Dyadisches Coping in Selbst- und

Sonderdruck aus:
Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 32 (4), 307–314,
Dyadisches
Coping
in Selbst- und Fremdwahrnehmung
Zeitschrift für
Gesundheitspsychologie,
15 (4), 177–186 Hogrefe Verlag Göttingen 2007
177
Dyadisches Coping in Selbst- und
Fremdwahrnehmung als Prädiktor für
Partnerschaftsqualität und Befinden
Simone Gmelch und Guy Bodenmann
Universität Fribourg
Zusammenfassung. Der sozialen Unterstützung durch den Partner kommt ein besonderer Stellenwert zu. Bodenmann
(1995, 2000) schlug aus diesem Grund den Ansatz des dyadischen Copings vor, welcher sich in bisherigen Studien als zentraler
Prädiktor für Partnerschaftsqualität und -stabilität bewährt hat. Eine Möglichkeit, dyadisches Coping zu erfassen, stellt das
Dyadische Coping Inventar (DCI) dar. In diesem Fragebogen schätzen beide Partner ihr eigenes dyadisches Copingverhalten
(Selbsteinschätzung) wie auch das beim Partner wahrgenommene Verhalten (Partnerwahrnehmung) ein. Die vorliegende
Studie an 443 Paaren bezieht diese vier Perspektiven durch die Bildung von Diskrepanzmaßen (Reziprozitäts-, Equity-,
Kongruenzindex) explizit aufeinander und untersucht deren Relevanz in Bezug auf Partnerschaftsqualität und Befinden.
Dadurch wird eine neue, genuin dyadische Analysemöglichkeit verwirklicht, die bislang eher vernachlässigt wurde. Die Diskrepanz in den Einschätzungen zeigte sich dabei insgesamt und in besonderer Weise bezüglich der Equitykomponente bedeutsam
für Partnerschaftsqualität und Befinden. Die Einschätzungen der Frauen in Bezug auf dyadisches Coping erwiesen sich als etwas
relevanter als die der Männer.
Schlüsselwörter: Dyadisches Coping, Equity, Kongruenz, Reziprozität, Partnerschaft
Dyadic coping in the self and partner perception as a predictor of relationship quality and well-being
Abstract. Social support in close relationships received increased attention in the last decade. Several researchers proposed to
separate this concept from social support from other persons. In the approach of dyadic coping, Bodenmann (1995, 2000)
presented a concept that demonstrated its significance in the prediction of relationship quality and stability in several studies.
Dyadic coping can be assessed by the Dyadic Coping Inventory (DCI). This questionnaire permits one to analyze partners’
perception of their own dyadic coping behavior (self-perception) and of their partner’s behavior (partner’s perception). The
present study, involving a total of 443 couples, is based on the analyses of a differences perspective reflected in three
discrepancy indexes (reciprocity, equity, congruence). Their relevance for relationship quality and well-being was examined.
This genuine dyadic analysis that was rather neglected so far, yielded interesting findings. The results provide empirical
evidence for the relevance of the discrepancy indexes and especially for the equity index related to relationship quality and
well-being. However, women’s appraisals of dyadic coping were slightly more relevant than the men’s.
Keywords: dyadic coping, discrepancy, marital quality, well-being, couples
Theoretische Überlegungen
zu sozialer Unterstützung in der
Partnerschaft
Dem Konstrukt der sozialen Unterstützung kommt in
der Psychologie seit Jahren eine große Bedeutung zu. Als
Quellen sozialer Unterstützung werden in der Regel
die Kernfamilie (Herkunftsfamilie), die erweiterte Familie
(Verwandtschaft), Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen,
Selbsthilfegruppen, semi- und professionelle Helfer und
einschlägige sozialmedizinische Institutionen diskutiert,
wobei dem Partner meist keine gesonderte Stellung zugebilligt wird (Pilisuk & Parks, 1983). Während soziale Unterstützung also häufig in ihrer Gesamtheit (d. h. durch verschiedene Personen) erfasst wird, weisen Partnerschaftsforscher darauf hin, dass der Unterstützung durch den
DOI: 10.1026/0943-8149.15.4.177
Partner ein besonderer Stellenwert zukommt (Bodenmann,
1995, 2000; Brown & Harris, 1978; Cutrona, 1996; Denoff,
1982; Veiel, Crisand, Stroszeck-Somschor & Herrle, 1991;
Williamson & Clark, 1992). In diesem Zuge forderte Bodenmann (1995), soziale Unterstützung durch den Partner
von sozialer Unterstützung durch paarexterne Personen
abzugrenzen, als eigene Größe zu betrachten und in einem
eigenen Ansatz zu konzeptualisieren. Er präsentierte dazu
das Konzept des dyadischen Copings (Bodenmann, 1995,
2000).
Diese Abgrenzung erscheint aus verschiedenen Gründen sinnvoll (Bodenmann, 1995, 2001): (a) Bei der Partnerschaft handelt es sich um die intimste Beziehungsform im
Erwachsenenalter, die üblicherweise gekennzeichnet ist
durch einen besonders hohen Anteil an Geteiltem bzw.
Gemeinsamem (z.B. Zeit, Sexualität, Wohnung, Aufgaben-
178
Simone Gmelch und Guy Bodenmann
teilung, evtl. Kinder) und eine hohe gegenseitige Interdependenz. Dadurch sind an den Partner – v. a. in Bereichen,
die mit Vertrauen und Sicherheit zusammenhängen – höhere Erwartungen geknüpft als an andere Personen des
sozialen Netzwerks. Somit erhält die Unterstützung durch
den Partner eine exklusive Bedeutung, Qualität und Wirkung, während deren Fehlen nicht leicht durch andere Personen ausgeglichen werden kann (Brown et al., 1978; Coyne & DeLongis, 1986; Cutrona, 1996). Zudem wird der Partner – wie im Kaskadenmodell von Bodenmann (2000) formuliert – häufig als erstes um Unterstützung angefragt,
was deren Zentralität unterstreicht.
(b) Darüber hinaus liegt eine andere Motivation vor,
den Partner zu unterstützen als andere Personen, da man
durch die Bereitstellung adäquater Unterstützung unmittelbar selbst profitieren kann: Zunächst erfährt der Partner
Entlastung, was ermöglicht, das Paarsystem wieder ins
Gleichgewicht zu bringen. Ist jedoch mehrfach die Erfahrung möglich, in Belastungssituationen auf den Partner
zählen zu können, wird zudem langfristig eine positive kognitive Repräsentation des Partners als hilfreich und vertrauenswürdig aufgebaut. Dadurch gewinnen beide Partner: Es entsteht mehr Vertrauen, Sicherheit und Nähe, was
sich wiederum positiv auf den Selbstwert beider Partner
sowie die Partnerschaftsqualität und -stabilität auswirkt
(Bodenmann, 2000; Bodenmann & Cina, 2005; Schwarzer
& Busch, 2004).
(c) Das Konzept des dyadischen Copings umfasst die
Differenzierung verschiedener Formen von partnerschaftlicher Unterstützung (z. B. gemeinsames, delegiertes, negatives dyadisches Coping, s. u.), während das allgemeinere Konzept der sozialen Unterstützung lediglich das
supportive dyadische Coping in der Partnerschaft beinhaltet.
Konzept des dyadischen Copings
Dyadisches Coping wird von Bodenmann (1995, 2000) als
ein wechselseitiges, prozesshaftes Geschehen zwischen
beiden Partnern verstanden. Die gestresste Person kommuniziert verbal oder nonverbal ihren Stress und drückt
dadurch explizit oder implizit den Wunsch nach Unterstützung aus. Vorausgesetzt der Partner nimmt dies wahr, folgt
darauf eine Form der Unterstützung durch den Partner.
Durch diese theoretische Konzeption, die dem zugehörigen Fragebogen „Dyadisches Coping Inventar (DCI)“
(Bodenmann, in Druck) zu Grunde liegt, wird Unterstützung nicht generell erfasst, sondern in Situationen, in denen diese auch erwünscht ist. Es werden folgende vier
Formen des dyadischen Copings unterschieden: Beim
positiven supportiven dyadischen Coping nimmt der
Partner der gestressten Person die Bewältigungsarbeit
nicht ab, unterstützt jedoch deren Copingbemühungen
emotionsbezogen (z. B. durch empathisches Verständnis
und Rückhalt) oder sachbezogen (z.B. durch Mithilfe bei der
Analyse des Problems). Übernimmt der Partner zur Entlastung Aufgaben und Tätigkeiten, die normalerweise die gestresste Person selbst erledigen müsste, sprechen wir von
delegiertem dyadischen Coping. Negatives dyadisches
Coping beinhaltet Unterstützungsbemühungen, welche
feindselige, ambivalente oder floskelhafte Elemente enthalten (z. B. den Partner bei der Unterstützung gleichzeitig
kritisieren) oder Unterstützung verwehren (z. B. Rückzug).
Darüber hinaus ist dyadenrelevanter Stress durch Aktivitäten, an denen beide Partner komplementär teilhaben,
bewältigbar (gemeinsames dyadisches Coping). Diese
können wiederum sachbezogener (z. B. faire Aufteilung
bei der Umsetzung der Lösungen) oder emotionsbezogener Natur (z. B. Austausch von Zärtlichkeiten) sein.
In verschiedenen Forschungsarbeiten konnte gezeigt
werden, dass das Ausmaß und die Qualität des dyadischen Copings signifikant und substanziell mit Partnerschafts- und Befindenskriterien (z. B. Partnerschaftsqualität, Scheidung, Wohlbefinden, psychische Störungen)
assoziiert waren und sich im Längsschnitt v. a. für die Vorhersage der Partnerschaftsqualität und Scheidung bedeutsam erwiesen (Bodenmann, 2000, in Druck; Bodenmann et al., 2005).
Empirische Befunde zur Bedeutung der
wahrgenommenen Ausgewogenheit
partnerschaftlicher Unterstützung
Die Ausgewogenheit (Fairness) zwischen dem Erhalt und
der Bereitstellung von partnerschaftlicher Unterstützung
(vgl. Equity-Theorie von Walster, Walster & Berscheid,
1978) erweist sich in mehreren Studien als bedeutsam für
die Partnerschaftsqualität und das Befinden der Partner
(Antonucci & Jackson, 1990; Gleason, Iida, Bolger &
Shrout, 2003; Kleiboer, Kuijer, Hox, Schreurs & Bensing,
2006). Je höher die erlebte Fairness, desto positiver die
Partnerschaftsqualität, desto höher die Partnerschaftsstabilität und desto besser das Befinden (Grau, 1997; Grote &
Clark, 2001; Rohmann, 2003; Sprecher, 2001). Von Paaren
wurden v. a. emotionale Dimensionen (Bindung, Gefühle
zeigen, Unterstützung, Verhalten in Konfliktsituationen)
als austausch- bzw. gerechtigkeitsrelevant erachtet (Grau,
2006; Rohmann, 2000), was die Relevanz der Ausgewogenheit beim dyadischen Coping unterstreicht. Acitelli
und Antonucci (1994) zeigen zudem, dass das Wohlbefinden der Frauen stärker von der emotionalen Qualität der
Paarbeziehung und der Qualität der Unterstützung abhängig ist als bei den Männern.
Empirische Befunde zur Bedeutung
der Wahrnehmungskongruenz bezüglich
partnerschaftlicher Unterstützung
Studien belegen im Sinne der „Aufwertungstheorie“ (Felser, 2003), dass ein gewisses Maß an „Positiv-Illusionen“
dem Partner gegenüber positiv für die Partnerschaftszufriedenheit ist (Murray, Holmes & Griffin, 1996). Demgegenüber gehen konsistenztheoretische Ansätze davon
aus, dass die Stimmigkeit zwischen Selbst- und Partner-
Dyadisches Coping in Selbst- und Fremdwahrnehmung
Erfassung und Auswertung der Selbst- und
Fremdperspektive beim dyadischen Coping
Um der Komplexität des partnerschaftlichen Bewältigungsgeschehens gerecht zu werden, wurde das Dyadische Coping Inventar (DCI) entwickelt (Bodenmann, in
Druck). Beide Partner schätzen auf den Subskalen Stresskommunikation, supportives dyadisches Coping [DC], delegiertes DC und negatives DC ihr eigenes Verhalten ein
sowie dasselbe bei ihrem Partner wahrgenommene Verhalten (vgl. Abb. 1). Damit erhält man (1) die Einschätzung
des eigenen DC der Frau (SelbsteinschätzungF), (2) die
Einschätzung des eigenen DC des Mannes (SelbsteinschätzungM), (3) die Einschätzung des dyadischen Copingverhaltens des Mannes aus Sicht seiner Partnerin
(PartnerwahrnehmungF) und (4) die Einschätzung des
dyadischen Copingverhaltens der Frau aus Sicht des
Mannes (PartnerwahrnehmungM). Da es sich beim gemeinsamen dyadischen Coping um gemeinsames Verhalten handelt, werden diesbezüglich lediglich die Selbsteinschätzungen beider Partner erfasst.
Wie in den meisten bisherigen Untersuchungen üblich, ist die einfachste Auswertungsmöglichkeit des DCI
der Einbezug der Summenscores/Mittelwerte der Frauen
und Männer auf der Ebene der Subskalen (z. B. supportives DC, delegiertes DC) oder auf der Ebene der aggregierFrau
XXSF
Equity F
Selbsteinschätzung
Partnerwahrnehmung
XXPF
Reziprozität S
Kongruenz F
Kongruenz M
Reziprozität P
ten Skalen (z. B.: Selbsteinschätzung, Partnereinschätzung, Gesamtwert). Die Ausprägungen der erfassten Formen des DC werden somit getrennt voneinander berücksichtigt. Dabei gehen jedoch partnerschaftsrelevante Informationen über Übereinstimmungen bzw. Diskrepanzen
zwischen den Partnern verloren. Um Informationen zu den
verschiedenen dyadischen Perspektiven (Selbst-/Partnerwahrnehmung; Mann/Frau) und ihrem Zusammenspiel zu
erhalten, wird der Einbezug von Diskrepanzmaßen (vgl.
Reziprozitätsindex, Kongruenzindex, Equityindex; vgl.
Abb. 1) als sinnvolle Möglichkeit erachtet, um genuin dyadische Analysen zu ermöglichen (Bodenmann, 2000,
2007). In anderen Kontexten (z. B. Entscheidungsfindung,
Partnerschaftsideale usw.) wurden vergleichbare Überlegungen zu Beziehungen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzungen angestellt (Acitelli, Kenny & Weiner, 2001;
Kenny & Acitelli, 1989, 2001). Während sich diese Arbeiten jedoch auf die kognitive Ebene konzentrierten (was
beide Partner über bestimmte Sachverhalten/Themen denken), geht es beim DCI um die Relation zwischen Einschätzungen von Verhaltensweisen und damit um die behaviorale Ebene (man schätzt ein, was man selber bzw. der Partner tut). Dieser unterschiedliche Fokus wirkt sich sowohl
auf die Wahl der Begrifflichkeiten als auch auf den theoretischen Hintergrund aus (Acitelli & Antonucci, 1994).
Folgende Indizes greifen diese dyadische Perspektive
auf: Der Reziprozitätsindex bezieht die Selbsteinschätzungen (ReziprozitätS, vgl. Abb. 1) bzw. die Partnereinschätzungen (ReziprozitätP) bzgl. der gleichen Verhaltenskategorien aufeinander. Es wird beispielsweise verglichen, inwiefern die Angaben des einen Partners („Was tue ich,
wenn mein(e) PartnerIn gestresst/belastet ist?“) mit den
Angaben des anderen Partners zur gleichen Form des dyadischen Copings übereinstimmen. Während beide Partner bei hoher Reziprozität ähnliche geleistete bzw. erhaltene dyadische Copingbeiträge wahrnehmen, weist eine geringe Reziprozität darauf hin, dass sich die Partner in der
Wahrnehmung geleisteter (ReziprozitätS) bzw. erhaltener
Copingbeiträge (ReziprozitätP) unterscheiden. Mitunter
wird der Reziprozitätsindex in der Literatur als
Similarity-Index (Kenny et al., 2001) oder acMann
tual reciprocity (Acitelli et al., 1994) diskutiert. Wir wählen den Begriff Reziprozitätsindex in Anlehnung an die lerntheoretische
XXSM
Tradition dieses Begriffs in der Partnerschaftsliteratur.
Equity M
wahrnehmung, zentral ist, um sich langfristig in der Partnerschaft verstanden zu fühlen (Felser, 2003; Swann, dela-Ronde & Hixon, 1994). Auch Neff und Karney (2002,
2005) gingen dieser Frage nach und kamen zu dem
Schluss, dass beide Theorien ihre Berechtigung haben
und es auf die Ebene der Einschätzung ankommt. Während es durchaus positiv sein kann, den Partner in globalen Attributen (z. B.: „Mein Partner ist toll“) aufzuwerten,
ist auf der spezifischen Ebene von Verhaltensweisen (z. B.:
„Mein Partner hört mir zu, wenn ich mich über meine Arbeit beklage“) eine akkurate Einschätzung von Vorteil.
179
XXPM
Anmerkungen: XX: Items zu Stresskommunikation, supportivem, delegiertem und
negativem dyadischen Coping. S: Selbsteinschätzung (z. B. eigenes supportives dyadisches Coping). P: Partnerwahrnehmung (z. B. supportives dyadisches Coping des Partners). F: Frau. M: Mann.
Abbildung 1. Übersicht über die Diskrepanzindizes bei heterosexuellen
Paaren (Bodenmann, in Druck, adaptiert).
Der Equityindex (EquityF, EquityM) setzt
die Einschätzung der eigenen Copingbeiträge (z. B.: „Was tue ich, wenn mein(e) PartnerIn gestresst/belastet ist“) ins Verhältnis
zu den beim Partner wahrgenommenen Beiträgen (z.B.: „Was tut mein(e) PartnerIn, wenn
ich belastet/gestresst bin?“) und ist damit
ein Maß für subjektiv wahrgenommene Vergleichbarkeit bzw. Ausgewogenheit zwischen den Partnern bzgl. des gleichen Verhaltens. Kenny und Mitarbeiter (1989) sprechen
in diesem Zusammenhang von assumed
agreement oder später von perceived similari-
180
Simone Gmelch und Guy Bodenmann
ty. Der Begriff Equity-Index rekurriert auf die Austauschund Equity-Theorien im Partnerschaftskontext (z. B. Walster, Utne & Traupmann, 1977).
Der Kongruenzindex bildet ab, inwiefern selbst wahrgenommene Unterstützungsversuche des einen Partners
vom anderen Partner in der gleichen Ausprägung wahrgenommen werden (KongruenzF/KongruenzM). Stimmt also
die Selbsteinschätzung von Partner A „Was tue ich, wenn
mein(e) PartnerIn gestresst/belastet ist?“ mit den Angaben des anderen Partners (B) über das Verhalten von Partner A „Was tut mein(e) PartnerIn, wenn ich gestresst/belastet bin?“ überein? In der Literatur finden sich dafür verschiedenste Begrifflichkeiten: congruence oder understanding (Kenny et al., 2001), accuracy (Acitelli et al.,
2001), interpersonelle Genauigkeit (Klein, 1997) oder Konsistenz (Felser, 2003).
Fragestellungen und Hypothesen
Während, wie gezeigt, eine Reihe von Studien zum Zusammenhang von dyadischem Coping oder partnerschaftlicher Unterstützung und Partnerschaftsqualität bzw. Befinden durchgeführt wurden, werden in dieser Studie erstmalig die verschiedenen Perspektiven des dyadischen
Copings (Selbst- und Partnerwahrnehmung von Frau und
Mann) aufeinander bezogen und ihr Zusammenhang zu
den genannten abhängigen Variablen untersucht. Auf der
Grundlage der beschriebenen theoretischen Überlegungen und empirischen Befunde, werden folgende Hypothesen formuliert und einer Überprüfung unterzogen:
1. Die Diskrepanzen im Dyadischen Coping (Reziprozitäts-, Equity- und Kongruenzindex) erweisen sich als relevante Prädiktoren für Partnerschaftsqualität und Befinden
(allgemeiner Gesundheitszustand).
2. Der Equity-Index erweist sich als relevanterer Prädiktor für Partnerschaftsqualität und Befinden als der Reziprozitäts- und der Kongruenzindex. Da Personen zu
ihren eigenen Selbst- und Partnereinschätzungen einen
besseren Zugang haben (intrapersonale Perspektive) als
zur Wahrnehmung des Partners, und diese die Basis für
gerechtigkeitsrelevante Einschätzungen bilden, gehen wir
davon aus, dass der Equityindex sich für die Partnerschaftsqualität und das Befinden als relevanter erweisen
wird, als die interpersonalen Maße der Reziprozität und
Kongruenz (vgl. auch Gleason et al., 2003).
3. Die Einschätzungen der Frauen zum Dyadischen
Coping (DCI-GesamtF, EquityF, KongruenzF) unterscheiden sich in ihrer Vorhersagerelevanz für Partnerschaftsqualität und Befinden von denen der Männer (DCI-GesamtM, EquityM, KongruenzM). In verschiedenen Studien,
welche die Bedeutung von Ausgewogenheit oder Kongruenz untersuchten, zeigten sich Effekte auf die abhängige Variable (z. B. Partnerschaftszufriedenheit, Intimität)
nur oder in stärkerem Maße für die Frauen (Acitelli, Douvan & Veroff, 1993; Larson, Hammond & Harper, 1998;
Prins, Buunk & VanYperen, 1993).
Methode
Stichprobe
An der Untersuchung nahmen 443 Paare teil. Der Altersdurchschnitt der Männer lag bei 35.10 Jahren (SD = 13.87),
der der Frauen bei 32.70 Jahren (SD = 13.44). Knapp die
Hälfte der teilnehmenden Paare war verheiratet (44 %),
60 % lebten zusammen. Die Partnerschaftsdauer betrug
durchschnittlich 11.54 Jahre (SD = 11.80). Knapp 40 % der
Paare hatten Kinder (37 % der Frauen: M = 1.07, SD = 1.25;
38 % der Männer: M = 1.10, SD = 1.31). Die Bildungsabschlüsse waren wie folgt verteilt: 6 % der Frauen und 8 %
der Männer absolvierten die obligatorische Schulzeit
(9 Jahre), 13 % der Frauen und 19 % der Männer eine Berufslehre, 26 % der Frauen und 25 % der Männer weiterführende Schulen, 55 % der Frauen und 48 % der Männer
die Hochschule. Bei den Frauen waren 21 % nicht erwerbstätig (Männer: 13 %), 23 % geringfügig beschäftigt mit 10
bis 40 Stellenprozent (Männer: 11 %), 38% arbeiteten zwischen 50 und 90 % (Männer 34 %) und 18 % waren vollzeitig berufstätig (Männer: 42 %).
Messverfahren
Demographische Angaben: Als soziodemographische
Variablen wurden Alter, Geschlecht, Nationalität, Familienstand, Wohnform, Partnerschaftsdauer, Kinderzahl,
Bildungsniveau, Einkommen und prozentuale Erwerbstätigkeit der Versuchsteilnehmer erhoben.
Dyadisches Coping Inventar (DCI): Bei diesem Fragebogen von Bodenmann (in Druck; Gmelch et al., eingereicht) handelt es sich um die neu validierte, gekürzte Fassung des Fragebogens zum Dyadischen Coping (FDCTN; Bodenmann, 2000), welche mit 37 Items den Umgang
von Paaren mit Belastungssituationen erfasst. Erhoben
wird, wie beim „Konzept des dyadischen Coping“ beschrieben, neben der Stresskommunikation (z. B. „Ich
sage meinem Partner offen, wenn ich gestresst bin und
seine emotionale Unterstützung brauche.“) die Art und
Häufigkeit der durch den Partner erlebten Unterstützung
in Stresssituationen (supportives dyadisches Coping:
z. B. „Er hört mir zu, gibt mir Raum, mich auszusprechen
und spricht mir gut zu oder muntert mich auf.“, delegiertes
dyadisches Coping: z. B. „Er übernimmt Aufgaben und
Tätigkeiten, die ich sonst mache, um mich zu entlasten.“
und negatives dyadisches Coping: z. B. „Er macht mir Vorwürfe, dass ich zu wenig gut mit Stress umgehen kann.“).
Der Fragebogen enthält die genannten Subskalen in zwei
itemparallelen Formen für die Selbsteinschätzung und
Partnereinschätzung und wird von beiden Partnern bearbeitet. Die Subskala gemeinsames dyadisches Coping sowie die Evaluation des dyadischen Copings wurde für die
vorliegende Studie aus den Auswertungen ausgeschlossen, da hier keine Selbst- und Partnereinschätzung möglich ist. Die interne Konsistenz des verwendeten Gesamtwerts (30 Items) liegt bei D = .91 für die Frauen und D = .88
für die Männer. Für die auf der Basis der absoluten Diskre-
Dyadisches Coping in Selbst- und Fremdwahrnehmung
panzen berechneten Indizes (je 15 Items) fallen die internen Konsistenzen befriedigend aus (Reziprozität S: D =
.62; Reziprozität P: D = .66; Kongruenz F: D = .56; Kongruenz M: D = .61; Equity F: D = .74; Equity M: D = .66).
Partnerschaftsfragebogen (PFB): Mittels 31 Items
wird im PFB von Hahlweg (1996) Qualität und Zufriedenheit mit der Paarbeziehung erhoben. Der in der vorliegenden Untersuchung verwendete Gesamtwert (Frauen sowie Männer: D = .88), setzt sich aus den je zehn Items
umfassenden Subskalen Streitverhalten (z. B. „Sie bricht
über eine Kleinigkeit einen Streit vom Zaun.“), Zärtlichkeit
(z. B. „Sie berührt mich zärtlich, und ich empfinde es als
angenehm.“) und Gemeinsamkeit/Kommunikation (z . B.
„Sie fragt mich abends, was ich den Tag über gemacht
habe.“) zusammen. Mittels eines sechsstufigen Items wird
abschließend die allgemeine Zufriedenheit mit der Paarbeziehung erfasst (0 = sehr unglücklich bis 5 = sehr glücklich). Die Kriteriums- und Konstruktvalidität des Fragebogens konnten in mehreren Untersuchungen belegt werden (Hahlweg, 1996).
General Health Questionnaire (GHQ-28): Der GHQ
(Goldberg & Williams, 1988) wurde 1972 von Goldberg
entwickelt und ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen, der
das allgemeine gesundheitliche Wohlbefinden in der letzten Woche mittels 28 Items erfasst. Inhaltlich lassen sich
die Items den Gruppen somatische Symptome (z. B. „Hatten Sie Kopfschmerzen?“), Angst und Insomnie (z. B. „Litten Sie unter Schlafstörungen, weil Sie Sorgen hatten?“),
soziale Dysfunktionen (z. B. „Brauchten Sie mehr Zeit um
die alltäglichen Dinge zu verrichten?“) und schwere Depression (z. B. „Hatten Sie das Gefühl, dass das Leben
sinnlos und ohne Hoffnung ist?“) zuordnen, welche beim
GHQ-28 als Subskalen auswertbar sind. In unserer Untersuchung wurde der Gesamtwert verwendet, dessen interne Konsistenz bei D = .89 (Frauen) bzw. D = .91 (Männer)
lag. Die Gütekriterien des Fragebogens gelten allgemein
als gut (Goldberg, 1972; Goldberg et al., 1988).
Rekrutierung
Die Versuchspersonen wurden über Zeitungsinserate sowie eine Anzeige im Internet gewonnen. Weiterhin wurde
vom „Schneeballprinzip“ Gebrauch gemacht, indem an der
Studie beteiligte Personen die Fragebögen an Paare im
Freundes- und Verwandtenkreis weitergaben. Die Versuchspersonen wurden aufgefordert, unabhängig vom
Partner, die per Post zugestellte Fragebogenbatterie auszufüllen (Dauer ca. 40–60 min) und diese anonymisiert zurückzusenden.
Ergebnisse
Auswertung
Die Bildung aller drei Indizes erfolgte, indem für jedes
Itempaar die absolute Diskrepanz berechnet (Kenny &
181
Cook, 1999; Kenny, Kashy & Cook, 2006) und anschließend das arithmetische Mittel aus den zum Index gehörigen Diskrepanzen gebildet wurde. Zur Überprüfung der
postulierten Zusammenhänge wurden Pearson-Korrelationsanalysen sowie lineare multiple Regressionsanalysen durchgeführt. Die Analysen erfolgten für Frauen und
Männer getrennt, wobei die Abhängigkeit der Daten
durch den Einbezug der Akteur- und Partnereffekte in
einer Abwandlung des Akteur-Partner-InterdependenzModells (z. B. Kenny et al., 1999) berücksichtigt wurde. Da
die gebildeten Diskrepanzindizes als Interaktionsterme
verstanden werden können, ist in der Literatur die Empfehlung zu finden (Campbell & Kashy, 2002; Kenny et al.,
1999), neben den Diskrepanzmaßen auch die einfachen
Effekte („Haupteffekte“) in die Analysen einzubeziehen.
Da sich dabei in unseren Analysen jedoch durchgängig
bedeutende Probleme bzgl. Multikollinearität (ConditionIndex zwischen 40 und 50) ergaben, was zu einer Erhöhung der Standardfehler sowie ungenauen Schätzungen
der Parameter führte, konnte dieser Empfehlung nicht
Rechnung getragen werden. Zudem ist bekannt, dass bei
einem Einbezug der Hauptskalen diese die meiste Varianz
aufklären und sich als stärkere Prädiktoren als die gebildeten Diskrepanzmaße erweisen, womit diese kaum mehr zusätzliche Varianz aufklären können und die Analysen zu
diesen Maßen bedeutungslos werden. Darüber hinaus
geht es in diesem Beitrag nicht um die Frage, welchen Beitrag an Varianz die Diskrepanzmaße im Vergleich zu den
Subskalen des DCI aufzuklären im Stande sind, sondern
primär darum, welcher der drei Diskrepanzindizes die beste
Vorhersage der abhängigen Variablen (Partnerschaftszufriedenheit, Befinden) erlaubt.
Deskriptive Statistiken
Für die Mittelwerte und Standardabweichungen der in die
Auswertungen einbezogenen Variablen sei auf Tabelle 1
verwiesen. Die Partnerschaftsqualität in der Stichprobe
war vergleichbar mit den von Hahlweg (1996) angegebenen Werten für zufriedene Paare (M = 65, SD = 11). Die
Frauen gaben dabei eine etwas höhere Partnerschaftsqualität an als die Männer. Bezüglich des Gesundheitszustandes (GHQ-28) erreichten ebenfalls die Frauen das höhere
Niveau, was dafür spricht, dass sich Frauen gesundheitlich etwas stärker beeinträchtigt fühlten. Der Grad der angegebenen Beeinträchtigung lag erwartungsgemäß tiefer
als der einer im Mittel älteren (M = 48.29, SD = 17.72) bevölkerungsrepräsentativen deutschen Normstichprobe (M =
50.22, SD = 10.56) mit 2031 Versuchspersonen (Klaiberg,
Schumacher & Brähler, 2004). Was den DCI-Gesamtwert
betrifft, unterschieden sich Frauen und Männer nicht bedeutsam voneinander. Mittelwerte und Standardabweichungen lagen geringfügig über denen des DCI-Validierungsdatensatzes (Gmelch et al., 2007) mit 2399 Versuchspersonen (MF = 112.29, SDF = 15.26; MM = 111.62; SDM =
13.29). Bei den Diskrepanzmaßen des DCI ergab sich
lediglich beim Kongruenzindex ein statistisch bedeutsamer Geschlechtsunterschied, der darauf hindeutet, dass
die Männer das Verhalten ihrer Partnerinnen etwas kongruenter einschätzten als umgekehrt.
182
Simone Gmelch und Guy Bodenmann
Tabelle 1. Mittelwerte und Standardabweichungen getrennt nach Geschlecht bzw. Selbst- und Partnereinschätzung mit
Test auf Unterschiede (t-Test für abhängige Stichproben, Effektgröße)
DCI
PFB
GHQ-28
Kongruenzindex
Equityindex
Frauen
Männer
Theoret.
Bereich
SD
M
SD
t
(2-seitig)
d
M
30–150
0–93
28–112
0–120
0–120
115.39
67.06
48.18
10.30
9.62
13.83
11.46
9.94
4.52
5.34
114.26
64.07
45.23
11.30
9.46
12.04
11.18
9.65
4.56
4.72
1.75
5.00***
6.11***
–4.73***
0.61
0.09
0.29
0.24
–0.23
0.03
–1.46
–0.07
Selbsteinschätzung
Reziprozitätsindex
0–120
Partnereinschätzung
M
SD
M
SD
11.30
4.69
11.64
5.08
Anmerkung: *** Mittelwerte von Frauen und Männern unterscheiden sich signifikant auf dem 0.001 Niveau (2-seitig).
Korrelationen
Wie die Korrelationsmatrix (vgl. Tab. 2) zeigt, fielen die
Zusammenhänge durchwegs erwartungskonform aus:
Alle Diskrepanzmaße korrelierten untereinander positiv.
Es handelte sich überwiegend um mittelhohe Korrelationen, was verdeutlicht, dass zwischen den Indizes zwar
Gemeinsamkeiten bestehen, die einzelnen Indizes jedoch
unterschiedliche Facetten abbilden, die sich nicht stark
überlappen. Die Korrelationen zum DCI-Gesamtwert sowie zum PFB-Gesamtwert waren substanziell negativ und
zeigen, dass Diskrepanzen im dyadischen Coping wie erwartet negativ mit Partnerschaftsqualität und dem Ausmaß des dyadischen Copings assoziiert sind. Analog fielen die Zusammenhänge zum Befinden für die Frauen negativ aus, während diese für die Männer in den meisten
Fällen nicht signifikant wurden.
Vorhersage von Partnerschaftsqualität und
Befinden mittels der Diskrepanzindizes
Mittels der Diskrepanzindizes (vgl. Tab. 3, Analyse a) des
DCI gelang es, bei den Frauen durch den KongruenzindexM und den EquityindexF 19 % der Varianz der Partnerschaftsqualität (PFB) aufzuklären. Bei den Männern erwies sich ebenfalls der EquityindexF sowie der EquityindexM und der KongruenzindexM für die Aufklärung von
17 % der Partnerschaftsqualität relevant. Da davon auszugehen ist, dass die Partnerschaftsqualität nicht allein
durch die Diskrepanzen im dyadischen Coping, sondern
ebenfalls durch die bewährten Summenscores bestimmt
wird, wurden in Analyse b zusätzlich die Summenscores
als Kontrollvariablen einbezogen. Danach lag die aufgeklärte Varianz bei den Frauen bei 50 %, bei den Männern
bei 43 %. Für beide Geschlechter erwiesen sich die Ge-
Tabelle 2. Interkorrelationen der Indizes mit dem DCI-Gesamtwert, PFB-Gesamtwert und GHQ-Gesamtwert für Frauen und
Männer
REZS
REZS
REZP
KONF
KONM
EQUF
EQUM
DCI
PFB
GHQ
.52***
.59***
.58***
.34***
.45***
–.11*
–.15**
–.10*
REZP
KONF
KONM
EQUF
EQUM
DCI
.52***
.59***
.61***
.58***
.64***
.53***
.34***
.49***
.29**
.38***
.45***
.39***
.37***
.32***
.29***
–.36***
–.26***
–.39***
–.35***
–.27***
–.33***
.61***
.64***
.49***
.39***
–.29***
–.26***
–.21***
.53***
.29***
.37***
–.19***
–.19***
–.14**
.38***
.32***
–.20***
–.24***
–.14**
.29***
–.45***
–.43***
–.22***
–.18***
–.16**
–.15**
.68***
.20***
PFB
–.24***
–.27***
–.30***
–.28***
–.32***
–.30***
.63***
GHQ
–.04
–.05
–.05
.02
–.10*
–.02
.07
.18***
.26***
Anmerkungen: Die Pearson-Korrelationskoeffizienten der Frauen sind unterhalb der Diagonale zu finden, die der Männern oberhalb; * p < .05;
** p < .01; *** p < .001 (2-seitig). REZS: Reziprozitätsindex bzgl. Selbsteinschätzungen; REZP: Reziprozitätsindex bzgl. Partnereinschätzungen; KONF: Kongruenzindex (Frau Selbst-, Mann Partnereinschätzung); KONM: Kongruenzindex (Mann Selbst-, Frau Partnereinschätzung);
EQUF: Equityindex (Frau Selbst-, Frau Partnereinschätzung); EQUM: Equityindex (Mann Selbst-, Mann Partnereinschätzung); DCI: Gesamtwert dyadisches Coping (30 für die Indizes relevante Items); PFB: PFB-Gesamtwert; GHQ: GHQ-Gesamtwert, umgepolt.
Dyadisches Coping in Selbst- und Fremdwahrnehmung
183
Tabelle 3. Ergebnisse der Regressionsanalyse mit I) Partnerschaftsqualität und II) dem Befinden als Kriterium und jeweils
a) den DCI-Indizes bzw. b) den DCI-Indizes, sowie dem DCI-Gesamtwert als Prädiktoren
I) Kriterium: Partnerschaftsqualität (PFB)
Prädiktoren
Koeffizienten Frauen
Koeffizienten Männer
B
SE
E
–5.33
–12.43
1.88
1.50
–.11*
–.38***
B
SE
E
–4.26
1.82
–.14**
–7.05
–7.14
1.52
1.67
–.23***
–.19***
a)
ReziprozitätS
ReziprozitätP
KongruenzF
KongruenzM
EquityF
EquityM
R2 = 19%; F(2, 438) = 51.06, (p < .0001)
R2 = 17 %; F(3, 438) = 29.88, (p < .0001)
b)
DCI-GesamtF
DCI-GesamtM
ReziprozitätS
ReziprozitätP
KongruenzF
KongruenzM
EquityF
EquityM
13.60
4.49
1.05
1.12
.55***
.16***
3.63
13.86
1.09
1.21
–4.38
1.22
–.14***
–3.03
–2.94
1.30
1.39
R2 = 50%; F(3, 438) = 146.59, (p < .0001)
.15**
.50***
–.10*
–.08*
R2 = 43%; F(4, 438) = 83.24, (p<.0001)
II) Kriterium: Befinden (GHQ-28, umgepolt)
a)
ReziprozitätS
ReziprozitätP
KongruenzF
KongruenzM
EquityF
EquityM
–.14
.06
–.13*
–.15
.05
–.15**
R2 = 6%; F(2, 436) = 13.67, (p < .0001)
–.10
.05
–.10*
R2 = 1%; F(1, 438) = 4.63, (p < .05)
b)
DCI-GesamtF
DCI-GesamtM
ReziprozitätS
ReziprozitätP
KongruenzF
KongruenzM
EquityF
EquityM
.09
.04
.12*
–.13
.06
–.12*
–.10
.06
–.10*
R2 = 7%; F(3, 436) = 10.95, (p < .0001)
–.10
.05
–.10*
R2 = 1%; F (1, 438) = 4.63, (p < .05)
Anmerkungen: Methode: schrittweise Regressionsanalyse; p-Aufnahme 울 .05; p-Ausschluss 욷 .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001
(zweiseitig).
184
Simone Gmelch und Guy Bodenmann
samtwerte der Männer und Frauen sowie der EquityindexF
als vorhersagerelevant, bei den Männern zusätzlich der
EquityindexM.
In Bezug auf das Befinden (GHQ-28) war durch den
DCI erwartungsgemäß eine geringere Varianzaufklärung
möglich als bzgl. der Partnerschaftsqualität. Dennoch erlaubten die DCI-Indizes 6% Varianzaufklärung bei den
Frauen (durch den ReziprozitätsindexP und erneut durch
den EquityindexF). Durch die Hinzunahme der DCI-Gesamtwerte konnte auf Grund des DCI-GesamtF lediglich
ein Prozent mehr Varianz aufgeklärt werden. Für die Männer erwies sich in beiden Analysen ausschließlich der
EquityindexF als vorhersagerelevant.
Diskussion
In der vorliegenden Untersuchung wurde in Hinblick auf
das dyadische Coping eine neue Auswertungsperspektive realisiert: Systematisch wurden zwischen den vier
erhobenen Perspektiven (Mann/Frau, Selbst/Partner) dyadische Diskrepanzmaße gebildet und in die Analysen einbezogen. Ziel war es zu untersuchen, welches der drei Diskrepanzmaße (Reziprozitätsindex, Kongruenzzindex, Equityindex) die höchste Vorhersage bezüglich Partnerschaftsqualität und Befinden erlaubt.
Es konnte gezeigt werden, dass die Stärke der Diskrepanzen in der Einschätzung des dyadischen Copings zwischen den beiden Partnern sich als negative Prädiktoren
für deren Partnerschaftsqualität und Befinden erwiesen,
obwohl die Diskrepanzen in der vorliegenden Untersuchung relativ gering ausfielen. Dieser Effekt wurde durch
den Einbezug der Summenscores bezüglich der Partnerschaftsqualität zwar abgeschwächt, blieb jedoch bestehen. Bezüglich des Befindens veränderte der Einbezug der
Summenscores das Bild kaum. Diese Befunde sprechen
dafür, dass die Diskrepanzmaße beziehungs- und befindensrelevante Informationen enthalten. Wie bereits in früheren Untersuchungen (Bodenmann, 2000, in Druck),
konnte auch in der vorliegenden Studie deutlich mehr Varianz bezüglich der Partnerschaftsqualität als bezüglich
des Befindens durch dyadisches Coping aufgeklärt werden, da es sich beim Befinden (allgemeiner Gesundheitszustand innerhalb der letzten vier Wochen) um eine distalere Variable handelt. Dyadisches Coping ist auch in anderen Studien signifikant stärker mit Partnerschaftsvariablen
assoziiert als mit Befindensvariablen, doch ist ein indirekter Effekt dahingehend anzunehmen, dass eine hohe Partnerschaftsqualität (mitbedingt durch angemessenes dyadisches Coping) längerfristig positiv mit dem Befinden
kovariiert.
Innerhalb der drei Diskrepanzindizes erwies sich der
Equityindex als vorhersagerelevantestes Diskrepanzmaß:
Dieser erlaubte bei den Frauen über alle Analysen hinweg,
bei den Männern lediglich bei der Partnerschaftsqualität,
signifikante Vorhersagen. In fast allen Analysen war
zudem das E-Gewicht des Equityindex größer als das der
anderen Indizes. Der signifikante Einfluss des Equityinde-
xes konnte darüber hinaus im Unterschied zum Kongruenzindex in keiner Analyse durch den Einbezug der Summenscores eliminiert werden. Das gleiche galt für den ReziprozitätsindexP auf der Basis der Partnereinschätzungen,
welcher sich jedoch lediglich einmalig als signifikanter Prädiktor für das Befinden der Frauen zeigte. Aus der Überlegenheit des Equityindex gegenüber den anderen Diskrepanzmaßen in der Vorhersage der Partnerschaftsqualität
und des Befindens kann geschlossen werden, dass vor
allem die Dimension der Fairness eine besondere Bedeutung im partnerschaftlichen Geschehen einnimmt. Denn
auf genau die beiden Einschätzungen, die in die Berechnung des Equityindex eingehen, greifen wir zu, wenn wir
Sachverhalte subjektiv als fair oder unfair bewerten. Je
höher Diskrepanzen bezüglich der Equity perzipiert werden, desto geringer ist die Zufriedenheit mit der Partnerschaft. Dieser Befund deckt sich mit Ergebnissen früherer
Studien (z.B. Rohmann, 2000, 2003; Sprecher, 1992), auch
wenn equity-theoretische Überlegungen nicht das einzige
wichtige partnerschaftliche Prinzip darstellen (Grau, 1997).
Obschon der Kongruenzindex sich in dieser Untersuchung als weniger bedeutsam erwies als der Equityindex,
zeichnete er sich dennoch bezüglich der Partnerschaftsqualität als vorhersagerelevant aus. Interessanterweise
war für die Partnerschaftsqualität der Frauen entscheidend, wie kongruent diese ihre Partner (KongruenzM) einschätzten und nicht – wie man erwarten könnte – wie kongruent sie selber wahrgenommen wurden. Analog zeigte
sich für die Männer die kongruente Einschätzung ihrer
Partnerinnen (KongruenzM) als prädiktiv. Diese Befunde
sollten in künftigen Untersuchungen weiter analysiert
werden, ein Einbezug aller drei Diskrepanzmaße scheint
uns dabei wichtig. Möglicherweise entfaltet der Kongruenzindex seine besondere Relevanz bei Paaren mit einer
längeren Beziehungsdauer (Felser, 2003).
Dass die Einschätzungen der Frauen zum dyadischen
Coping für die Partnerschaftsqualität und das Befinden
von höherer Relevanz sind als die der Männer, konnte in
der vorliegenden Studie gewisse empirische Unterstützung finden, da sich der Equityindex der Frauen
durchwegs auch für die Prädiktion der abhängigen Variablen der Männer als substanziell erwies (Partnereffekte),
was umgekehrt nicht der Fall war. Zudem konnte bei den
Frauen durch dyadisches Coping mehr Varianz bezüglich
der Kriteriumsvariablen aufgeklärt werden als bei den
Männern. Erklärt werden kann dieser Befund möglicherweise dadurch, dass für Frauen die Qualität (inklusive Ausgewogenheit) der Paarbeziehung besonders zentral zu sein scheint und sie sich dieser besser bewusst
sind (Larson et al., 1998), während für Männer bereits der
Status verheiratet zu sein protektiv wirkt (Acitelli et al.,
1994).
Vielfach wird bei Studien zur sozialen Unterstützung in
Partnerschaften, welche auf austauschtheoretischen Annahmen basieren, kritisch diskutiert, dass das gewählte
Zeitfenster zu kurz sei (z. B. Gleason et al., 2003; Knoll,
Burkert & Schwarzer, 2006), da in engen Beziehungen –
anders als in oberflächlichen – das Gleichgewicht nicht
sofort wieder hergestellt werden muss, sondern ein Depot
Dyadisches Coping in Selbst- und Fremdwahrnehmung
angelegt wird („support bank“), das auf längere Frist ausgewogen sein sollte (Acitelli et al., 1994). Diesbezüglich
hat der gewählte Fragebogenansatz, der dyadisches Copingverhalten der letzten Zeit abbildet, Vorteile, da eine
zeitliche Bilanzierung bereits enthalten ist.
Unsere Untersuchung weist auch einige Schwächen
auf. Bei der vorliegenden Stichprobe handelte es sich um
eine vergleichsweise junge, durchschnittlich zufriedene
und mehrheitlich gesunde Stichprobe, womit eine Generalisierung der Befunde auf andere Gruppen eingeschränkt
ist. Die berechneten Diskrepanzen bezüglich des dyadischen Copings fielen dadurch hier im Mittel eher gering
aus. Möglicherweise würden die Diskrepanzen und deren
Zusammenhang mit partnerschaftsrelevanten Variablen in
einer Stichprobe mit geringerer Partnerschaftsqualität
bzw. schlechterem psychischem und/oder physischem
Gesundheitszustand deutlicher ausfallen, was in weiteren
Untersuchungen zu prüfen sein wird.
Bei der inhaltlichen Interpretation der Ergebnisse ist
zu bedenken, dass Personen mit höheren errechneten Diskrepanzmaßen, subjektiv nicht zwangsläufig auch mehr
Unfairness, Inkongruenz oder fehlende Reziprozität erleben müssen (vgl. auch Gleason et al., 2003). Es stellt sich
möglicherweise die Frage, wie hoch die effektive Diskrepanz sein muss, damit diese auch subjektiv als solche erlebt und im Bewusstsein der Partner als relevant erachtet
wird. Zu dieser spannenden Frage gibt es allerdings
bislang unseres Wissens keine empirischen Befunde. In
diesem Zusammenhang sind auch Cronbach’s Ausführungen (1955) über Unschärfen in der Interpretation von
Diskrepanzmaßen zu bedenken. Beispielsweise können
übereinstimmende Angaben auf Grund tatsächlicher
Übereinstimmung (differenzielle Genauigkeit) entstehen,
es können jedoch auch konfundierende Mechanismen
wirken, z. B. dass prinzipiell bestimmte Bereiche einer Skala bevorzugt werden (z. B. der mittlere) oder bei gewissen
Items alle Personen eine ähnliche Antworttendenz haben.
Für diskrepante Einschätzungen zwischen zwei Personen
(z. B. Mann und Frau) können neben wahren Unterschieden auch unterschiedliche Tendenzen, die Skala auszunutzen, verantwortlich sein. Diese Aussagen wurden für
Einschätzungsähnlichkeiten im kognitiven Bereich getroffen und treffen möglicherweise auf Einschätzungen im hier
interessierenden behavioralen Bereich weniger zu. Dieser
Effekt ist zudem nur beim Kongruenz- und Reziprozitätsindex zu erwarten. Dieser Aspekt der Validität der Diskrepanzmaße des DCI muss in weiteren Arbeiten geklärt werden. Der Vorteil der Indexberechnung liegt in der indirekten Erfassung, die sozial erwünschtes oder bewusst beeinflusstes Antwortverhalten besser umgehen kann und
zudem ökonomisch ist (es müssen nicht noch zusätzliche
Items zu Aspekten der Reziprozität, Equity und Kongruenz vorgegeben werden).
Eine weitere Einschränkung der Befunde ergibt sich
daraus, dass es sich bei unserer Studie um eine querschnittliche Untersuchung handelt, wodurch Fragen zu
kausalen Zusammenhängen nicht beantwortet werden
können. Es bleibt offen, ob Diskrepanzen im dyadischen
185
Coping Unzufriedenheit bewirken, wie Grote et al. (2001)
zumindest für Frauen zeigen konnten, oder aber, ob Unzufriedenheit mehr Diskrepanzen wahrnehmen lässt (Sprecher, 2001).
Trotz dieser Einschränkungen sind wir überzeugt, dass
der Einbezug von Diskrepanzmaßen eine wichtige Auswertungsstrategie darstellt, um dem dyadischen Charakter von Partnerschaftsdaten künftig noch gerechter zu
werden. Während genuin dyadische Aspekte beim reinen
Einbezug von Subskalen beider Partner nur teilweise berücksichtigt werden, ist es interessant, Diskrepanzen in
der Einschätzung der Partner einzubeziehen und die
Selbst- und Partnerperspektive vermehrt ins Spiel zu bringen. Diese Studie stellt ein solches Bemühen dar, erfordert
jedoch weitere Belege sowie weiterführende Untersuchungen.
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Dipl.-Psych. Simone Gmelch
Prof. Dr. Guy Bodenmann
Institut für Familienforschung und -beratung
Rue de Faucigny 2
1700 Fribourg
Schweiz
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