Denken ist der schlimmste Zustand

GELD & MARKT
PFORZHEIMER ZEITUNG
FREITAG, 19. FEBRUAR 2016
9
JO URNAL
Sammelklage
gegen Daimler
N EWA R K . Ein Autobesitzer in
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Weitere Inf
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Eine interessierte Zuhörerschaft kam gestern ins Pforzheimer CongressCentrum zur alljährlichen Fachveranstaltung der Goldstadt-Unternehmen Meyle + Müller und Apollon.
FOTOS: CARSTEN KLÖPPER (2)/TILO KELLER
„Denken ist der schlimmste Zustand“
■ New Business Summit
zeigt die Möglichkeiten der
neuen Medientechnik.
■ Rund 250 Teilnehmer
informieren sich über
Trends der Digitalbranche.
GERD LACHE | PFORZHEIM
E
in nagelneues PorscheModell düst werbeträchtig
durch
eine
herrliche
Landschaft irgendwo in mediterranen Gefilden. Musste der Stuttgarter Sportwagenhersteller seinen Prototypen für die Film-Aufnahmen an den südlichen Drehort transportieren? Nein, erklärte
Fernando Saal, Visualisierungsspezialist der Porsche AG: Die
Aufnahmen würden mit dem
Vorgängermodell aufgenommen.
Zu Hause werde das Fahrzeug in
digitaler Verarbeitung durch das
neue Modell ersetzt. Porsche VR
(Virtual Reality) nennt Saal als
Zauberwort. Mit lediglich einem
Bild-Datensatz können diverse
Abteilungen für ihre verschiedenen Anforderungen bedient werden, ob Marketing-, Werbe- oder
Presseabteilung.
Das war nur einer von rund
zehn bemerkenswerten Vorträgen und Events, die gestern im
CongressCentrum
Pforzheim
rund 250 Teilnehmer des New
Media Summit erlebt haben.
Zum Beispiel auch dies: Vor der
Halle gab’s Probefahrten mit dem
Tesla-Elektroauto. Einige Daten
des Modells S: von 0 auf 100 in
drei Sekunden, Spitzengeschwindigkeit 250 Kilometer pro Stunde
und Maximalreichweite von rund
500 Kilometern, in 30 Minuten
ist der Akku zu knapp 80 Prozent
Eine Probefahrt im PS-starken Elektroauto Tesla gehörte zum Programm des New
Business Summits im CongressCentrum Pforzheim. Von links: Norbert Weckerle
(Apollon), Oliver von Radowitz (Tesla Motors) und Eugen Müller (Meyle + Müller).
Der Psychologe und Hirnforscher HansGeorg Häusel gab Tipps für eine wirksame Web-Gestaltung.
Die Siege und Niederlagen des Norbert Haug
Mit diesem Schmankerl aus seiner
Jugendzeit hat der gebürtige
Pforzheimer Norbert Haug gestern die Zuhörer zum Schmunzeln
gebracht: Ausgerechnet er, der
von 1990 bis 2012 prominenter
Motorsport-Chef von MercedesBenz war, ist kurz vor seinem
18. Geburtstag „durch die Führerscheinprüfung geflogen“. Schuld
sei die damals frisch eingerichtete
„aufgetankt“. Ein besonderer Höhepunkt für die Gäste war der Besuch von Norbert Haug, Ex-Motorsport-Chef bei Mercedes-Benz.
Er ließ sich bereitwillig an der
Fotowand mit seinen Fans ablichten und erzählte hernach von
seinem Leben im Formel-1-Rennzirkus. Veranstalter dieses jährlich stattfindenden Spektakels:
Mediendienstleister Meyle + Müller und dessen Tochterunternehmen Apollon (beide Pforzheim).
Weiße Zone in der
Goldstadt gewesen,
die anfangs für Verkehrschaos gesorgt
hatte. Der Prüfling
Haug habe das Tohuwabohu mit einem beherzten
Norbert Haug
Schlenker über die
Gegenfahrbahn umlenkt – ein Kardinalfehler. Mit Niederlagen musste er
Szenenwechsel: Eine Kaffeemaschine irgendwo in einem Haushalt stehend – sie vermag weitaus
mehr, als nur den braunen Wachmacher zu produzieren. Gehen
Bohnen oder Pulver zur Neige,
dann bestellt sie selbstständig
zum besten Preis die beste Qualität. Dies erläuterte im CCP Wolfgang Hensler, Professor für Visuelle Kommunikation und Experte
für digitale Medien an der Hochschule Pforzheim. Amazon gehe
auch später umzugehen lernen.
Etwa 2007 in Brasilien, als Lewis
Hamilton die fast sicher geglaubte
Weltmeisterschaft der Formel 1
vermasselt hatte. Haug: „Das tut
noch heute weh, fast mehr als
physischer Schmerz.“ Aber der
Trost kam ein Jahr später. An gleicher Stelle fuhr Hamilton in seinem Boliden mit einem Punkt
Vorsprung den Sieg ein. gel
noch weiter. Der Online-Riese
biete Buttons, die auf diverse Geräte wie Kühlschrank oder Toilettenpapierabroller geklebt werden
können. Muss beispielsweise
Milch oder Toilettenpapier nachbestellt werden, dann reicht ein
Druck auf den „Dash Button“ und
der Bestellvorgang erledigt sich
wie von selbst.
„Shopping made simple“ (Einkaufen leichtgemacht) sei ein Erfolgsrezept, meinte der Profes-
sor: „Je weniger kognitive Energie ich vom Kunden abfordere,
desto erfolgreicher bin ich.“
Ähnlich sieht’s auch Hans-Georg Häusel, promovierter Diplom-Psychologe und Vordenker
des Neuromarketings. Alles müsse so einfach wie möglich sein,
denn: „Denken ist für das Gehirn
der schlimmste Zustand.“ Immerhin müsse dieses Organ 20
Prozent der Körperenergie für
diesen Prozess aufbringen. Außerdem sei es stark auf Emotionen fokussiert. Häusel: „Was keine Emotionen auslöst, ist sinnlos“ – zumindest für das Gehirn.
Und wer benötigt die Erkenntnisse des Hirnforschers? Zum
Beispiel die Marketing-, Werbeund Verkaufsabteilungen in diversen Unternehmen. Außerdem
jene Web-Gestalter, die möglichst viele Kauf-Klicks auf den
Online-Shops erzeugen wollen.
Sie müssten sich laut Häusel unter anderem an folgenden Kriterien orientieren: Der erste Eindruck beim Ankommen auf der
Startseite sei wichtig, also nicht
überladen und ansprechend gestaltet. Dann sollten immer wieder kleine positive Überraschungen geboten werden. Google
praktiziere dies hervorragend
mit dem „Doodle“, einem Logo
über dem Suchfenster, das zu bestimmten Ereignissen umgestaltet wird. Eine möglichst einfache
Handhabung mit intuitiver Bedienung sei unerlässlich, ebenso
Hilfestellungen bei Fragen des
Nutzers sowie die Angaben über
Lieferzeit und Lieferwege. Nicht
zuletzt dürfe der potenzielle
Kunde weder durch lästige Werbefenster noch mit Videos belästigt werden, die nicht weggeklickt werden können. Sonst,
sagte Häuser: „Sinkt die Kundenstimmung in den Keller.“
Hudson’s beflügelt Kaufhof
den USA hat eine Sammelklage
gegen den Autobauer Daimler
wegen angeblichen Betrugs bei
Abgaswerten eingeleitet. Bei
BlueTec-Diesel-Modellen überschreite der Ausstoß von Stickoxid (NOx) die gesetzlichen
Vorschriften in den USA bei
Temperaturen unter zehn Grad
Celsius um das 65-fache, heißt
es in der gestern bei einem Bezirksgericht in Illinois eingereichten Klageschrift.
Dem Konzern werden sowohl
Verstöße gegen US-Umweltgesetze als auch auch Irreführung
von Verbrauchern beim Autokauf vorgeworfen. Daimler
streitet die Vorwürfe entschieden ab. „Wir halten die Klage
für unbegründet“, sagte eine
Sprecherin. Das Unternehmen
werde die Unterlagen jetzt prüfen. Bei der Mercedes C-Klasse
gab es in der Vergangenheit bereits Vorwürfe der Deutschen
Umwelthilfe. dpa
Ölpreise steigen
plötzlich wieder
N EW YO R K / WIE N. Die Ölpreise
haben gestern an ihre starken
Gewinne vom Vortag angeknüpft und weiter zugelegt.
Händler erklärten dies mit der
Hoffnung auf eine Begrenzung
der Fördermenge und Spekulationen auf eine stärkere Ölnachfrage in den USA. Ein
Grund sind Bemühungen führender Förderländer, das hohe
Angebot an Rohöl auf dem
Weltmarkt einzudämmen. Zuletzt hatte auch der Iran, für
den jahrelange Handelssanktionen aufgehoben worden waren,
eine russisch-saudische Initiative zur Begrenzung der Förderung begrüßt. Saudi-Arabien
und Russland sind die größten
Ölmächte der Welt. Beide Länder stehen für etwa ein Fünftel
der Gesamtförderung. Sie hatten angekündigt, die Menge auf
dem Januar-Niveau einfrieren
zu wollen. dpa
Z A H L D E S TA G E S
30
Prozent aller offenen Stellen
in Deutschland werden nach
Erkenntnissen von Arbeitsmarktforschern über persönliche Kontakte besetzt. Entwicklung und Pflege von persönlichen Netzwerken lohnten sich daher für Arbeitgeber
und -nehmer, heißt es in einer
gestern veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
(IAB) in Nürnberg. dpa
Warenhaus-Chef Van den Bossche zieht erste Zwischenbilanz nach der Übernahme: Die Umsätze wachsen wieder
ERICH REIMANN I DÜSSELDORF
Rund 100 Tage nach dem Verkauf
der Warenhauskette Kaufhof an
den kanadischen Handelskonzern
Hudson’s Bay Company (HBC) hat
Kaufhof-Chef Olivier Van den
Bossche eine positive Zwischenbilanz gezogen. „Die Umsätze wachsen wieder trotz eines schwierigen
Geschäftsfeldklimas und eines
wettbewerbsintensiven Umfeldes“,
betonte der Manager in einer Mitarbeiterinformation.
Die Warenhauskette habe im
wichtigen
Weihnachtsgeschäft
Marktanteile hinzugewonnen und
liege im operativen Ergebnis trotz
zahlreicher Rabattaktionen „etwa
auf Vorjahresniveau“, sagte er.
HBC hatte Kaufhof im Herbst vergangenen Jahres für einen Kaufpreis von 2,8 Milliarden Euro vom
Düsseldorfer Handelsriesen Metro
übernommen.
Investitionen in die Kaufhäuser,
neue Designer-Outlets und der
Ausbau des Online-Handels sollen
nach den Plänen der kanadischen
Investoren den Umsatz von Kaufhof beflügeln. „HBC hat Investitionen deutlich jenseits des früheren
„Die kennen sich aus mit
Warenhäusern und sind
auch im Online-Geschäft
erfolgreich.“
Vom neuen Kaufhof-Eigentümer Hudson
Bay Company (HBC) erwartet sich die
Pforzheimer Geschäftsführerin Ines Richter positive Impulse für Galeria Kaufhof.
Volumens zugesagt“, betonte er.
Allein in diesem Jahr seien mehr
als zehn Filialumbauten geplant,
unter anderem in Stuttgart, Düsseldorf, Berlin und Frankfurt. Das
traditionsreiche Pforzheimer Haus
Die Geschäfte bei Galeria Kaufhof laufen derzeit gut.
FOTO: WOITAS
war noch unter Metro-Regie umgebaut worden.
Außerdem bereitet der Konzern
die schnelle Einführung des in
den USA sehr erfolgreichen Designer-Outlet-Formats Saks OFF 5th
in fünf deutschen Städten vor.
Dort wird hochwertige Kleidung
zu Discount-Preisen verkauft. „Wir
gehen derzeit davon aus, dass im
Frühling 2017 die ersten Outlets
öffnen werden“, meinte der Manager. Die deutschen Geschäfte würden jedoch nicht einfach ein Klon
des US-Formats sein, sondern auf
die Kunden und den Markt in
Deutschland abgestimmt. Auch
der Online-Shop von Kaufhof soll
aufgewertet werden. Ziel sei es,
den Umsatzanteil des Internetgeschäfts von drei auf zehn Prozent
zu steigern, sagte der Manager.
Um dies zu erreichen, werde man
die Online-Reservierung in der
nächstgelegenen Filiale oder den
zeitsparenden Versand anbieten.
Wiedeking
muss noch zittern
STU TTG A R T. Die Stuttgarter
Staatsanwaltschaft will Ex-Porschechef Wendelin Wiedeking
und dessen ehemaligen Finanzvorstand Holger Härter wegen
ihrer Rolle in der VW-Übernahmeschlacht 2008 hart bestrafen. Laut Plädoyer der Ankläger
von gestern soll Wiedeking eine
Freiheitsstrafe von zwei Jahren
und sechs Monaten bekommen, das Strafmaß für Härter
soll bei zwei Jahren und drei
Monaten liegen. Hinzu sollen
Geldbußen von je einer Million
Euro kommen. Die Angeklagten sollen in der VW-Übernahmeschlacht 2008 mit gezinkten
Karten gespielt und dadurch
den Markt manipuliert haben.
Die beiden bestreiten das, die
Verteidigung pocht auf einen
Freispruch. lsw
PZ vom 19.02.2016
NUMMER 41