Wie oft müssen Sie Diabetiker untersuchen?

FORTBILDUNG
SEMINAR
Regelmäßige Kontrollen in der Hausarztpraxis
Wie oft müssen Sie
Diabetiker untersuchen?
MMW-Fortbildungsinitiative:
Diabetologie für den Hausarzt
Regelmäßiger Sonderteil der
MMW-Fortschritte der Medizin
E va -M a r i a Fac h
Herausgeber:
Fachkommission Diabetes in Bayern –
Landesverband der Deutschen Dia­betesGesellschaft,
Dr. med. Andreas Liebl (1. Vorsitzender)
m&i-Fachklinik Bad Heilbrunn
Wörnerweg 30, D-83670 Bad Heilbrunn
Eine optimierte und individualisierte Diabetestherapie reduziert makround insbesondere mikrovaskuläre Komplikationen. Gerade die mikrovaskulären Komplikationen sind in den Anfangsstadien gut behandelbar.
Der Früherkennung kommt daher eine immense Bedeutung zu. Mit Hilfe
des Gesundheitspasses Diabetes ist eine strukturierte und effiziente
Überwachung der Patienten einfach möglich. Außerdem unterstützt er
die Kommunikation mit dem Patienten und mitbehandelnden Kollegen.
−−
Der Diabetes mellitus ist eine chronisch progrediente Erkrankung und bedarf einer regelmäßigen, lebenslangen
Kontrolle. Dies gilt sowohl für den Glukosestoffwechsel als auch für die bekannten assoziierten Erkrankungen
(Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Adipositas) sowie die oft dramatischen Folge­erkrankungen (diabetische
Retinopathie, diabetische Nephropathie,
diabetische Neuropathie, Mikro- und
Makroangiopathie).
Es gilt, die Lebensqualität der Menschen mit Diabetes zu erhalten und akute wie chronische Komplikationen zu
verhindern bzw. zu minimieren. Der
Dia­betes mellitus und seine Folgen stellen eine medizinische wie auch finanzielle Herausforderung für unsere Gesellschaft dar. Eine regelmäßige ärztliche
Überwachung ist zwingend, um
ggf. Therapieanpassungen vorzu­
nehmen
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MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (11) −−
olgeerkrankungen, die sich zwiF
schenzeitlich entwickelt haben, zu erkennen und zu behandeln.
In den Disease Management Programmen (DMP) Typ 1 und Typ 2 Diabetes
sind vierteljährliche Kontrollen vorgesehen, deren Ergebnisse an die DMP-Koordinierungs- und Auswertungsstellen
weitergegeben werden.
Der Gesundheitspass Diabetes wurde
von der Deutsche Diabetes Gesellschaft
(DDG) schon vor Jahren entwickelt und
eingeführt. In ihm sollen alle notwendigen Anfangs- und Verlaufsuntersuchungen dokumentiert sowie die vierteljährlichen und jährlichen Untersuchungsergebnisse protokolliert werden. Damit
haben der Betroffene wie auch der Hausarzt bzw. der mitbehandelnde Facharzt
einen Überblick über die Befunde und
ggf. notwendige Kontrollen.
Vierteljährliche Kontrollen
Diabetiker sollten die ärztliche Praxis
wenigstens einmal im Quartal aufsuchen, um die Überprüfung von Gewicht,
Blutdruck, evtl. aktueller Blutglukose
und HbA1c vornehmen zu lassen. Anhand der ermittelten Werte wird von
ärztlicher Seite die laufende Therapie
überdacht und ggf. mit dem Patienten
entsprechend seiner persönlichen Situa-
tion verändert. Nur wenn der Betroffe­ne eine notwendige Therapieeskalation
oder auch -deeskalation akzeptiert, wird
er sie mittragen. Der Einfluss der Medikation auf die Gewichtsentwicklung
oder ein mögliches Hypoglykämierisiko
kann so abgelesen werden.
Ebenso vierteljährlich sollten beim
insulinspritzenden Diabetiker die
Spritzstellen auf Dys- bzw. Hyperlipotrophien kontrolliert werden. Insulinerhöhungen sollten in diesem Falle sehr
kritisch erwogen werden, um das Risiko
der Hypoglykämien zu minimieren.
©© E.-M. Fach
Dr. med. Eva-Maria
Fach
Diabetologische
Schwerpunktpraxis,
Rosenheim
Redaktion:
Priv.-Doz. Dr. M. Hummel, Rosenheim
(Koor­dination); Prof. Dr. L. Schaaf, München
(wissenschaftliche Leitung).
Abb. 1 Jährliche Fußinspektionen sind
notwendig, um z. B. ein neuropathisches
Druckulkus verhindern zu können.
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FORTBILDUNG _ SEMINAR
Jahr
Datum (Tag/Monat)
1. Quartal
/
Vereinbarte Ziele für
dieses Jahr
Jahresziele
kg
/ mmHg
von bis
In jedem Quartal
Körpergewicht/Taillenumfang
Blutdruck (5 Min. Ruhe)
Blutzucker nücht./postpr.
(s. auch Selbstkontrollwerte)
HbA1C
Schwere Hypoglykämien
pro Woche Häufige Selbstkontrolle
Spritzstellen
Rauchen (ja/nein)
Einmal im Jahr
<
Gesamt-Cholesterin
> /<
HDL-/LDL-Cholesterin
<
Triglyzeride nüchtern
Mikro-/Makroalbuminurie
S-Kreatinin/eGFR
Augenbefund
Körperliche Untersuchung
/
/
/
/
/
©© Kirchheim Verlag
(einschl. Gefäße)
Fußinspektion
Periph./Auton. Neuropathie
techn. Unters. (z. B. Sono o. B.,
EKG patholog., Langzeit-RR)
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Wohlbefinden (Seite 29)
Abb. 2 Gesundheitspass Diabetes.
Jährliche Kontrollen
Die Laborwerte von Gesamtcholesterin,
HDL-, LDL-Cholesterin und Triglyzeriden (nüchtern), das Kreatinin und die
glomeruläre Filtrationsrate (GFR) sowie
die Eiweißausscheidung im Urin bedürfen regelmäßiger jährlicher Kontrollen.
Statine sind bei erhöhtem Gesamtund LDL-Cholesterin angezeigt, ebenso
eine Hochdruckmedikation bei Hypertonie, um das Risiko von kardialen, zerebrovaskulären und peripheren makroangiopathischen Folgeerkrankungen zu
reduzieren. Eine ggf. notwendige Ge­
wichtsreduk­tion wie auch eine gute diabetische Stoffwechsellage tragen zu einer
Risikominimierung bei.
Ein positiver Mikraltest ist als erster
Hinweis auf eine vaskuläre Erkrankung
zu sehen. Dieser Test sollte ebenfalls
jährlich, bei positivem Befund auch vierteljährlich durchgeführt werden. Eine
Therapie bei positiver Albuminurie mit
einem ACE-Hemmer auch ohne verifizierbare periphere Hypertonie bessert
die Situation der Nierendurchblutung.
Bei diabetischer Nierenerkrankung
ist neben dem Mikraltest die Kontrolle
der GFR und die Bestimmung des Kreatinins notwendig. Die diabetische Ne-
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phropathie führt im Endstadium zur
Dialysepflicht und hat dadurch gravierende Folgen für die Lebensqualität.
Die Fußinspektion gehört zwingend
zu den jährlichen Untersuchungen. Bei
Auffälligkeiten wie Druckstellen, kleinen Rissen, übermäßigen Verhornungen
oder Deformitäten ist die Kontrolle
mehrfach jährlich angezeigt.
Der Pulsstatus am Fußrücken (A.
dorsalis pedis) und hinter dem Innenknöchel (A. tibialis posterior) muss
überwacht werden. Bei Auffälligkeiten
sollte ein Angiologe eingeschaltet werden, um rechtzeitig eine Revision der
Gefäße vornehmen lassen zu können.
Neurologische Defizite müssen früh
erkannt werden: Vibrationsempfinden
mittels Stimmgabel, Kalt-/Warmempfinden mit Tiptherm, Druck- und Schmerzempfinden sowie Reflexverhalten sind zu
überprüfen. Auch werden dabei frische
oder ältere Wunden, Gangrän und Infektionen erfasst, die möglicherweise eine
Amputation nach sich ziehen. Am diabetischen Fußsyndrom leiden ca. 300.000
Typ-1- und Typ-2-Diabetiker in Deutschland. Ca. 40.000 Minor- und Majoramputationen jährlich schränken die Lebensqualität der Betroffenen massiv ein.
Weitere sinnvolle technische Untersuchungen, die häufig in der Hausarztpraxis vorgenommen werden, sind ein
Elektrokardiogramm (EKG), eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens und
eine Langzeit-Blutdruckmessung.
Der Augenhintergrund bedarf der
jährlichen augenärztlichen Kontrolle, im
Falle einer Retinopathie auch öfter. Der
neu entdeckte Typ-2-Diabetiker sollte sogleich zum Augenarzt überwiesen werden,
um eine Retinopathie nicht zu übersehen.
Bekanntlich wird eine Retinopathie oft
Jahre vor der Diagnose des Diabetes mellitus entwickelt. An dia­betischer Retinound Makulopathie erblinden jährlich in
Deutschland ca. 2.000 Menschen.
Zielwerte
Für jeden Patienten sollte der behandelnde Arzt individuelle Zielwerte festlegen, die die private und berufliche
Lebenssituation, Dauer der Diabeteserkrankung, Häufigkeit von Hypoglykämien, Folgeerkrankungen, zusätzliche
Tabelle 1
Zielwerte bei einem Typ-2Diabetiker in mittlerem
Lebensalter ohne Begleit- und
Folgeerkrankungen
BMI
25–27
Blutdruck
< 140/90 mmHg
Nüchternblutzucker < 100 mg/dl
HbA1c
6,5–7%
Cholesterin
< 200 mg/dl
HDL
> 40 mg/dl
LDL
< 100 mg/dl
Triglyzeride
< 150 mg/dl
Erkrankungen und anderes mehr berücksichtigen. Diese sollten im Gesundheitspass Diabetes dokumentiert, evaluiert und ggf. angepasst werden.
Literatur bei der Verfasserin
Anschrift der Verfasserin:
Dr. med. Eva-Maria Fach
Quellenweg 3
D-83071 Stephanskirchen
E-Mail: [email protected]
Diabetesüberwachung
Fazit für die Praxis
1. Als wichtige Aufgabe des Haus-
arztes gilt es, die Lebensqualität der
Menschen mit Diabetes zu erhalten.
Hierzu ist es notwendig, die im Gesundheitspass Diabetes vorgesehenen Untersuchungen durchzuführen
und zu dokumentieren, um bei auftretenden Folgeschäden rechtzeitig,
qualifiziert und adäquat reagieren zu
können.
2. Der Gesundheitspass Diabetes
kann über den Kirchheim-Verlag bezogen werden, die Kosten übernimmt der Patient.
Keywords
Monitoring of diabetes for general
practitioner
Diabetes passport – lifelong monitoring – interval examination
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (11)