Die Extravasation von Immunglobulin G als Folge einer Blut

Die Extravasation von Immunglobulin G als Folge einer Blut-HirnSchranken-Störung führt über eine Aktivierung von Immunglobulin GRezeptoren zu einer Vergrößerung des sekundären Hirnschadens nach
Schädel-Hirn-Trauma der Maus
Ralph Timaru-Kast1, Clara Luh1,2, Shila P. Coronel-Castello1,2, Christina Gölz1,
Michael K.E. Schäfer1,2, Kristin Engelhard1,2, Serge C. Thal1,2
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Klinik für Anästhesiologie, 2Focus Program Translational Neuroscience (FTN)
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Korrespondenz: [email protected]
Fragestellung: Zu den wichtigsten pathophysiologischen Prozessen nach schwerem
Schädel-Hirn-Trauma (SHT) gehört die Aktivierung der zellulären und humoralen
Immunantwort, die unmittelbar nach mechanischem Primärschaden beginnt und über
Wochen die Entwicklung des sekundären Hirnschadens maßgeblich beeinflusst [1].
Die Mechanismen der Inflammationsreaktion sind charakterisiert durch Aktivierung
residenter und immigrierender inflammatorischer Zellen, wie Mikroglia und Makrophagen und lokaler Freisetzung chemotaktischer Mediatoren wie Zytokinen und
Chemokinen [2]. Als Folge einer Störung der Blut-Hirn-Schranke (BHS) kommt es
zudem zu einem Übertritt proinflammatorischer Plasmaproteine wie Immunglobuline
und Zytokine. Antikörper-Rezeptoren, sogenannte Fc-Rezeptoren spielen eine zentrale Rolle in der Vermittlung der Immunantwort [3]. Ziel der aktuellen Arbeit ist die
zeitliche und quantitative Dynamik des Übertritts von Immunglobulin G (IgG) in das
Hirnparenchym, das kurz- und langfristige Expressionsmuster der Fc-gamma (Fc)Rezeptor-Subtypen sowie den Einfluss der Aktivierung der Fc-Rezeptoren auf den
sekundären Hirnschaden nach SHT zu untersuchen. Hierfür wurden Wildtyp- (WT),
Fc-Rezeptor-Knockout- und Tiere mit hereditärer Defizienz an reifen Lymphozyten
(RAG1) untersucht.
Methodik: Nach Zustimmung der Tierschutzkommission wurden männliche C57B6
Mäuse unter Anästhesie einer kontrollierten kortikalen Kontusion unterzogen (CCI).
Im ersten Studienabschnitt (A) wurden Tiere randomisiert in verschiedene Überlebenszeitpunkte nach SHT eingeteilt (6, 12, 24 Stunden, 3, 5, 7 Tage nach CCI; Nativtiergruppe; n=10/Gruppe). Histologisch wurden der Hirnschaden, IgG-Extravasation,
sowie die intraparenchymatösen T- und B-Zellen quantifiziert. Mit quantitativer RTPCR wurde die Expression der Fc-Rezeptorsubtypen I, IIb und III untersucht. Im
zweiten Studienabschnitt (B) wurden Tiere mit einer Deletion der Bindungsstellen
(KO-) an FcRI im Vergleich zu WT-Tieren 24 Stunden nach CCI untersucht. Im dritten Abschnitt (C) wurden RAG-1 Knockout-Mäuse 1 und 5 Tage nach CCI mit WTTieren verglichen. Endpunkte in diesen Studienabschnitten waren zerebrales Kontusionsvolumen (Nissl-Färbung) und perikontusionale Aktivierung der Mikroglia (Iba1Färbung), Hirnwassergehalt, CRP-Gehalt sowie die Genexpression von IL1, IL6 und
TNF. Statistik: Mann-Whitney Rangsummentest für paarweise Vergleiche und Korrektur nach Bonferroni-Holm bei Mehrfachtestung, p<0,05.
Ergebnisse: A: Bereits 6 Stunden nach SHT steigt der IgG-Gehalt im Parenchym
an. Nach einem Maximum nach 72 Stunden schrumpft das Kontusionsvolumen,
demgegenüber wächst die IgG-positive Fläche (6h: 37,9±5,2%; 12h: 40,3±6,9%; 24h:
42,0±5,1%; 3 Tage: 50,1±9,8%; 5 Tage: 51,6±9,1% der Hemisphäre). Innerhalb der
ersten 24 Stunden steigt die Expression der IgG-Rezeptor Subtypen FcRI
(1050±200%), FcRIIb (2200±800%) und FcRIII (600±85%) an, nimmt in den ersten
Tagen weiter zu und bleibt über sieben Tage auf erhöhtem Niveau. B: FcRdefiziente Tiere weisen einen reduzierten Hirnschaden, reduzierte Mikrogliaaktivierung, geringeren CRP-Gehalt sowie niedrigere TNF-Expression nach 24 Stunden
auf. Auf den Hirnwassergehalt hatte das Fehlen der FcR keinen Einfluss. C: in
RAG1-Mäusen kam es zu einer Reduktion des Hirnschadens gegenüber Wildtypmäusen 1 und 5 Tage nach SHT (27,1±4,1 vs. 32,4±5,6 sowie 11,8±1,1 vs. 13,9±0,9
mm³; p<0,05)
Interpretation: Die aktuelle Studie zeigt, dass IgG nach SHT im Hirnparenchym bereits nach 6 Stunden mit einem Erreichen des Maximums nach 72 Stunden im periläsionalem Gewebe nachweisbar sind und gleichzeitig die Expression verschiedener
Fc-Rezeptorsubtypen verstärkt induziert wird. Die traumatische Öffnung der BHS
führt somit zu einer massiven Freisetzung von IgG, welche auf hohe intrazerebrale
Präsenz von IgG-Rezeptoren (FcRI, FcRIIb und FcRIII) trifft. Sowohl die genetische Defizienz für die Fc-Bindungsstelle an FcR, als auch die Defizienz an maturen
B- und T-Lymphozyten führt zu einem geringeren Hirnschaden nach SHT. Die Ergebnisse zeigen somit, dass eine BHS-Störung indirekt durch eine Antikörpervermittelte immunmodulatorische Wirkung über IgG-Rezeptoren den sekundären
Hirnschaden verstärken kann und verdeutlichen die hohe Relevanz einer intakten
BHS zur Verringerung der deletären posttraumatischen Entzündungsreaktion.
Literatur: [1] Kunz, et al. Best Pract Res Clin Anaesthesiol. 2010; [2] Morganti-Kossmann, et al. Injury. 2007; [3] Ankeny, et al. Trends Immunol. 2010