RECHT Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen als Regel, fehlende Individualität als Ausnahme RA Anselm Filliger D amit Computerprogramme aber überhaupt urheberrechtlich geschützt werden, müssen diese, wie alle Werke im Sinne des URG, eine geistige Schöpfung darstellen und einen «individuellen Charakter» haben (Art. 2 Abs. 1 URG). Stellt die genaue Bestimmung die- Computerprogramme stellen für viele Unternehmen wichtige Investitionen dar und sind Teil ihres Portfolios. Über Art. 2 Abs. 3 URG geniessen Computerprogramme urheberrechtlichen Schutz und können so zu bedeutenden Monopolen für den jeweiligen Rechteinhaber werden. ser Voraussetzung schon bei den klassischen urheberrechtlichen Werken, nämlich Werken der Literatur und Kunst, gewisse Schwierigkeit auf, so gestaltet sich die Bestimmung dieser geforderten Individualität bei einem Computerprogramm als noch schwieriger. Da letztendlich nur in einem Streitfall vor Gericht mithilfe einer staatlichen Autorität festgelegt wird, ob die Schutzfähigkeit des jeweiligen Werkes resp. des jeweiligen Computerprogrammes tatsächlich gegeben ist, sind entsprechende Urteile nicht nur für Juristen, sondern auch IT-Dienstleister und Entwickler von Programmen von höchstem Interesse. Ausgangslage vor dem Gericht Das Obergericht des Kantons Zürich hatte in einem jüngeren Entscheid über den urheberrechtlichen (als auch den lauterkeitsrechtlichen) Schutz einer Software zu entscheiden. Die Klägerin machte vor dem Obergericht geltend, dass die Beklagte gegen das Urheberrecht verstossen habe. Bei der Klägerin handelte es sich um ein in der Entwicklung und dem Vertrieb von Software tätiges Unternehmen. Beklagte waren ehemalige Mitarbeiter der Klägerin, die nach ihrem Ausscheiden bei der Klägerin ein eigenes Unternehmen gegründet haben. Die Klägerin warf den Beklagten vor, dass diese den Source-Code ihrer Software unrechtmässig benutzt hätten, um damit ihr eigenes Konkurrenzprodukt zu entwickeln und zu vertreiben. Nach Ansicht der Klägerin konnten die Beklagten nur deshalb bereits nach zwei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem marktreifen Produkt die ersten Kunden gewinnen, weil sie die Software der Klägerin kopierten und bearbeiteten. In einem gerichtlichen Gutachten wurde er- IT business 1/2015 RECHT kenntlich, dass einzelne Komponenten anscheinend kopiert und bearbeitet wurden. Das Obergericht hatte nun also zu prüfen, ob die ursprüngliche Software überhaupt urheberrechtlichen Schutz geniesst, sie mithin also «individuellen Charakter» hatte, und zweitens, ob es sich bei der neuen Software um eine unerlaubte Bearbeitung oder eine eigenständige Schöpfung handelt. Vermutung der Individualität bei Computerprogrammen Betreffend die erste Frage hielt das Obergericht fest, dass einem Computerprogramm der individuelle Charakter bereits dann zugebilligt werden kann, wenn es aus Sicht von Fachleuten nicht als banal oder alltäglich bezeichnet werden kann. Mit einem Verweis auf die deutsche Lehre und der BGH-Entscheidung «Fash 2000» führte das Obergericht als Grundsatz an, dass Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen die Regel und eine fehlende Schöpfungshöhe die Ausnahme darstellen solle. Nach dem Obergericht ist die notwendige Individualität für grössere, über eine längere Zeit entwickelte Programme evident, weshalb vom urheberrechtlichen Schutz auszugehen sei, ohne dass dazu eine Expertise eingeholt werden müsste. Gerade zu dieser Feststellung einer «natürlichen Vermutung» der Individualität von Computerprogrammen wurden in der Lehre aber auch kritische Stimmen vernehmbar.1 Auf dieser Grundannahme der Regel des Urheberrechtschutzes von Software fährt das Obergericht weiter und hält fest, wer also behauptet, eine Software sei gar nicht schutzwürdig, da sie Komponenten enthält, die aus Drittquellen stammen oder banal und maschinell produziert wurden, hat dies zu beweisen. Diese Vermutung, dass Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen die Regel darstellt, bezieht sich auch auf schutzfähige Programmsequenzen. Ein Werk, das schutzfähige Elemente beim Originalwerk übernimmt, die beim sog. Werk zweiter Hand erkennbar bleiben, setzt die Zustimmung des Urhebers des verwendeten Werkes voraus. Deshalb entscheidet sich die Frage, ob es sich bei dem neuen Programm um eine unerlaubte Bearbeitung oder eben doch eine eigenständige Neuschöpfung handelt, daran, dass der Quell- und der Source-Code miteinander verglichen werden. Danach gibt es einen Indizienkatalog, der auf ein allfälliges Kopieren schliessen lässt. Abgrenzung zwischen freier Benutzung und Bearbeitung Da bei Computerprogrammen die Anforderungen an die notwendige und urheberrechtlich relevante «Individualität» gering sind, ja mithin nach dem Obergericht Zürich von einer «natürlichen Vermutung» dieser Individualität auszugehen ist, sind aufgrund dieser Annahme bei einer Abgrenzung zwischen einer urheberrechtlich relevanten Bearbeitung und einer erlaubten freien Benutzung die Möglichkeiten erlaubter Nachschöpfungen relativ gross. Diese Folgerung zeitigt denn auch bedeutende Wirkung: Die neuen Programme dürfen so dem nachgemachten sogar sehr ähnlich sein, solange die Neuschöpfung einen Gestaltungsspielraum in genügendem Masse ausgenutzt hat. Deshalb fällt ein ähnlicher Programmierstil, die Verfolgung des gleichen Programmzwecks wie auch die Verwendung einer ähnlichen Funktionalität nicht unter das Urheberrecht. Diese Schlussfolgerung führte das Obergericht Zürich noch weiter: Wenn die dem Computerprogramm zugrunde liegenden Grundsätze und Ideen, d. h. insbesondere die Algorithmen und die Programmlogik, nicht in den Schutzbereich des URG fallen, dann kann bei deren Gebrauch auch kein lauterkeitsrechtlich verpöntes Verhalten vorliegen. Die Klägerin ist so schlussendlich mit den meisten ihrer Rechtsbegehren nicht durchgedrungen. Denn obwohl einzelne Komponenten kopiert waren (wo der Urheberrechtsschutz auch griff), beurteilte das gerichtliche Gutachten die strittige Software der Beklagten abgesehen von diesen Komponenten als neue Schöpfung. ■ Anzeichen für mögliches Kopieren Vor dem Obergericht Zürich wurden schliesslich die einzelnen Programmelemente Stück für Stück in einem entsprechenden Gutachten miteinander verglichen. Dabei hielt das Obergericht aufgrund des Gutachtens fest, dass von einem Kopieren u. a. dann ausgegangen werden kann, wenn Eigentümlichkeiten der Software übernommen werden, die nicht durch Zufälligkeiten oder durch freies Nachschaffen erklärt werden können, so z. B. wenn es zu einer Übereinstimmung des Programmcodes kommt sowie eine identische Reihenfolge von Funktionen und Übereinstimmungen der Kommentare in den beiden Source-Codes vorliegt. HILTY, «Bildungssoftware» – Obergericht Zürich vom 24. Januar 2013, sic! 2013, 697. 1 IT business 1/2015 37
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