Herausforderung für die Demokratie – Politik contra Bürger?

dbb journal
10. bis 12. Januar 2016
dbb Jahrestagung 2016
Herausforderung für
die Demokratie –
Politik contra Bürger?
dbb Jahrestagung 2016
Herausforderung für die
Demokratie – Politik contra Bürger?
Sonntag, 10. Januar 2016
Ab 19.00 Uhr
Begrüßungsabend im „Wartesaal am Dom“
Grußwort
Henriette Reker
Oberbürgermeisterin der Stadt Köln
Montag, 11. Januar 2016
10.00 bis 12.00 Uhr
Gewerkschaftspolitischer Auftakt
Begrüßung und Ansprachen
Willi Russ
Zweiter Vorsitzender des dbb
Dr. Thomas de Maizière, MdB
Bundesminister des Innern
Dr. Norbert Walter-Borjans
Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen
12.00 – 14.00 Uhr
Mittagspause
14.00 – 15.00 Uhr
Dunja Hayali im Gespräch mit
Wolfgang Bosbach, MdB
und
Prof. Dr. Werner Patzelt
Lehrstuhl für politische Systeme und Systemvergleich, TU Dresden
15.00 – 15.45 UhrFachvortrag
Politik contra Bürger – Erreicht Politik noch den Bürger?
Prof. Manfred Güllner
Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH
16.00 Uhr
Get together
Dienstag, 12. Januar 2016
Vortrag
Die Flüchtlingssituation als Herausforderung für den öffentlichen Dienst
10.45 Uhr
Podiumsdiskussion
Von der Registrierung zur Integration
Dr. Eva Lohse
Präsidentin des Deutschen Städtetages
Detlef Scheele
Vorstand Bundesagentur für Arbeit
Reinhold Gall, MdL
Innenminister des Landes Baden-Württemberg
Ulrich Silberbach
Stellv. dbb Bundesvorsitzender und Bundesvorsitzender der komba gewerkschaft
Moderation: Dunja Hayali
11.45 Uhr
Schlusswort
Willi Russ
Zweiter Vorsitzender des dbb
im Anschluss
Mittagessen
Stand: 5. Januar 2016
Impressum
Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin, Telefon 030.4081-40,
Fax 030.4081-5599, E-Mail: [email protected], Internet: www.dbb.de
Redaktion: Dr. Walter Schmitz (verantwortlich), Christine Bonath, Jan Brenner
Layout: Benjamin Pohlmann. Titelbild: © markus dehlzeit – Fotolia.com
Anzeigen: dbb verlag gmbh, Mediacenter, Dechenstraße 15 a, 40878 Ratingen, E-Mail: [email protected], Internet: www.dbbverlag.de
Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, E-Mail: [email protected], Internet: www.schaffrath.de
© guukaa – Fotolia.com
10.00 UhrReinhold Gall, MdL
Innenminister des Landes Baden-Württemberg
Jahrestagung Köln 2016
dbb journal
Vorwort
Unsere Kolleginnen und Kollegen
stellen sich den vielfältigen Heraus­
forderungen und leisten eine groß­
artige Arbeit. Ohne ihr besonderes
Engagement wäre diese Situation
nicht zu bewältigen. Aus der Ankün­
digung der Politik „Wir schaffen das“
erwächst der Anspruch an uns „Wir
machen das!“ Dafür braucht der öf­
fentliche Dienst die entsprechenden
personellen, rechtlichen und organi­
satorischen Mittel, damit die Hand­
lungsfähigkeit des Staates sicherge­
stellt bleibt beziehungsweise wird.
Bei allen Herausforderungen, bei al­
lem zeitlichen Druck muss im Übri­
gen klar sein, dass rechtsstaatliche
Standards auch weiterhin uneinge­
schränkt gelten müssen.
Marco Urban
Zu Beginn des Jahres 2016 stehen
Deutschland und Europa vor Heraus­
forderungen, deren Ausmaße noch
nicht absehbar sind: Angesichts der
internationalen Krisenherde werden
auch weiterhin Flüchtlinge zu uns
kommen. Deutschland ist sich seiner
humanitären Verpflichtung bewusst
und die gesamtgesellschaftliche
­Unterstützung zur Bewältigung der
Situation war und ist überaus beein­
druckend. Solidarität mit Schutzbe­
dürf­tigen ist immer auch ein Grund­
gedanke gewerkschaftlichen
Handelns.
agentur für Arbeit, Detlef Scheele,
werden gemeinsam mit Reinhold Gall
und dem stellvertretenden dbb Bun­
desvorsitzenden und Bundesvorsit­
zenden der komba gewerkschaft,
­Ulrich Silberbach, die Erfahrungen
und Herausforderungen diskutieren.
Mit großem Interesse erwarten wir
zu den vielfältigen Fragestellungen
die Ausführungen des Bundesinnen­
ministers Dr. Thomas de Maizière
­sowie des Finanzministers von Nord­
rhein-Westfalen, Dr. Norbert WalterBorjans.
2016 wird mit zahlreichen Landtags­
wahlen eine Art Superwahljahr. Die
Politik wird dabei besonders gefor­
dert sein, auch kontroverse gesell­
schaftliche Probleme nicht Populisten
und radikalen Kräften zu überlassen.
Wir müssen uns die Frage stellen, wie
es um die demokratische Willensbil­
dung und Entscheidung in unserem
Land bestellt ist, und ob das Verhält­
nis von Politik und Bürgern mittler­
weile mehr von einem Gegeneinan­
der als von einem Miteinander
geprägt ist.
Über die Bewältigung der Flüchtlings­
situation wollen wir mit Vertretern
aus der Praxis ins Gespräch kommen
und freuen uns, dass Innenminister
Reinhold Gall, MdL, von den Erfahrun­
gen aus Baden-Württemberg berich­
ten wird. Die Präsidentin des Deut­
schen Städtetages, Dr. Eva Lohse, und
das Vorstandsmitglied der Bundes­
Wir haben unsere Tagung in diesem
Jahr unter das Motto „Herausforde­
rung für die Demokratie – Politik
contra Bürger?“ gestellt und wollen
aktuelle Entwicklungen beobachten
und analysieren. Dazu freuen wir uns
auf einen Austausch mit Wolfgang
Bosbach, MdB, dem Politikwissen­
schaftler Prof. Dr. Werner Patzelt
von der TU Dresden und Prof. Man­
fred Güllner von Forsa. Moderiert
werden die Diskussionsrunden in be­
währter Weise von der Journalistin
Dunja ­Hayali.
Abschließend noch ein Wort in ei­
gener Sache: Die dbb Jahrestagung
findet in diesem Jahr wegen einer
­Erkrankung leider ohne unseren Bun­
desvorsitzenden statt. Klaus Dauder­
städt befindet sich auf dem Wege
der Genesung, und wir senden ihm
aus unserem „Bad Köln“ alle guten
Wünsche!
Ich wünsche Ihnen – auch im Namen
von Klaus Dauderstädt – eine viel­
seitige und interessante dbb Jahres­
tagung 2016, mit der wir Ihnen die
Gelegenheit zu zahlreichen persönli­
chen Gesprächen und Begegnungen
geben möchten. Herzlich willkom­
men!
Willi Russ
Zweiter Vorsitzender
dbb beamtenbund und tarifunion
3
?
Grundsatzfrage ...
Die dbb Jahrestagung 2016 wird überschattet von fanatischem Terror
einerseits und dem Bestreben andererseits, den Flüchtlingen alle notwendige humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Viele Bürger haben
aber zunehmend den Eindruck, es werde zu wenig getan, und es fehle
vor allem ein Gesamtkonzept: Woran hakt es?
... an Hannelore Kraft, Ministerpräsidientin von NRW
„Die zentrale Aufgabe lautet jetzt, die Integration der Flüchtlinge auf allen
Ebenen voranzubringen. Dafür haben wir im Schulbereich insgesamt 5 786
zusätzliche Lehrerstellen wegen der steigenden Flüchtlingszahlen geschaffen. Wir haben die Mittel für die Deutschförderung für neu zugewanderte
Erwachsene und Jugendliche auf eine Million Euro erhöht. Mit einer Wohnungsbauoffensive wollen wir in den nächsten Jahren den zusätzlichen Bedarf von 120 000 Neubauwohnungen decken. Das sind nur einige unserer
Maßnahmen, damit die Integration der Flüchtlinge gelingen kann. Ebenso
entschieden stellen wir uns aber auch gegen die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Die Sicherheitsbehörden tun alles, um die Sicherheit
der Bevölkerung zu gewährleisten. In NRW werden in 2016 insgesamt 1 920
junge Polizistinnen und Polizisten eingestellt. Das sind so viele wie nie zuvor.
Neben der Polizei wird auch der Verfassungsschutz um insgesamt 54 Stellen aufgestockt. Wir können die vor uns
liegenden Herausforderungen meistern, wenn alle mithelfen, also Bund, Länder und Kommunen. Und wir brauchen natürlich weiterhin die vielen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, für deren Engagement ich sehr dankbar bin.“
4
Land NRW / O. Tjaden
„Deutschland steht seit Langem im Fadenkreuz der Terroristen, nicht erst
seit den jüngsten Anschlägen in Paris. Syrien, von Bürgerkrieg und Terror erschüttert, ist wenige Flugstunden entfernt. Hier in Deutschland treffen daher Mitgefühl für die Opfer und Sorge vor dem Terror aufeinander. Wir bleiben aufs Höchste wachsam, aber agieren müssen wir mit kühlem Kopf.
Unsere Aufgabe ist es, die Menschen bestmöglich zu beschützen und zu unseren humanitären Werten und Pflichten zu stehen. Seit Monaten leisten
unzählige Menschen im Land Außerordentliches. Gemeinsam haben Bund,
Länder und Kommunen für schnellere Asylverfahren gesorgt, Verantwortlichkeiten geklärt und finanzielle Vorkehrungen getroffen, um die Aufgabe
zu stemmen. Aber: Nicht jede Maßnahme wirkt sofort, und nicht jede kann
Deutschland allein beschließen. Wir brauchen Geduld und Willen. Viele, die
helfen, sind uns hier ein Vorbild.“
BPA / Jesco Denzel
... an Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern
Jahrestagung Köln 2016
dbb journal
„Konzepte sind das eine, die tägliche Versorgung von Menschen in akuter
Notlage das andere. Zu Jahresbeginn konnten wir gemeinsam mit allen Experten aufgrund der Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) davon ausgehen, das monatlich etwa 300 Flüchtlinge in Köln
unterzubringen sein würden. Natürlich schreiben wir unsere Konzepte ständig fort. Dennoch war die Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte von niemandem vorherzusehen. Aktuell kommen pro Woche mehr als 300 geflüchtete Menschen in Köln an, die von uns versorgt werden müssen – das sind
1 200 Menschen pro Monat. Dies führt dazu, dass wir Flüchtlinge im Moment auch in Turnhallen unterbringen müssen, was keine zufriedenstellende Lösung für mich ist. Zeitgleich arbeiten wir an vielen Alternativen, um die
Situation zu verbessern, etwa winterfesten Leichtbauhallen oder dem Umund Ausbau von Bestandsgebäuden. Die Anschläge von Paris waren furchtbar. Sie dürfen aber nicht dazu führen,
dass sich unsere Gesellschaft in einer Weise polarisiert, dass Menschen, die als Opfer von Gewalt und Terror zu
uns kommen, weil sie Schutz suchen, pauschal unter Verdacht gestellt werden und weiter Angst haben müssen.“
<<
Dr. Thomas de Maizière …
… Bundesminister des Innern, nutzt
als oberster Dienstherr der Beschäftigten des Bundes 2016 zum dritten
Mal in Folge die Gelegenheit, seine
Sicht auf die Lage im öffentlichen
Dienst in seiner ersten Grundsatz­rede
des Jahres darzustellen. Die Atmos­
phäre der dbb Jahrestagungen ist dem
erfahrenen Bundespolitiker also gut
vertraut. Nach Abitur und Wehrdienst
studierte er Rechtswissenschaften
und Geschichte in Münster und Freiburg und wurde 1986 zum Dr. jur. promoviert. 1990 wirkte de Maizière mit
am Aufbau des Amtes des Ministerpräsidenten der letzten DDR-Regierung und gehörte der Verhandlungsdelegation für den Einigungsvertrag
an. Es folgten Stationen in der Landespolitik von Mecklenburg-Vorpommern
und Sachsen, wo er von 1990 bis 2005
­zunächst als Chef der Sächsischen
Staatskanzlei, Finanzminister, Justizminister und Innenminister tätig war.
Im November 2005 wurde er Bundesminister und Chef des Bundeskanzleramtes und fungierte ab Oktober 2009
zunächst als Bundesinnenminister, ab
März 2011 als Bundesverteidigungsminister. Seit der Bundestagswahl
2013 ist er erneut Bundesinnenminister. Thomas de Maizière kam am
21. Januar 1954 in Bonn zur Welt.
<<
Hannelore Kraft …
… nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin, führt seit 2010 als erste
Frau die Regierungsgeschäfte im bevölkerungsreichsten Bundesland, das
rund 17,6 Millionen Einwohner zählt.
Da die dbb Jahrestagung seit 2006 in
der nordrhein-westfälischen Medienund Millionenstadt Köln stattfindet,
ist Hannelore Kraft gleichsam „gastgebende Landesmutter“. Die studierte Diplom-Ökonomin arbeitete von
1989 bis 2001 als Unternehmensberaterin und ist seit Juni 2000 Mitglied
des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Von Juni 2005 bis Juli 2010 stand
sie an der Spitze der SPD-Fraktion im
nordrhein-westfälischen Landtag.
Seit 2007 ist Hannelore Kraft Landesvorsitzende der NRW SPD und seit
November 2009 stellvertretende
SPD-Vorsitzende. Im Juli 2010 wurde
sie Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Bei den vorgezogenen Neuwahlen im Mai 2012 erzielte
sie mit der SPD die meisten Stimmen
und verfügt in einer erneuten Koalition mit den Grünen über eine absolute Mehrheit der Sitze im Düsseldorfer Landtag. Am 20. Juni 2012 wurde
sie wieder zur Ministerpräsidentin
gewählt. Hannelore Kraft kam am
12. Juni 1961 in Mülheim an der
Ruhr zur Welt.
<<
Stadt Köln
... an Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln
Henriette Reker …
… Oberbürgermeisterin der Stadt
Köln, hätte die Kandidatur um das
höchste Amt der Domstadt um ein
Haar mit ihrem Leben bezahlt. Die
parteilose, von den Stadtrats-Fraktionen der Grünen, der CDU und der FDP
unterstützte Juristin wurde am 17.
Oktober 2015, dem Tag vor der Oberbürgermeisterwahl, während eines
Wahlkampftermins auf einem Kölner
Stadtteil-Wochenmarkt von einem
rechtsextremistisch eingestellten
­Attentäter so schwer verletzt, dass
zunächst nicht sicher war, ob sie
das Mandat nach ihrem Wahlsieg
– 52,66 Prozent der abgegebenen
Stimmen im ersten Wahlgang – übernehmen konnte oder wollte. Die engagierte Kommunalpolitikerin, die zuletzt als Sozialdezernentin der Stadt
Köln immer wieder die hohe Belastung der Städte und Kommunen bei
der Aufnahme und Unterbringung
von Flüchtlingen thematisiert hatte,
die diese zwängen, bei der Flüchtlingsunterbringung auch außergewöhnliche Wege zu beschreiten, ließ
sich jedoch nicht ängstigen: Noch im
Krankenhaus unterschrieb sie am
22. Oktober 2015 die Annahmeerklärung und wurde so Kölns erste Oberbürgermeisterin. Henriette Reker kam
am 9. Dezember 1956 in Köln zur Welt.
5
... Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, ist – wie in den beiden vorangegangenen Jahren – der
dritte Redner beim politischen Auftakt der dbb Jahrestagung. Es ist zu
erwarten, dass der Volkswirt in seinen Ausführungen den Akzent auf
jene Themen legen wird, denen sein
Hauptaugenmerk gilt: der Konsolidierung des Landeshaushalts, der
Ahndung von Steuerhinterziehung
und der Herstellung von Steuergerechtigkeit. Nach dem Abitur 1971
studierte er zunächst Informatik in
Bonn, wechselte 1972 zur Volkswirtschaftslehre und graduierte 1978
zum Diplom-Volkswirt. Anschließend
arbeitete er im Produktmanagement
von Henkel in Düsseldorf, kehrte
1980 in den Universitäts-Betrieb zurück und promovierte 1982 an der
wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln.
1984 wechselte er aus der wissenschaftlichen Arbeit in die nordrheinwestfälische Staatskanzlei. 1991 war
er zunächst stellvertretender, 1996
bis 1998 Sprecher der von Ministerpräsident Johannes Rau geführten
Landesregierung. Es folgten Stationen als Wirtschafts-Staatssekretär
im Saarland und in Nordrhein-Westfalen sowie als Wirtschaftsdezernent
und Stadtkämmerer von Köln. Im
Juni 2010 übernahm Walter-Borjans
in der rot-grünen Landesregierung
von Ministerpräsidentin Hannelore
Kraft das Finanzministerium, das er
seit den Landtagswahlen 2012 in
zweiter Amtszeit führt. Walter-Borjans kam am 17. September 1952 in
Krefeld-Uerdingen zur Welt.
<<
stellter Personalrat beim Fernmeldeamt Frankfurt/Main vertreten hatte.
2003 und 2007 wurde er vom Gewerkschaftstag der damals noch eigenständigen dbb Tariforganisation,
der dbb tarifunion, zum Zweiten Vorsitzenden gewählt und gehörte der
dbb Bundesleitung als kooptiertes
Mitglied an. Nach der Verschmelzung
von dbb tarifunion und dbb zum dbb
Willi Russ ...
... Zweiter Vorsitzender des dbb und
Fachvorstand Tarifpolitik, vertritt dbb
Chef Klaus Dauderstädt als Gastgeber der dbb Jahrestagung 2016. Der
gelernte Tontechniker, der bereits
1985 als stellvertretender Vorsitzender der dbb tarifunion und der später
in die tarifunion integrierten GGVöD
erste Erfahrungen in der bundesweiten Tarifpolitik für die Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes sammeln
konnte, arbeitete ab 1999 als stellvertretender Vorsitzender der dbb Tarifkommission. 1992 bis 2007 war Russ
Bundesvorsitzender der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM),
mit deren Unterstützung er die Inte­
ressen seiner Kolleginnen und Kollegen bereits in seiner Zeit als freige-
Jan Brenner
Dr. Norbert Walter-Borjans …
Monika Nonnenmacher
<<
beamtenbund und tarifunion im November 2012 wählten die Delegierten des „Fusionsgewerkschaftstages“
Willi Russ zum Zweiten dbb Vorsitzenden und zum Fachvorstand Tarifpolitik. Zu seinen Aufgaben in der
amtierenden Bundesleitung des dbb
gehören neben der Tarifpolitik, Arbeitnehmerfragen, Arbeitsrecht, Zusatzversorgung, Problemstellungen
der privatisierten Bereiche und die
dbb akademie, deren Vorsitz er seit
2007 innehat. Willi Russ kam am
16. Dezember 1952 in Trier zur Welt.
Politik contra Bürger:
Schlaue Wahlbürger
Die großen Differenzen zwischen den
Werten der Parteien in NordrheinWestfalen bei den Bundestags- beziehungsweise Landtagswahlabsichten
belegen ein weiteres Mal, dass die
Wahlbürger auch an Rhein und Ruhr
schlau sind und bei jeder Wahl recht
6
genau wissen, um was es dabei geht.
Die häufig zu hörende Auffassung,
Wahlen auf regionaler oder lokaler
Ebene seien ein bloßer Reflex der generellen politischen Großwetterlage,
weil die Bürger die verschiedenen Politikebenen nicht unterscheiden könn-
ten, ist eine Unterstellung, die mit der
Realität wenig zu tun hat.
Wahlergebnisse bei Landtags- oder
Kommunalwahlen dürfen deshalb
auch nicht als Test für die bundesweite politische Stimmung gewer-
Jahrestagung Köln 2016
Dass die CDU bei der Bundestagswahl 2013 auf fast 40 Prozent, bei
der Landtagswahl 2012 jedoch nur
auf 26 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen kam, während die
SPD bei der Landtagswahl 39, bei der
nachfolgenden Bundestagswahl aber
nur 32 Prozent der Stimmen erhielt,
war durch diese unterschiedlichen
Mobilisierungsraten beider Parteien
bedingt. Während die SPD bei beiden
Wahlen von jeweils rund drei Millionen Wahlberechtigten gewählt wurde, wurde die CDU 2012 nur von
knapp 2,1 Millionen Wählern gewählt, 2013 aber von fast 3,8 Millionen. Somit war die „Merkel-CDU“
über 1,7 Millionen mehr Stimmen
wert als die nordrhein-westfälische
CDU mit ihrem damaligen Spitzenkandidaten Norbert Röttgen. Die
meisten dieser 1,7 Millionen poten­
ziellen CDU-Anhänger, die bei der
Landtagswahl der CDU ihre Stimme
nicht gaben, blieben der Wahl fern.
Ein ähnliches Schicksal wie 2012
könnte der nordrhein-westfälischen
CDU nach den aktuellen Zahlen auch
bei der nächsten Landtagswahl im
Frühjahr 2017 drohen, weil auch der
jetzige CDU-Landesvorsitzende und
mutmaßliche Spitzenkandidat wenig Rückhalt bei den eigenen Anhängern hat. So würden sich derzeit nur
38 Prozent der CDU-Anhänger für
­Armin L­ aschet entscheiden, wenn
sie den Ministerpräsidenten selbst
wählen könnten.
Marco Urban
tet werden. Das gilt auch für die im
Frühjahr 2016 anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt: Hier wird nicht über Merkels
Flüchtlingspolitik abgestimmt, sondern die Bürger urteilen über den
Zustand sowie das personelle und
inhaltliche Angebot der Parteien ihres jeweiligen Landes. Die aktuell zu
registrierenden großen Unterschiede bei den Wahlabsichten in Nordrhein-Westfalen kommen allerdings
nicht durch Wanderungsbewegungen ­zwischen den Parteien, sondern
­aufgrund unterschiedlicher Wählermobilisierungen bei beiden Wahlen zustande.
<
< Prof. Manfred Güllner
Für Angela Merkel hingegen würden
sich bei der Kanzlerpräferenz trotz
der heftigen Kontroversen um ihre
Flüchtlingspolitik über 90 Prozent
der CDU-Anhänger entscheiden.
Rund 40 Prozent der CDU-Anhänger
in Nordrhein-Westfalen möchten
­An­gela Merkel in Berlin als Kanzlerin,
bevorzugen aber in Düsseldorf Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin.
Einem solchen Entscheidungszwiespalt kann man nur dadurch entgehen, dass man gar nicht zur Wahl
geht. Von jener Schnittmenge der
CDU-Anhänger, die in Düsseldorf
­einen SPD-Ministerpräsidenten, in
Bonn aber einen CDU-Kanzler wollten, hat im Übrigen auch schon
­Johannes Rau profitiert.
dbb journal
Dass schwache CDU-Kandidaten in
Nordrhein-Westfalen Tradition haben, dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass sich die CDU
in Nordrhein-Westfalen nach dem
Machtverlust von 1966 (bis dahin regierte sie in Düsseldorf zweitweise
sogar mit absoluter Mehrheit) nicht
zur Volkspartei weiterentwickelt,
sondern eine dem früheren Zentrum
ähnliche klerikale Milieupartei ohne
Bindekraft für viele heterogene Wählergruppen blieb und deshalb 2012
nur noch von 15,5 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt wurde. Allerdings ist auch die SPD an Rhein und
Ruhr von ihrer alten Bindekraft weit
entfernt: 2012 und 2013 wurde sie
noch von 23 von 100 Wahlberechtigten gewählt und nicht mehr von 41
oder 39 Prozent wie zu Zeiten von
Helmut Schmidt oder Johannes Rau.
Die aktuellen Zahlen zeigen aber
auch, dass trotz aller schwächer gewordenen Bindekraft von CDU und
SPD rechtsradikale Rattenfänger an
Rhein und Ruhr wenig Chancen haben. Durch den im Vergleich zu anderen Bundesländern hohen Anteil von
Katholiken und die trotz Strukturwandel im Ruhrgebiet immer noch
lebendige Industrie- und Arbeiterkultur war Nordrhein-Westfalen schon
immer (auch während der Weimarer
Republik) weitestgehend gefeit gegen rechtsradikale Tendenzen. Das
zeigt auch aktuell die schwache Resonanz der AfD im Lande.
Prof. Manfred Güllner
Manfred Güllner ...
… Geschäftsführer der Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische
Analysen mbH, geht am Montagnachmittag in seinem Fachvortrag der Frage
nach, in wieweit Politik die Bürger noch zu erreichen vermag. Da der Sozialwissenschaftler und Betriebswirt, der die 1984 von ihm gegründete Forsa-Gesellschaft neben Emnid, Allensbach und infratest dimap zum führenden deutschen
Meinungsforschungsinstitut entwickelte, seit Jahrzehnten politisches Handeln
empirisch erforscht und analysiert, dürfen die Zuschauer belastbare Fakten erwarten. Dies gilt auch in Bezug auf den öffentlichen Dienst, zumal Güllner auf
eigene Erfahrungen aus seiner Zeit als Direktor des Statistischen Amtes der
Stadt Köln zurückgreifen kann. Manfred Güllner kam am 31. Dezember 1941
in Remscheid zur Welt.
7
Herausforderung für die Demokratie –
Politik contra Bürger?
<<
Wolfgang Bosbach …
… Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Bundestags-Innenausschusses, ist auch nach seinem Verzicht
auf den Ausschussvorsitz gern gesehener Teilnehmer der dbb Jahrestagung. Bosbach hatte die Leitung des
parlamentarischen Gremiums, dem
er seit Herbst 2009 vorstand, am
23. Juli 2015 niedergelegt, weil er
markt. 1974 bis 1977 besuchte er die
Rheinische Akademie Köln, wo er
zum staatlich geprüften Betriebswirt
graduierte und holte auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach, das
er 1980 ablegte. Es folgte ein JuraStudium an der Universität Köln. Bosbach ist seit 1972 Mitglied der CDU,
engagierte sich in der Kommunalund Landespolitik. 1994 wurde der
Jurist zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt und gehört diesem seitdem ohne Unterbrechung an. Wie er anlässlich seines
Rücktritts vom Vorsitz des Innenausschusses mitteilte, möchte er fortan
als Abgeordneter für den RheinischBergischen Kreis die Interessen seiner Heimatregion in Berlin vertreten.
Wolfgang Bosbach kam am 11. Juni
1952 in Bergisch-Gladbach zur Welt.
Sven Teschke
<<
auch künftig seiner Überzeugung folgen und abweichend vom Kurs seiner
Parteivorsitzenden gegen weitere
Rettungspakete für Griechenland
stimmen wolle. Nach der Mittleren
Reife absolvierte er eine Ausbildung
zum Einzelhandelskaufmann und leitete von 1972 bis 1974 einen Super-
8
Prof. Dr. Werner J. Patzelt …
… Inhaber des Lehrstuhls für politische Systeme und Systemvergleich
an der TU Dresden, ist wegen seiner in den Medien verbreiteten
­politischen Bewertung der PegidaDemonstrationen einer breiteren
­Öffentlichkeit bekannt geworden.
Schwerpunkte seiner Lehr- und Forschungstätigkeit sind unter anderem die vergleichende Analyse
­politischer Systeme, Parlamenta­
rismusforschung, politische Kom­
munikation und die vergleichende
historische Analyse politischer Ins­
TU Dresden
Im Anschluss an den politischen Auftakt rückt das Sachthema der dbb Jahrestagung in
den Fokus. Handelt die Politik/der Staat für oder gegen seine Bürger? Und erwächst gar
aus diesem „gefühlten“ Zwiespalt eine Herausforderung für die Demokratie? Politische
Entscheidungen, die der Bürger nicht versteht, führen zu Politikverdrossenheit und zu
Misstrauen gegen „die da oben“. Nach einer Diskus­sion unter Leitung von Dunja Hayali
zwischen Wissenschaft (Prof. Werner J. Patzelt) und Politik (Wolfgang Bosbach) wird
­deutlich geworden sein, ob der Staat mehr ist als die ­Summe seiner Bürger.
titutionen s­ owie evolutionstheo­
retische Modelle in der Politikwissenschaft. Patzelt studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte in München, Straßburg und
den USA. Er graduierte 1980 in München zum Magister Artium (M.A.)
und wurde dort 1984 auch zum Dr.
phil. promoviert. Nach einer sechsjährigen Beschäftigung als wissenschaftlicher Assistent habilitierte er
1990 an der Universität Passau und
wechselte nach mehreren Gastprofessuren zur Technischen Universität Dresden, wo er 1992 zum Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft berufen wurde.
Werner J. Patzelt kam am 23. Mai
1953 in Passau zur Welt.
Jahrestagung Köln 2016
<<
Dunja Hayali ...
Marco Urban
… Journalistin und Fernsehmoderatorin, führt durch die Gesprächsrunden,
deren Teilnehmer die aktuelle Flüchtlingsproblematik am Montagnachmittag zunächst politisch und am
Dienstagvormittag als Herausforderung für den öffentlichen Dienst diskutieren. Dabei wird sich zeigen, ob
die Tochter irakischer Christen, deren
Eltern noch vor ihrer Geburt zum Medizinstudium von Bagdad nach Wien
übersiedelten und sich später in
Deutschland niederließen, an eigene
Erfahrungen anknüpfen möchte. Die
Arzttochter wuchs mit zwei älteren
Geschwistern auf. Sie wurde katholisch erzogen und zeigte früh großes
dbb journal
Interesse am Sport. 1995 bis 1999
studierte sie an der Deutschen Sporthochschule in Köln Medien- und
Kommunikationswissenschaften und
arbeitete unter anderem als Sportmoderatorin beim Radio der Deutschen Welle (Köln/Bonn). Es folgten
Stationen als Moderatorin der ZDF
heute-Nachrichten und Co-Moderatorin beim heute journal. Seit Oktober 2007 gehört sie zum Team des
ZDF-Morgenmagazins. Hayali ist
­Unterstützerin des Vereins „Gesicht
Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“ und setzt sich als Botschafterin
der Initiative „Respekt! Kein Platz für
Rassismus“ gegen Diskriminierung
ein. Dunja Hayali kam am 6. Juni 1974
im westfälischen Datteln zur Welt.
Ruf nach dem starken Staat
Sind viele Bürgerinnen und Bürger einerseits davon überzeugt,
dass die Politk gegen statt für sie agiert, wird der Ruf nach
­einem „starken Staat“ andererseits seit Jahren immer lauter.
Aufschluss über diese Entwicklung geben Zahlen aus der aktuellen Bürgerbefragung öffentlicher Dienst, die der
dbb zusammen mit Forsa Gesellschaft
für Sozialforschung und statistische
Analysen jährlich erhebt. Demnach
sind aktuell 85 Prozent und damit
mehr Befragte als vor sieben Jahren
von der Notwendigkeit eines starken
Staates überzeugt. 61 Prozent – ebenfalls noch etwas mehr als 2008, wenn
auch etwas weniger als 2014 – meinen auch, dass der öffentliche Dienst
eine flächendeckende Versorgung aller Bürger mit öffentlichen Dienstleistungen garantiere. Bei der Beurteilung
der Effizienz des öffentlichen Dienstes
überwiegen zwar nach wie vor die
eher kritischen Urteile, allerdings mit
leichtem Rückgang im Vergleich zu
2008. So meinen derzeit noch 66 Prozent, die öffentliche Verwaltung sei zu
aufgebläht und koste zu viel. 75 Prozent halten die Verwaltung im Vergleich zur freien Wirtschaft für zu
schwerfällig, 70 Prozent sehen durch
Bürokratie und bürokra­tische Vorschriften die Freiheit der einzelnen
Bürger immer stärker eingeschränkt.
66 Prozent meinen au­ßer­dem, dass
viel zu viel verwaltet werde und mehr
der eigenen Initia­tive der Bürger überlassen werden sollte. Die Verwaltung
heute halten 64 Prozent für viel bürgerfreundlicher als früher und 35 Prozent meinen, die öffentlichen Verwaltungen seien inzwischen genauso
leistungsfähig wie große Wirtschaftsunternehmen.
Staat und Bürokratie: Notwendigkeit und Effizienz
2008
%
2014
%
2015
%
76
85
85
nein
22
14
14
ja
54
63
61
nein
43
35
37
Notwendigkeit:
– „In einem Staat, der viel für seine Bürger tun will,
ist eine starke öffentliche Verwaltung unerlässlich“
– „Der öffentliche Dienst garantiert, dass alle Bürger
mit öffentlichen Dienstleistungen versorgt werden“
ja
Effizienz:
– „Die öffentliche Verwaltung ist zu aufgebläht und
kostet zu viel“
– „Die Verwaltung ist viel zu schwerfällig“
– „Wenn es immer mehr Bürokratie und bürokratische
Vorschriften gibt, wird die Freiheit des einzelnen
­Bürgers immer stärker e
­ ingeschränkt“
– „Es wird viel zu viel verwaltet. Es sollte mehr der
­eigenen Initiative der Bürger überlassen werden“
ja
78
70
66
nein
19
27
31
ja
81
76
75
nein
16
21
22
ja
80
75
70
nein
20
23
29
ja
75
70
66
nein
24
30
34
– „Die Verwaltung ist heute viel bürgerfreundlicher
als früher“
ja
58
63
64
nein
35
30
29
– „Öffentliche Verwaltungen sind heute genauso
­leistungsfähig wie große Wirtschaftsunternehmen“
ja
28
38
35
nein
67
57
60
Quelle: Bürgerbefragung öffentlicher Dienst 2015
9
Die Flüchtlingssituation als Herausforderung
Die Bundesrepublik Deutschland steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer
­Geschichte: 1,5 Millionen Menschen sind bereits eingereist, die aus ihren Heimatländern
aus Furcht vor Verfolgung und Tod geflüchtet sind. Weitere werden folgen und um Asyl
­ersuchen. Sie wollen in Deutschland wohnen, arbeiten, ihre Kinder in Kitas und Schulen
geben. Das muss die Bundesrepublik ihnen ermöglichen, wenn dem Asylantrag stattge­
geben wurde. Im Anschluss an ein Impulsreferat des baden-württembergischen Innen­
ministers Reinhold Gall wird sich am Morgen des 12. Januar eine Diskussionsrunde unter
der Moderation von Dunja Hayali mit der Flüchtlingssituation „von der Registrierung bis
Integration“ befassen.
?
„Welche Aufgaben muss der öffentliche Dienst zur Bewältigung der Flüchtlingskrise übernehmen?“
„Wer muss welche Mittel zur Verfügung stellen?“
„Wie kann und muss der Personalbestand aufgestockt werden?“
„Welche Anreize müssen zur Reaktivierung ehemaliger Beschäftigter des öffentlichen Dienstes
­geschaffen werden?“
„Wie lässt sich die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen verbessern?“
Dr. Eva Lohse ...
… Präsidentin des Deutschen Städte­
tages, skizziert mit ihren Lageberich­
ten aus der kommunalen Flüchtlings­
betreuung die aktuelle Situation in
den Städten und Gemeinden. Als
Oberbürgermeisterin von Ludwigs­
hafen wird sie hierbei sicher auch auf
die Integrationsarbeit „ihrer“ rhein­
land-pfälzischen Heimatmetropole
zu sprechen kommen. Die an den
Universitäten Heidelberg, Genf und
Freiburg ausgebildete Verwaltungs­
juristin arbeitete unter anderem an
der Fachhochschule des Bundes für
öffentliche Verwaltung in Mannheim
und promovierte 1995 im Bereich Ar­
beitsrecht. 1994 wurde sie in den
Stadtrat von Ludwigshafen gewählt
und trat 1999 als Spitzenkandidatin
der CDU in der Kommunalwahl an.
Bei der ersten Direktwahl der Oberbürgermeisterin setzte sie sich 2001
10
Präsidium des Deutschen Städteta­
ges, wo sie 2013 zunächst als Vize­
präsidentin und seit 2015 als Präsi­
dentin tätig ist. Eva Lohse kam am
23. Januar 1956 in Ludwigshafen zur
Welt.
<<
Stadtverwaltung Ludwigshafen
<<
mit 55,5 Prozent der Stimmen im ers­
ten Wahlgang durch, übernahm am
1. Januar 2002 die Amtsgeschäfte
und wurde bei der Wahl 2009 erneut
gewählt. Seit 2005 ist sie Mitglied im
Detlef Scheele …
… Vorstand Arbeitsmarkt der Bun­
desagentur für Arbeit (BA), wird an­
lässlich der Podiumsdiskussion zur
Flüchtlingsproblematik am Diens­
tagvormittag die Herausforderun­
gen benennen, denen sich die staat­
liche Arbeitsvermittlung stellen
muss. Scheele war von 2011 bis
Sommer 2015 im Senat I und II von
Olaf Scholz Hamburger Senator für
Arbeit, Soziales, Familie und Inte­
gration und 2008/2009 beamteter
Staatssekretär im damals von Olaf
Scholz geführten Bundesministeri­
Jahrestagung Köln 2016
dbb journal
<<
Ulrich Silberbach ...
… stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Bundesvorsitzender
der komba gewerkschaft, vertritt auf
der Podiumsdiskussion am Dienstagvormittag die gewerkschaftspolitischen Positionen. Von 1979 bis 1982
absolvierte er eine Ausbildung zum
Verwaltungsfachangestellten und
arbeitete bis 1990 im kommunalen
Dienst seiner Heimatstadt Köln.
2003 wurde Silberbach zum stellver-
gaben und das Ausmaß der Verantwortung, denen sich die Länder bei
der Registrierung und Integration der
Flüchtlinge stellen müssen. In der an-
Ailura
um für Arbeit und Soziales. Er studierte Politik-, Sport- und Erziehungswissenschaften in Hamburg
und schloss 1984 mit dem Staats­
examen für das Lehramt am Gym­
nasium ab. Von 1985 bis 1987 war
er persönlicher Referent des damaligen Hamburger SPD-Landesvorsitzenden Ortwin Runde und arbeitete
in verschiedenen Hamburger Landesbetrieben, unter anderem auch
als Geschäftsführer bei den ElbeWerkstätten für Menschen mit Behinderungen. Im Juli 2015 wählte
der BA-Verwaltungsrat Scheele in
einer außerordentlichen Sitzung
zum neuen Vorstand Arbeitsmarkt.
Detlef Scheele kam am 30. September 1956 in Hamburg zur Welt.
tretenden Landesvorsitzenden der
komba gewerkschaft nrw und im
Frühjahr 2007 zum Landesvorsitzenden gewählt. Nach seiner Wahl zum
komba Bundesvorsitzenden im Mai
2011 wurde Silberbach im Juni vom
dbb Bundeshauptvorstand zum stellvertretenden dbb Bundesvorsitzenden gewählt. In dieser Funktion wurde er im November 2012 von den
Delegierten des dbb Gewerkschaftstages bestätigt. Silberbach, der in
der dbb Bundesleitung vorrangig für
Kommunalpolitik, Arbeitsmarktpolitik sowie Fragen der Gesundheitspolitik einschließlich Pflege zuständig
Marco Urban
Bina Engel
für den öffentlichen Dienst
ist, gehört der Bundestarifkommis­
sion des dbb an. Auf dem europäischen Parkett engagiert er sich seit
2012 als Präsident der Europäischen
Arbeitsgemeinschaft unabhängiger
Gewerkschaften der Bediensteten
der Gemeinden und Gemeindeverbände (EULOS). Ulrich Silberbach
kam am 27. August 1961 in Köln
zur Welt.
<<
Reinhold Gall …
… Innenminister des Landes BadenWürttemberg, beleuchtet in seinem
Impulsreferat die Vielfalt der Auf­
schließenden Podiumsdiskussion
wird der seit Mai 2011 als Innenminister amtierende Sozialdemokrat an
Beispielen aus seinem Ressort erläutern – Gall ist unter anderem zuständig für die Polizei, die Feuerwehr, das
Rettungswesen und den Katastrophenschutz, das Kommunalwesen
sowie ausländerrechtliche Angelegenheiten –, welche ­Akzente die
grün-rote Regierung in Baden-Württemberg in der Flüchtlingsarbeit
setzt. Der gelernte Fernmeldetechniker begann ­seine politische Laufbahn in der Kommunalpolitik. 1984
wurde er in den Gemeinderat der
­Gemeinde Obersulm (Landkreis Heilbronn) gewählt, 1989 Ortsvorsteher
seines Heimatortes Obersulm-Sülzbach. 1994 zog er in den Kreistag ein.
Seit der Landtagswahl 2001 vertritt
er den Wahlkreis Neckarsulm im
Landtag von Baden-Württemberg.
Gall ist seit 2009 Vorsitzender des
Kreisfeuerwehrverbandes Heilbronn
und seit 1984 Kreisausbilder der Feuerwehren im Landkreis Heilbronn.
Reinhold Gall kam am 31. Oktober
1956 in Sülzbach zur Welt.
11
©Astrid Gast – Fotolia.com
Amtsdeutsch:
Rauhfutterverzehrende
Großvieheinheit …
… sagt und schreibt (angeblich) der deutsche Beamte, wenn ein Rind – ob Kuh, Kalb, Bulle
oder Ochse – gemeint ist. B
­ esagte rauhfutterverzehrende Großvieheinheit frisst auf der
Alm auch kein Gras, sondern labt sich an den H
­ almen ­einer Spontanvegetation. Unmissverständlich soll es sein, das oft g
­ eschmähte „Behörden- oder Amtsdeutsch“, damit Gesetze
und Verord­nungen nicht heute so und morgen ganz anders ausgelegt werden können.
Doch Wort­ungetüme und Bandwurmsätze, die mit Passivformulierungen und Substantivierungen überfrachtet sind, lassen sich durchaus in gängiges Deutsch fassen, ohne ihre Eindeutigkeit zu verlieren. Initiativen und Bemühungen, mehr Transparenz in die Kommunikation zwischen Staat und Bürger zu bringen, gibt es schon seit Langem – mit mäßigem Erfolg.
Der Grat zwischen juristisch korrekter Formulierung und unfreiwilliger
Sprachkomik ist schmal. Das musste
Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus
1999 bei der Einbringung des Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetzes in
den Landtag erfahren. Zahlreiche Abgeordnete brachen in schallendes
Gelächter aus, und der Minister gestand zu, dass der Titel – möglicherweise – etwas lang sei. Genutzt hat
weder die ­Heiterkeit noch die weise
Erkenntnis: Das Gesetz wurde im Januar 2000 als „Gesetz zur Übertragung der Aufgaben für die Überwachung der Rinderkennzeichnung und
Rind­fleisch­etikettierung“ verabschiedet, der amtliche Kurztitel lautete
12
nun – noch länger – Rinderkennzeichnungs- und Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (RkReÜAÜG).
es nicht, dazu wurde 1999 der „Kollateralschaden“ gewählt.
Ende Mai 2013 wurde das Gesetz
zwar aufgehoben, doch der Titel
dient noch heute als abschreckendes
Beispiel für die Auswüchse der Behördensprache. Mit 63 Buchstaben
gehört es zu den längsten zusammengesetzten Substantiven der
deutschen Sprache. Die Gesellschaft
für Deutsche Sprache schlug es sogar
1999 zum Wort des Jahres vor. Aufgrund der bevorstehenden Jahrtausendwende und des erwarteten
Computer-GAUS setzte sich allerdings das Wort „Millennium“ durch.
Auch zum Unwort des Jahres taugte
Die Bürger selbst haben indes weniger
ihre liebe Not mit verqueren Gesetzestexten als mit kryptisch formulierten Briefen vom Finanzamt oder von
der Gemeindeverwaltung. Ein Beispiel
aus einem Schreiben an eine Hundebesitzerin: „Das Führen von Hunden
auf öffentlichen Wegen ist nur mit der
Maß­gabe gestattet, dass die Hunde
an der Leine geführt werden.“ Warum
heißt es nicht schlicht „Hunde müssen
auf öffentlichen Wegen an der Leine
geführt werden“? Das zweite Beispiel
stammt aus einem Polizeibericht:
„Der Verunfallte wurde von einem
<<
Stilblüten von Amts ­wegen
Jahrestagung Köln 2016
Rettungswagen erstversorgt und
­anschließend in das Krankenhaus
­verbracht. Zur weiteren Absuche der
Einsatzstelle wurden die Kräfte der
Feuerwehr alarmiert.“ Warum heißt
es nicht „Die Besatzung eines Ret­
tungswagens leistete Erste Hilfe und
fuhr das Unfallopfer anschließend ins
Krankenhaus. Die Feuerwehr suchte
die Unfallstelle ab“? Interessant wäre
es auch für den Leser zu erfahren, wo­
nach die Feuerwehrleute gesucht ha­
ben, aber das geht aus dem Bericht
leider nicht hervor.
Gesetze und Amtsschreiben haben
indes nur dann einen Sinn, wenn sie
verstanden und in­folgedessen beach­
tet werden können. Das ist in Bund,
Ländern und Kommunen seit Langem
erkannt, die inzwischen griffige For­
mulierungshilfen anbieten. In der ent­
sprechenden Broschüre des bayeri­
schen Innenministeriums „Freundlich,
korrekt und klar. Bürgernahe Sprache
in der Verwaltung“ heißt es im Vor­
wort: „Es ist nicht immer leicht, be­
hördliche Schreiben zu formulieren.
Sie sollen einerseits den Sachverhalt
und die rechtliche Situation richtig
wiedergeben, andererseits aber ver­
ständlich formuliert und übersichtlich
sein. Es ist ein hoher Anspruch, all die­
sen Zielsetzungen gerecht zu werden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
einer Behörde – und auch wir Politiker
selbst – gewinnen aber an Überzeu­
gungskraft und Glaubwürdigkeit,
wenn wir auch schwierige Zusammen­
hänge nachvollziehbar machen und
transparent darstellen. Das ist Service
für die Bürgerinnen und Bürger – aber
auch ein Dienst an uns selbst.“
<<
Dem verbalen Amtsschimmel
Beine machen
Seit über zehn Jahren kümmert sich
beispielsweise die „IDEMA. Gesell­
schaft für verständliche Sprache“ um
lesbare Texte von Ministerien, Behör­
den und Gemeindeverwaltungen so­
wie von Parteien und Organisatio­
nen. Der erste große Auftrag bestand
2008 in der Übertragung der Image­
broschüre des Bundesinnenministeri­
ums in eine allgemein verständliche
Sprache. Inzwischen steht den Be­
schäftigten der Bundesverwaltung
eine Datenbank „Verständliche Ver­
waltungssprache“ (IDEMA Bund) zur
Verfügung, deren Nutzung dazu bei­
tragen soll, Verwaltungstexte ver­
ständlicher zu gestalten.
Auch viele Stadtverwaltungen, zum
Beispiel in Bochum, Kleve, Lübeck
oder Kiel, haben dem Amtsdeutsch
den Kampf angesagt und vertreiben
nach und nach den Amtsschimmel
aus ihren Texten. Für die Stadt Bo­
chum überarbeiten die Sprachwissen­
schaftler der ­IDEMA die amtlichen
Texte, ­indem sie die unverständlichen
Formulie­rungen in modernes Deutsch
übertragen. Juristen achten ­darauf,
dass die Briefe und ­Mitteilungen den­
noch rechtssicher bleiben, und Mitar­
beiter der Bochumer Ämter prüfen
abschließend die fach­liche Richtigkeit.
Inzwischen wurden auf diese Weise
mehrere Hundert Texte bearbeitet
und Einträge für das Wörterbuch
„Amtsdeutsch – Deutsch“ entwi­
ckelt. Die Ergebnisse finden sich in
einer Datenbank (IDEMA Kommunal),
die gegen Gebühr von ­allen Verwal­
tungen genutzt werden kann. In Bo­
chum sieht man die kundenfreundli­
chen Texte durchaus auch unter
Kostenaspekten, denn in Zeiten
knapper Kassen sei Bürokratieabbau
gefragt. Unverständliche Texte kos­
ten Geld, denn mancher Einspruch
gegen einen Bescheid könnte bereits
vermieden werden, wenn die Briefe
verständlicher und auch kunden­
freundlicher verfasst worden wären.
dbb journal
Sprach-TÜV für Gesetze
Gemeinsame Geschäftsordnung
der Bundesministerien, § 42 Abs. 5:
„Gesetzentwürfe müssen sprach­
lich richtig und möglichst für je­
dermann verständlich ­gefasst sein.
Gesetzent­würfe sollen die Gleich­
stellung von Frauen und Männern
sprachlich zum Ausdruck bringen.
Gesetzentwürfe sind grundsätzlich dem Redaktionsstab Rechts­
sprache zur Prüfung auf ihre
sprachliche Richtigkeit und Ver­
ständlichkeit zuzuleiten. Die Zulei­
tung soll möglichst frühzeitig
­erfolgen. Das Ergebnis der Prüfung
hat empfehlenden Charakter.“
So wurde in Bochum – und a
­ nderswo
– aus dem Fern­sprecher das Telefon,
aus ­fernmündlich telefonisch. Die Ab­
lichtung heißt nun Kopie, Augenglä­
ser Brille. Das ist nicht weltbewe­
gend, eher selbstverständlich, doch
ein Schritt in die richtige Richtung ist
es allemal. Dass sich trotzdem viele
Behörden und Verwaltungen weiter
schwertun, verständlich zu formulie­
ren, ist nicht zuletzt auch der fö­
deralen Struktur der Bundesrepublik
geschuldet, die Zusammenarbeit er­
schwert, statt sie zu begünstigen.
Eine Amtsmitteilungsbundesformu­
lierungsverordnung (AmiBufoVer)
hätte deshalb wohl keine Chance.
­Allerdings bleibt es dem Bürger unbe­
nommen, den Absender eines unver­
ständlichen Textes um „Überset­
zung“ zu bitten. Meistens wird die
„Rechtsbehelfsbelehrung“ sogar
­ausdrücklich an­geboten.
Redaktionsstab Rechtssprache
Der Redaktionsstab Rechtssprache ist neben dem Sprachbüro Teil der Sprachbera­
tung im Bundesjustizministerium (BMJ). Sprachwissenschaftler bearbeiten Ge­
setz- und Verordnungsentwürfe und prüfen sie auf sprachliche Richtigkeit und
Verständlichkeit gemäß § 42 Abs. 5 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der
Bundesministerien. Den Redaktionsstab Rechtssprache gibt es seit 2009. Er ist das
Ergebnis des Modellprojekts „Verständliche Gesetze“, das vom BMJ gefördert und
unterstützt wurde. Er wird seit Januar 2013 von der Lex Lingua Gesellschaft für
Rechts- und Fachsprache mbH betrieben und von der Juristin Stephanie Thieme
geleitet. Daneben gibt es den Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Spra­
che beim Deutschen Bundestag, der sprachliche Beratung für die A
­ bgeordneten,
die Fraktionen und die Ausschusssekretariate ­anbietet.
Quelle: BMJ
13
Zahlen Daten Fakten 2016:
Dringender Handlungsbedarf
Zahlen Daten Fakt
en
Der öffentliche Dienst in Deutschland hat ein Personalproblem:
­Während die zu bewältigenden Aufgaben nicht zuletzt mit Blick auf
die Flüchtlingssituation stetig anwachsen, ist der Personalbestand
seit 1991 fast kontinuierlich geschrumpft. Zusammen mit fehlendem
Nachwuchs bringt sich der öffentliche Sektor in Deutschland immer
weiter an den Rand des Funktionsversagens. Das lässt sich nicht
nur an der wachsenden Zahl an Klagen aus der Praxis ablesen,
sondern auch an statistischem Zahlenmaterial.
2016
ZahlenDatenFakten_
2016.indd 1
Die Informationsbroschüre „Zahlen
Daten Fakten“, die der dbb jährlich
aktualisiert herausgibt, erlaubt eine
vorurteilsfreie Orientierung über die
wichtigsten Eckdaten des öffentli­
chen Dienstes. Aufbauend auf den
jeweils neuesten Zahlen des Statisti­
schen Bundesamtes und der Statisti­
schen Landesämter, auf Informatio­
nen der Bundesministerien und auf
eigenen Berechnungen liefert „Zah­
len ­Daten Fakten“ fundiertes Basis­
wissen und eignet sich als schnelles
Nachschlagewerk, das bewusst auf
eine Kommentierung verzichtet.
Die Zahlen sprechen für sich und
weisen auf Probleme hin, die gelöst
werden müssen, um den öffentlichen
Dienst auch künftig funktionsfähig
zu halten. Die Ausgabe 2016 zeigt
deutlich, dass Deutschland nicht
mehr ausreichend für die Bewälti­
gung besonderer Situationen ge­
rüstet ist. Nach aktuellen Schätzun­
gen des dbb fehlen dem Staat fast
180 000 Beschäftigte, besonders in
den Kommunalverwaltungen. Der­
zeit wird fieberhaft neues Personal
gesucht.
So ist zum Beispiel der Anteil der
Bundesbeamten im Alter von 45 bis
54 Jahren vom Jahr 2000 bis 2014 um
14,4 Prozent von 22,1 Prozent auf
36,5 Prozent gestiegen. Der Anteil
der Beamtinnen und Beamten im
­Alter von 55 bis 59 Jahren stieg im
gleichen Betrachtungszeitraum um
3,3 Prozent von 10,6 auf 13,9 Prozent.
14
In den kommenden Jahren wird eine
Pensionierungswelle auf den öffent­
lichen Dienst zukommen, die ­Lücken
im Personalbestand schaffen wird.
Der Arbeitsmarkt kann den Bedarf
kaum decken, weil qualifiziertes Per­
sonal zunächst ausgebildet werden
muss. Die Gewinnung motivierten
Nachwuchses für den öffentlichen
Dienst wird daher eine der dringlichs­
ten Aufgaben für die kommenden
Jahre bleiben.
Dabei spricht wenig gegen und vieles
für Neueinstellungen, denn im euro­
päischen Vergleich steht Deutsch­
land schlank da, was sowohl die Ar­
beitnehmerentgelte in Prozent des
Bruttoinlandsproduktes als auch
die Personalausgaben in Prozent
des deutschen Gesamthaushaltes
betrifft: Die Personalausgaben sind
von 1997 bis 2014 von 11,9 Prozent
beinahe stetig auf 9,9 Prozent ge­
sunken und werden bis 2019 voraus­
sichtlich weiter sinken – ein Zeichen
für die restriktive Personalpolitik im
öffentlichen Dienst. Im Europaver­
gleich gibt die Bundesrepublik mit
Abstand am wenigsten für das Perso­
nal im öffentlichen Sektor aus: Unter
den Entgeltausgaben von 7,6 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts stehen
lediglich die Tschechische Republik
mit 7,4 Prozent und die Slowakei mit
7,1 Prozent. Zum Vergleich geben
Spitzenreiter Dänemark 18,3 Prozent
und Finnland 14,5 Prozent des Brut­
to­inlandsprodukts für Arbeitnehmer­
entgelte aus. Daraus ergeben sich im
direkten Vergleich finanzielle Spiel­
räume, die genutzt werden sollten,
wenn Deutschland auch in Zukunft
einen reaktionsfähigen öffentlichen
Dienst bereithalten will, auf den sich
Bürgerinnen, Bürger und Wirtschaft
verlassen können.
Zahlen Daten Fakten 2016 kann
über die Homepage des dbb unter
www.dbb.de als PDF herunter­
geladen werden.
Altersstruktur der Beamtinnen und Beamten des Bundes
(inkl. Richterinnen und Richter) im Vergleich der Jahre 2000 und 2014
2000
Altersgruppe
unter 25 Jahre
Anzahl
8 965
2014
%
Anzahl
%
6,8
2 580
2,0
12,9
25 bis 34 Jahre
31 405
23,7
16 355
35 bis 44 Jahre
41 078
31,0
33 175
26,3
45 bis 54 Jahre
29 353
22,1
46 055
36,5
55 bis 59 Jahre
14 038
10,6
17 515
13,9
7 745
5,8
10 620
8,4
132 584
100
126 300
100
ab 60 Jahre
Summe
Quelle: destatis, 2015
16.12.15 13:34
Jahrestagung Köln 2016
dbb journal
Steffi S., Elektronikerin bei der Bundeswehr
Öffentlicher Dienst ist unverzichtbar. Deswegen fordern wir, was uns zusteht!
Ohne Bundeswehr und Bundeswehrverwaltung, Feuerwehrleute, Polizisten und Zöllner gibt es weder Sicherheit
noch Ordnung. Beim Krankenpflegepersonal ist unsere Gesundheit in den besten Händen. Ohne Straßenwärter und
Müllwerker sorgt niemand für freie Bahn und saubere Umwelt. Und wenn die Verwaltung nicht funktioniert, geht
es in Deutschland drunter und drüber – zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Öffentlicher Dienst ist unverzichtbar.
www.dbb.de
15
<<
Politik-TÜV
Spätestens die Wirtschafts- und Finanzkrise hat einer Lieblingsbeschäftigung unserer Politiker zu neuer
Hochkonjunktur verholfen: das Aufden-Prüfstand-Stellen. Alles und
­jedes wird gedreht und gewendet,
zerlegt und neu zusammengesetzt.
Dass Gesetze und Verordnungen indes keine Motoren sind, deren Schäden und Macken ein guter Mechaniker exakt zu diagnostizieren und zu
beheben weiß, tritt in den Hintergrund: Beim politischen Auf-denPrüfstand-Stellen riecht es förmlich
nach Boxenstopp, nach Sprit und Öl,
anders gesagt: Sachkunde und kreatives Know-how sollen signalisiert
werden. Doch das ist – mit Verlaub
– nicht immer zutreffend, und das
vermeintlich objektive Auf-den-Prüfstand-Stellen entpuppt sich so manches Mal als semantische Hohlraumversiegelung.
Inzwischen funktioniert der Staatsmotor so komplex und kompliziert,
dass Korrekturen hier unweigerlich
zu Verwerfungen dort führen. Jedes
16
Drehen an irgendwelchen Stellschrauben setzt Kettenreaktionen
in Gang, die gut Gemeintes ganz
schnell zum sprichwörtlichen Sand
im Getriebe werden lassen. Unsere
Auf-den-Prüfstand-Steller sollten
sich deshalb nicht scheuen, ihre Reparaturergebnisse durch den PolitikTÜV zu bringen. Dabei könnte es
durchaus sein, dass so manches Päckchen ohne Plakette bliebe, weil sein
Inhalt wieder einmal an der falschen
Stelle einwirken würde. Kurzsichtige
Spareingriffe in den Motor des öffentlichen Dienstes dürften – ob mit
oder ohne Prüfstand – zweifellos
dazu gehören. Denn eines ist sicher,
nur die Ausgaben von heute ermög­
lichen das Wachstum von morgen.
Oder mit den Worten einer lebenserfahrenen Großmutter ausgedrückt:
„Billiges habe ich mir auf Dauer nie
leisten können.“
<<
Pins & Puks
Der moderne Mensch ist gläsern, so
gläsern, dass er es meist selbst nicht
weiß. Würde er das Recht auf Wahrung seiner Privatsphäre konsequent
einfordern, müsste er Internet, Kreditkarte, Rabattpunkte und Co meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Aber da wir von den Informationsebenen hinter unseren Pins & Puks
nichts wissen oder besser gesagt,
nichts wissen wollen, sind wir stillschweigend damit einverstanden,
dass es aufschlussreiche Käufer-Nutzer-Freizeit-Userprofile von uns gibt,
die nicht nur unsere (geheimen) Vorlieben transparent machen, sondern
auch unser Finanzverhalten und das
Ringen um den letzten Cent. Wie
sonst sollten einschlägige Unternehmen der freien Wirtschaft, die diese
Daten teuer bei der Post oder den
Kommunen einkaufen, wissen, was
für maßgeschneiderte Angebote sie
uns machen sollen?
Einem unbestätigten Gerücht zufolge haben kürzlich die öffentlichen
Arbeitgeber die Konsumentenprofile
aller Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes erworben, um neue Argumente für die anstehende Einkommensrunde zu gewinnen. Die Auswertung hat etwas länger gedauert
als fünf Verhandlungsrunden, aber
©Bacho Foto – Fotolia.com
Politik contra Bürger –
satirisch betrachtet
Jahrestagung Köln 2016
<<
Staatsbedarfsartikel
Not macht erfinderisch, Finanznot
ganz besonders. Bund, Länder und
Kommunen beweisen in Zeiten knap­
per Kassen einen schier unerschöpf­
lichen Erfindungsreichtum, wenn es
darum geht, die Bürger ebenso zu
schröpfen wie die Beschäftigten.
­Zunehmend öfter wird die Parole
ausgegeben „Staat privat“. Gibt es
beispielsweise nicht genug Betreu­
ungsplätze für Kinder unter drei Jah­
ren, sollen staatlich geförderte priva­
te Tagesmütter als Ersatzpersonal in
die Bresche springen und den Bedarf
in den eigenen vier Wänden decken.
Drei bis sechs Kids dürfen es schon
sein, bei entsprechendem Raum­
angebot auch gerne mehr. Ob die
Option des staatlichen Aufgaben-­
Delegationsprinzips auch für die
überfüllten, personalschwachen
­Vollzugsanstalten Anwendung fin­
den kann, wird derzeit auf höchster
Ebene geprüft. In diesem Bereich
werden dann insbesondere Hausbe­
sitzer gefordert sein, die über massiv
gebaute Kellerräume verfügen.
Damit alles seine Ordnung hat und
die Ausstattungen den hohen Stan­
dards der öffentlichen Verwaltung
genügen, sind Verhandlungen mit
den großen Baumarktunternehmen
im Gange, die neben den Angeboten
an Hobby- und Bastelbedarf künftig
auch Abteilungen mit Staatsbedarfs­
artikeln einrichten sollen. Dort kön­
nen dann flächendeckend nicht nur
pädagogisch wertvolle Kinderbetreu­
ungsequipments erworben werden,
sondern auch Sicherheitspakete von
der Fußfessel bis zur soliden Gitter­
strebe zum nachträglichen Einbau in
die Souterrainfenster. Auf einhellige
Ablehnung gestoßen ist allerdings
die Einbeziehung von No-Name-Dis­
countern, die zwar ähnliche Sorti­
mente vorhalten könnten, aber die
hohen Standards der öffentlichen
Verwaltung nicht erfüllen. Was der
Staat anbietet, muss ohne Wenn und
Aber hochwertig sein und Bestand
haben. Schließlich geht es um das
Wohl der Bürger und den Einsatz von
Steuermitteln. Dem werden Billig­
anbieter nicht gerecht, denen es nur
um Gewinnmaximierung geht, weil
sie den Ausverkauf von Staatsbe­
darfsartikeln bei mangelnder Nach­
frage nicht ausschließen wollen.
­Undenkbar, eine solche Perspektive
für die Zukunft des Sozialstaats.
<<
Gut gemeint ...
... ist längst nicht immer gut. Manche
Politiker meinen es zwar gut mit den
von ihnen auf den Weg gebrachten
Gesetzen und Verordnungen. Doch
was in der Theorie rund ist, erweist
sich in der Praxis ziemlich oft als
freie-kreation - Fotolia
jetzt liegen die Ergebnisse auf dem
Tisch. BMI Thomas de Maizière hat
sie aber nach kursorischer Lektüre
zur Geheimen Chefsache erklärt.
„Nicht auszudenken, wenn davon
­etwas bekannt würde“, soll der Mi­
nister gesagt haben, „sonst müssten
wir wohl mindestens zehn Prozent
drauflegen.“
dbb journal
eckig: Alexander Do­brindt ist dabei,
die Maut in den Sand zu setzen.
Wolfgang Schäuble tut es ihm mit
der Erbschaftsteuer gleich, Sigmar
Gabriel dreht Pirouetten bei der
Energiewende, Ursula von der Leyen
kämpft mit einem Gewehr ohne Ge­
währ und Andrea Nahles ist mit dem
von ihr (und anderen) schöngerede­
ten Tarifeinheitsgesetz in Karlsruhe
gelandet. Aber das ist noch gar nichts
gegen den Unbill, den die Arbeits­
ministerin sich durch ihren Paternos­
ter-Coup einhandelte. In der neuen
Betriebssicherheitsverordnung hat
sie es auf Personenumlaufaufzüge,
sprich Paternoster, abgesehen und
lässt aus purer Sorge um des Bürgers
Wohlergehen seit dem 1. Juni 2015
nur noch geschulte Beschäftigte in
die Aufzug-Dinos. Unbedarfte Kauf­
hauskunden oder Behördenbesucher
müssen sogar ganz außen vor blei­
ben.
Eines war Andrea Nahles sicher:
­Publicity, wenn auch keine schmei­
chelhafte. Und wachsender Wider­
stand, vor allem aus den Kommunen,
stemmte sich der Ministerin und ih­
rem Paternoster-Stopp entgegen.
Der Druck war zu groß, und bereits
einen Tag nach dem Verbot ruderte
sie zurück. Die Sicherheit der „VWKäfer unter den Aufzügen“ – so die
Ministerin auf Facebook – soll kon­
kret vor Ort entschieden werden dür­
fen, und die Bundesländer wurden
ermächtigt, die in die Aufzugs-Welt
gesetzten Beschränkungen aufzuhe­
ben. So weit, so gut, oder doch nur
gut gemeint? Denn hier hätte sich
eine neue hoheitliche Aufgabe im
Bereich der öffentlichen Sicherheit
für Polizeibeamte des Bundes und
der Länder (je nach Standort und Be­
treiber der PersonenumlaufaufzugsAnlagen) ergeben: Knapp 400 Pater­
noster sind bundesweit noch in
Betrieb. Das hätte mindestens 1 000
Neueinstellungen im Paternoster­
dienst zur Einweisung und Kontrolle
der Nutzer erfordert. Das wäre kon­
sequent gewesen statt lässig abzu­
winken nach dem Motto „hab’s doch
nur gut gemeint“ ... 17
Koelnmesse:
Tagungsstätte mit Tradition
Seit 2006 findet die dbb Jahrestagung in Köln statt. Ausschlaggebend für den Wechsel aus
dem fränkischen Bad Kissingen an den Rhein waren sowohl die steigenden Teilnehmerzahlen, die eine größere Veranstaltungsfläche notwendig machten, als auch die wachsenden Anforderungen an die Tagungstechnik. Das Congress-Centrum Nord der Koelnmesse
bietet Platz und Technik für alle Ansprüche.
Im April 1920 wurde auf Initiative
des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer erstmals ein Messe­
projekt für die geplante „Rheinische
Musterschau“ präsentiert. Am 2.
März 1922 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung den Bau am
Deutzer Ufer auf einer Fläche von
30 000 Quadratmetern. Am 11. Mai
1924 fand nach nur elf Monaten Bauzeit die Eröffnung mit der Kölner
Frühjahrsmesse statt: 600 000 Gäste
wurden gezählt, während die Leipziger Frühjahrsmesse 1924 lediglich
176 500 Besucher verzeichnete. Der
Erfolg hielt an, und das Ausstellungsgelände wurde 1928 auf 66 500 Quadratmeter erweitert. Rund um die
Messehallen entstanden zudem der
Messeturm, die Rheinhallen, das
Staatenhaus und eine Gartenanlage.
schaftswunder in den 50er-Jahren
kamen auch der KoelnMesse zugute:
Die erste photokina wurde 1950
­veranstaltet, die Anuga, die globale
Ernährungsmesse, kehrte nach
14-jähriger Unterbrechung nach
Köln zurück. Beide Messen gehören
heute zu den sogenannten Weltleitmessen ihrer Branchen.
Erst im September 1947 fand auf
dem notdürftig instand gesetzten
Gelände mit der Kölner Herbstmesse
die erste Nachkriegsveranstaltung
statt, die von 60 000 Gästen besucht
wurde. Aufschwung und Wirt-
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©Blacky – Fotolia.com
In der Zeit des NS-Terrors wurde das
Messeglände unter anderem als Internierungslager für Kriegsgefangene sowie als Sammellager für Juden,
Roma und Sinti missbraucht. Der Initiator des Messegeländes, Konrad
Adenauer, wurde am 23. August
1944 verhaftet und in das „Arbeitserziehungslager Messe Köln“ gebracht. Er stand im Verdacht, am
­Attentat gegen Hitler beteiligt gewesen zu sein. Ende September 1944
wurde er in das Zuchthaus Brauweiler verlegt, aus dem er Ende November 1944 entlassen wurde.
<
< Der Messeturm aus dem Jahr 1928.
Das Messegelände wuchs 1956 wieder auf 66 000 Quadratmeter; 1974
waren es 159 000 Quadratmeter,
1977, durch den Bau der Ost-Hallen,
203 000 Quadratmeter. Heute stehen
Ausstellern und Besuchern 284 000
Quadratmeter Hallen- sowie 100 000
Quadratmeter Außenfläche für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung.
Die Koelnmesse entwickelte sich, gemessen an der Ausstellungsfläche,
zum fünftgrößten Messeveranstalter
der Welt. Jährlich finden über 80
Messen, Ausstellungen und sonstige
Veranstaltungen mit knapp drei Millionen Besuchern statt. Zudem betreut die KölnKongress GmbH, eine
Tochtergesellschaft der Koelnmesse
und der Stadt Köln, rund 2 000 Kongressveranstaltungen im Jahr, die in
den Congress-Centren Nord und Ost
sowie unter anderem im Festhaus
Gürzenich oder im Tanzbrunnen
stattfinden. An diesen Veranstaltungen nehmen im Jahr über eine Million Gäste teil.
Die Koelnmesse gibt der Stadt und
der Region starke wirtschaftliche Impulse. Rund 115 000 Vollzeitjobs hängen allein vom Messegschäft ab. Die
Hälfte aller Übernachtungsgäste in
Köln sind Messebesucher. Mit dem
Projekt Koelnmesse 3.0, einem 600
Millionen Euro umfassenden Investitionsprogramm, soll bis 2030 das
Südgelände modernisiert werden,
einschließlich der Verkehrswege und
der Besucherlenkung. Auch weitere
Neubaukomplexe sind geplant, unter
anderem Logistik- und Parkflächen
im Umfeld. Dass die gesamte Koelnmesse behindertengerecht gestaltet
ist, versteht sich fast von selbst.
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Herausforderung für
die Demokratie –
Politik contra Bürger?