Die immer lacht - Pastorin Ina Brinkmann

Pastorin Ina Brinkmann
Meldorfer Dom
Invokavit
14. Februar 2016
Predigt zu Hebräer 4,14-16 mit
„Ich steh vor dir mit leeren Händen“, Evangelisches Gesangbuch Nr. 382
Vor Gott bleibt nichts verborgen, alles liegt nackt und bloß vor seinen Augen. Vor ihm
haben wir Rechenschaft abzulegen. Doch wir haben einen Hohenpriester, Jesus
Christus, der durch die Himmel hindurch bis zu Gottes Thron gelangt ist, wie er Sohn
Gottes ist. An dem Bekenntnis wollen wir festhalten. Denn unser Hohepriester steht
uns bei: Wenn wir schwach sind, fühlt er mit uns; wenn wir stolpern, taumelt er mit
uns, wenn wir Angst und Schmerzen leiden, ist er auf unserer Seite. Jeder
Versuchung hat er sich ausgesetzt, aber gestrauchelt ist er nicht. Deshalb wollen wir
voll Zuversicht zum Gnadenthron Gottes treten, denn Jesus Christus wird uns gnädig
und barmherzig helfen, wenn wir es nötig haben. (In einer Übersetzung von Klaus
Berger und Christiane Nord)
Sie ist eine, die immer lacht1, meine lieben Mitmenschen.
Immer lacht sie.
Und nur sie weiß, es ist nicht, wie es scheint.
Und sie weint.
Sie weint - und weint.
Aber nur, wenn sie alleine ist.
Denn sie ist nur eine, die immer lacht.
Die eine, die immer lacht.
Du kennst sie.
Sie wohnt nebenan. Oder vielleicht auch gegenüber?
Jedenfalls ist sie eine von uns.
Mit dem alledem zwischen Kindern und Mann und Hund.
Und den vielen, vielen Freunden.
Dem Zusatzjob. Damit es reicht.
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Nach Stereoact feat Kerstin Ott, Die immer lacht, © 2016 Kontor Records GmbH
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Mit den kranken Eltern. Dreihundert Kilometer von hier.
Sie ist eine von uns.
Immer was zwischen den Händen.
Immer die, die als Letzte das Licht ausmacht.
Immer die, die als Erste auf den Beinen ist.
Jeder kann zu ihr kommen.
Sie ist ja die, die immer lacht. Sie hat ein Ohr für alles und jeden.
Sie macht und tut. Und sie tut es wirklich gern.
Immer mit vollen Händen. Für andere. - Immer am Limit.
Und nur sie weiß, es ist nicht, wie es scheint.
Aber nur, wenn sie alleine ist. Wenn sie das mal ist.
Am liebsten aber nicht.
Denn dann spürt sie, dass sie sich betrügt.
Sie merkt, dass ihr das Leben weh tut.
- Wie geht noch mal ‚Glücklich sein’?
Wenn sie alleine ist, dann kommen ihre Fragen. Die großen Fragen.
Wie es wohl gewesen wäre, wenn sie die andere Tür genommen hätte.
Wenn das ginge: Aufstehen und noch mal von vorne anfangen?
Wäre es das aber wirklich?
Und dann steht sie da mit leeren Händen.
Zählt ihre Narben. Und die Krisen. Die Wut.
Die tausend Tode ihres Lebens.
Die großen und die kleinen.
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Die gesamten Klänge in Moll steigen dann in ihr hoch.
EG Nr. 382, Strophe 1
Ich stehe vor dir mit leeren Händen, Herr, fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott, mein Los ist Tod, hast du nicht andern
Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt? Ich möchte glauben, komm du mir
entgegen.
Ach. – Sie stammelt und sie stottert.
Und traut sich das nur dann und wann.
Hat nur selten den Mumm für ihre ganz persönliche Passionszeit.
Sich schwach zu fühlen. Angst zu haben.
Das ist nichts für sie.
Sie kann dann nicht vor sich selbst bestehen.
Sie ist dann nicht die Heldin, die sie gerne sein möchte.
Mit Disziplin. Mit Verantwortungswillen.
Hat sie sich auf die hingetrimmt. Wurde dahingetrimmt.
Für sich. Und vor den anderen. - Vor allem aber vor sich selbst.
Sie ist die, die immer lacht.
Das jedenfalls hat sie ein für allemal beschlossen.
Die Zukunft vor sich zu sehen,
klar und leuchtend, warm und sicher und heil,
heißt doch wohl:
alles zu begreifen zwischen Himmel und Erde.
Und alles im Griff zu haben?
Erfolg mit dem zu ernten, was du planst und tust.
Für dich. Und für andere gleich mit.
So fühlt sich doch Leben an.
Ist das nichts?
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Ist es nicht zum Segen für dich und mich was ich will?
Es ist doch wohl um so vieles attraktiver zu gewinnen als zu verlieren.
Und wenn das nicht funktioniert, dann wenigstens unnahbar zu werden.
Harte Schale. Tough. Klug. Gut geschminkt. Immer fit. So ewigjung.
Damit das Leben nicht so weh tut.
Mit alledem, was sie immer bei sich trägt.
Tief in sich drin.
Die verflossene Liebe. Damals vor `zig Jahren.
Das Scheitern beim Examen.
Die Ausbildung, die es unbedingt sein musste.
Weil die Eltern das so wollten.
Diese Erwartungen. Immer diese Erwartungen.
Zum Glück hat sie ja dann doch noch Kinder bekommen.
Was lohnt es schon, alles davon aufzuzählen?
Alle diese alten Wunden, sie brennen.
Wenn sie beginnt auf ihr Herz zu hören.
EG Nr. 382, Strophe 2
Von Zweifeln ist mein Leben übermannt, mein Unvermögen hält mich ganz
gefangen. Hast du mit Namen mich in deine Hand, in dein Erbarmen fest mich
eingeschrieben? Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land? Werd’ ich dich noch mit
neuen Augen sehen?
Wenn sie beginnt auf ihr Herz zu hören,
dann steigt in ihr diese Sehnsucht auf:
Wenn jetzt einer käme, der nichts will.
Der nicht sofort auf dem Absatz Kehrt macht.
Die ihre Tür nicht zuknallt.
Trotz meiner Narben. Meiner Wut.
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Den ich alles fragen kann. Der ich alles sagen. Ungeschminkt.
Es stimmt: Ich kann nur schwer allein sein.
Bin oft so zynisch und kann auch ziemlich gemein sein.
Ich weiß, am meisten tue ich mir selbst damit weh.
Wenn einer käme, mich anschaute.
Die mir die Hand entgegen hielte.
Wahrscheinlich könnte ich es dann nicht glauben.
So viel Liebe. So viel Geduld. So viel Mitgefühl. Nur für mich?
Aber irgendwann dann vielleicht doch.
Ist das wirklich so? Würde sie dann fragen.
Egal, was passiert, du steigst für mich in jeden Ring?
Du zähmst jeden Dämon für mich?
Weil du mich erwählt hast?
Weil du mich willst?
Du bist immer da für mich?
Das wäre ja dann so, als würde mich Jesus Christus persönlich in den
Arm nehmen.
Wie fühlte es sich wohl an, wenn einer sagte?:
Komm her, meine Liebe, reich mir deine Hand.
Zeig’ mir, wer du bist. Und du wirst schon sehen.
Wie es ist zu lachen ohne dabei zu betrügen.
Dich selbst. Und die anderen. Vor allem aber dich selbst.
Wenn eine da wäre und mir die Schulter böte und damit meinte:
Weine nur.
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Du wirst sehen, wie sie dich lieben werden. Mit der Zeit.
Weil sie merken, du bist eine von ihnen.
Die nebenan. Oder auch von gegenüber.
Denn sie sind genauso verletzlich wie du.
Auch wenn sie es nicht zugeben wollen.
Vielleicht lernen sie es ja mit der Zeit von dir? Durch dich?
Ja, es braucht jemanden an ihrer Seite, bei dem sie spürt:
Lieben zu lernen, was das heißt: Ich zeig’ dir wie es geht.
Verletzlichkeit lieben zu lernen. Das ist es, meine Liebe.
Deine eigene Verletzlichkeit – und die der anderen.
Du wirst merken, so fühlt sich Zukunft eigentlich an.
Dann öffnen sich Türen, von denen du gar nicht geahnt hast,
dass es sie gibt.
Selbst wenn dann irgendwann dieses Leben mal vergeht,
wird dir dieses Gefühl für diese Art von Zukunft bleiben.
Obwohl es hier mal zu Ende geht.
Und selbst dann werde ich dich immer bei mir tragen.
Immer und immer und immer.
Bleib’ du die, die immer lacht. Ehrlich lacht.
Ohne Angst. Aus Freiheit.
Denn merke dir: Ich lache mit dir mit.
Enno Karstens:
„Vor Gott bleibt nichts verborgen, alles liegt nackt und bloß vor seinen
Augen. Vor ihm haben wir Rechenschaft abzulegen. Doch wir haben
einen Hohenpriester, Jesus Christus, der durch die Himmel hindurch bis
zu Gottes Thron gelangt ist, wie er Sohn Gottes ist. An dem Bekenntnis
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wollen wir festhalten. Denn unser Hohepriester steht uns bei: Wenn wir
schwach sind, fühlt er mit uns; wenn wir stolpern, taumelt er mit uns,
wenn wir Angst und Schmerzen leiden, ist er auf unserer Seite. Jeder
Versuchung hat er sich ausgesetzt, aber gestrauchelt ist er nicht.
Deshalb wollen wir voll Zuversicht zum Gnadenthron Gottes treten, denn
Jesus Christus wird uns gnädig und barmherzig helfen, wenn wir es nötig
haben.“ Amen
EG Nr. 382, Strophe 3
Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen großen
Frieden. Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt, und lass mich unter deinen
Kindern leben. Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst. Du bist mein Atem, wenn
ich zu dir bete.
© IBri. Es gilt das gesprochene Wort.
www.inabrinkmann.com
www.kirche-meldorf.de
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