Referat: „Überblick Prävention“ Thorsten Kopp 3. Semester, LA

Referat: „Überblick Prävention“
Seminar: „Prävention sexualisierter Gewalt in
Thorsten Kopp
der Grundschule“
3. Semester, LA Sonderpädagogik
Lehrender: Detlef Pech
eMail: [email protected]
Universität Oldenburg
Eine ggf. aktualisierte/korrigierte Version
Wintersemester 2000/2001
dieses Textes findet sich im Internet unter
http://www.ewetel.net/~thorsten.kopp.
Täter
sexualisierter Gewalt
Täter sind zu
25% aus der Familie
50% aus dem Bekanntenkreis
25% dem Kind unbekannte Täter
Definitionen
von Prävention
a) Prävention im weiteren Sinne (nach Koch; Kruck):
•
Primäre Prävention: Sexualisierte Gewalt soll im Vorfeld verhindert werden. Ansatz meist bei potentiellen Opfern durch Aufklärung,
teilweise auch bei potentiellen Tätern.
•
Sekundäre Prävention: Aufdeckung und Beendigung bestehender
sexualisierter Gewalt
•
Tertiäre Prävention: Rehabilitation, Minderung von Folgeschäden
b) Prävention im engeren Sinne (nach May)
•
Prävention: Fortbildung von ErzieherInnen und LehrerInnen sowie
weiteren Erwachsenen.
•
Prophylaxe: Vorbeugende Arbeit mit Kindern
•
Intervention: Aufdeckung und Beendigung, Unterbindung und Verarbeitung sexuellen Missbrauchs.
Ansätze
der Prävention
a) Frühe Ansätze:
Zielgruppe der traditionellen Prävention sind Kinder als potentielle Opfer von
sexualisierter Gewalt. Dabei wird ausschließlich vor Fremdtätern gewarnt:
„Bleib in der Nähe des Hauses! – Steig nicht in fremde Autos! – Nimm keine
Süßigkeiten von Fremden!“1 Zudem wird vor „aufreizender“ Kleidung bei
Mädchen gewarnt. Diese Warnungen erzeugen einerseits Angstgefühle bei den
1
Zitiert aus: „Zart war ich, bitter war’s“, S. 252.
Kindern und schränken sie andererseits in ihrer Selbstständigkeit ein. Zudem
wird ihr Selbstvertrauen geschwächt. Deshalb sind diese Ansätze aus heutiger
Sicht kontraproduktiv, da wenig selbstsichere Kinder anscheinend leichter zu
Opfern sexualisierter Gewalt werden. Außerdem werden den Kindern Schuldgefühle vermittelt, wenn sie Opfer werden: Sie seien unvorsichtig gewesen und
hätten sich nicht an die Verhaltensregeln gehalten.
b) Amerikanisches Modell: CAPP (Child Assault Prevention Project), Ende
der 70er Jahre
Aus der Kritik an der traditionellen Prävention haben sich zunächst in den USA
neue Modelle entwickelt, die aus der feministischen Theorie entstammen. Diese erklärt patriarchalische Gesellschaftsstrukturen als verantwortlich für die
Entstehung von sexuellem Missbrauch.
Zielgruppe der Prävention sind wiederum die Kinder als potentielle Opfer.
Hinzu kommt Aufklärungsarbeit mit den Eltern und den LehrerInnen / ErzieherInnen. Neben der Gefahr durch Fremdtäter wird auch auf Täter aus dem
Nahfeld der Kinder hingewiesen.
Ein Ziel von CAPP ist es, Angst bei den Kindern zu vermeiden und vielmehr
ihr Selbstvertrauen zu stärken. Zentrale Punkte sind dabei:
-
Bestimmungsrecht über den eigenen Körper
-
Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Gefühlen und Berührungen, sowie „guten“ und „schlechten“ Geheimnissen
-
„Nein“ sagen können; sich wehren; teilweise Selbstverteidigung
-
Informationen über Hilfsangebote
-
Sexuelle Gewalt ist niemals die Schuld des Opfers!
c) Aktuelle Ansätze in Deutschland
Es wird deutlich, dass Kinder nicht die Hauptzielgruppe bleiben dürfen. Verstärkt werden müssen Weiterbildung von Lehrkräften, Elternarbeit, Täterprävention und ein Hinwirken auf die Veränderung patriarchalischer gesellschaftlicher Strukturen, die als Nährboden für sexuelle Gewalt angesehen werden.
Einige Bestandteile der amerikanischen Prävention werden als schädlich angesehen: Ein Selbstverteidigungskurs für Kinder wird abgelehnt, da er falsche Sicherheit vermittelt, weil Kinder Erwachsenen stets körperlich unterlegen sein
werden. Die einseitige Betonung des „Nein“-Sagens wird abgelehnt; zusätzlich
muss das „Ja“-Sagen zu angenehmen Gefühlen mit einfließen. Auch die polari-
sierte Darstellung von guten und schlechten Gefühlen wird kritisch betrachtet,
da es gerade in Missbrauchssituationen ambivalente (=zwiespältige) Gefühle
gibt.
Bausteine der Prophylaxe mit Kindern:2
(
(
(
Körper kennen und wahrnehmen; Nähe und Distanz
(
(
Ich-Stärke: Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, Zwiespalte zulassen
(
Gefühle: Eigene Gefühle und die der anderen wahrnehmen und respektieren. Empathie und Solidarität fördern.
Rechte von Kindern, Menschenrechte
Sexualität: Enttabuisierung; darüber sprechen können; Gefühle bewusst
machen
Informationen über Hilfsangebote, Entstehungszusammenhänge von sexualisierter Gewalt
Gerade im letztgenannten Punkt ist ansatzweise eine Täterprävention enthalten: Lernen die Kinder, aus Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen, so scheint
es weniger wahrscheinlich, dass sie später zum Täter werden.
Es wird als wichtig angesehen, dass Prävention / Prophylaxe nicht nur punktuell in Form von Projekten durchgeführt wird, sondern ganzheitlich in den Unterricht eingebunden und in Form eines Spiralcurriculums immer wieder wiederholt und vertieft wird.
Eine zentrale Bedeutung kommt neben der LehrerInnenfortbildung der Elternarbeit zu, in der u. a. auf eine weniger autoritäre und geschlechtsspezifische
Erziehung hingewirkt werden soll.
Als langfristiges Ziel wird eine Änderung patriarchalischer gesellschaftlicher
Strukturen genannt, um somit der sexualisierten Gewalt ihren „Nährboden“ zu
entziehen.
Literatur
•
•
•
2
/ Quellen
MAY, Angela: „Sexuellen Mißbrauch verhindern – Vorbeugende Arbeit in der Schule mit Hilfe multidisziplinärer Ansätze“ in HÖFLING; DREWES; EPPLE-WAIGEL
(Hrsg.): „Auftrag Prävention – Offensive gegen sexuellen Kindesmißbrauch“ (S. 197
– 220). Hanns Seidel Stiftung.
KOCH, Helmut H.; KRUCK, Marlene: „ >Ich werd’s trotzdem weitersagen!< Prävention gegen sexuellen Mißbrauch in der Schule.“. Münster: LIT, 2000. (S. 33-77)
ENDERS, Ursula (Hrsg.): „Zart war ich, bitter war’s: sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen“. Köln: Kölner Volksblatt Verlag, 1990. (S. 252 – 273)
Nach Angela May in „Auftrag Prävention“, S. 208