Licht und Lichtverschmutzung | Mehr Konzepte – weniger Konflikte? Fachtagung für Städte und Gemeinden | 24. November 2015 | Volkshaus Zürich Der Homo LUXus und die Nacht. Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? Netzwerk Licht | Roland Bodenmann OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 1 Prolog Am Anfang all unserer technologischen Errungenschaften steht die Beherrschung von Feuer. Ohne diesen ersten Schritt wäre die Migration des Homo Sapiens aus den Savannen Ostafrikas kaum so erfolgreich gelungen.1 Künstliches Licht ist kultiviertes Feuer. Im Dunkeln evoziert es Wärme, Sicherheit, Geborgenheit. In Mythen, Schöpfungsgeschichten und Religionen hat Licht zentrale Bedeutung. Dieses Sehnen nach Licht, diese nie hinterfragte Gewissheit von Schutz steckt tief in uns allen. 1) EVERETT, D. (2012): Language. The Cultural Tool, Deutsch bei DVA München Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 3 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 2.1 Die Pflicht zum Licht Es erstaunt deshalb nicht, dass die Anwendung von Licht im Aussenraum kaum legitimiert werden muss. Die Eroberung der Nacht scheint Pflicht, unwidersprochenes Menschenrecht. In den Städten musste im Mittelalter ein Handlicht tragen, wer nachts auf die Strasse trat. Wer ohne Licht im Dunkeln ging, machte sich «dunkler Absichten» verdächtig und konnte bestraft werden.1 Künstliches Licht muss aber hergestellt werden. Jahrhundertelang waren Kerzen ein Privileg der Reichen. Erst ab 1840 kam in der Schweiz die öffentliche Gas-Beleuchtung auf, ab 1880 wurden elektrischen Lampen eingeführt. Seit etwa einem halben Jahrhundert verfügen wir nun über die notwendigen technischen, energetischen und ökonomischen Ressourcen, um Licht im Übermass zu produzieren. Allein die Entwicklung in den letzten 20 Jahren ist enorm. Noch nie war Licht und die notwendige elektrische Energie so einfach verfügbar und so kostengünstig wie heute; noch nie waren die Beleuchtungswerkzeuge so vielfältig wie heute. Licht im Aussenraum ist allgegenwärtig. Alles ist möglich, aber nicht alles ist sinnvoll! 1) ILLI, M. (1998-2015): HLS Historischen Lexikon der Schweiz, Bern. Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 4 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 2.2 Was die Statistik sagt Gemäss Elektrizitätsstatistik wurden für die öffentliche Beleuchtung in der Schweiz 2013 rund 441 GWh elektrische Energie (0.74 % des Endverbrauchs) aufgewendet.1 Dabei sind die unzähligen weitern Lichtquellen für Werbung und private Beleuchtungen nicht enthalten. Obwohl die Energieeffizienz der Lampen für die öffentliche Beleuchtung laufend verbessert wurde, blieb der Verbrauch während den letzten 15 Jahren praktisch unverändert. Die Effizienzsteigerung wurde dazu genutzt, die Zunahme der beleuchteten Flächen und die Erhöhung der Leuchtdichte zu kompensieren, nicht aber für die Abnahme des Verbrauchs.2 Wenn also trotz steigender Effizienz in der Beleuchtungstechnik (Lichtquellen, Leuchten, Betriebsgeräte, Steuerung) der Energiebedarf konstant bleibt, muss die emittierte Lichtmenge entsprechend zugenommen haben! Das BAFU hat 2012 festgestellt, dass in den letzten 20 Jahren die Lichtemissionen in der Schweiz um 70% zugenommen haben. 1) Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2013; Bundesamt für Energie BFE (Erschienen: 23.06.2014) 2) Curia Vista - Geschäftsdatenbank des eidgenössischen Parlaments (06.06.2008) Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 5 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 2.3 Lichtemissionen Primäre Emissionen = ungenutztes Licht = Energieverschwendung Oberer Halbraum Unterer Halbraum Primäre Emissionen = ungenutztes Licht = Energieverschwendung Sekundäre Emissionen Nutzebene Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 6 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 2.4 Kunstlicht versus natürliches Licht An die Sonne als natürliche Lichtquelle haben alle tagaktiven Lebewesen ihre visuelle Wahrnehmung angepasst. Die Sonne liefert bei Höchststand und klarem Himmel eine «Lichtleistung» von etwa 100’000 Lux.1 Die nachtaktive Fauna hat dagegen im besten Fall den Vollmond mit 0.25 Lux als stärkste natürliche Lichtquelle. Bei einer klaren Neumond-Nacht wird ohne Fremdlicht 0,001 lx Sternenlicht angegeben. Auf diese natürlichen Lichtquellen hat sich die visuelle Wahrnehmung der nachtaktiven Fauna kalibriert. «Helligkeits-Verhältnis» Sonne zu Vollmond: «Helligkeits-Verhältnis» Vollmond zu Sternenlicht: 400’000 : 1 250 : 1 Eine mit 5 Lux (Wartungswert) beleuchtete Quartierstrasse entspricht also einer Fläche, die mit 20 «Vollmonden» bestrahlt wird. Dazu kommt, dass die Leuchten selber eine vielfach höhere Leuchtdichte als der Vollmond aufweisen.2 Stellen Sie sich nun vor, Sie müssten das Licht von 20 Sonnen ertragen! Für die nachtaktive Fauna sind unsere Strassenleuchten deshalb ein massiver Eingriff in ihren natürlichen Lebensraum. 1) https://de.wikipedia.org/wiki/Lux_%28Einheit%29 (20.07.2015) 2) Bei gleichem Lichtstrom hat die kleinflächigere Lichtquelle die grössere Leuchtdichte. Während der Vollmond nicht blendet, kann eine Strassenleuchte bereits physiologische Blendung erzeugen. Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 7 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 2.5 Das Lichtspektrum ist genauso wichtig LED mit 4’500 K Farbtemperatur (Neutralweiss). Der hohe Blauanteil resultiert aus der verwendeten Technik (monochrome blaue LED mit Leuchtstoff-Beschichtung). Diese Technologie erzielt die beste Energieeffizienz. Anderseits hat der hohe Blauanteil negative Auswirkungen auf die nachtaktive Fauna.1 LED mit 2’000 K Farbtemperatur, vergleichbar mit Natriumdampf-Lampen. Das Spektrum basiert auf der RGB-Farbmisch-Technik. Die Energieeffizienz ist geringer, dafür kann das Spektrum (und damit der Blauanteil) fast beliebig «eingestellt» werden. Ein tiefer Blauanteil hat am wenigsten negative Auswirkungen. 1) HUEMER, P., KÜHTREIBER, H.,TARMANN, G., (2011). Anlockwirkung moderner Leuchtmittel auf nachtaktive Insekten. Feldstudie 2011. Innsbruck: Tiroler Landesumweltanwaltschaft & Tiroler Landesmuseen Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 8 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 3.1 Auswirkungen von Lichtemissionen auf Menschen Welche Konsequenzen das nächtliche Kunstlicht für einzelne Vertreter der nachtaktiven Fauna hat, ist schon in einigen Publikationen dargelegt worden. Trotzdem fehlen umfassende und systematische wissenschaftliche Arbeiten. Wir wissen immer noch viel zu wenig über die Wirkungszusammenhänge. 1 Stellvertretend sollen hier nur einige wenige Arbeiten kurz erwähnt werden: Der Mensch ist ein gut untersuchtes «Tagtier». Im Verlauf der Evolution haben wir den natürlichen Hell-Dunkel-Wechsel verinnerlicht. Eine innere «Hauptuhr» steuert alle peripheren, zeitabhängigen, biochemischen Prozesse. Sie arbeitet autonom und wird durch den natürlichen Wechsel von Tag und Nacht zwar synchronisiert, aber nicht exogen gesteuert. Unsere Schlafphasen werden durch die Ausschüttung des Hormons Melatonin gesteuert. Die Ausschüttung von Melatonin ist direkt abhängig von der täglichen Dosis Tageslicht und kann durch Kunstlicht mit blauem Spektralanteil unterdrückt werden. Lichtquellen mit einem hohen Blauanteil - z.B. weisse LED-Lampen oder BildschirmHinterleuchtungen - können den Schlaf stören und sind der Gesundheit abträglich.2 1) BAFU (2012): Auswirkungen von künstlichem Licht auf die Artenvielfalt und den Menschen 2) CAJOCHEN, CH. (2010): Das Ende der Nacht. Hg. Th. Posch, A. Freyhoff und Th. Uhlmann. Wiley-VCH Verlag, Weinheim Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 9 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 3.2 Auswirkungen von Lichtemissionen auf nachtaktive Tiere Auf Insekten zeigt der Einfluss von Strassenbeleuchtungen unterschiedlich negative Auswirkungen: Verbrennen, Erschöpfungstod und Innaktivität durch «Umschalten auf Tagesruhe», ausgelöst durch das Kunstlicht. Diese Insekten fressen und reproduzieren sich nicht mehr und werden selbst leichte Beute ihrer Jäger.1 Vögel sind eigentlich mehrheitlich tagaktive Augentiere. Vogelzüge sind aber auch nachts unterwegs, da sie am Tag rasten und fressen müssen. Bei schlechtem Wetter verringern sie die Flughöhe und orientieren sich an Landmarken. Beleuchtete Objekte lenken ab und führen oft zu Kollisionen. Allein in den USA und Kanada kommen jährlich mehrere Millionen Zugvögel dabei um.2 Von den Fledermäusen in Mitteleuropa sind die meisten lichtscheu. Beleuchtete Ausfluglöcher der Sommerquartiere verzögern das Ausfliegen und reduzieren den Jagderfolg und damit die Aufzucht der Jungen.3 Beleuchtete Flugkorridore zwischen Quartier und Jagdrevier werden gemieden. Umwege mit längeren Flugzeiten und erhöhtem Energiebedarf sind die Folge. 1) EISENBEIS, G., EICK, K. (2011): Studie zur Anziehung nachtaktiver Insekten an die Strassenbeleuchtung unter Einbezug von LEDs 2) HÜPPOP H., KLENKE R. UND NORDT A. (2012): Vögel und künstliches Licht 3) HOTZ, T., BONTADINA, F. (2007): Ökologische Auswirkungen künstlicher Beleuchtung. Unpublizierter Bericht von SWILD als Grundlage für Grün Stadt Zürich und Amt für Städtebau Zürich Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 10 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 3.3 Auswirkungen auf die Biodiversität Allein in der Schweiz ist über ein Drittel der Pflanzen-, Tier- und Pilzarten bedroht. Sie leiden darunter, dass ihre Lebensräume zerstört, übernutzt oder so verändert werden, dass ihre Lebensgrundlagen verloren gehen. Künstliches Licht ist nur einer von vielen Einflüssen, die die nachtaktive Fauna im Siedlungsraum stört und schädigt. Da Licht in der Nacht von den meisten Menschen positiv bewertet wird, werden die negativen Auswirkungen von Emissionen oft marginalisiert oder gar bestritten. Eine Fehleinschätzung, wie das BAFU in einem Bericht vom 29.11.2012 schreibt: «Oft sind nicht die Lichtemissionen alleine für das Verschwinden einer Art an einem bestimmten Ort verantwortlich. In der Summe der Auswirkungen ist es aber möglicherweise der Faktor, der den Ausschlag gibt.»1 1) BAFU (2012): Auswirkungen von künstlichem Licht auf die Artenvielfalt und den Menschen (nicht amtlich publizierte Fassung) Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 11 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 3.4 Der Wert der Biodiversität «Die … Biodiversität … ist ein Geschenk der Natur und von unschätzbarem volkswirtschaftlichem Wert. Ganz selbstverständlich profitieren wir von diesem Vermögen, aus dem wertvolle Leistungen und Produkte hervorgehen.»1 Biodiversität liefert Lebensmittel Bestäubung von Kulturpflanzen Medikamente basierend auf Pflanzen, Tieren und Bakterien Natürliche Gewässer reduzieren Hochwasserspitzen Wälder und Moore sind CO2-Speicher Biodiversität ist ein wichtiger Standortfaktor (Lebensqualität) Der Schutz der Biodiversität dient der Erhaltung und Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands. Die EU hat ausgerechnet: Eine Hektare Schutzgebiet im EU-Raum erbringt im Schnitt einen Wert von 2'500 bis 3'400 Euro. 1) SCHWARZ, F. (2015): Investitionen in die Biodiversität lohnen sich; Gastkommentar NZZ vom 22.05.2015 Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 12 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 4.1 Das Licht im Recht - Bundesgesetz Licht ist eine Form von Energie. Physikalisch definiert ist Licht als optische Strahlung, die ein Teil des elektromagnetischen Strahlenspektrums ist. 1 Der Gesetzgeber hat im eidgenössischen Umweltschutzgesetz (USG 730) festgehalten, dass Strahlen an der Quelle zu begrenzen und Mensch und Tier von schädlicher und lästiger Einwirkung zu schützen sind. Folglich ist auch künstliches Licht durch Massnahmen am Emissionsort zu begrenzen, und zwar unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung. Das Vorsorgeprinzip bestimmt jedoch auch, dass diese Begrenzung nur so weit gehen muss, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG). Die Anwendung des Vorsorgeprinzips wird von zwei Bundesgerichts-Entscheiden gestützt. BGE 140II33 vom 12.12.2013 betreffend Nachbarschaftsstreit in Möhlin AG und dem BGE 140II214 vom 02.04.2014 betreffend Bahnhofsbeleuchtung Oberried See ZH.2 1) RIS, H.R. (2008): Beleuchtungstechnik für Praktiker, AZ Verlag Aarau 2) MUNZ, CH. (2015): Wohnwirtschaft HEV Aargau 10-14 Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 13 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 4.2 Das Vorsorgeprinzip Das im Umweltrecht verankerte Vorsorgeprinzip wird durch drei wesentliche Punkte charakterisiert:1 Umkehr der Beweislast … Der Befürworter eines potentiell schädlichen Produkts oder einer Technik muss nachweisen, dass sein Produkt oder seine Technik nicht schädlich ist … Betonung des Nicht-Wissens … Umweltpolitisch wird Abstand genommen vom Prinzip der wissenschaftlichen Beweisbarkeit und die Komplexität ökologischer und biologischer Zusammenhänge betont… Enthalte Dich im Zweifel … Fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Unschädlichkeit eines Produktes oder einer Technik … soll jede Tätigkeit unterlassen werden, bei der nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein schwerwiegender Umweltschaden eintritt. 1) ZBINDEN, KAESSNER (2003): Das Vorsorgeprinzip aus schweizerischer und internationaler Sicht, BAG Abt. Internationales Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 14 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 4.3 Die SN 586 SIA 491:2013 Die SN 586 SIA 491:2013 Vermeidung unnötiger Lichtemissionen im Aussenraum gilt für alle Beteiligten, die mit der Beleuchtung im Aussenraum zu tun haben. Sie dient als Grundlage für einen haushälterischen Umgang mit der Lichtnutzung in Aussenraumen. Sie dient allen an der Planung, Erstellung, Instandhaltung und dem Betrieb von Aussenbeleuchtungen beteiligten Akteuren. Namentlich sind dies Bauherren, Eigentümer, Planer, Betreiber und Behörden. Ebenfalls kann diese Norm von Betroffenen, Interessen- und Umweltverbänden konsultiert werden. Sie definiert ein Zeitfenster für die visuelle Nachtruhe: «… im Zeitraum zwischen 22 und 6 Uhr ist es auf Werbe-, Schaufenster-, Garten- und Dekorbeleuchtung sowie die Anstrahlung von Objekten zu verzichten» (Ziffer 2.5.5). Sie kommt bei Neuerstellung, Erneuerung und Ersatz von Beleuchtungs-Anlagen im Aussenraum zur Anwendung. «Aussenbeleuchtungen für öffentliche und private Zwecke sind bei Neuerstellung, Erneuerung und Instandhaltung so zu planen, dass lästige oder schädliche Auswirkungen vermieden werden» (Ziffer 2.2.1). Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 15 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 5.1 Die kommunalen Behörden In welcher Verantwortung stehen die kommunalen Behörden? Welchen Handlungsspielraum haben sie? In der Verantwortung der Gemeinde-Exekutiven liegt die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit.¹ Die Beleuchtung von Quartierstrassen (alle Strassen, die nicht als Kantonsstrassen klassifiziert sind) ist Sache der Gemeinden. Die Normen für die Strassenbeleuchtung sind dabei Richtlinien bei der Umsetzung der Beleuchtung. In den Normen ist aber keine Pflicht zur Beleuchtung festgeschrieben.² Behörden haben also das Recht, bei der Erstellung neuer öffentlicher Beleuchtungen mitzuentscheiden und den Betrieb von Beleuchtungen zu reglementieren. Bei der Erstellung neuer privater Beleuchtungen im Aussenraum kann über die BNO (Baubewilligung, SN 586 SIA 491:2013 1) und das Polizeireglement (Betriebszeiten, bzw. Ruhezeiten) Einfluss genommen werden. 1) Z.B. Kanton Aargau: Gemeindegesetz 171.100 (§ 37) und Polizeigesetz 531.200 (§19) 2) CEN/TR 13201-1, Strassenbeleuchtung. Teil 1: Auswahl der Beleuchtungsklassen: Dieses Dokument enthält Festlegungen zur Auswahl der Beleuchtungsklassen und Hinweise zu den damit verbundenen Aspekten. Dieses Dokument gibt keine Kriterien an, nach denen zu entscheiden ist, ob eine Verkehrsfläche zu beleuchten ist oder wie eine Beleuchtungsanlage zu verwenden ist. Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 16 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 5.2 Mehr Licht = mehr Sicherheit? Wird die Abschaltung von Licht in der Öffentlichkeit diskutiert, wird reflexartig auf das «Sicherheitsempfinden» verwiesen. Verschiedene Studien konnten aber keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der ÖB und der Häufigkeit von Verkehrsunfällen und Kriminalität nachweisen.1 Viele Gemeinden schalten das Licht bereits ohne negative Konsequenzen aus 2 Sensible Konfliktpunkte (Fussgängerquerungen) können beleuchtet bleiben Sensoren können LED-Leuchten benutzergesteuert schalten und/oder dimmen Bauliche Massnahmen im Strassenraum sind oft wirkungsvoller als mehr Licht Der Strassenverkehr ausserhalb der Gemeinden muss auch ohne ÖB auskommen Fahrzeuglenker sind vorsichtiger und aufmerksamer ohne Strassenbeleuchtung Unfälle nach 24:00 Uhr werden oft durch fahruntüchtige Personen verursacht Einbruchdiebstähle finden vor Allem in der Dämmerung statt Subjektiv vermittelt Licht im Dunkeln Sicherheit. Objektiv ist die öffentliche Sicherheit von sehr vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Die Formel «mehr Licht = mehr Sicherheit» lässt sich nicht mit Fakten belegen. 1) STEINBACH, R. et al (2015): The effect of reduced street lighting on road casualities and crime in England and Wales 2) Beispiel: Die Gemeinde Scherz im Versorgungsgebiet der Industriellen Betrieb Brugg (IBB) schaltet zwischen 01:00 und 04:45 Uhr die Beleuchtung ab. Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 17 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 5.3 Handlungsspielraum der Behörden bei öffentlicher Beleuchtung Werden heute kommunale öffentliche Beleuchtungen ersetzt oder neu geplant, können Energieaufwand und/oder Lichtemissionen reduziert werden: Beleuchtungsanlage korrekt planen und berechnen (so viel wie nötig, so wenig wie möglich) Leuchten mit tiefer Farbtemperatur einsetzen ≤ 3’000 Kelvin (Faunaverträglichkeit) Dimmbare Leuchten einsetzen und auf die geforderte Nutzung einstellen (Lichtstrom dimmen) Leuchten ausserhalb der Hauptnutzungszeit absenken (Nachtabsenkung) Leuchten ausserhalb der Hauptnutzungszeit ganz abschalten (Nachtabschaltung) Leuchten nur nach Bedarf einschalten (Bedarfssteuerung mit Sensor) Auf Leuchten verzichten (Suffizienz statt Effizienz) Damit eine oder mehrere dieser Möglichkeiten genutzt werden können, müssen die Leuchten aber technisch entsprechend ausgestattet sein. Kein Ersatz ohne Planung! Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 18 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 5.4 Handlungsspielraum der Behörden bei privater Beleuchtung Bei der Überarbeitung der Bau- und Nutzungs- oder Zonenordnungen (BNO, BZO) können Beleuchtungen im Aussenraum geregelt werden. Die SN 586 SIA 491:2013 Vermeidung unnötiger Lichtemissionen im Aussenraum bietet dafür eine belastbare Grundlage. Nachtruhezeiten können zudem im Polizeireglement definiert werden: Betriebszeiten für Werbe- und Schaufenster-Beleuchtungen (z.B. von 06:00 bis 22:00 Uhr) Betriebszeiten für den Dauerbetrieb privater funktionaler Aussenbeleuchtungen. Danach nur noch mit Bewegungsmelder einzuschalten. Betriebszeiten für Zierbeleuchtung ohne funktionalen Nutzen (z.B. von 06:00 bis 22:00 Uhr) Betriebszeit Weihnachtsbeleuchtung (z.B. von 06:00 bis 01:00 Uhr und nur zwischen 1. Adventssonntag und 6. Januar) «Im Sinne des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips … die einschlägigen kantonalen bzw. kommunalen … Vorschriften mit einer Bestimmung betreffend Lichtquellen zu ergänzen, um die höchstrichterlich abgesegnete Synchronisation der Lichtschutzbestimmungen mit dem Nachtruhefenster zu erreichen.»1 1) MEICHSSNER, ST. (2014): Bundesgericht schränkt Betriebszeiten privater Zierbeleuchtungen ein, Jusletter 24. Februar 2014 (betreffend Fall Möhlin; Urteil 1C_250/2013 vom 12. Dezember 2013) Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 19 OKI-Fachtagung 2015| Licht und Lichtverschmutzung 6. Fragen? Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Netzwerk Licht | Roland Bodenmann Braucht die natürliche Dunkelheit Schutz? 26.11.2015 | 20
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