Das WIR-Prinzip – die Kommunikation der Verbundenheit I.2. Die Statuswippe – sich aufeinander einstellen und zueinander Stellung nehmen Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen. Aristoteles] Die Haltung, in der wir zu den Menschen Stellung beziehen, denen wir begegnen, wird in der Kommunikationswissenschaft mit dem Wort Status bezeichnet. Wir beziehen immer innerlich und äußerlich Stellung zu den Menschen, mit denen wir kommunizieren. Innerer und äußerer Status, Hoch- und Tiefstatus Unser innerlicher Status ist unser momentanes Selbstgefühl (ICH-Achse). Dieses wird geprägt durch den Eindruck, den ein anderer Mensch oder eine Situation auf uns macht. Ob ein Mensch sein momentanes inneres Selbstgefühl als ein Hochgefühl (positiver Bereich der ICH-Achse) oder als ein Tiefgefühl (negativer Bereich der ICH-Achse) empfindet, ist davon abhängig, wie er diesen Eindruck bewertet. Der innere Status eines Menschen zeigt den Grad seines Selbstwerts. Unser äußerlicher Status (WIR-Achse) ist der verbale, non-verbale und paraverbale Ausdruck, den wir unserem momentanen Selbstgefühl geben. Was ein Mensch bei welchem inneren Selbstgefühl äußerlich zum Ausdruck bringt und wie er das tut, ist davon abhängig, wie er in der Situation auf den anderen wirken will. Dementsprechend positioniert er sich entweder höher (positiver Bereich der WIR-Achse)oder tiefer (negativer Bereich der WIR-Achse) als der andere. Der äußere Status eines Menschen zeigt den Modus seiner Selbstwirksamkeit. Für jede Kommunikationssituation können wir unseren Status in den vier Feldern eintragen, die sich aus der ICH- und der WIR-Achse ergeben. Status ist immer. Wir können uns nicht nicht verhalten, genauso wie wir – nach Paul Watzlawicks Axiom − nicht nicht kommunizieren können. Aber unser Status ist alles andere als statisch, er ist vielmehr immer flexibel. Je nach persönlichem Temperament und individueller Gewohnheit neigt jeder von uns zwar zu einer Statustendenz − wird seinen Punkt also vermehrt in einem der vier Quadranten setzen − in der Familie ist dies allerdings vielleicht ein anderer als bei der Arbeit. Wieder ein anderer ist es vielleicht bei einem gesellschaftlichen Anlass oder auf Reisen. Und nicht nur in Bezug auf das Setting verschiedener Kommunikationssituationen, auch im Verlauf eines Gesprächs verändern wir unseren Status, je nachdem, was aus unserer Sicht die Situation erfordert. Die Flexibilität, mit der wir unseren Status verändern können, ist das entscheidende Merkmal der menschlichen Kommunikationsfähigkeit: Menschen kommunizieren, indem sie sich abwechselnd voneinander beeindrucken lassen und sich aufeinander einstellen, indem sie sich dem anderen gegenüber ausdrücken und zueinander Stellung nehmen. So als säßen sie auf einer Wippe. Das Prinzip des Status wird deshalb auch Statuswippe genannt. Das WIR-Prinzip beruht auf der Überzeugung, dass Kommunikation dann gelingt, wenn zwei Menschen auf der Statuswippe in die Balance kommen. Damit ist wiederum kein statisches Gleichgewicht gemeint, denn wenn die Wippe, die zwei Menschen teilen, sich nicht mehr bewegte, hätten sie aufgehört zu kommunizieren. Gelingende Kommunikation ist vielmehr eine Verlässlichkeit, die aus vielen feinen Statuswechseln entsteht, mit denen sich zwei Menschen auf der Wippe aufeinander einstellen und zueinander Stellung nehmen, immer etwas höher oder etwas tiefer als der andere. Wenn wir unsere Beziehung zu anderen Menschen in dieser Balance halten, sind wir in der Lage gemeinsam auf Unvorhergesehenes und Ungewohntes zu reagieren und souverän mit Veränderungen in unserem Leben umzugehen. Statuskämpfe Die Menschheit muss Krieg und Kampf ein Ende setzen. Oder die Kriege und Kämpfe setzen der Menschheit ein Ende. John F. Kennedy] Je extremer wir uns jedoch innerlich wie äußerlich positionieren, desto weiter entfernt sind wir davon, mit den Menschen, mit denen wir auf der Wippe stehen, in diese Art der Balance zu kommen. Je extremer wir uns positionieren, desto eher geraten wir auf der Wippe in Statuskämpfe. Statuskämpfe sind Kämpfe um den höheren Status, den in der Regel diejenigen gewinnen, die innerlich hoch eingestellt sind. Die Unterlegenen sind meistens Menschen die innerlich tief eingestellt sind. Im Statuskampf gleicht unser Kommunikationsverhalten ‒ ob Gewinner oder Verlierer ‒ einem Muster, das wir mehr oder weniger instinktiv abspulen, aus Angst, aus Stress, aus Gewohnheit. Statuskämpfe führen letztlich für beide ‒ Gewinner und Verlierer ‒ dazu, dass die Statuswippe und damit die Kommunikation zwischen ihnen zum Stillstand kommt. Viele Statusreibereien und kleinere Statuskämpfe kommen in unserem Alltag immer wieder vor, und meistens verlassen wir unsere extreme Position nach einer kurzen Pause wieder, fangen wieder an, uns aufeinander einzustellen, bringen die Wippe wieder in Gang. Die Menschen, die zu mir kommen, befinden sich allerdings dauerhaft in Statuskämpfen und stellen fest, dass sie dadurch immer mehr unter Druck geraten – wie Marie, oder dass sie Ihre Lebensqualität zunehmend beeinträchtigen – wie Wolfgang. Beide merken, dass sie durch die immer gleichen Verhaltensmuster in immer gleiche Kämpfe geraten. Sie fühlen sich wie derjenige, der auf der Wippe oben zappelt und vom anderen nicht zu Boden gelassen wird. Sie sind davon überzeugt, in die Balance zu kommen, wenn sie nach außen wirksamer kommunizieren im Hinblick auf ihre eigenen Interessen. Dieser Wunsch ist verständlich und diese Überzeugung verbreitet. Die meisten Kommunikationstrainings setzen hier an und plädieren dafür, sich das Prinzip der Statuswippe auf intelligente Weise zunutze zu machen ‒ anstatt es immer wieder auf Statuskämpfe nach dem Recht des Stärkeren ankommen zu lassen, intelligente Statusspiele zu spielen. Statusspiele und Statusintelligenz Ein Mensch, der sich hauptsächlich um die Befriedigung der Statusbedürfnisse kümmern muss, hat noch nicht genügend Kraft, sich selbst zu verwirklichen. Er verwirklicht lediglich seine äußere Schale, gewissermaßen seine Verpackung. Vera F. Birkenbihl] Ein Mensch, der statusintelligent kommuniziert, ist sich demnach bewusst, dass der Status, den er selbst einnimmt, den anderen automatisch in die jeweils entgegengesetzte Position bringt. Er nimmt seinen eigenen Status ein, um dem anderen den entgegengesetzten Status einnehmen zu lassen. Immer gerade so hoch, dass der andere entsprechend tief gehen muss, immer gerade so tief, dass der andere entsprechend hoch gehen muss. Statusintelligenz kann man lernen. Klassische Stimm-, Körpersprache- und RhetorikTrainings vermitteln die ganze Bandbreite verbalen, non-verbalen und paraverbalen Wissens und Könnens. Es ist nur eine Frage der Übung, bis es einem in Fleisch und Blut übergeht und man je den Status einnimmt, den man braucht, um die eigenen Interessen so durchzusetzen, dass der andere keine Wahl hat, als sie zu akzeptieren. Es geht in Statusspielen nicht mehr um den höheren Status, sondern darum am Ende die Oberhand zu haben. Statusspiele sind also gewissermaßen befriedete Statuskämpfe. In Statusspielen wird die Wippe nicht vom Stärkeren zum Stillstand gebracht, sondern der Statusintelligentere bestimmt das Tempo, den Rhythmus und den Ausschlag der Wippe. Der andere muss sich dem wohl oder übel anpassen. Sozial-kompetente Menschen wollen mit ihrem Status die Reaktion des anderen weder aussetzen noch ausnutzen, sondern dafür sorgen, dass der andere diesen aus freien Stücken annehmen kann. Sie positionieren sich immer nur so viel höher oder tiefer als ihr Gegenüber, dass er oder sie die Hand ergreifen kann, die sie reichen, ohne dass einer von beiden sein Gleichgewicht verliert. Auf diese Weise können beide in jene Balance kommen, deren Stabilität aus den feinen Statuswechseln entsteht, mit denen sie die Wippe, die sie teilen, in Bewegung halten. Soziale Kompetenz ist nichts, was wir lernen können, indem wir an unserem äußeren Status arbeiten. Denn die Balance, in der wir mit anderen Menschen sind (oder auch nicht sind), ist letztlich immer der Spiegel unseres inneren Gleichgewichts. Dieses ist – genau wie die Statuswippe – kein statisches. Mein Bild dafür ist der goldene Wesenskern, den jeder Mensch in sich trägt und zum Schimmern bringen kann. I.3. Der goldene Kern Der Mensch ist die Sprache, in die Gott übersetzt wird. Paul Claudel] Im goldenen Kern eines Menschen stecken seine Eigenschaften und Fähigkeiten, seine Wünsche, Träume und Ziele, seine Gefühle und seine Bedürfnisse, kurz sein ganzer innerer Reichtum. Wenn all diese Ebenen eines Menschen miteinander in einer lebendigen Verbindung stehen, sich verändern und wachsen können, ist er in der Lage, in die Kommunikation mit anderen Menschen den für jede Situation besten Entwurf seines ICHs einzubringen. Er schimmert durch alles hindurch, was er sagt und tut. Und dieses Schimmern kann der andere aus freien Stücken annehmen. Die Menschen, die zu mir kommen, unterstütze ich dabei, ihren goldenen Kern, den sie vielleicht gar nicht wahrnehmen oder den sie unberührt lassen, zum Schimmern zu bringen. So, dass sie sich ihren Wunsch erfüllen können: innerlich frei zu sein und zugleich verbunden mit den Menschen zu leben, die sie umgeben. Seinen eigenen goldenen Kern zum Schimmern zu bringen und den goldenen Kern des anderen zu erkennen und respektieren heißt schließlich, unsere Individualität zu feiern und in ihr nicht das Unmögliche, sondern das Mögliche zu sehen. Kommunikation ist dann kein Schlagabtausch mehr. Kommunikation wird auf diese Weise vom statusintelligenten Abgleich dessen, was jeder für sich erreichen kann, zum sozial-kompetenten Austausch über die beste Art, miteinander zu leben. Diese Erkenntnis habe ich in den Satz gegossen, der Sie durch dieses Buch führen wird und mit dem Sie Wort für Wort und Kapitel für Kapitel Ihren goldenen Kern zum Schimmern bringen und auf diese Weise in die soziale Kompetenz kommen können: WIR leben sozial-kompetent das WIR. Kapitel III. Die Bühne des Lebens im EGO-Prinzip: Kommunikation im Stillstand Streitende sollten wissen, dass nie einer ganz recht hat und der andere ganz unrecht. Kurt Tucholsky] Auf der Bühne des Lebens im EGO-Prinzip kommt es immer wieder zu Statuskämpfen. Die Kommunikation zwischen den Menschen, die sich dort begegnen, kommt zum Stillstand. Diejenigen im inneren Hochstatus, im Theaterjargon sind das die Selbstdarsteller und Rampensäue- bestimmen das Tempo einer Szene und die Stimmung im Ensemble. Die Menschen im inneren Tiefstatus bringen das Geschehen auf der Bühne sowie die Kommunikation im Team letztendlich kaum voran ‒ wie die lautstark schmollende Diva oder der sich wortlos seinem Schicksal ergebende Statist. Der Status der Ohnmacht (innen tiefer, außen tiefer) Die innere Haltung dieses Zustandes: „Ich kann jetzt nicht…ich mach lieber nix…lasst mir doch bitte meine Ruhe…“ Die Bandbreite im Verhalten eines Menschen in diesem Statuszustand reicht von kurzfristiger Müdigkeit, Erschöpfung, Traurigkeit, Frust über Krankheit bis hin zu Burnout, längerfristiger Depression und dem ständigen Gefühl der Ohnmacht. Der ganze Körper ist eher unterspannt, wirkt müde und eingefallen. Die Sprache ist unentschieden, beinhaltet viele Füllsel und Konjunktive, der aktive Wortschatz ist eingeschränkt. Jemand im diesem Statuszustand spricht eher langsam. Die Stimme ist oft zögerlich, leise. Im Status der Ohnmacht kommuniziert ein Mensch gar nicht oder „hinten herum“, grollt still, jammert leise. Er ist leicht empathisch bei Gleichgesinnten, solange sie nicht viel von ihm wollen. Auf der anderen Seite ist er auch freundlich, hilfsbereit und gutherzig ‒ der stille, ständige und leidende Helfer. Mögliche Selbstgefühle und Bedürfnisse, die im Status der Ohnmacht erfüllt sind: Bequemlichkeit, Gewohnheit, Rücksichtnahme, Sicherheit. Bedürfnisse, die möglicherweise im Status der Ohnmacht nicht erfüllt sind: Autonomie, innere wie äußere Freiheit, Entscheidungsfreiheit, Selbstvertrauen, Großzügigkeit gegenüber sich selbst, Selbstwirksamkeit, Verbundenheit mit anderen, Wertschätzung. Bei Stress zeigt sich in diesem Status jemand, der eher beschwichtigend, flüchtend, aufgebend, sich unterwerfend agiert. Manipuliert wird durch Unterwerfung, Flucht, betonte mentale, emotionale oder körperliche Schwäche, Tränen. Die erwünschten Reaktionen der anderen sind Sympathie, Nähe, Verständnis, Bedauern, Rücksicht. Er bekommt vielleicht Sympathie und Nähe, auch Mitleid, Nachsicht, Verständnis, aber auch Distanzlosigkeit und wenig Respekt. Auf die Dauer zieht dieser Status Unverständnis, Resignation, Gereiztheit, Vorwürfe oder sogar Aggression nach sich. Der Status der Übertreibung (innen tiefer, außen höher) Die innere Haltung: „Mich nimmt ja sowieso niemand so richtig ernst, am wenigsten ich selber…und deswegen zeige ich allen lieber eine Maske, egal welche…“ Die Bandbreite im Verhalten eines Menschen in diesem Statuszustand reicht von kurzfristiger Anspannung, Ärger, Wut bis hin zu extrem ausgelebter Emotionalität. Der ganze Körper ist in Anspannung. Die Sprache ist laut oder gefährlich leise, aggressiv oder betont lustig, alles überspielend, Emotionen werden häufig stark ausgelebt. Spricht schnell oder betont langsam. Die Stimme klingt jammernd bis ärgerlich, wütend, aber auch nachdrücklich bestimmend oder aufgedreht animiert. In Status der Übertreibung kommuniziert ein Mensch wenig direkt bis gar nicht oder hinten herum („Buschfunk“), grollt demonstrativ, jammert laut. Offene Aussprachen sind oft sehr emotionsgeladen. Jemand in diesem Zustand ist aber auch leicht empathisch bei Gleichgesinnten ‒ sie bestärken seine Sicht auf die Dinge. Mögliche Selbstgefühle und Bedürfnisse, die in diesem Status erfüllt sind: Kontrollbedürfnis, Durchsetzungsvermögen, Selbstbestimmung. Bedürfnisse, die möglicherweise im Status der Ohnmacht nicht erfüllt sind: emotionale Ausgeglichenheit, innere Freiheit, Entscheidungsfreiheit, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Geborgenheit, Anteilnahme, emotionale Nähe, Wertschätzung, Ehrlichkeit, Zugehörigkeit. Bei Stress zeigt sich in diesem Status jemand, der überwiegend anklagend, schimpfend, weinend, schreiend, kämpfend kommuniziert, aber auch Ablenkung ist an der Tagesordnung durch betonte und aufgesetzte gute Laune. Der hilflose Versuch, irgendeine Art von Dominanz zu zeigen, ist sichtbar. Manipuliert wird durch Aggression, Anbiederung, viel „Spaßmacherei“ oder auch zur Schau gestellte, überdimensionierte Statussymbole. Die erwünschten Reaktionen der anderen sind eigentlich Sympathie und Nähe, aber auch Respekt und Distanz. Er bekommt Unverständnis, Ablehnung, Aggression. Er wird nicht wirklich ernst genommen, das Umfeld reagiert unsicher auf solch widersprüchliches Verhalten. Der Status der Macht (innen hoch, außen hoch) Die innere Haltung: „Ich bin wer und ich sage, wo es lang geht!“ Die Bandbreite im Verhalten eines Menschen in diese Statuszustand reicht von Selbstbewusstsein, Durchsetzungsstärke, Entscheidungsfreude und Engagement ‒ vor allem im Kontakt mit Gleichgestellten ‒ über Selbstgefälligkeit, Dominanz bis hin zu autoritärem der sogar diktatorischem Verhalten ‒ beruflich wie familiär. Der ganze Körper ist leicht angespannt, wirkt oft energiegeladen und fit, aber auch distanziert und hart. Die Sprache ist temperamentvoll laut oder beherrscht leise ‒ je nach Temperament und Laune. Bei Anweisungen hört man oft mehr oder weniger herrische, kurze, nicht immer unbedingt klare Sätze. In der Selbstdarstellung ist jemand im Status der Macht wortreich und honorig, machtvoll, selbstbewusst. Menschen in diesem Statuszustand sind oft auf ihre selbstbewusste Wirkung geschult. Die Stimme ist häufig fest und druckvoll. Die Sätze werden häufig klar und deutlich abgeschlossen, Aussagen auf den Punkt gebracht. Im Status der Macht kommuniziert ein Mensch je nach Charakter und Stimmung angemessen häufig mit seinen Mitmenschen, aber auch wenig bis gar nicht, gibt mehr oder weniger klare Anweisungen, nimmt andere selten mit in seinen Gedanken und Vorhaben, verlässt sich aber in der Durchführung der Anweisungen auf sie. Mögliche Selbstgefühle und Bedürfnisse, die im Status der Macht erfüllt sein können, sind: Abenteuerlust, Aufblühen, Befriedigung, Behagen, Eifer, Großzügigkeit, Intensität, Kompetenzen zeigen, Wirksamkeit, Leidenschaft, Lust, Mut, Sicherheit, Sympathie, Unternehmungslust, Zuversicht. Bedürfnisse, die möglicherweise im Status der Macht nicht erfüllt sind: Geborgenheit, Wärme, emotionale Nähe, Anteilnahme, Trost, Mitgefühl, Gemeinschaft, Kontakt mit anderen, Wertschätzung, Liebe, Vertrauen, Toleranz mit den eigenen Unzulänglichkeiten. Bei Stress zeigt sich in diesem Status jemand, der eher rationalisierend agiert, manipulierende Ablenkungen auf „ Nebenschauplätze“ des Gesprächs einleitet, passiv- aggressive Angriffe fährt, verbissene, aber selbstbeherrschte Kämpfe führt und stark dominiert. Er manipuliert durch Druck, Überzeugungskraft, gewandte Rhetorik, vermeintlich sachliche Argumente, Machtpositionierung und Statussymbole sowie Dominanz. Die erwünschten Reaktionen der anderen wären Respekt, Distanz, Anerkennung, Wertschätzung, Achtung. Er bekommt häufig tatsächlich Respekt, vielleicht offizielle Anerkennung und Wertschätzung, aber auch Distanz. Nähe und Offenheit erfährt er eher nicht, dafür verdecktes Unverständnis, passive Aggression, ruft vielleicht Angst, Unehrlichkeit, Speichelleckerei oder Fluchtverhalten hervor. Der Status der Glätte (innen hoch, außen tiefer) Die innere Haltung: „Ich bin wer, ich weiß, wie das Leben läuft und bekomme mit meinem Charme, was ich will bzw. verdiene!“ Die Bandbreite im Verhalten eines Menschen im Status der Glätte reicht von einem höflichen, zurückhaltenden oder auch angemessen offenen, zuvorkommenden Verhalten über versteckte Manipulationsspielchen und offene Schleimerei bis hin zu passivaggressiver Manipulation durch verdeckte Dominanzkämpfe. Der Körper ist häufig gut trainiert und wird bewusst in einer Mischung aus Spannung und Entspannung gehalten. Die Sprache ist klar, oft positiv, charmant bis schmeichelnd, verbunden mit einem großen aktiven Wortschatz. Jemand in diesem Statuszustand spricht der Situation angemessen, mal lauter, mal leiser und stellt sich auf sein Gegenüber ein. Die Stimme ist anpassungsfähig und meistens angenehm. Menschen in diesem Status sind häufig gut geschult durch Fort- und Weiterbildungen aller Art. Im Status der Glätte kommuniziert ein Mensch freundlich, betont empathisch, angepasst, allerdings auch manipulierend. Mögliche Selbstgefühle und Bedürfnisse, die im Status der Glätte erfüllt sein könnten, sind u.a.: Anziehung, Begehren, Befriedigung, Bewunderung, Eifer, Großzügigkeit, Leidenschaft, Lust, Mut, Selbstvertrauen, Selbstsicherheit, Sympathie, Unternehmungslust, oberflächliche Wertschätzung, Zuversicht. Bedürfnisse, die möglicherweise im Status der Macht nicht erfüllt sind: Entspannung, Empathie, Lebensfreude, Nähe, Mitleid, tieferer Sinn, Verbundenheit, Vertrauen, Wahrhaftigkeit, Zusammengehörigkeitsgefühl. Bei Stress zeigt sich in diesem Status jemand, der scheinbar vieles richtig macht, weil er dem gesellschaftlich erwünschten Verhalten sehr nahe kommt. Er bemüht sich um Ruhe, Ausgeglichenheit, zeigt häufig (oberflächliches) Verständnis und kann bewusst und deutlich unterscheiden zwischen allen Abstufungen von Unterwerfung und Dominanz. Er wippt in diesen Abstufungen geschickt hin und her, hat dabei allerdings eher den eigenen Vorteil im Auge. Er manipuliert bei fehlender Selbstkritik durch Schmeichelei, professionelle Freundlichkeit, Oberflächlichkeit und schnelle emotionale wie sachliche Zugeständnisse, die schnell wieder vergessen sind. Die erwünschten Reaktionen der anderen wären eine Mischung aus Respekt und Sympathie, Distanz und Nähe. Achtung, Wertschätzung, Gemeinschaft, Verständnis, Kollegialität, Loyalität… Er bekommt vielleicht im ersten Moment tatsächlich Respekt und Sympathie, Distanz und Nähe, aber oft auch Skepsis, Unverständnis oder auch offene Aggression aufgrund seiner glatten, zungenfertigen, überlegenen Haltung. Kapitel IV. Innere Bühne (WIR): den eigenen Wesenskern entdecken Auf der inneren Bühne des Lebens im WIR-Prinzip geht es darum, was unbewusst in uns abläuft, wenn wir miteinander kommunizieren. Sie, lieber Leser, können zu Ihrem goldenen Wesenskern Verbindung aufnehmen, indem sie sich Klarheit verschaffen darüber, wie Ihre Wahrnehmung der Lebensstücke, in denen sie spielen, die Gefühle und Bedürfnisse, die Sie in Ihren Lebensrollen haben, und die Statuskämpfe, in die sie verwickelt sind, miteinander zusammenhängen. Sie lernen, für das, was in Ihnen steckt, gelassene, echte und ehrliche Worte zu finden, so dass Sie Ihrem Gegenüber das WIR anbieten können. IV.1. W wie Wahrnehmung Der Andersdenkende ist kein Idiot, er hat sich eben eine andere Wahrheit konstruiert. Paul Watzlawick] Stellen Sie sich bitte vor, die Realität um uns herum sei wie klares Wasser. Stellen Sie sich bitte weiter unser Inneres wie eine Bühne vor, die Ihnen eine Küchenszenerie zeigt: ein Tisch, ein paar Stühle, ein Vorratsregal, auf dem Tisch ein großer Teekessel − ungefähr da wo die Neurobiologen unser Gehirn sehen. In diesem Kessel befindet sich unsere aktuelle persönliche Teemischung. Das klare Wasser der Realität fließt durch unsere Sinnesorgane in den Teekessel. Natürlich nimmt es den Geschmack unserer Teemischung an. Wir sind immerzu damit beschäftigt, uns für jede Situation den passenden Wahrnehmungstee aufzugießen, nur merken wir von der ganzen Zeremonie nichts. Auch die Zusammenstellung der jeweiligen Rezeptur ist uns unbewusst. Dafür steht uns ein Sortiment an verschiedensten Teesorten zur Verfügung. Unsere Charaktereigenschaften und Talente bestimmen einen Teil des Sortiments und für jede der verschiedenen Rollen, die wir im Leben spielen, haben wir eine spezielle Sorte – „Große-Schwester-Tee“ beim Familientreffen, „Teamleiter-Tee“ bei der Arbeit, „Gastgeber-Tee“ beim Gartenfest. Sind wir von Haus aus von sonnigem Gemüt, greifen wir oft zu der fröhlich machenden Teesorte für unseren Wahrnehmungstee. Sind wir eher von der ruhigen Art, sorgen wir immer für einen Anteil beruhigender Teeblätter in unserer Mischung. Bis heute ist nicht ganz klar, wie das Sortiment, das jeder von uns zur Verfügung hat, eigentlich zustande kommt und vor allem, woher genau es kommt. Wir können aber davon ausgehen, dass mehr als 2/3 der Tees, die wir mischen, uns von frühster Kindheit an von außen geliefert werden: Elternhaustee, Kulturkreistee, der Tee der Muttersprache, der Schulbildungstee, etc. − diese Aufzählung erhebt keineswegs den Anspruch, vollständig zu sein. Jede Erfahrung, die wir machen, ergänzt das Sortiment unser ganzes Leben hindurch. Das führt auch mal dazu, dass wir die eine oder andere Teesorte wieder aus dem Sortiment schmeißen. Aufguss Auf diese Weise entsteht das individuelle Teesortiment in uns, von uns selbst – wie gesagt − weitestgehend unbemerkt. Das ist auch gut so, denn gerade weil wir unseren Wahrnehmungstee für wahr halten, müssen wir uns nicht bei jeder Wahrnehmung fragen, ob sie nun wirklich stimmt oder eine Einbildung ist. Stellen Sie sich vor, Sie wüssten morgens nicht, ob es wirklich Sie selbst sind, die oder den Sie da im Spiegel sich kämmen sehen. Und ob Sie richtig liegen, wenn Sie die ganzen Leute in ihrer Wohnung für ihre Familie halten. Stellen Sie sich vor, sie müssten jeden Tag aufs Neue herausfinden, ob man bei Rot oder bei Grün die Straße überquert oder ob die vielen Dinge in Ihrem Einkaufswagen geschenkt sind oder nicht. Es ist gut, dass wir uns diese Fragen nicht stellen müssen. Nur ist uns gleichzeitig nicht bewusst, wie wenig selbstverständlich unser Aufguss der Realität für die Menschen ist, mit denen wir auf der Bühne des Lebens stehen. Bei jeder Sinneswahrnehmung trinken wir ein Tässchen Wahrnehmungstee, denken aber, es sei immer noch klares Wasser. Wahrnehmen heißt also eigentlich, dass wir etwas für wahr und allgemeingültig halten, das wir uns höchst individuell zusammengebraut haben. Wir bringen unseren individuellen Aufguss der Realität in das zwischenmenschliche Miteinander ein, als wäre er immer noch klares Wasser. So entstehen die meisten Missverständnisse und ein großer Teil des allumfassenden Kommunikationschaos – auf der Weltbühne wie in den Kulissen der Wohnzimmer. 6 Wertneutrale Wahrnehmung 1. 2. 3. 4. Hier liegen ja schon wieder deine Sachen rum. Das ganze Haus ist zu gemüllt! Du kommst mal wieder viel zu spät! Hast du überhaupt an mich gedacht? Du warst doch früher so zuverlässig… Was ist denn mit dir los? Bei deiner Schrift wundert es mich nicht, dass du in diesem Aufsatz eine Fünf hast. Das kann ja kein anständiger Mensch lesen. 5. Die neue Frisur steht dir wirklich nicht. Du sahst mit der alten besser aus. 6. Wenn hier mal jemand mitdenken würde… aber ihr habt ja mich… Rücksicht ist eben nicht jedermanns Sache… Jeder von uns hat solche Sätze schon einmal gesagt oder gedacht. Wir können denselben Sachverhalt aber auch wertneutral ausdrücken. Zum Beispiel so: 1. Hier, dort und da hinten liegen Sachen, die woanders ihren Platz haben. Jetzt sind Sie dran. Bitte formulieren Sie die restlichen Sätze um und vermeiden dabei jede Wertung! Meine Vorschläge zur wertneutralen Formulierung: 2. Jetzt ist es 15 Minuten später als ausgemacht. Unsere Verabredung wäre vor 15 Minuten gewesen. 3. Es sind einige Arbeiten liegen geblieben. 4. Deine Schrift ist für mich schwer lesbar. 5. Du warst beim Friseur. Du hast eine neue Frisur. 6. Unsere Abläufe sind durcheinander. Und warum formulieren wir nicht gleich wertneutral? IV.2. I wie ICH: Was ich fühle und was ich brauche „Ich! Der ich mir alles bin, da ich alles nur mich kenne!“ So ruft jeder, der sich fühlt. Johann Wolfgang von Goethe] Die Antwort auf diese Frage finden wir wiederum im Teestübchen unseres Oberstübchens. Dort sitzen um den Tisch herum unsere Gefühle, lauter wartende Wesen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Gestalt, aber allesamt sehr lebensdurstig. Sie trinken als erste von unserem Wahrnehmungstee, bedienen sich, sobald das Wasser in unseren Teekessel geflossen ist und die Blätter ihr Aroma entfaltet haben. Und sie geben unmittelbar ihre Meinung dazu kund. Unsere Gefühle sind das seelische Echo unserer Wahrnehmung, manche lässt unser Wahrnehmungstee kalt, andere bringt er so richtig in Fahrt, je nach Tagesform und jedes nach seinem Naturell, zum Beispiel so: die Traurigkeit heult, die Wut wütet, die Freude lächelt, die Überraschung staunt, die Angst flüchtet und so weiter. Sind es die positiven Gefühle, die auf unseren Tee reagieren, schmeckt er uns gut und macht uns fröhlich oder angenehm überrascht. Sind es die negativen Gefühle, schmeckt er uns nicht und macht uns wütend, traurig oder ängstlich. Wie gesagt, unsere Gefühle sind lebensdurstige Gesellen. Und das ist unser Glück. Denn wenn dies nicht so wäre, würden wir nicht vor Freude in die Luft springen. Oder aus lauter Liebe wunderschöne Dinge tun, die wir ohne sie niemals getan hätten. Oder mit unauslöschlicher Begeisterung ein Leben lang erforschen, warum zum Beispiel Mistkäfer Mistkugeln rollen und mit unermüdlicher Geduld dies den anderen erklären. Zum Glück begegnen sich Menschen nie ohne Gefühle. Sie sind es, die jeden von uns zu einem einzigartigen Wesen machen, das mit genau seinem individuellen Aufguss der Realität in vielen Stücken auf der Bühne des Lebens seine Lebensrollen spielt. Rollen, in denen wir dank unserer Gefühle all die Fähigkeiten und Eigenschaften entfalten können, ohne die die Stücke nicht gelängen, ohne die sie vielleicht langweilig wären oder sogar tragisch endeten. Allerdings fällt es uns oft schwer, die richtigen Worte für sie zu finden. Worte, mit denen wir unsere Gefühle von der inneren Bühne so in unsere Lebensrollen einbringen können, dass wir auf der Bühne des Lebens gemeinsam mit den anderen an unseren Aufgaben wachsen, von einer gelungenen Szene zur nächsten kommen. Besonders wenn uns unser Wahrnehmungstee nicht so gut schmeckt, neigen wir dazu, unseren Mitmenschen die Schuld für unser Unwohlsein in die Schuhe zu schieben. Oder wir verzweifeln an uns selbst und machen uns selbst klein. Vor den unangenehmen oder schmerzhaften Gefühlen, die uns dann heimsuchen, versuchen wir uns zu schützen. Häufig ergreifen wir in der Szene, die wir gerade spielen, die Flucht in den gewohnten Lieblings-Status unserer Lebensrolle. Den können wir auswendig, mit dem sind wir erst mal aus dem Schneider − früher oder später allerdings spielen wir meistens entweder auch keine tragende Rolle mehr in diesem Stück, spielen uns in Einsamkeit oder Erschöpfung. Wo finden wir die Worte, die es uns erlauben, in unseren Lebensrollen, die Stücke auf authentische und zugleich gelassene Weise aktiv mitzugestalten? Hinter meinem Ärger steckt Angst. Hinter meiner Angst stecke mein Wunsch nach Zugehörigkeit. Augustinus Was fühle ich, wenn meine Bedürfnisse erfüllt sind? Ich fühle mich von etwas/ jemandem magisch angezogen. Ich blühe auf, wenn … Ich begehre etwas/ jemanden. Ich bin befriedigt, wenn… Ich spüre ein tiefes Wohlbehagen, wenn… Ich bewundere etwas/ jemanden. Ich bin dankbar für etwas… Ich fühle Demut gegenüber etwas/ jemandem. Ich habe Ehrfurcht vor… Ich spüre Ekstase, Entspannung, wenn… Ich bin Feuer und Flamme für … Ich bin großzügig etwas/ jemandem gegenüber. Ich fühle mich in Harmonie mit … Ich spüre gerade die reine Lebensfreude. Ich habe eine große Leidenschaft für etwas/ jemanden. Ich liebe etwas/ jemanden. Ich fühle/ leide mit Dir/ Ihnen. Ich finde etwas/ jemanden sympathisch. Ich spüre habe Lust auf etwas/ jemanden. Ich fühle mich vertraut mit etwas/ jemandem. Ich spüre Wärme, Weite, Zärtlichkeit, Zuneigung, Zutrauen, Zuversicht in mir. Was fühle ich, wenn meine Bedürfnisse nicht erfüllt sind: Ich fühle mich ängstlich, ich fürchte mich vor etwas/ jemandem. Ich fühle mich eingeengt. Ich ekle mich vor… Ich bin eifersüchtig auf ... Ich bin ärgerlich auf … Ich werde innerlich ganz starr und spüre nichts mehr, wenn … Ich hasse etwas/ jemanden. Ich fühle mich sehr stark/ unangenehm berührt. Ich habe Heimweh/ Sehnsucht nach … Ich fühle mich ganz klein. Ich misstraue jemandem. Ich bin aufgewühlt, nervös. Ich bin niedergeschlagen. Ich bin panisch. Ich quäle mich mit … Ich bereue etwas. Ich fühle mich getrennt von ... Ich bin verunsichert von … Ich spüre einen Widerwillen. Ich fühle mich gezwungen zu … Ich zweifle an … 3: Worte für Bedürfnisse Autonomie: Ich brauche/ ich möchte… ... über meine eigenen Träume / Ziele / Werte bestimmen und selbst entscheiden, wie ich sie realisieren kann. … mehr Freiheit, damit ich meine Wahlmöglichkeiten erkennen kann. … freiwillig etwas tun oder lassen. … meine Privatsphäre. Identität: Ich brauche/ möchte… … selbst etwas schaffen. … meine Kompetenz unter Beweis stellen, meine Fähigkeiten kennen und ausbauen. … nach meinen eigenen Werten leben. … mich selbst behaupten. … meinen eigenen Ausdruck finden, authentisch sein. … ein stabiles, belastbares Selbstwertgefühl aufbauen. … in Würde leben. Seelische Nahrung: Ich brauche/ möchte/ wünsche mir… … mich geborgen fühlen bei Dir. … Wärme, Berührungen, Körperkontakt, Zärtlichkeit, Nähe, Intimität, Sex. … getröstet werden. … deine Anteilnahme, dein Mitgefühl. … ermutigt werden, etwas zu tun. … wertgeschätzt werden. … mehr Freundlichkeit zwischen uns. … beruhigt werden. … bestätigt werden. … verstanden werden. … Toleranz für meine Schwächen und Unzulänglichkeiten. … Dein/ Ihr Vertrauen. Sicherheit: Ich brauche/ möchte/ wünsche mir … … mich auf Dich/ Sie verlassen (zu) können. … mehr Beständigkeit, Diskretion, Verbindlichkeit, Treue, Loyalität, Ehrlichkeit. … eine Rückmeldung über meine Worte und mein/ unser Verhalten, um daraus zu lernen. Kontakt mit anderen: Ich brauche/ möchte / wünsche … … Rücksicht, Respekt … unterstützt werden. … mehr gemeinsame Zeit. … Hilfe. … zugehörig fühlen. … eine ineinandergreifende Zusammenarbeit. … genauso behandelt werden wie andere, Gerechtigkeit. … mehr mit einbezogen werden. … Austausch, Offenheit, Würdigung, Kameradschaft, Freundschaft. Körperliche Bedürfnisse: Ich brauche/ möchte/ wünsche mir… … Aktivität, Entspannung, Ruhe, Erholung. Geistige Bedürfnisse: Ich brauche/ möchte/ wünsche mir… … inspiriert (zu) werden, Anregung, Abwechslung. … mehr (zu) verstehen von dem, was mich umgibt. … größere Herausforderungen, Wachstum, Weiterentwicklung. … Ordnung, Struktur, Klarheit. … Selbstkenntnis, meine Wirkung gespiegelt (zu) bekommen. … kreativer sein. … in Ruhe trauern. … träumen dürfen. … mich auf etwas freuen können. … Leichtigkeit, Lebendigkeit, Spiel, Spaß, Freude, Vergnügen.] Mithilfe dieser Worte für Gefühle und Bedürfnisse können Sie nun in der nächsten Übung benennen, was sie in den für ihre Lebensrollen typischen Statuskämpfen fühlen und welches Bedürfnis hinter diesen Gefühlen steckt. 1. Ich fühle/spüre/habe/bin/… 2. Mein Bedürfnis nach ... ist nicht erfüllt. 3. Ich brauche/möchte/wünsche mir… Wir können unsere Gefühle in den konkreten Zusammenhang dessen stellen, was wir gerade wirklich brauchen. So ist es leichter, die Verhaltensweise herauszufinden, die zur Befriedigung des Bedürfnisses nötig ist. Diese Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse gibt uns die Gelassenheit, die wir oft mit der Sicherheit und Gewohnheit verwechseln, die wir in unserem Lieblings-Status suchen und zumindest kurzfristig auch finden. Oder die wir mit der Gewissheit verwechseln, dem anderen einen Schritt voraus zu sein. Es ist die Gelassenheit, die entsteht, wenn wir unseren goldenen Wesenskern, unsere Gefühle und Bedürfnisse gelten lassen, ihnen Raum und Zeit geben, so wie sie sich im Moment der Begegnung mit einem anderen Menschen entfalten. IV.3 I wie ICH: ICH und das andere ICH Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unseren Kleidern. Heinrich Heine] In unseren Statuskämpfen sind wir nicht verbunden mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen, sondern mit einem Verhaltensmuster, mit einem Schema F, das unser EGO bestätigt. Bei lauter EGOs auf der Bühne des Lebens ist kein WIR in Sicht. Wenn wir Statusspiele spielen, sind wir verbunden mit unseren Interessen: Wir versuchen sie durchzusetzen, sie mit denen unseres Gegenübers abzugleichen oder aufzurechnen ‒ das WIR auf der Bühne des Lebens ist eines, das sich aus der Rechnung ICH plus/minus DU ergibt. Wenn wir verbunden sind mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen, haben wir die Möglichkeit, auf der Bühne des Lebens ein neues WIR entstehen zu lassen. Sie erweitern unseren inneren Horizont und in diesem erscheint unser Gegenüber nicht mehr als DU, sondern tatsächlich und überraschenderweise als ein anderes ICH. Wir erkennen: Dort steht ein anderes ICH mit Gefühlen und Bedürfnissen, die unseren oft ganz ähnlich sind. Ein anderes ICH mit Gefühlen und Bedürfnissen. Gefühle und Bedürfnisse können wir immer besser nachvollziehen, weil wir sie als menschliche Beweggründe des anderen ICH anerkennen können. Sie lassen unseren Wesenskern schimmern und zugleich lassen sie uns den Wesenskern des anderen wahrnehmen. In ihnen steckt die Kraft, aus der heraus wir die Statuswippe in der Balance halten können. Das DU ist ein anderes ICH Genau wie ich versucht dieser Mensch, sein Lebensglück zu finden. Genau wie ich sehnt sich dieser Mensch nach Anerkennung seiner Person. Genau wie ich versucht dieser Mensch, Stress und Leiden zu vermeiden. Genau wie ich versucht dieser Mensch lediglich, seine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.] Die individuellen Gefühle des Gegenübers kennen wir nicht und wir sollten sie auch nicht interpretieren. Wenn wir das tun, lassen wir den anderen, seinen goldenen Wesenskern, ihn als ICH nicht gelten. Er bleibt ein DU und das führt uns nicht ins WIR, sondern in Statusspiele oder-kämpfe. Wenn wir uns allerdings fragen, welche Bedürfnisse hinter den Gefühlen des anderen stecken ‒ ganz gleich wie sie auf uns wirken, sind wir in der Lage, im DU ein anderes ICH zu sehen. Wir wecken unsere Empathie und unser Verständnis für den anderen, wir kommen einander und vor allem kommen wir einer Lösung des Konflikts näher. Schließlich sind wir uns auf der Ebene der Bedürfnisse als Menschen sehr ähnlich. Das Bedürfnis nach Respekt und/oder Sympathie ist immer vorhanden, ebenso wie das Bedürfnis nach einer angemessen Form von Nähe oder Distanz. Fast jeder Mensch möchte Respekt gegenüber seiner Person bekommen, gehört und gesehen werden, fast jeder hat das Bedürfnis nach Sympathie oder ehrlichem Verständnis für seine Situation. 8 Die Rolle des anderen ICH und seine Bedürfnisse 1. Sein ein Bedürfnis nach ... ist nicht erfüllt. 2. Er braucht, möchte, wünscht sich vielleicht… 3. Unsere gemeinsamen Bedürfnisse sind… Die am Bedürfnis orientierte Kommunikation bringt Menschen wirklich zusammen und gibt Ihnen die Kraft, in die Statusbalance zu kommen und dort zu bleiben. Dieses WIR, das besteht aus einem ICH und einem anderen ICH, die sich in der Balance halten, können wir unserem Mitspieler auf der Bühne des Lebens anbieten, indem wir echte ICH-Botschaften formulieren. Versteckte DU-Botschaften Ich denke/glaube/vermute, dass Du... (… selbst nicht weißt, was Du willst.) Ich bin der Meinung, dass Du… (… einfach nur zu faul bist.) Ich habe den Eindruck, dass Du… (…mich ausnutzt.) Ich hab das Gefühl, dass… (…hier ein Konflikt schwelt.) Er/Sie gibt mir das Gefühl, dass… (… ich inkompetent bin.) Ich habe das Gefühl, meine Kollegin… (…spricht über mich.) Ich bin sauer/wütend/traurig, weil Du… (mich nicht beachtest.) Ich fühle, dass ich… (… recht habe.) Ich fühle, dass er/sie… (…es auf das Erbe abgesehen hat.)] Jeder von den Sätzen in der nächsten Übung ist eine klassische DU-Botschaft und könnte das Stichwort für eine Szene sein, die geradewegs in den Statuskampf anstatt in einen friedlichen Dialog führt. 9 Von der DU-Botschaft zur ICH-Botschaft 1. Ich finde, Du bist zu selten für mich da. Jeden Abend hänge ich hier alleine rum. 2. Nie spülst Du das Geschirr ab! Immer muss ich die Küche alleine aufräumen. 3. Du kommst ja schon wieder zu spät, es ist jetzt schon neun Uhr. Dauernd muss ich auf dich warten. 4. Du nimmst immer ungefragt meine Sachen. Ich will nicht ständig alles zusammensuchen müssen. 5. Du lügst! Du drehst dir die Wahrheit wieder so, wie du sie brauchst. 6. Du hast mir schon wieder nicht geholfen. Soll ich dich etwa auf Knien bitten? Jeder von uns hat solche Sätze schon einmal gesagt oder gedacht. In diesen Botschaften sind die Tatsachen der Situation vermengt mit den negativen Gefühle und ungestillten Bedürfnisse des Sprechers. Wir können diese Ebenen auch voneinander trennen. IchBotschaften beginnen mit dem sachlichen Teil, an den sich die Formulierung der Gefühle anschließt und enden mit der Äußerung des Bedürfnisses. Zum Beispiel so: 1. Ich war in den letzten zwei Wochen an acht Abenden alleine zu Hause.(Wahrnehmung). Ich wünsche mir wirklich, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen. (Gefühl). Ich brauche deine Nähe und möchte wieder mehr Zweisamkeit.(Bedürfnis) Jetzt sind Sie dran. Bitte formulieren Sie die restlichen Sätze um, trennen dabei die Sachebene von der Gefühlsebene und bringen dann ein Bedürfnis zum Ausdruck! Meine Vorschläge zur Formulierung von ICH-Botschaften: 2. 3. 4. 5. 6. Ich habe in der letzten Woche zweimal das gesamte Geschirr alleine abgespült und die Küche aufgeräumt. Ich fühle mich oft alleine gelassen bei den Hausarbeiten, weil ich dringend Entlastung und deine Unterstützung brauche. Wir waren um halb neun verabredet. Ich bin genervt und traurig darüber, dass ich hier seit einer halben Stunde auf Dich warten muss. Mir ist die Zeit mit Dir zu wertvoll, um sie mit Warten zu verbringen, ich wünsche mir mehr Zuverlässigkeit von Dir und brauche den Respekt vor meiner eigenen Zeit. Ich habe einige meiner Sachen vermisst und musste sie suchen. Darüber bin ich verärgert, denn ich lege Wert auf meine Ordnung. Die brauche ich, damit ich mich wohlfühle. Ich habe ganz andere Informationen. Das irritiert mich und ich brauche jetzt Klarheit, sonst blicke ich nicht durch. Es sind einige Arbeiten liegen geblieben. Ich bin richtig sauer, wenn die an mir hängen bleiben. Ich bin echt müde und brauche Deine Unterstützung. Eine ICH-Botschaft sollte immer mit der möglichst wertneutralen Beschreibung des Auslösers für Ihr Gefühl beginnen. In der nächsten Übung können Sie mit den wertneutralen Formulierungen arbeiten, die Sie in Übung 6 gefunden haben. 6: Pseudogefühle Bedürfnisse, die wir viel zu häufig von anderen abhängig machen Wenn du meine Freunde akzeptieren würdest, dann könnte ich auch mit gutem Gewissen mit ihnen in die Kneipe gehen. Wenn du öfter mit mir schlafen würdest, dann würde ich mich auch geliebt fühlen. Wenn die Kollegen zuverlässiger wären, dann würde ich auch besser mit der Arbeit fertig. Gefühle, die wir anderen zuschreiben Ich fühle, dass meine Kollegin mich abgelehnt. Das Gefühl dahinter ist möglicherweise: Ich fühle mich traurig, einsam, ich bin unsicher, enttäuscht, hilflos. Das Bedürfnis nach Loyalität, Nähe, Beachtung, Wertschätzung, Kontakt, Gemeinschaft, Zugehörigkeit war nicht erfüllt. Ich fühle mich von meinem Chef bedroht, wenn ich nicht schnell genug Ergebnisse liefere. Das Gefühl dahinter ist vielleicht: Ich fühle mich ängstlich, bin zornig und unsicher. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Selbstständigkeit ist nicht erfüllt. Ich fühle mich belogen, wenn mein Mann um elf Uhr abends sagt, dass er noch arbeitet. Das Gefühl, das wir annehmen können ist: Ich fühle Unsicherheit, Enttäuschung, Hilflosigkeit. Das Bedürfnis nach Ehrlichkeit, Vertrauen, Sicherheit, Loyalität ist nicht erfüllt. Ich fühle mich von meinen Mitarbeitern benutzt. Sie wissen, dass ich sehr gutmütig bin und nutzen mich aus. Das Gefühl dahinter ist unter Umständen: Ich fühle mich traurig, bin ärgerlich und fassungslos. Das Bedürfnis nach Achtung, Rücksichtnahme, Wertschätzung ist nicht erfüllt. Ich fühle mich von meinen Kolleginnen fallen gelassen, wenn sie den Samstagsdienst auf mich abwälzen Das Gefühl dahinter ist möglicherweise: Ich fühle mich traurig, einsam, ich bin enttäuscht, unsicher. Das Bedürfnis nach Respekt, Kontinuität, Verlässlichkeit ist nicht erfüllt. Ich fühle mich angegriffen, wenn mich jemand beschimpft. Das Gefühl dahinter ist vielleicht: Ich fühle mich unverstanden, ich bin beschämt, aufgebracht. Das Bedürfnis nach Achtung, Wertschätzung, nicht wertender Kommunikation ist nicht erfüllt. Ich fühle mich von meinem Vater provoziert, wenn er sich auf meine Kosten lustig macht. Das Gefühl dahinter ist möglicherweise: Ich fühle Schmerz und Trauer. Ich bin unsicher. Das Bedürfnis nach Respekt, Verständnis, Feinfühligkeit ist nicht erfüllt. Ich fühle mich durch die zusätzliche Arbeit, die mir der Chef aufbrummt, überfordert. Wir nehmen an, das Gefühl dahinter ist: Ich fühle mich benutzt, missbraucht, ich habe Zeitdruck. Das Bedürfnis nach Autonomie, Rücksicht, Wertschätzung ist nicht erfüllt. Ich bin wütend, wenn jemand respektlos/ frech ist zu mir. Das Gefühl dahinter ist unter Umständen: Angst, Enttäuschung, Hilflosigkeit, Unsicherheit. Das Bedürfnis nach Respekt, Verständnis, Freundschaft, Nähe, Beachtung, Wertschätzung ist nicht erfüllt. Ich fühle mich manchmal direkt zerrissen. Das Gefühl dahinter ist möglicherweise: Ich fühle mich frustriert, überfordert, einsam. Das Bedürfnis nach Autonomie, Klarheit ist nicht erfüllt. IV.4 R wie Reaktion: das erste WIR anwenden Wie können wir in unseren Lebensrollen trotz der eventuell intensiven Gefühle und Bedürfnisse, die wir haben, angemessen reagieren, so dass die Stücke gelingen, in denen wir auf der Bühne des Lebens stehen? Manchmal brauchen wir einfach ein bisschen Abstand zu der Konfliktsituation. Doch vor allem ist es notwendig, dass wir ehrlich uns selbst gegenüber sind. Wenn wir auf unserer inneren Bühne auf der Suche nach Selbstbestätigung sind oder einen Grund suchen, unsere Gefühle zu rechtfertigen, kommen wir nicht ins Gespräch mit unseren wirklichen Bedürfnissen. Jetzt mal ehrlich: Ehrlichkeit gegenüber sich selbst ist die wichtigste Bedingung dafür, dass Kommunikation gelingt. Status der Ohnmacht Will ich Harmonie um jeden Preis? Will ich vielleicht meine derzeitige Rolle nicht spielen? Fehlen mir einfach die Worte? Bin ich vielleicht zu bequem, mich auf etwas anderes einzulassen? Status der Übertreibung Will ich einfach unbedingt irgendetwas durchsetzen? Habe ich Angst und will das auf keinen Fall zeigen? Habe ich Groll und Wut und werde damit nicht fertig? Bin ich vielleicht zu bequem, mich auf etwas anderes einzulassen? Status der Macht Will ich Macht um jeden Preis? Will ich vielleicht einfach nur Recht behalten? Will ich meinen Willen durchsetzen? Will ich mir persönlich nutzen? Status der Glätte Will ich vielleicht gerade auf nette Art einfach meinen Willen durchsetzen? Will ich meine Ruhe, weil ich schlichtweg erschöpft bin? Will ich die Form wahren und Harmonie herstellen, auch wenn eine ehrliche Aussprache nötig wäre? Will ich um jeden Preis gut ankommen? 11 Reaktionen umschreiben 1. W− wertneutrale Wahrnehmung: Schreiben Sie das auf, was jetzt, nach dem Konflikt, für alle Beteiligten wahrnehmbar ist, wozu alle Beteiligten Ja sagen können. (Körpersprache, Taten, Worte, Sichtbares) 2. I – Ihre Gefühle und Bedürfnisse: Schreiben Sie in Form einer ICH-Botschaft auf, was Sie meinen, fühlen, wahrnehmen und welche Bedürfnisse sie haben. 3. Das andere I und seine Bedürfnisse: Machen Sie sich Gedanken, welche Bedürfnisse das andere ICH hat. Gehen Sie für einen Moment in den Schuhen des anderen. So kommen Sie schnell auf Lösungsmöglichkeiten, Alternativen oder eine neue Sichtweise. 4. R – Reaktion: Schreiben Sie auf, was Sie gerne vom anderen gewusst oder geklärt hätten. Was Sie sich wünschen, wie Sie die Situation haben wollen. Natürlich können wir die Vergangenheit nicht einfach umschreiben. Sie noch einmal Revue passieren zu lassen auf der inneren Bühne des Lebens im WIR-Prinzip ist allerdings die Vorbereitung für den Moment, in dem Sie mit den entsprechenden Menschen die nächste gemeinsame Szene haben. Wenn Sie auf Ihrer inneren Bühne in Verbindung zu Ihren Gefühlen und Bedürfnissen getreten sind, können Sie dem anderen das WIR anbieten.
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