Vorstellungen wird mit dem Vorschlag von drei hessischen Ministern zur Einführung einer Deutschlandrente zum ersten Mal seit Jahren eine neue politische Initiative zur Verbesserung der privaten Altersvorsorge gestartet. Aus Sicht des Deutschen Aktieninstituts ist es insbesondere zu begrüßen, dass die Aktie in der Altersvorsorge stärker genutzt werden soll. Dies birgt die Chance, der Vermögensbildung und Altersvorsorge mit Aktien und Aktienfonds einen neuen Impuls zu verleihen. Dazu muss jedoch ein sinnvolles Gesamtkonzept entwickelt werden, das insbesondere nicht die Schwächen der Riester-Rente wiederholt. Hier wurde ein übermäßig hoher Schutz der eingezahlten Gelder vor kurz- und mittelfristigen Verlusten in das Konzept eingebaut, der prinzipiell zu niedrigen Aktienquoten führt. Langfristig ist das nicht sinnvoll und sogar kontraproduktiv für die erzielbare Rendite. Wer langfristig mehr Altersvorsorgevermögen auch über die Aktienanlage erzielen will, muss kurz- und mittelfristige Kursschwankungen hinnehmen. Für ein Mehr an Aktienkultur in Deutschland ist die Ausgestaltung der Altersvorsorge ein wichtiger, wenn nicht sogar der Schlüssel faktor. Wenn es gelingt, hierüber die Aktien affinität der Deutschen zu stärken, hat das weitere positive volkswirtschaftliche Effekte, zum Beispiel im Bereich der Finanzierung junger Unternehmen. Die Politik erkennt zunehmend, dass Deutschland eine Schwäche bei der Risikokapitalfinanzierung hat, was insbesondere bei der Anzahl der Börsengänge deutlich wird. Eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers und unter Beteiligung des Deutschen Aktieninstituts ein Bündel an Maßnahmen zur Stärkung der Risikokapitalund Börsenfinanzierung vorgeschlagen.2 Eine zentrale Aussage lautet: Ohne eine verbesserte Wertpapier- und Aktienkultur wird es langfristig an der Basis fehlen, aus der heraus unternehmerische Ideen finanziert werden können. Ohne eine solche Finanzierung droht jedoch mittelfristig das Erlahmen der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die Aktienkultur hat daher auch etwas mit der Finanzierung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen zu tun – ein Zusammenhang, der leider oft genug vergessen wird. 1 Das Deutsche Aktieninstitut hat dazu bereits 2009 einen Vorschlag unterbreitet, wie diese Diskriminierung unter Nutzung des Konzeptes der Abgeltungsteuer beseitigt werden könnte. 2 Siehe Round Table bei Bundesminister Sigmar Gabriel, Mehr Börsengänge von jungen Wachstumsunternehmen in Deutschland, Abschlussbericht der Arbeitsgruppen, September 2015. 5 Ergebnisse für das Jahr 2015 im Detail Abbildung 1 (siehe Seite 3) zeigt die Gesamtzahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfonds im Zeitablauf. Im Jahr 2015 hielten in Deutschland etwas über 9 Millionen Personen ein Aktieninvestment. Dies entspricht einem Anteil von 14 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahren. Im Vorjahr waren es nur 13,1 Pro zent beziehungsweise 8,4 Millionen Anleger. Der negative Trend der Vorjahre ist damit vorerst gebrochen und das Interesse der deutschen Bevölkerung an der Aktie wieder gestiegen. Damit liegt die Gesamtzahl nun wieder deutlich über dem Tiefststand der Finanzkrise. Zum Niveau des Rekordjahrs 2001 ist es allerdings noch ein weiter Weg. Im Vergleich zu damals hat nach wie vor jeder vierte Anleger (3,5 Millionen) dem Aktienmarkt den Rücken gekehrt. Der Anstieg von rund 600.000 im Jahr 2015 ist sowohl auf die Entwicklung der direkten Aktionäre als auch die der Besitzer von Aktienfondsanteilen zurückzuführen. Waren es 2014 noch rund 4,1 Millionen Aktionäre, haben im Jahr 2015 mehr als 260.000 Menschen neu direkt in die Aktie investiert. Dies entspricht einem Plus von 6,4 Prozent. Damit sind nun rund 4,4 Millionen Menschen Aktionäre (6,8 Prozent der Bevölkerung). Die Zahl der Aktienfondsbesitzer ist im Vergleich zum Vorjahr mit knapp 2,5 Prozent etwas weniger gestiegen und erreichte in 2015 rund 6,1 Millionen. Die Zahl derjenigen, die gleichzeitig Aktien und Aktienfonds besitzen, ist dabei um rund 150.000 auf jetzt rund 1,5 Millionen Anleger gesunken. Hauptverantwortlich für den Anstieg der Aktionäre ist die Zahl der Belegschaftsaktionäre (Abbildung 2). Nach rund 820.000 Menschen in 2014 sind heute beinahe 1,1 Millionen nach eigener Aussage als Beleg schaftsaktionäre an ihren Unternehmen beteiligt. Nach dem überraschend hohen Minus im Vorjahr hat sich die Zahl der Belegschaftsaktionäre damit wieder erholt. Nichtsdestotrotz halten noch immer nur 1,7 Prozent der Bevölkerung überhaupt Belegschaftsaktien. Die Zahl derjenigen, die Aktien auch unabhängig vom Motiv der Mitarbeiterbeteiligung besitzen (ebenfalls Abbildung 2), verharrt dagegen mit rund 3,5 Millionen Anlegern auf dem Vorjahresniveau. Direktanlage mit spürbarem Plus, vor allem dank der Belegschaftsaktionäre nur Belegschaftsaktien in Tausend Belegschafts- und andere Aktien nur andere Aktien 7.000 6.211 6.000 5.694 4.610 5.005 5.000 4.235 5.000 5.046 4.605 4.515 3.526 3.406 4.000 4.744 4.532 4.240 3.698 3.920 3.399 2.857 3.472 3.174 2.458 4.409 4.143 4.047 3.891 3.553 3.624 3.654 3.247 3.321 3.332 3.325 3.018 3.000 4.560 2.734 2.607 2.633 2.666 236 253 294 2.000 309 361 369 511 488 495 1.000 489 433 329 314 229 394 398 364 183 201 1.153 1.297 1.230 1.090 971 979 859 773 943 752 800 710 738 694 763 887 875 617 894 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Abbildung 2: Zahl der Aktionäre 6 Fondsanlage ebenfalls im Aufwind in Tausend nur Aktienfonds Aktienfonds und Mischfonds nur Mischfonds 9.766 10.000 8.637 8.365 2.633 8.167 7.843 8.000 7.948 7.947 2.772 2.686 2.575 1.764 7.129 2.923 2.678 1.097 2.774 952 6.000 6.592 3.138 1.177 4.744 864 842 975 933 6.620 6.036 6.120 5.967 2.633 2.723 2.413 748 6.110 2.261 2.418 2.248 691 788 6.114 2.131 1.162 4.000 3.185 2.308 2.000 8.066 557 551 391 576 631 658 578 727 662 236 160 1.591 2.222 3.191 5.649 6.036 4.885 4.380 4.323 4.317 4.243 4.513 3.440 3.293 2.992 3.201 3.409 3.001 2.931 3.321 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Abbildung 3: Zahl der Anleger in Aktienfonds Ein leichtes Plus verzeichnet der Besitz von Anteilen an Aktien fonds und Mischfonds, das heißt Fonds, die Aktien enthalten (Abbildung 3). Mit einem Anstieg von rund 140.000 Personen wird der Rückgang aus dem Vorjahr ausgeglichen. Insgesamt liegt die Gesamtzahl der Aktienfondsanleger aber noch immer weit unter dem Höchststand im Jahr 2001. Damals gab es fast 9,8 Millionen Aktienfondsanleger (das waren 15,2 Prozent der Bevölkerung). Demographie des Aktienbesitzes: West-Ost- Gefälle nimmt stetig ab, erste Erholungs zeichen bei den jüngeren Anlegern Die Demographie des Aktienbesitzes3 ist seit einigen Jahre relativ stabil. Überproportional viele Aktionäre und Aktienfondsbesitzer gibt es nach wie vor bei Menschen mit einem relativ hohen Bildungsniveau sowie einem überdurchschnittlichen Haushaltseinkommen. Es fällt jedoch auf, dass sich West- und Ostdeutschland seit einiger Zeit mehr und mehr angleichen, wenn es um die Aktienkultur geht. So liegt der Anteil der Aktienbesitzer in Ostdeutschland mit 12,6 Prozent der Bevölkerung heute nur noch knapp unter dem Anteil in Westdeutschland mit 14,4 Prozent (Abbildung 4). Allein im letzten Jahr verzeichnete Ostdeutschland ein Plus von etwa 300.000 Anlegern. Das ist in etwa genauso viel wie im Westen der Republik – allerdings bei deutlich geringerer Einwohnerzahl. Jedoch setzen die Menschen in den östlichen Bundesländern viel stärker auf die Fondsanlage als im Westen. Die Direktanlage in die Aktie nimmt dagegen erst in jüngerer Vergangenheit leicht zu. Seit längerem zeigte sich in den Aktionärszahlen zudem eine besondere Zurückhaltung bei den jüngeren Anlegern. Dies ist vermögenspolitisch besonders problematisch, denn die jüngere Generation wird die Folgen des demographischen Wandels auf die staatlichen Rentensysteme deutlicher zu spüren bekommen und hätte unter einem dauerhaft niedrigen Zinsniveau besonders zu leiden. Insbesondere für die jüngere Generation wären daher der private Vermögensaufbau und die private Altersvorsorge mit der Aktie wichtig, um ihren Lebensstandard auch künftig zu sichern. An der Altersstruktur der Aktionäre hat sich auch im Jahr 2015 wenig geändert. Prozentual gesehen gibt es die meisten Aktienbesitzer in der Altersgruppe zwischen 40 und 49 Jahren sowie 50 und 59 Jahren mit rund 17,5 Prozent und 17,6 Prozent der jeweiligen Altersgruppe, gefolgt von der Altersgruppe ab 60 Jahren (15,2 Prozent). Die jüngeren Altersgruppen können da nicht mithalten. Schon die Aktienaffinität der 30- bis 39-Jährigen ist spürbar geringer als die der älteren Anleger (13,6 Prozent), erst recht aber die der 20- bis 29-Jährigen (7,0 Prozent). Fasst man jedoch alle Aktienbesitzer von 14 bis 40 Jahren in einer Gruppe zusammen, so ist deren Zahl im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 170.000 Siehe zur längerfristigen Entwicklung der Demographie des Aktienbesitzes Deutsches Aktieninstitut, Aktionärszahlen 2013, sowie die Datentabellen für das Jahr 2015. Beides ist unter www.dai.de abrufbar. 3 7 Fortschreitende Angleichung der Aktienkultur in Ost und West in Prozent der jeweiligen Bevölkerung West Ost 15,8 % 16 % 14,8 % 14,4 % 14,4 % 13,8 % 14 % 12,6 % 12 % 10,6 % 10,3 % 10,2 % 10 % 8,6 % 8% 6% 4% 2011 2012 2013 2014 2015 Abbildung 4: Entwicklung des Aktienbesitzes nach Regionen spürbar gestiegen (Abbildung 5). Sollte sich dieses Plus von immerhin 10 Prozent als Beginn eines längerfristigen Trends herausstellen, wäre das ein gutes Zeichen für die Aktienkultur und die Vermögensbildung in Deutschland. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe unter den Aktienbesitzern wird aber auf absehbare Zeit die Gruppe der Über-60-Jährigen bleiben, die im Jahr 2015 noch einmal deutlich größer geworden ist: Knapp 3,2 Millionen Anleger bedeuten hier einen neuen Höchststand. Zahl der jüngeren Aktienanleger steigt spürbar in Tausend 2014 2015 3.000 2.815 2.500 2.000 9% 3.179 2, +1 -3,5 % % +10,0 1.865 1.696 2.005 1.934 +5,4 1.925 % 2.028 1.500 1.000 500 0 14-39 40-49 50 - 59 Abbildung 5: Aktienbesitz nach Altersgruppen (in Prozent der jeweiligen Altersgruppe) 60 und älter 8 Aktienanlage als Langfristanlage Spezial: Gemäß einer Umfrage des Deutschen Aktieninstituts zusammen mit der Boerse Stuttgart aus dem Jahr 2015 stehen einem verstärkten Engagement der Menschen am Aktienmarkt oft Missverständnisse über die Chancen und Risiken der Aktienanlage entgegen.4 Die Menschen verstehen zwar, dass sie mit Aktien an den Erfolgen der Unternehmen auf den Weltmärkten partizipieren. Sie denken aber oft, dass sie in Bezug auf Aktien nicht über ausreichend ökonomische Kenntnisse und genügend Geldmittel verfügen oder sie scheuen das Risiko von Kursverlusten. Auch vom Renditevorteil der Aktienanlage sind längst nicht alle Sparer überzeugt. Dabei zeigen Untersuchungen, dass man in der Vergangenheit mit einem breit gestreuten Aktienengagement langfristig zwischen 2 und 3 Prozent Renditevorsprung gegenüber der Rentenanlage erzielen konnte. Betrachtet man im DAX zwischen Ende 1967 und Ende 2015 die insgesamt 29 verschiedenen 20-Jahreszeiträume, so erzielte man im schlechtesten Fall bei einem breit gestreuten Aktieninvestment eine jährliche Rendite von 6 Prozent (1967 bis 1987), im besten Fall eine jährliche Rendite von 15 Prozent (1979 bis 1999). Im Mittel errechnet sich eine Rendite von gut 9 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: Im REXP, der die langfristige Entwicklung deutscher Staatsanleihen darstellt, lagen die entsprechenden Renditen zwischen 5 und gut 8 Prozent, was einem Mittel von rund 7 Prozent entspricht. Der Abstand scheint gering, jedoch wirkt er über lange Zeiträume enorm auf das erzielbare Endvermögen bei gleicher Sparrate oder auf die Zeit, die benötigt wird, um ein bestimmtes Sparziel zu erreichen.5 Siehe Deutsches Aktieninstitut/Boerse Stuttgart Holding GmbH, Aktienanlage ist Kopfsache, Studien des Deutschen Aktieninstituts, Mai 2015. 5 Der Zeitraum von 1967 bis 2015 wird hier gewählt, weil es für die Berechnung des REXP, der die Entwicklung Staatsanleihen abbildet, vor 1967 keine Daten gibt. Daten für den Deutschen Aktienindex DAX liegen seit 1987 vor. Davor stützen sich die Aussagen auf eine Rückrechnung des DAX durch Prof. Dr. em. Stehle, TU Berlin. 4 Zusatzversorgung schneller erwirtschaftet So könnte es für den Anleger ein Sparziel sein, 500 Euro monatliche Zusatzrente über eine Bezugsdauer von 20 Jahren oder alternativ 1.000 Wer mit Aktien Spart, kommt schneller ans Ziel monatliche Sparrate 100 Euro, ohne Transaktionskosten, keine Weiterverzinsung des Endvermögens in der Rentenphase Spardauer in Jahren Spardauer beim aktuellen Zinsniveau an den Rentenmärkten = 70 Jahre Spardauer für ein Endvermögen von 120.000 Euro bei 100 Euro monatlicher Sparrate 70 60 50 Spardauer bei mittlerer historischer Rentenrendite = 30 Jahre 40 Spardauer bei mittlerer historischer Aktienrendite = 26 Jahre 30 20 10 0 0% 5% 10 % 15 % Abbildung 6: Anspardauer in einem fiktiven Fondssparplan in Abhängigkeit von der Rendite 20 % Rendite in Prozent 9 Euro über eine Bezugsdauer von 10 Jahren zu erzielen. Um das zu schaffen, benötigt man 120.000 Euro Vermögen, das über die Rentenphase nach und nach abgebaut wird. Abbildung 6 zeigt, wie lange es unter bestimmten Renditeannahmen dauert, bis ein Sparer bei einer monatlichen Sparrate von 100 Euro diese 120.000 Euro erwirtschaftet hat. Vereinfachend wird dabei davon ausgegangen, dass in der Ansparphase keine Transaktionskosten anfallen und sich das erwirtschaftete Endvermögen ab Beginn der Rentenphase nicht weiterverzinst, aber auch keine Steuern anfallen. Unterstellt man die mittlere Aktienrendite von 9 Prozent, so dauert der Ansparprozess etwa 26 Jahre. Bei der mittleren historischen Rendite im REXP von 7 Prozent dauert der Ansparprozess bereits 30 Jahre. Solche Renditen für deutsche Staatsanleihen dürften Sparer aber auf absehbare Zeit kaum mehr realisieren können, denn die aktuelle Umlaufrendite liegt hier – je nach Laufzeit – zwischen 0,5 und gut 1 Prozent. Legt man diese Verzinsungsannahme zugrunde, dann reicht ein typisches Sparerleben nicht mehr aus, um in unserem Beispiel ein Endvermögen von 120.000 Euro zu erzielen. Hierfür würde man nämlich 70 Jahre und mehr benötigen. Anleger sollten sich bei der Bewertung der Aktien anlage also nicht nur auf die Frage des erzielbaren Endvermögens konzentrieren, sondern sich auch bewusst machen, dass sich unter der Nutzung der Aktie langfristige Sparziele regelmäßig schneller realisieren lassen. Dies spart nicht nur Zeit, sondern erfordert letztlich auch weniger Sparmittel: Wer 4 Jahre weniger sparen muss, muss im Beispiel insgesamt 4.800 Euro für die gewünschte Zusatzrente zur Seite legen. Um die Vorteile eines Aktieninvestments zu nutzen, muss ein Sparer jedoch das kurz- und mittelfristige Risiko von Kursschwankungen eingehen und die Anlage in Aktien als langfristig ansehen. Die Unsicher heit beim Umgang mit diesem Risiko und die fehlende Erfahrung hiermit sind ein entscheidender Grund, warum viele Anleger selbst vor einem breit gestreuten Aktieninvestment große Scheu haben. Bei langfristigem Sparen ist das Risiko, mit Aktien Verluste zu erleiden, jedoch deutlich geringer, als viele Menschen glauben. So hat es in der Vergangenheit selbst nach starken Kursstürzen aufgrund von Finanzmarktkrisen nie mehr als gut sieben Jahre gedauert, bis die Anleger zumindest das Einstiegsniveau der Kurse erreicht hatten (Abbildung 7). Renditeverluste aus Börsenkrisen werden mittelfristig kompensiert 12.000 11.000 2000 Dotcom Bubble Erholung in 7,3 Jahren 10.000 9.000 2008 Finanzkrise Erholung in 5,8 Jahren 1998/1999 Russlandkrise Erholung in 1,4 Jahren 8.000 7.000 6.000 5.000 1987 Schwarzer Montag Erholung in 3,7 Jahren 4.000 3.000 2.000 1.000 Datengrundlage: Deutsche Börse AG, Prof. Stehle, eigene Berechnungen 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Abbildung 7: Renditeentwicklung am deutschen Aktienmarkt gemessen am DAX nach Kursstürzen 2010 2015 10 Überdies kann man mit der Hereinnahme von Aktien in das Depot die Rendite-Risiko-Struktur der Geldanlage verbessern. Abbildung 8 zeigt dazu die minimalen, maximalen und mittleren Renditen pro Jahr von gemischten Portfolios aus DAX und REXP über verschiedene 20-Jahreszeiträume seit 1967. Grundlage sind jeweils die Jahresschlusskurse. Mit steigenden Aktienquoten im Portfolio steigt nicht nur die Chance auf bessere Durchschnitts- und Maximalrenditen. In einem ausgewogenen Depot konnte man in der Ver- gangenheit sogar eine höhere Minimalrendite als in einem nur aus festverzinslichen Papieren bestehenden Depot erzielen. Eine Mischung aus Aktien und Anleihen in der Geldanlage schützt den Anleger zudem davor, Aktien zur „Unzeit“, zum Beispiel nach einem Kursrutsch, verkaufen zu müssen. In solchen Fällen kann der Anleger das Entsparen zeitweise allein über den Abbau einer Position in Anleihen leisten, ohne dafür den Aktienteil antasten zu müssen. Gemischte Portfolios verbessern die Rendite-Risiko-Struktur der Geldanlage Historische Rendite (pro Jahr) 16% 15,2% 13,5% 14% 11,7% 12% 9,8% 10% 8,3% 8% 6% 4% 7,0% 5,0% 7,6% 5,9% 8,1% 6,3% 8,6% 6,3% 9,2% 6,0% 2% 0% 0% n Minimale Rendite 25% n Maximale Rendite 50% n Renditedurchschnitt 75% 100% Anteil der Aktie am 20-Jahresportfolio (in Prozent) Datengrundlage: Deutsche Börse AG, Prof. Stehle, eigene Berechnung auf Basis der Jahresschlussstände von DAX und REXP seit 1967 Abbildung 8: Historische Renditen in gemischten 20-Jahres-Portfolios aus DAX und REXP seit 1967 11 Systematik und Methodik der Aktionärsstrukturstatistik Das Deutsche Aktieninstitut zählt alle Anleger als „Aktienbesitzer“, die entweder direkt mit Aktien oder indirekt mit Aktienfonds an der Entwicklung des Aktienmarktes partizipieren. Wegen der möglichen Überschneidungen der beiden Gruppen – ein Anleger kann neben Aktien auch Anteile an Aktienfonds besitzen – können die beiden Gruppen in der Darstellung nicht einfach addiert werden. Deshalb unterscheidet die Statistik des Deutschen Aktieninstituts: (1) Menschen, die nur Aktien, nicht aber Fondsanteile halten („nur Aktien“), (2) Menschen, die nur Fondsanteile, nicht aber Aktien besitzen („nur Aktienfonds“), und (3) d ie Anleger, die sowohl Aktien und Anteile an Aktienfonds besitzen („Aktien und Aktienfonds“). Die gleiche logische Struktur in den Überschneidungen findet sich innerhalb der Gruppen der Aktionäre und der Anleger in Aktienfonds. Bei den Aktionären wird unterschieden zwischen (1) Belegschaftsaktionären, die ausschließlich Belegschaftsaktien, aber keine anderen Aktien halten, (2) Aktionären, die gar keine Belegschaftsaktien halten, und (3) Aktionären, die sowohl Belegschaftsals auch andere Aktien besitzen. Die Anleger in Aktienfonds gliedern sich in (1) M enschen, die nur Aktienfonds halten, (2) M enschen, die ausschließlich Anteile an Gemischten Fonds halten, und (3) A nleger, die sowohl Anteile an Gemischten Fonds als auch an Aktienfonds besitzen. Die Gruppe der Besitzer von Aktienfonds wird also weit abgegrenzt. Sie umfasst Aktienfonds und Gemischte Fonds, die Aktien enthalten. nur Aktienfonds Anleger in Aktienfonds Aktienbesitzer (= alle Aktien investments) Aktien und Aktienfonds und Aktien Aktienfonds Aktionäre nur Aktien Inwiefern die Anleger in den verschiedenen Untergruppen auch andere Anlageformen nutzen, z.B. Anleihen, Anteile an Renten- oder Immobilienfonds, Geldmarktkonten oder Versicherungen, geht aus der Statistik des Deutschen Aktieninstituts nicht hervor. Dass ein Anleger nach unserer Untersuchung zum Beispiel „nur Aktien“ hält, bedeutet also, dass er keine Anteile an Aktien- oder Gemischten Fonds besitzt. Es bedeutet ausdrücklich nicht, dass er außer Aktien gar keine andere Anlageform nutzt. Dies würde Deutschen Aktieninstitut auch nicht empfehlen. Methodisch beruht die Aktionärsstrukturstatistik des Deutschen Aktieninstituts auf einer repräsentativen Umfrage von TNS Infratest. Hierzu werden in insgesamt 12 Wellen jährlich ca. 28.000 Anleger im Alter von mindestens 14 Jahren zufällig ausgewählt und weitgehend in einem persönlichen Interview nach ihren Anlageverhalten befragt. Entsprechend beziehen sich Prozentangaben im Text auch auf die Bevölkerung mit mindestens diesem Alter. Mit dem Beginn des Jahres 2013 hat das Deutsche Aktieninstitut zudem die Statistik generell auf Ganzjahreswerte umgestellt. Trotz der breiten statistischen Grundlage unterliegen die Halbjahreszahlen insbesondere der verschiedenen Untergruppen größeren statistisch bedingten Schwankungen, die die Interpretation erschweren. Die Daten, die dieser Studie zugrunde liegen, können unter www.dai.de abgerufen werden. Frankfurt am Main | 12. Februar 2016 Dr. Gerrit Fey | Tel. +49 69 92915-41 | [email protected] Michaela Hohlmeier | Tel. +49 69 92915-31 | [email protected] Deutsches Aktieninstitut e.V. Senckenberganlage 28 | 60325 Frankfurt am Main Tel. +49 69 92915-0 | Fax +49 69 92915-12 www.dai.de
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