Aktuelle Zahlen und Fakten zu den Auswirkungen von Armut und

Pressekonferenz zum Kongress Armut und Gesundheit am 16. März 2016
Aktuelle Zahlen und Fakten zu den Auswirkungen von Armut
und sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit
PD Dr. Thomas Lampert, Robert Koch-Institut, Abt. für Epidemiologie und
Gesundheitsmonitoring, Berlin
Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE), die vom Robert Koch-Institut (RKI) gemeinsam
mit dem Statistischen Bundesamt (destatis) durchgeführt wird, berichtet kontinuierlich über die
gesundheitliche Situation der Bevölkerung in Deutschland. Die Auswirkungen von Armut und sozialer
Ungleichheit auf die Gesundheit stellen dabei einen Schwerpunkt dar. Eine wichtige Datengrundlage
der Berichterstattung sind die Gesundheitssurveys des RKI. Daneben werden weitere
epidemiologische Studien, sozialwissenschaftliche Erhebungen, amtliche Statistiken sowie
krankheitsbezogene Register und Routinedaten der Sozialversicherungsträger genutzt.
Die vorliegenden Daten zeigen, dass viele chronische Erkrankungen und Beschwerden in sozial
benachteiligten Bevölkerungsgruppen verstärkt vorkommen. Das gilt für Menschen, die einem
Armutsrisiko ausgesetzt sind, für Arbeitslose, für Geringqualifizierte und zum Teil auch für
Alleinerziehende, insbesondere wenn die alleinige Sorge für die Kinder eine Erwerbstätigkeit erschwert
und mit einem geringen finanziellen Handlungsspielraum verbunden ist. Beispielsweise kann bei
Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und chronischer Bronchitis von einem 2- bis 3-fach erhöhtem
Erkrankungsrisiko in den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen gesprochen werden. Auch
Rücken- und Kopfschmerzen und psychische Erkrankungen wie Depression und Angststörungen sind
in benachteiligten Gruppen häufiger anzutreffen. Die größere Krankheitslast geht mit einer höheren
vorzeitigen Sterblichkeit einher und spiegelt sich in einer bei Männern um 11 Jahre und bei Frauen um
8 Jahre verringerten mittleren Lebenserwartung bei Geburt wider.
Zurückzuführen sind die beträchtlichen sozialen Unterschiede in der Gesundheit und Lebenserwartung
unter anderem auf Unterschiede im Gesundheitsverhalten. In den sozial benachteiligten Gruppen wird
mehr als doppelt so oft geraucht. Auch Unterschiede in der Ernährung und im Bewegungsverhalten
spielen eine Rolle. Damit im Zusammenhang ist das dreimal so hohe Risiko für Adipositas zu sehen.
Außerdem werden die vorhandenen Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung von den
sozial Benachteiligten seltener genutzt. Dies gilt unter anderem für die
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, die Schwangerenvorsorge und das
Krankheitsfrüherkennungsprogramm für Kindern (U-Untersuchungen).
Dass Armut und soziale Ungleichheit sich derart deutlich in der Gesundheit und Lebenserwartung
niederschlagen, hat daneben viele weitere Ursachen. Dazu zählen der geringere materielle
Lebensstandard und die geringere soziale Absicherung, verminderte soziokulturelle Teilhabechancen,
ein oftmals prekäres Beschäftigungsverhältnis und höheres Arbeitslosigkeitsrisiko, höhere Belastungen
am Arbeitsplatz und auch im Wohnumfeld, stärkere Zukunftssorgen und psychosoziale
Beanspruchungen sowie nicht zuletzt geringere soziale und personale Bewältigungsressourcen.
Der Zusammenhang zwischen der sozialen und gesundheitlichen Lage ist in allen Lebensphasen zu
beobachten. Bereits im Kindes- und Jugendalter zeichnet sich der Einfluss der sozialen Herkunft ab.
Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Elternhäusern haben einen schlechteren
allgemeinen Gesundheitszustand, sie sind häufiger verhaltensauffällig und adipös, ernähren sich
ungesünder und treiben weniger Sport. Diese Ungleichheit der Gesundheitschancen und
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Erkrankungsrisiken setzt sich im weiteren Lebenslauf fort und ist auch noch im hohen Lebensalter zu
beobachten. Aktuelle Daten des RKI zeigen hierzu, dass die Gruppe der 65-Jährigen und älteren
Personen mit niedrigem Sozialstatus 2- bis 3-mal häufiger einen beeinträchtigten allgemeinen
Gesundheitszustand und gesundheitsbedingte Einschränkungen bei der Alltagsgestaltung aufweist.
Die Frage, wie sich die gesundheitliche Ungleichheit in den letzten Jahren entwickelt hat, ist aufgrund
einer noch unzureichenden Datenlage nicht abschließend zu beantworten. Die aktuellen Studien
liefern aber keine Hinweise darauf, dass sich die gesundheitliche Ungleichheit verringert haben
könnte. In einzelnen Bereichen ist vielmehr davon auszugehen, dass sich der Abstand zwischen den
sozialen Statusgruppen vergrößert hat. Belegen lässt sich dies unter anderem für den Tabakkonsum
und die sportliche Aktivität.
Presseanfragen
Pressestelle des Robert Koch-Instituts
Susanne Glasmacher, Tel. 030/18754-2286 /-2562, -2239, E-Mail [email protected]
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