FREUNDSCHAFT Informationen für Pädagogen

MATERIALIEN FÜR PÄDAGOGEN
zur Sonderausstellung
FREUNDSCHAFT. DIE AUSTELLUNG ÜBER DAS, WAS UNS
VERBINDET
18. April bis 1. November 2015
INHALTSVERZEICHNIS
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
THEMA UND IDEE DER AUSSTELLUNG
DIGITALE OBJEKTSCHILDER
GLIEDERUNG DER AUSSTELLUNG
AUSSTELLUNGSRÄUME UND LEITFRAGEN
BILDUNGSPROGRAMM
BEGLEITPROGRAMM
FAKTEN ZUR AUSSTELLUNG, ÖFFNUNGSZEITEN, PREISE
1
1.
THEMA UND IDEE DER AUSSTELLUNG
Freundschaft hat Konjunktur. In den Sozialen Medien kann man per Knopfdruck
„befreundet“ sein, die Werbung hat die „Freundschaft“ als verführerischen Begriff für sich
entdeckt, und die Wissenschaften erkennen in ihr ein elementares soziales Gefühl, das den
heutigen Anforderungen und Bedürfnissen an Beziehungen womöglich am besten
entspricht.
Tatsächlich ist Freundschaft eine zentrale Figur in der Frage nach dem, was zwei Menschen,
eine Gruppe oder eine Gesellschaft zusammenhält. Freundschaft stellt die Frage nach dem
sozialen Band im kleinen wie im großen Maßstab. Ihr Stellenwert steigt entsprechend der
sinkenden Stabilität und Akzeptanz anderer sozialer Bindungen wie Familie und
Verwandtschaft, Religion und Wohlfahrtsstaat. In dem Wunsch nach Dauer und
Verlässlichkeit ähnelt die Freundschaft vertraglichen Beziehungen, religiösen Geboten oder
ökonomischen Gesetzmäßigkeiten; in ihrer Utopie eines Jenseits von Regeln ist sie der
Liebe und dem Wunsch nach regelloser Verschmelzung verwandt, oder einem Ideal von
Freiheit, das sich als Abwesenheit jeder reglementierenden Form begreift. Gerade in dieser
Widersprüchlichkeit entspricht sie dem Paradox menschlichen Begehrens, einerseits
verlässliche Strukturen haben, andererseits immer auch über das Bekannte und Gewohnte
hinausgehen, Neues zu wollen. Freundschaft bezeichnet, so die Ausgangsthese der
Ausstellung, die womöglich angeborene Sehnsucht nach einer unverbindlichen Bindung, die
hält.
Anders ausgedrückt: Freundschaft ist für ihre Existenz auf Regeln und Formen angewiesen,
die sie aber stets überschreiten können und damit - anders etwa als Verwandtschaft letztlich auf Freiwilligkeit beruhen muss. Als solche kann sie dazu dienen, existierende
Beziehungen abzusichern oder neue zu schaffen; emotionale Nähe und Geborgenheit zu
vermitteln oder als allzu normativ und einschränkend empfundene Regeln temporär außer
Kraft zu setzen. Die Ausstellung behandelt mit unterschiedlichen Schwerpunkten die Aporie
von Form und Formlosigkeit als eine systematische Figur, mit der je nach Zeit und Kontext
verschieden umgegangen, d.h. die Freundschaft auf unterschiedliche Weise gesucht,
verehrt, bezweifelt, benutzt oder missbraucht wird. Nicht zufällig umkreist sie dabei
zahlreiche Begriffe, die für das poststrukturalistische Denken zentral sind: Geschenk und
Gabe, Lüge, Echtheit und Vertrauen, Supplement, Überschuss und Verausgabung.
Freundschaft ist das, was dazu kommt, und in diesem Wunsch ist sie älter und universeller
als jede andere Form menschlicher Bindung.
Vor dieser Folie greift die Ausstellung sowohl historische wie aktuelle und alltägliche
Vorstellungen von der Freundschaft auf, indem ihr Besuch eine Grundfrage an jede
Freundschaft praktisch erprobt: ob der Freund derjenige ist, der einen in dem, was man ist
und schätzt, affirmiert; oder ob er derjenige ist, der einen mit Dingen und Perspektiven in
Berührung bringt, die es erlauben, das eigene Wahrnehmen und Urteilen in Frage zu stellen.
Diese über die Geschichte des Abendlandes hindurch immer wieder verhandelte Opposition
ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Funktionalisierung des Freundschaftsbegriffs im
Kapitalismus wieder relevant. Die sich in sozialen Netzwerken bildenden und abbildbaren
Verbindungen erlauben es, tiefer in die Menschen einzudringen zur Produktion und
Proliferation von Konsumwünschen aller Art. Auch hier wird Freundschaft erkennbar als ein
Supplement, das sich über bestehende Formen legt und als Mehrwert den formalisierten
Abläufen Sinn und Inhalt gibt.
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2.
BEACONS UND DIGITALE OBJEKTSCHILDER
Die Ausstellung operiert mit dem Motiv der (Über-) Fülle an Exponaten und Informationen
nicht zuletzt deshalb, um das Medium Ausstellung selbst in den Dienst der Frage nach der
Freundschaft zu stellen. Freundschaft bedeutet auch, sich dabei zu helfen, die Fülle und
Vielfalt der Welt zu reduzieren. Genau diese Funktion hat nicht zuletzt der Begriff
Freundschaft im Bereich der Social Media. Dies bedeutet auch, dass man durch seine
gewählten Freunde eine Vorauswahl erhält, die andersartige Erfahrungen tendenziell
verhindert. Hierin liegt eine Ambivalenz, auch in Beantwortung der Frage, ob der wahre
Freund jener ist, der einen affirmiert oder der einen in Frage stellt, ob er mir gleicht oder
ganz anders ist als ich.
Zu Beginn der Ausstellung kann sich der Besucher über Terminals sein persönliches Profil
anlegen. Hierzu sind etwa zehn Fragen zu beantworten, die neben allgemeinen Angaben zu
(Vor-) Name, Alter und Geschlecht sich auf persönliche Vorlieben beziehen. Aus den
gegebenen Antworten ergibt sich das Profil. Wenn der Besucher im Verlauf seines
Ausstellungsbesuchs diesen iBeacon in die Nähe eines der 70 digitalen Objektschilder hält,
erscheint der individuell auf ihn abgestimmter Text.
3.
GLIEDERUNG DER AUSSTELLUNG
Gliederung
Die Ausstellung gliedert sich in fünf Abteilungen. Die ersten drei Abteilungen widmen sich
mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Geschichte der Freundschaft:
Abteilung 1 dem Motiv der Freundschaft im Feld der diplomatischen Beziehungen zwischen
Staaten;
Abteilung 2 der Kommunikation von Freundschaft in dem Bemühen, dauerhafte Bindungen
herzustellen und dadurch alternativen Lebensmodellen und/oder staatlichen und
Dissidenten, politischen und künstlerischen Interessen eine größere Wirksamkeit zu
verleihen;
Abteilung 3 versammelt Gemälde aus den vergangenen vier Jahrhunderten, die die
Freundschaft ins Bild setzen und damit einer bestimmten, meist nur impliziten Vorstellung
von dem, was Freundschaft ausmacht, einen Ausdruck verleihen.
Die beiden folgenden Abteilungen behandeln die Gegenwart der Freundschaft.
Abteilung 4 widmet sich den verschiedenen existierenden Formen ritualisierten
Miteinanders, der Zahl von Freunden im Lebensverlauf sowie der schwierigen Abgrenzung
von Freundschaft und Liebe – und der Rolle des Sex dabei.
Abteilung 5 thematisiert die Fragen und Aporien, die sich heute in der Frage nach der
Freundschaft stellen in ihrem Potenzial, Zukunft aktiv zu gestalten und das soziale Band
anders zu denken.
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4.
AUSSTELLUNGSRÄUME
ABTEILUNG 1: BEFREUNDETE STAATEN
Eine Ausstellung anlässlich des 66. Jubiläums der Bundesrepublik Deutschland
Die erste Abteilung widmet sich dem Thema Freundschaft bewusst kontraintuitiv. Nicht
private, sondern staatliche Freundschaftsbeziehungen stehen im Mittelpunkt. Dadurch wird
Freundschaft als grundsätzliche Frage des sozialen Miteinanders thematisiert.
Grundsätzliche Probleme, Widersprüche und Aporien von Freundschaft werden in einem
größeren sozialen, gesellschaftlichen Kontext gestellt und erscheinen nicht so individuell,
wie man immer zunächst annimmt.
Freundschaft erscheint hier als Mittel zur Teilhabe an, der Bestätigung und zum Schutz
bestehender Regelungen und Verbindungen.
Gestaltungsansatz und Objektpräsentation
Die Abteilung macht das Motiv des Geschenkes zum zentralen Element. Sie zeigt
Geschenke, die Deutschland seit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen nach
1945 erhalten oder gemacht (als Kopie oder baugleiches Modell) hat.
Museale Zeigetradition des Schaudepots wird aufgegriffen. Objekte haben bereits zum
Zeitpunkt der Übergabe einen starken symbolischen Charakter, der sich sonst erst im
Rahmen der musealen Präsentation ergeben würde.
Deshalb spielt hier auch weniger das Objekt an sich eine Rolle, sondern im Mittelpunkt steht
die Frage „Wofür stehen/standen die Objekte“ – mit welcher symbolischen Bedeutung sind
sie schon damals aufgeladen worden?
Raumtext
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Dass das sogar für Staaten gelten kann,
versteht sich nicht von selbst. Im Unterschied zu privaten Begegnungen scheinen
zwischenstaatliche Beziehungen bereits durch Verträge geregelt zu sein. Doch so einfach ist
es nicht. Denn „Freundschaft“ ist auch ein Name für eine Intensivierung von Beziehungen:
Sie bringt eine größere Nähe und Verbundenheit mit sich, als sich über Verträge je herstellen
ließe. Ob es sich dabei um Kalkül oder ehrliches Bemühen handelt, ist nicht immer zu
entscheiden.
Die bei Staatsakten protokollarisch vorgesehenen Geschenke sind symbolische
Verkörperungen der Freundschaft und haben eine lange Tradition in der Diplomatie. Sie
müssen die Waage halten zwischen bloßem Ritual und individueller Note – ohne dass sich
der Schenkende damit über den Beschenkten erheben und ihn beschämen oder sich selbst
unterwürfig oder gedankenlos zeigen würde. So erzählt jedes Geschenk auch etwas über
die politische Lage und die historischen und aktuellen Bedingungen, unter denen das
Treffen von Staatsvertretern stattfand. Wie bei privaten Freundschaften ist es eine stete
Herausforderung, das für den jeweiligen Anlass passende Geschenk zu finden.
Leitfragen
o Wie manifestiert sich Freundschaft zwischen Staaten?
o Wie ist das Verhältnis zwischen offiziellen Staatsgeschenken/-besuchen und der
persönlichen Bindung zwischen Staatsoberhäuptern?
o Was sagt das Geschenk über die politische Lage aus?
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ABTEILUNG 2: VERBRIEFTE FREUNDSCHAFT
Eine Ausstellung über die Gründe und Abgründe der Freundschaft
In dieser Abteilung steht der Wunsch nach neu zu knüpfenden Verbindungen im
Vordergrund. Die politische Perspektive des ersten Raumes wird um eine eher private
Perspektive auf das Phänomen Freundschaft erweitert.
Freundschaft wird hier als Frage der Kommunikation in der und durch die sie stattfindet
thematisiert. Die Kommunikation dient vor allem der Herstellung von Nähe – oft in einer sehr
eigenen Art. Das soll im Idealfall den Einzelnen in seiner Individualität stärken und ihn
zugleich zum Teil eines Paares – oder einer Gemeinschaft machen. Freundschaft wird hier
also als Medium der Vergemeinschaftung begriffen. Durch diese Vergemeinschaftung
ergeben sich Potentiale zur Herstellung und Durchsetzung eigener Ideen und Wünsche – bei
der RAF sogar bis hin zu politischer Wirksamkeit.
Thematisiert werden dadurch auch die Kontrolle und Sicherstellung der Verbindung, die
Gefahr der Überwachung und Manipulation, Vertrauen und Verrat.
Gestaltungsansatz / Objektpräsentation
Die Abteilung orientiert sich am Vorbild der Literaturmuseen. Hier ist eine Fülle von
Dokumenten versammelt, deren komplette Rezeption durch den Besucher gar nicht möglich
sein soll. Trotzdem wirkt die Raumgestaltung reduziert. Umso mehr dominiert das Bild des
wandfüllenden Kommunikationsnetzwerkes, das an aktuelle Darstellungen von digitalen
Knotenpunkten erinnert. Diese Hauptinstallation ist die Darstellung der Kommunikation von
J.W.L. Gleim, der im späten 18. Jh. das Format des Freundschaftsbriefes etabliert hat.
Raumtext
Jede Freundschaft hat ihre eigene Form des Ausdrucks. Meist basiert der Austausch auf
gängigen Kommunikationsmedien, unterscheidet sich aber von diesen durch einen
privateren Charakter, durch spezielle Regeln und Stile. Auch ohne sich regelmäßig zu
sehen, können sich Freunde so gegenseitig in ihren Ideen und Visionen bestärken, ihren
Interessen nach gehen und Ziele verfolgen, die Außenstehenden skurril, unrealistisch oder
gefährlich erscheinen mögen.
Dabei werden Fragen wichtig, die in jeder Freundschaft eine Rolle spielen: Ist Offenheit und
Ehrlichkeit eine Bedingung für Freundschaft – oder nur eine Option? Wie stellt man die
Einheit einer Freundesgruppe sicher, wie schützt man sich vor Lüge und Verrat? Der
Wunsch nach Einheit gerät dabei regelmäßig in Konflikt mit unterschiedlichen politischen
und moralischen Überzeugungen der Beteiligten oder auch den Erwartungen gegenüber
dem anderen.
Leitfragen
o Wie bestimmen die verfügbaren Kommunikationsmedien die Freundschaft?
o Wie entstehen Freundschaften? Welche Rolle spielt der Zufall dabei?
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ABTEILUNG 3: ECHT ODER UNECHT?
Eine Ausstellung über die Freundschaft im Bild
Wie ist Freundschaft erkennbar? Wie zeigt sich der Freund erkenntlich? Die ausgewählten
Bilder machen den Wandel des Freundschaftsbegriffes in der Geschichte der
abendländischen Malerei über Jahrhunderte sichtbar. Zugleich tauchen wieder Fragen nach
der Abgrenzung von Liebe und Freundschaft, der zunehmenden Sexualisierung und dem
Motiv einer die Menschheit verbindenden Kraft auf, so dass der Raum zentrale Motive der
ersten beiden Räume aufgreift und zugleich auf die letzten beiden Räume vorbereitet.
Gestaltungsansatz / Objektpräsentation
Im Raum sind über 50 Reproduktionen von Gemälden versammelt. Mit den hochwertigen
Reproduktionen stellt der Raum auch bewusst die Frage nach dem Motiv der „Echtheit“. Die
Ordnung ist weitgehend chronologisch. Dadurch werden in der Gesamtschau
Verschiebungen und Veränderungen im Sujet erkennbar.
Raumtext
Freundschaft ist eine ganz besondere soziale Beziehung. Über die Jahrhunderte hinweg
haben Maler versucht, einen passenden Ausdruck für ihre verschiedenen Formen zu finden.
Wie stellt man echte oder falsche Freunde dar und die Authentizität einer Beziehung?
Eine besondere Herausforderung ist dabei die Abgrenzung von der Liebe einerseits und die
der Freundschaft eigene Spannung von größter Nähe und respektvoller Distanz
andererseits. Während symbolische Darstellungen oft abstrakt bleiben, wird Intimität
mindestens seit dem 19. Jahrhundert fast unmittelbar als sexualisiertes Verhältnis
wahrgenommen.
Auch für die Freundschaft könnte also gelten: Du sollst dir kein Bildnis machen – es sei
denn, die Kunst findet Wege, die unvermeidliche Widersprüchlichkeit ihrer Darstellung
sichtbar werden zu lassen. Ob das dann echte Kunst ist, liegt im Auge des Betrachters.
Leitfragen
o Wie wird Freundschaft im Bild dargestellt?
o Wie hat sich die Darstellung von freundschaftlichen Beziehungen mit der Zeit verändert?
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ABTEILUNG 4: ERLEBNISWELT FREUNDSCHAFT
Die Ausstellung zum Anfassen
Die vierte Abteilung widmet sich der Freundschaft im Gegensatz zu den vorherigen Räumen
nicht historisch, sondern aus der gegenwärtigen Perspektive. Dabei wird die Spannung
zwischen Individualität und Konformität, also den eigenen Freiräumen und der eigenen
Identität auf der einen sowie gemeinsame Ideale und Ziele auf der anderen Seite,
thematisiert. Die Art und Weise von Freundschaftsbeziehungen ist nicht bloß individuell,
sondern von den konkreten sozialen und technischen Gegebenheiten beeinflusst. Die
Beziehung zeigt sich hier als unverbindliche Bindung, als soziales Band, das auf
Konventionen zurückgreift oder greifen kann, ohne sich darauf reduzieren zu lassen.
Gestaltungsansatz/Objektpräsentation
Die Raumgestaltung wird von 10 Repliken unterschiedlich großer Denkmäler bestimmt. An
den Sockeln der Denkmäler befinden sich Hörstationen, die die Denkmäler mit
verschiedenen Aspekten der Freundschaft in Verbindung bringen. Zwischen den
Denkmälern zeigt eine Vitrine Bänder und Ringe, die verschiedene Arten von Bindungen
symbolisieren. Der „Liebeskeil“ ragt in den Raum und präsentiert auf seiner einen Seite
aktuelle Statistiken zum Thema Freundschaft und Filmausschnitte zu Freundschaft in
verschiedenen Lebensabschnitten; auf der anderen Seite des Keils ist die Landkarte der
Freundschaft zu sehen. Sie stellt Formen des Miteinanders zwischen Liebe, Freundschaft
und Sexualität geografisch zueinander in Beziehung.
Freundschaft ist so alt und so vielfältig wie die Menschheit. Schon immer hat man Leute
gesucht und gefunden, mit denen man seine Zeit verbringen möchte. Und wir alle wünschen
uns Freunde. Viele? Oder reichen ein paar wenige? Wie, wo, wann und warum entstehen
Freundschaften? Wann werden aus Kollegen oder Kameraden Freunde? Gibt es auch böse
Freundschaften? Und schließen sich Sex und Freundschaft aus?
Die Wissenschaft erkennt heute in der Freundschaft eine der wenigen noch allgemein
anerkannten Formen des sozialen Miteinanders jenseits von Familie und Verwandtschaft.
Während religiöse Bindungen, Vereins- oder Parteizugehörigkeiten immer weniger Zuspruch
erfahren, wächst der Wunsch nach der unverbindlichen Bindung, die die Freundschaft
charakterisiert.
Die Ausstellung informiert über aktuelle Tendenzen und Zusammenhänge und erinnert an
das historische Erbe, das unser Bild von der Freundschaft bis heute beeinflusst.
Leitfragen
o
o
In welchem Rahmen entstehen Freundschaften?
Wie viele Freunde kann man haben?
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5.5 ABTEILUNG 5: FRIENDSHIP
Do it yourself
Freunde zu haben ist gut, nützlich – und macht Spaß. Freundschaft scheint deshalb so
attraktiv, weil sie ein Mehr an Leben und Intensität verspricht. Ohne sich einer Institution
oder vorab feststehenden Norm unterwerfen zu müssen, finden sich Freunde wie von selbst
und legen gemeinsam fest, was ihnen wichtig ist. Soziale Medien unterstützen und nutzen
diesen Prozess für ihre Interessen.
Umso mehr stellt sich heute die Frage, welchen Zweck Freundschaft erfüllen kann oder soll:
Dient sie vorrangig als privates Netz zum Schutz vor Einsamkeit und sozialer Not, erlaubt
sie die Realisierung von Zielen, die ein einzelner alleine nicht verfolgen könnte, oder ist sie
die bleibende Utopie einer einzigartigen Begegnung mit einem Menschen, der das
beunruhigende Potenzial hat, das eigene Leben von Grund auf in Frage zu stellen?
Raumidee
Freundschaft als positiv konnotierter Begriff erfüllt heute viele Funktionen. Er dient als Ersatz
für fehlende familiäre Bindungen, soll vor Einsamkeit in allen Lebensphasen und vor allem
im Alter schützen. Der letzte Raum geht den Möglichkeiten von Freundschaft nach, soziale
Veränderungen zu bewirken – aber auch den Abgründen, die die Funktionalisierung des
Begriffs mit sich bringt. Plakativ orientiert stellt sie die Frage an den Besucher, welche
Potenziale mit der Freundschaft als gesellschaftlichem Grundbegriff in Hinblick auf
politisches Handeln verbunden sind.
Die Abteilung präsentiert verschiedene existierende Formen, reale Utopien, die
Freundschaft zu nutzen und zu denken, um andere Formen sozialen Engagements oder der
Selbstdefinition zu erproben. Im Mittelpunkt stehen dabei das Motiv des sozialen Bandes
und die Gründe seiner Existenz.
Gestaltungsansatz/Objektpräsentation
Die Gestaltung der letzten Abteilung orientiert sich an zeitgenössischen
Präsentationsformen zwischen Theaterbühne und Ausstellungsraum. Auf dem Boden ist
eine kunstvolle Arabeske zu sehen, die Leonardo da Vinci als Erkennungszeichen seiner
Akademie entworfen hat, die sich ausdrücklich als Freundschaftsbund verstanden hat. Mit
dieser Arabeske und dem übergroßen Borromäischen Knoten in der Mitte, nimmt der Raum
das Motiv des sozialen Bandes noch einmal auf. Der Knoten verweist auf die drei aristotelischen - Fragen, die sich an jede Freundschaftsbeziehung stellen lassen: ob es sich
letztlich um ein Nutzverhältnis handelt, eine Lustbeziehung oder eine tugendhafte Motivation
aufweist. Die einzelnen kleinen Räume stellen jeweils die Frage an den Besucher, ob dies
eine nützliche Option und soziale Utopie der Freundschaft oder bloß seine
Funktionalisierung sein kann. Das Prinzip der Fülle wird beibehalten, ist hier jedoch jeweils
als Einzelinstallation umgesetzt.
Leitfragen
o Unter welchen Umständen entsteht Freundschaft?
o Welche Rolle spielen die sozialen Medien dabei?
o Gibt es Freundschaft zwischen Mensch und Tier?
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5. BILDUNGS- UND VERMITTLUNGSPROGRAMM FÜR KINDER, JUGENDLICHE UND
SCHÜLER_INNEN
Durch dick & dünn
Ausstellungserkundung für Klasse 1 bis 4
ca. 60 Minuten
Was ist Freundschaft? Können sich gute Freunde alles sagen? Und wie viele Freunde
kann man eigentlich haben? Die Erkundung der Ausstellung lädt die Kinder ein, über
eigene Erfahrungen mit Freunden ins Gespräch zu kommen und neue Perspektiven auf
den Wert von Freundschaften zu gewinnen. Es können u.a. folgende Themen in der
Ausstellung besprochen werden: Wie wichtig sind Freundschaftsgeschenke? Wie
werden Freunde in Bildern dargestellt? Welche Medien erlauben es, eine Freundschaft
auch über Entfernungen hinweg zu pflegen? Ihre Gedanken, Eindrücke, Erfahrungen
können die Kinder in ihrem Ausstellungsplan festhalten.
Freunde für‘s Leben?
Ausstellungserkundung ab Klasse 5
ca. 60 Minuten
Was hält Menschen, eine Gruppe oder eine Gesellschaft zusammen? Sollten Freunde
uns ähnlich sein oder eher doch ganz anders? Und wie verändert sich der Stellenwert
von Freundschaft, wenn andere soziale Bindungen, wie zum Beispiel Familie oder
Religion, an Stabilität verlieren?
In der Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen Beispielen aus Literatur, Kunst
und Film in der Ausstellung diskutieren die Schüler_innen, was Freundschaft heute
eigentlich für sie bedeutet. Sie lernen unterschiedliche Vorstellungen von Freundschaft
kennen und beschäftigen sich damit, wie sich diese in Abhängigkeit von
gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen verändern.
Die inhaltlichen Schwerpunkte können je nach Klassenstufe variiert werden.
Freundschaft 2.0. Offline geht gar nicht!
Projekt ab Klasse 5
In Kooperation mit dem Medienkulturzentrum Dresden e.V.
ca. 3 Stunden
Viele Kinder und Jugendliche sind heute fast rund um die Uhr über Smartphone oder PC
mit Freunden verbunden. Wie verändern sich Freundschaften durch die sozialen
Medien? Und welche Unterschiede bestehen zwischen virtuellen und realen Freunden?
Eine Erkundung der Ausstellung lädt dazu ein, über die Frage ins Gespräch zu kommen,
was Freundschaft eigentlich heute für junge Menschen bedeutet.
Im anschließenden medienpädagogischen Workshop befassen sich die Schüler_innen in
kleinen Gruppen kreativ mit ihren eigenen sozialen Netzwerken und der Nutzung von
Communities und Messenger-Apps. Neben Grundinformationen zu Datenschutz und
Persönlichkeitsrechten im Internet, geht es auch darum, wie die Möglichkeiten der
digitalen Kommunikation uns und unsere Freundschaften verändern.
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6. BEGLEITPROGRAMM
RINGVORLESUNG
10 VERSUCHE ÜBER DIE FREUNDSCHAFT
Ringvorlesung in Kooperation mit dem DFG-Projekt „Das Ethos der Freundschaft. Diskurse
und Narrationen von Gemeinsinn in der mittelalterlichen Literatur“ an der Technischen
Universität Dresden
Eintritt: 3 Euro/ Ermäßigungsberechtigte und Jahreskarteninhaber Eintritt frei
22. April, Mittwoch, 19 Uhr
Was ist Freundschaft? Eine Einführung
Prof. Dr. Marina Münkler, Professorin für ältere und frühneuzeitliche Literatur und Kultur
und Leiterin des DFG-Projektes „Das Ethos der Freundschaft. Diskurse und Narrationen von
Gemeinsinn in der mittelalterlichen Literatur“ an der Technischen Universität Dresden
29. April, Mittwoch, 19 Uhr
Friendship in the Time of Capital
Prof. Dr. Eva Illouz, Dep. of Sociology and Anthropology, Hebrew University Tel Aviv
6. Mai, Mittwoch, 19 Uhr
Männerfreundschaften
Tobias Rüther, Buchautor und Journalist im Feuilleton der FAZ
20. Mai, Mittwoch, 19 Uhr
Mit Freunden telefonieren. Alexander Kluges „Netzwerke“
Prof. Dr. Georg Stanitzek, Prof. für Neuere deutsche und allgemeine Literaturwissenschaft,
Universität Siegen
3. Juni, Mittwoch, 19 Uhr
Zur Aktualität der Freundschaft
Prof. Dr. Heinz Bude, Prof. für Makrosoziologie, Universität Kassel und Mitarbeiter am
Hamburger Institut für Sozialforschung
10. Juni, Mittwoch, 19 Uhr
Kameradschaft als Freundschaft zum Tode
Prof. Dr. Herfried Münkler, Prof. für Theorie der Politik, Humboldt-Universität zu Berlin
17. Juni, Mittwoch, 19 Uhr
Geben und Nehmen. Über Gaben und Geschenke in der Freundschaft
Prof. Dr. Iris Därmann, Prof. für Kulturwissenschaftliche Ästhetik, Humboldt-Universität zu
Berlin
24. Juni, Mittwoch, 19 Uhr
Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Zur Soziologie von Künstlerfreundschaften
Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg, Prof. für Soziologische Theorie, Theoriegeschichte und
Kultursoziologie, Technischen Universität Dresden
1. Juli, Mittwoch, 19 Uhr
Frauenfreundschaften
PD Dr. Christine Künzel, Institut für Germanistik, Universität Hamburg
8. Juli, Mittwoch, 19 Uhr
Die Politik der Freundschaft
Prof. Dr. Hans Vorländer, Prof. für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische
Universität Dresden
10
7.
FAKTEN ZUR AUSSTELLUNG
Kurator und Projektleiter:
Dr. Daniel Tyradellis, tyradellis. Ausstellungsbüro, Berlin
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Marina Münkler, Techn. Universität Dresden
Ausstellungsgestaltung,
-planung:
Andreas Pinkow, FOCUS + ECHO
Ausführungsplanung:
BCO Architekten, Berlin
Ausstellungsgrafik:
Dina Fluck, kommunikationsdesign
Ausstellungsfläche:
800qm
Laufzeit:
18. April bis 1. November 2015
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, Feiertage: 10 bis 18 Uhr
Letzter Einlass und Kassenschluss: 17:30 Uhr
Eintritt:
Eine Eintrittskarte ist an zwei aufeinanderfolgenden
Öffnungstagen gültig: Erwachsene: 7€, Ermäßigt: 3€
Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre: frei
Freitags ab 15 Uhr : 50% Rabatt auf alle Tageskarten
weitere Informationen unter:
www.dhmd.de
Besucherservice:
E-Mail: [email protected]
Telefon: 0351 4846-400
Telefax: 0351 4846-402
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