48 WIRTSCHAFT der niedergelassene arzt 6/2015 Auf die richtige Dokumentation achten Die Crux mit dem Hausbesuch H ausbesuche spielen in der Versorgung einer älter werdenden Bevölkerung eine eminent wichtige Rolle. Trotzdem steht eine Reihe von Ärzten dem Thema Hausbesuche kritisch gegenüber. Diese Haltung wird auch noch durch die Praxis der Prüfgremien verstärkt. Denn die Abrechnung der Hausbesuchsleistungen gerät in schöner Regelmäßigkeit ins Fadenkreuz der Prüfungen. Besonders im Rahmen der Zufallsprüfungen – der Stichprobe von zwei Prozent der Vertragsärzte, die jedes Quartal geprüft werden (müssen) – wurde in letzter Zeit immer wieder die Notwendigkeit von Hausbesuchsleistungen hinterfragt. Hier wurde insbesondere bei einer unzureichenden Dokumentation von Diagnosen kritisch nachgefragt. Zum einen kann der Hausbesuch gerade in einem ländlich strukturierten Umfeld betriebswirtschaftlich kaum sinnvoll erbracht werden – und dann riskiert man auch noch den Ärger einer Prüfung – kein Wunder, dass hier viele, insbesondere jüngere Ärzte lieber die Finger davon lassen. Doch wenn man einige Regeln beachtet, dann kann man diese wichtige Leistung auch erbringen ohne unliebsame Post von der Prüfungsstelle zu riskieren. Deshalb lohnt es sich immer wieder, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. So steht’s im EBM… Vorab: Definition des Begriffs „Besuch“ im EBM, Präambel zum Abschnitt 1.4: © Gina Sanders / Fotolia Der Hausbesuch ist eine wichtige Leistung, die niedergelassene Ärzte erbringen, wenn der Patient nicht in der Lage ist, die Praxis aufzusuchen. Hausärzte betreuen Patienten zuhause, Fachärzte sind aktiv bei der Betreuung von Heimpatienten. In vielen KV-Bezirken fallen Hausbesuche in die Kategorie der besonders förderungswürdigen Leistungen, sie werden also mit Zusatzpauschalen extra honoriert. „Ein Besuch ... ist eine ärztliche Inanspruchnahme, zu der der Arzt seine Praxis, Wohnung oder einen anderen Ort verlassen muss, um sich an eine andere Stelle zur Behandlung eines Erkrankten zu begeben.“ Ein Hausbesuch ist demnach keine Serviceleistung, sondern muss durch eine oder mehrere Diagnosen entsprechend indiziert sein. Welche Diagnosen ausreichend sind, hängt auch von der allgemeinen Situation des Patienten ab. Bei älteren, multimorbiden Patienten können Diagnosen ausreichend sein, bei denen grundsätzlich von der Notwendigkeit eines Hausbesuches auszugehen ist, ohne dass für den konkreten Anlass im Einzelfall eine Diagnose angegeben werden muss. Bei jüngeren Patienten, die ansonsten keine schwerwiegenden Erkrankungen haben, werden höhere Anforderungen an die Dokumentation der Notwendigkeit gestellt. Wann 01410 – wann sicher 01413? Wenn ein Arzt mehrere Patienten im gleichen zeitlichen / räumlichen Zusammenhang besucht, wird beim ersten Patienten die Gebührenordnungsposition (GOP) 01410 abgerechnet, bei den anderen Patienten die 01413, wenn – es sich um die gleiche soziale Gemeinschaft (z.B. Familie) – oder ein beschützendes Wohnheim bzw. Einrichtung bzw. Pflege- oder Altenheim mit Pflegepersonal handelt. Der Begriff der „Sozialen Gemeinschaft“ bezieht sich nicht auf die Einrichtungen mit Pflegepersonal, sondern ist eine eigene Gruppe. Wann eine „Soziale Gemeinschaft“ vorliegt, ist nicht eindeutig und muss in jedem Einzelfall neu geprüft werden. Es wurden verschiedene Kriterien entwickelt. Dazu gehört vor allem ein Gemeinschaftsleben wie z. B. gemeinsames Essen. Bei den genannten Einrichtungen ist das Pflegepersonal ein wichtiges Kriterium, d. h. reine Wohneinrichtungen mit spezieller Ausrichtung auf ältere Personen, aber ohne Pflegepersonal sind keine Einrichtungen im Sinne der GOP 01413. Wenn ein Arzt mehrere Patienten in einer Einrichtung mit Pflegepersonal besucht, wird beim ersten Patienten die GOP 01410, bei den anderen Patienten die GOP 01413 abgerechnet. Einige KVen WIRTSCHAFT Welche Frequenz ist „normal“? Es gibt keine Vorgabe für eine normale Hausbesuchstätigkeit. Vielmehr wird bei einer Überschreitung der Vergleichswerte der Fachgruppe für die Hausbesuchsziffern („Häufigkeit auf 100 Fälle“) geprüft, ob die Hausbesuche durch die angegebenen Diagnosen indiziert waren. Dies betrifft nicht nur die Anzahl der Hausbesuchspatienten, sondern auch die Anzahl der Hausbesuche pro Patient. Für einen Patienten mit fieberhaftem Infekt ist dies eine andere Zahl als bei einem Palliativpatienten. Grundsätzlich gilt, dass die KVen bei den betagten Heimpatienten mit ihren umfangreichen Diagnosemengen davon ausgehen, dass diese Patienten regelmäßig und z. T. engmaschig betreut werden müssen. Bei jüngeren Hausbesuchspatienten wird z. B. bei Zufälligkeitsprüfungen häufig hinterfragt, dass man anhand der Diagnosen nicht nachvollziehen könne, dass der Patient nicht auch in die Praxis kommen könne. Aussagen wie „ich sehe meine Hausbesuchspatienten regelmäßig alle zwei Wochen“ sind dabei kritisch zu werten. Es sollte deshalb aus der Dokumentation bzw. den Diagnosen plausibel nachvollziehbar sein, wenn Patienten regelmäßig betreut werden müssen. Verdachtsdiagnosen oder der Ausschluss von Diagnosen können natürlich auch herangezogen werden, es müssen keinesfalls alle Diagnosen gleich als „gesichert“ dokumentiert werden. Aber natürlich lohnt es sich auch hier, den gesunden Menschenverstand zu Rate zu ziehen: Hausbesuche, die über einen längeren Zeitraum mit Verdachtsdiagnosen begründet werden, sind im Falle einer Prüfung kaum zu verteidigen … Wie verhalte ich mich bei dringenden Hausbesuchen? Was ist bei „auf Anforderung“ zu dokumentieren? Die Hausbesuche nach den GOP 01411 / 01412 dürfen nur in bestimmten Fällen abgerechnet werden, vor allem bei sog. „dringenden Besuchen“, dazu gibt es den Zusatz „wegen der Erkrankung, unverzüglich nach Bestellung ausgeführt“. An die angegebenen Diagnosen werden höhere Anforderungen als an den Hausbesuch nach der GOP 01410 / 01413 gestellt. Falls sich keine ausreichend dringenden Diagnosen nach ICD-10 finden, ist der Grund für den Hausbesuch zusätzlich in der Akte zu dokumentieren. Die GOP 01415 setzt eine Anforderung des Pflegeheims voraus. Diese ist entweder am einfachsten als Fax, ansonsten bei telefonischer Anforderung als Notiz in der Akte zu dokumentieren. Aber auch hier gilt: Eine Anforderung des Hausbesuchs in schöner Regelmäßigkeit könnte z.B. im Rahmen einer Zufallsprüfung Anlass zu Nachfragen geben. Warum ist es essentiell, den Patienten persönlich in Augenschein zu nehmen? Werden regelmäßig Hausbesuche bei pflegebedürftigen Patienten in Heimen durchgeführt, sind einige Ärzte so vorgegangen, dass sie mit dem Pflegepersonal die Fälle anhand der Akten besprochen haben und danach einzelne aber nicht alle Patienten persönlich gesehen haben. Dabei sind Leistungen abgerechnet und Verordnungen getätigt worden bei Patienten, die kurz vorher verstorben waren oder zum Zeitpunkt des Besuchs stationär behandelt wurden. Dies stellt einen groben Verstoß gegen kassenärztliche Pflichten dar und kann zu Prüfungsverfahren bis hin zu Strafverfahren und Entzug der Zulassung führen. Verordnungen von Heil- und Arzneimitteln bei Patienten in Pflegeeinrichtungen: Wann könnten diese eine Praxisbesonderheit darstellen? Eine Praxisbesonderheit können Heimpatienten darstellen, wenn aufgrund der Erkrankungen eine durchschnittlich höhere Verordnungsmenge pro Patient an Heilmitteln und Arzneimitteln vorliegt, als bei den anderen Patienten. Deshalb sind einzelne KVen dazu übergegangen, Ärzten die Möglichkeit zu geben, Heimpatienten mit einer Pseudoziffer zu kennzeichnen. Damit können diese Patienten sicher identifiziert werden und vorab geprüft werden, ob eine Überschreitung der Richtgröße durch diese Heimpatienten ausgelöst wird. Aber cave: Die Versorgung von Heimpatienten hohen Alters begründet nicht automatisch eine im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu berücksichtigende Praxisbesonderheit. Vielmehr gehöre sie zu den allgemeinen Aufgaben von Hausärzten, entschied das Bundessozialgericht (BSG) 2013. Praxisbesonderheiten seien nur dann anzuerkennen, „wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden“. Zudem argumentiert das BSG, dass der Arzt dann schlüssig darlegen müsse, dass die Heimpatienten im Vergleich zur Betreuung der alten Patienten zuhause einen deutlich höheren Betreuungsaufwand aufweisen. Nach unserer Erfahrung liegen die Verordnungskosten bei Heimpatienten in einem vergleichbaren Rahmen wie die ambulant betreuter Patienten, die noch zuhause leben können. Deshalb: die Angst vor dem Regress ist bei sorgfältiger Dokumentation absolut unbegründet und sollte keinen Arzt davon abhalten, Hausbesuchsleistungen zu erbringen! Dr. med. Georg Lübben © Karl-Hendrik Tittel haben es zugelassen, dass bei Einrichtungen mit Pflegepersonal und mehreren organisatorisch getrennten Stationen pro Station einmal die GOP 01410 und für die anderen Patienten der Station die 01413 abgerechnet wird. Dies ergibt sich nicht aus dem Text der GOP 01413 und ist bei der lokalen KV zu erfahren – und sich auch auf jeden Fall schriftlich bestätigen zu lassen. Sofern man zur Abrechnung in den Stationen keine Aussage seiner KV hat, rechnet man sicher nur ab, wenn in einer Einrichtung mit Pflegepersonal einmal die GOP 01410 und bei anderen Patienten die GOP 01413 angesetzt wird. © cbckchristine / Fotolia der niedergelassene arzt 6/2015 Vorstand AAC Praxisberatung AG Zimmerstraße 68 10117 Berlin Tel.: 030-22 44 523-14, Fax: 030-22 44 523-33 E-Mail: [email protected] 49
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