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Clausnitz war nicht der Anfang | Manuskript
Clausnitz war nicht der Anfang
Bericht: Arndt Ginzel, Inga Klees, Marcus Weller
Das Fanal von Clausnitz hat eine noch heftigere Vorlage: Chemnitz Markersdorf – im
Oktober 2015. In einer Turnhalle sollen Flüchtlingsfamilien untergebracht werden. Vor den
Toren eine schreiende, pöbelnde Menge. Die Flüchtlinge haben Angst, finden erst nach
Stunden in der Kälte Unterschlupf in der nahegelegenen Kirche. Am frühen Morgen fliegen
Steine auf das Gotteshaus.
Hiltrud Anacker, Pfarrerin
Die Steine sind ja sehr gezielt geworfen worden. Die Täter haben gewusst, wo die
Flüchtlinge schlafen und haben gezielt nur in diesem Raum die Steine geworfen.
Eine Frau wird verletzt. Polizei und Notarzt werden gerufen. Aus Sicherheitsgründen
entscheidet man, die Flüchtlinge in der Kirche zu behalten. Drinnen die Asylbewerber,
draußen die Protestierer, so geht es das ganze Wochenende. Am Sonntagabend schließlich
halten es zwei Familien nicht mehr aus, sie wollen in die besser geschützte Turnhalle. Helfer
haben Angst vor einer Eskalation.
Jörg Vieweg, SPD, Abgeordneter im sächsischen Landtag
Sie müssen sich das so vorstellen, dass vor der Kirche ein Parkplatz ist und dass da schon
Beobachtungsposten auch von Seiten der Gegner gegeben hat, die ganz genau beobachtet
haben, die auch mit Videos gefilmt haben, was passiert dort, wer kommt dort raus, wer
kommt auch zum Rauchen raus, die auch Helfer gefilmt haben. Es war eine Situation wo
förmlich jeder gerochen hat, hier wird noch was passieren.
300 Meter lang ist der Weg von der Kirche zur Turnhalle. Mit dem Auto fährt Jörg Vieweg
drei Erwachsene und ein Kind durch die wütende Menge
Die haben sich aggressiv vor die Autos gestellt. In meinem Auto die Familien hatten Angst.
Die haben gesagt wollen die uns töten, wollen die uns töten. Bin dann im Schritttempo in
die Turnhalle hineingefahren. Neben mir der Mob, der gegen mein Auto getrommelt hat.
Jörg Vieweg, SPD, Abgeordneter im sächsischen Landtag
Aus meiner Sicht waren es Leute, die man einerseits klar der rechten Szene zuordnen kann.
Das sieht man am Kleidungsstil, das sieht man auch ein Stück weit am Haarschnitt. Das
waren auf der anderen Seite auch Leute dabei, die hier mitlaufen und glauben hier mit
dem Protest und mit der Bedrohung und der Bedrängung von Helfern und Flüchtlingen hier
etwas erreichen zu können.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Wutbürger und Neonaziaktivisten vereint im Kampf gegen Flüchtlinge. Das ist ein neues
Phänomen. Der Brennpunkt ist derzeit Sachsen, das Bundesamt für Verfassungsschutz aber
nimmt diese Entwicklung in der ganzen Republik wahr.
Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
Ich glaube der Katalysator ist in diesem Fall das Flüchtlingsthema, das eben viele
Menschen radikalisiert und auf die Straße bringt. Hinzu kommt noch die NPD oder ein
radikaler Rechtsextremismus, der das noch befeuert, dem Ganzen auch soweit noch eine
Struktur gibt, dass Demonstrationen organisiert werden oder Hinweise auf den Bau von
neuen Flüchtlingsunterkünften gegeben werden, wie das die Partei der dritte Weg
gemacht hat, dann hat das eine neue Entwicklung.
Ob bei tagelangen Straßenschlachten in Heidenau, pogromartiger Stimmung in Clausnitz
oder zahlreichen Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Enthemmung, Aggression
und Gewaltbereitschaft sind überall zu beobachten.
Andreas Zick – Sozialpsychologe, Uni Bielefeld
Der Prozess der Zivilisation wird gesteuert durch die Kontrolle von Emotionen. Aber der
Populismus, der Extremismus ist erfolgreich den Menschen zu suggerieren, dass sie ihre
Emotionen frei ausdrücken sollen, auch wenn es Gewalt gegen andere bedeutet, weil das
zur Durchsetzung der politischen Ideologie notwendig ist. und da merkt man, dass man im
Land angesichts der massiven Anschläge die wir in Dt. haben, tatsächlich der Konflikt eher
ausdrückt, da sind bestimmte Gruppen in einer Kampfhandlung.
Bautzen, vor einer Woche. Im ehemaligen Hotel „Husarenhof“ sollten Flüchtlinge einziehen,
jetzt steht es in Flammen - Brandstiftung. Schaulustige klatschen und rufen: „Lasst das Ding
abbrennen“. Die Polizei muss eingreifen.
Thomas Knaup, Polizeisprecher
Hier geht es darum, dass die Feuerwehr behindert während der Löscharbeiten bei der
Ausübung der Löscharbeiten behindert wurde.
Der Morgen danach: Fassungslosigkeit und Wut bei den einen. Bei anderen sogar
Verständnis für die Tat.
Engelbert Merz,
Lassen Sie die Kamera ruhig an. Es wird in Deutschland noch viel öfters brennen. Leider.
Weil wir eine Kanzlerin haben, die nicht regiert nach dem Volkes Willen, sondern wir sind
Sklaven von einer kleinen politischen Marionettengesellschaft.
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In der Brandnacht wurden zwei Schaulustige in Gewahrsam genommen. Einer davon:
Michael H. Gegen ihn ermittelt nun die sächsische Generalstaatsanwaltschaft. Wir treffen
ihn.
Michael H.
Ich habe weder irgendwas gerufen oder geklatscht oder sonst irgendwas. Wir haben uns
das einfach bloß angeguckt, ein paar Bilder gemacht mit dem Handy, aber sonst war
nichts. Also nichts was verboten wäre oder was irgendwie in die Richtung geht, dass es
Scheiße ist für den Ruf von Bautzen. Dort haben einige was gerufen, aber das waren nicht
wir.
Auf der Facebook-Seite macht der 20-Jährige keinerlei Hehl aus seiner rechtsextremen
Gesinnung. Unter anderem ist er Administrator der Facebook-Gruppe „Bautzen bleibt
braun“. Die Seite verweist auch auf eine „Bürgerwehr Bautzen/Husarenhof“.
Frage: Dieses Bautzen bleibt braun?
Michael H: Ich will dazu echt nix sagen. Das hat nichts damit zu tun. Ich weiß, als
Administrator steh ich drin, aber will trotzdem nichts dazu sagen.
Frage: Bei der Bürgerwehr Husarenhof?
Michael H. Ich sag dazu nichts, auch wenn sie jetzt noch zehn Mal fragen, ich sag dazu
nichts.
Auch der Fall Bautzen zeigt: Wenn es gegen Flüchtlinge geht, haben Rechtsextreme und
selbsternannte „besorgte Bürger“ kaum mehr Berührungsängste.
Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz:
„Das müssen wir mit großer Sorge sehen, dass wir es mit einer derartigen Entwicklung zu
tun haben, die möglicherweise noch nicht am Ende angelangt ist.“
„Die Mitte, die anständige Mitte unserer Gesellschaft erodiert. Da ist Politik gefordert, da
ist Gesellschaft gefordert, das sind Medien gefordert, diese Erosion aufzuhalten.
Biedermänner und Brandstifter in einer unheiligen Allianz – in Sachsen und inzwischen in der
ganzen Republik.
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