Ein altes Ding

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Ein altes
Ding
von Susanne Zetz
Inhaltsverzeichnis
Ein altes Ding
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Da Schutzengl
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Hoameligkeit
6
Des weiße Gwandl
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Ein altes Ding
von Susanne Zetzl
Zum vierten Mal Wühlen in den Kisten; Flitterkram, angebrannte Kerzenstummel, Marzipankugeln, hart wie Stein. Der Baum ist schon im Zimmer,
duftend, haucht die letzte kalte Luft aus; streckt sich. Könnte alles so stimmungsvoll sein. Selbst die Gans ist schon im Ofen. Und doch – langsam
macht sich Verzweiflung breit.
„Was suchst du denn?“
„Was wohl! Die Glocke!“
„Oh Mann, Mama, lass doch das alte Ding!“
Ich zerre einen Holzengel unter der Lichterkette heraus; die Flügel fehlen.
„Kann ich nicht! Und das weißt du auch!“
„Als ob Opa sich im Grab umdrehen würde, wenn wir mal Weihnachten
ohne die dämliche Glocke feiern! Ist doch echt egal!“
Krachend landet der Engel in der Kiste; eine Spieluhr leiert die letzten
Töne von „Stille Nacht“ aus dem Karton.
„Ist es eben nicht! Himmel, du weißt genau, wie wichtig mir das Ding ist!“
Gereizter Ton kurz vor Heilig Abend; na super.
Florian hebt die Schultern. „Also, ich geh dann mal.“
Ich blicke auf. „Wohin?“
„Zu Max, hab ich doch schon gesagt.“
Verdammt. „Muss das sein?“
Keine Antwort, stattdessen schlägt die Tür. Feuchte, nasse Wangen; wegwischen zwecklos.
Wo ist das unscheinbare Ding bloß?
Eine kleine Amtsglocke, so gewöhnlich, wie hässlich; die Zeiten, in der
sie Bedeutung hatte, längst vorbei; einst heimlich entwendet. Dann aufgestiegen zum Beschützer, als Pfand für Hoffnung, Wärme und Geborgenheit, beseelt vom Geist meines Großvaters, der sie genauso unversehrt vom
Krieg wieder mit nach Hause brachte, wie sich selbst. Und ab da für uns
unverzichtbar – kein Weihnachten ohne die Glocke.
3
Und jetzt das.
Seufzen; der Deckel der Kiste schlägt endgültig zu, Zeit nach der Gans zu
sehen.
…
Der Schlüssel geht, Florian steht im Raum.
„Und, Glocke gefunden?“
Kopfschütteln.
„Kannst du auch nicht. Hör mal!“
Ein leises Klingeln flattert aus seiner Hand. Mir wird warm.
„Nein! Wo hast du die denn gefunden?“
„In der Garage.“
„Kann nicht sein, da hab ich x-mal nachgesehen!“
„Offenbar nicht richtig – war hinter den Brettern neben dem Regal.“
Die Glocke fühlt sich kühl und glatt an; ich drehe und wende sie; da ist
der hölzerne Stiel, von dem der Lack fast vollständig abgeplatzt ist und das
Messing, auf dem sich weit weniger Rost abzeichnet, als ich in Erinnerung
habe.
Erst Jahre später das Geständnis meines Sohnes, dass er eine ähnliche
Glocke an diesem Nachmittag seinem Kumpel abgeschwatzt hatte, bei
dem er sie kurz zuvor als Weihnachtsdeko sah. Und mein Schweigen, als
ich Opas Glocke am zweiten Weihnachtsfeier-Tag aus der Kiste mit dem
Fondue-Geschirr fischte.
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Da Schutzengl
von Herbert Gschwendtner*
Wenn ma so im Advent in da Stubn alle beinandagsessn san, dann
is oft de Red gwesn von de Engln. Des is oganga bei de Schutzengln bis hi
zum Erzengl Gabriel.
In meiner Kindheitsvorstellung is ma viakemma, dass ma den, der
oan beschützt, eigentlich a sechn müassat. Aba so sehr i man am Abnd im
Bett oft herbeigwunschn hätt, damit i eam meine Sorgn und Nöte vazöhn
kunnt, er hat si nia oschaun lassn. Dabei hab i ma einbüdt, dass i genau
woaß, wia mei Schutzengl ausschaut.
Und dann bin i auf oameu verunglückt und hättn ganz notwendig
braucht, weil i beim Schlittnfahrn von der Bahn abkemma und übern Hang
abakuglt bin, bis mi a Bam bremst hat. Da Fuaß hat weh to, nass bin i durch
und durch gwen und neamd hats gwusst, dass i da in dem Grabn glegn bin.
Irgendwann hab i dann nit ameu mehr an mein Schutzengl denkt
und wia i munta wordn bin, da is de Muatta an mein Bett gsessn und hat
gsagt: “Sche, dass d’wieder de Aufn aufmachst, Bua, hast a riesengroßes
Glück ghabt, dass d’so an guatn Schutzengl hast.”
schaut.
Er war euso da, mei Schutzengl, und i hab man wieder nit oda-
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Hoameligkeit
von Herbert Gschwendtner*
Im Ofn de knisterndn Scheita,
de helfn da Keutn scho weita.
Hinterm Vorhangl, am Fensterbrett,
findts de Katz gmüatlich und nett,
drum bleibt a da Hund auf da Ofenbank
und sucht mit ihr koan Streit und Zank.
Am Ofn des Teewasser dampft ganz leicht,
und wann a Tropfn de hoaße Plattn erreicht,
da zischts ameu, dann zreißtsn a scho
und de Kügei dampfn auf alle Seitn davo.
De damische Floign auf da Fensterscheibn
lasst des Aufikraxln oafach nit bleibn.
Warum ihr des eppa so guat gfeut,
wanns dann eh wieder gach abafeut.
Da Pfeifnrach hängt in da Stubenluft
und vabroat so an angenehmen Duft.
Aufn Tisch liegt de Zeitung aufgschlagn,
de Wanduhr heat ma de Stundn osagn.
Da Vata legt sei Lesebrille auf d’Seit
und brummelt eppas vo de bösn Leit.
Wann de Muatta a Reih abgstrickt hat,
machts a ganz a kloane Bewegung grad,
dabei macht da Sessel so an Quergetsa,
eus wa eam des gringe Leitl scho zschwa.
A Murra vom Hund, beud er si draht.
Nachat is glei scho wieder sche stad.
Grad des hoamelige Tickn vo da Uhr
mischt si drei in de beschauliche Ruah.
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Des weiße Gwandl
von Herbert Gschwendtner*
De Natur hat wieder ihr weiß Gwandl kriagt,
und dawei da Wind um de Hauseckn ziagt,
druckn de Kinder eane Nasn an de Scheibn,
und schaun a wengerl außi ins Schneetreibn,
wia de Flockn um de Hauseckn umaziagn
und de Zaunstempel kloane Häuberl kriagn.
De Natur hat wieder ihr weiß Gwandl o,
da wachsn a de erstn Schneemänna scho,
und am Hügl entn, da gehts kreizlustig zua,
ziagns mit de Schlittn scho so manche Spur.
Zum Trüabseu blasn bleibt da gwiss koa Zeit,
da erste Schnee is übareu de größte Freid.
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literaTOUR.
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Stadt und Land und trifft außergewöhnliche Persönlichkeiten
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* aus dem Buch „Stubenadvent G‘schichtn von früher“
Erschienen im Verlag ANTON PUSTET, Salzburg
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