Das Schlimmste ist, den Kunden zu enttäuschen

FP_D_Bert Flossbach+Kurt von Storch_Interview_NXP_5_XXX_g 15.11.2015 15:43 Seite 244
„Das Schlimmste ist, den Kun
cover I bert flossbach und kurt von storch | flossbach von storch
Bert Flossbach und Kurt von Storch über die Gründung ihres Unternehmens, das rasante Wachstum der vergangenen Jahre und die Frage, was sie tun, damit Flossbach von Storch eines Tages auch ohne sie existieren kann.
Herr Flossbach, Herr von Storch, es
war gar nicht so einfach, einen Termin mit Ihnen zur gleichen Zeit im
gleichen Raum zu bekommen.
Bert Flossbach: Früher war das anders.
Anfangs wollten die Kunden natürlich
sehen, wem sie ihr Geld da eigentlich anvertrauen. Heute ist das kaum noch möglich, aber
glücklicherweise auch nicht mehr nötig, da
wir hoch qualifizierte Mitarbeiter haben.
Kurt von Storch: So wie jetzt saßen wir auch
bei Goldman nebeneinander. Ellenbogen an
Ellenbogen, wie in der Legebatterie.
Heute liest und hört man viel über den
Erfolg der Firma. Wie es dazu kam,
wissen die wenigsten. Also, was ist die
Geschichte hinter der Entstehung von
Flossbach von Storch?
Von Storch: Das hat viel mit Köln zu tun. Wir
haben uns Mitte der 1980er-Jahre als Studenten der Betriebswirtschaft kennengelernt. Es
gab damals vom Lehrstuhl für Bankbetriebslehre einen Wertpapierfonds, den die WestLB
mit echtem Geld ausgestattet hatte, ich glaube,
es waren 100.000 D-Mark. Die Studenten
durften dieses Portfolio unter Aufsicht eines
Assistenten bewirtschaften, jeden Montag um
19 Uhr in Raum 110. Die Leidenschaft für die
Börse hat uns zusammengebracht. 1992 trafen
wir uns dann bei Goldman Sachs wieder, wo
wir das Privatkundengeschäft der Bank in
Deutschland aufgebaut haben. Im Privatkundensegment war der Name damals noch völlig unbekannt. Eine Reaktion war: „Ach, Sie
arbeiten jetzt für Gunter Sachs, das ist ja toll!“
244
»Die Unternehmens-
gründung war schon
ein Lausbubenstreich.
1999 stand der Börsengang von Goldman
bevor, da wären wir gut
bedacht worden.«
Kurt von Storch, Flossbach von Storch
Flossbach: Wir hatten große Freiheiten. Wir
haben die Kunden akquiriert, betreut und die
Portfolios selbst gesteuert – ein heute undenkbares Konzept innerhalb einer Großbank.
Von Storch: Irgendwann wuchs der Wunsch,
in die Selbstständigkeit zu gehen. Den Plan
ließen wir über ein Jahr reifen, außerdem
brauchten wir eine Zulassung als Finanzportfolioverwalter, was damals ganz neu eingeführt wurde und einige Zeit in Anspruch
nahm. Das war schon ein Lausbubenstreich,
denn der Zeitpunkt war gar nicht so clever
gewählt: Goldman Sachs war damals eine
Partnerschaft, 1999 stand der Börsengang
bevor, da wären wir gut bedacht worden.
Die Goldmänner haben dank des
Börsengangs viel Geld verdient. Warum
haben Sie darauf verzichtet?
Flossbach: Daran sehen Sie, dass wir das Unternehmen nicht aus rein pekuniären Motiven
gegründet haben, sondern weil wir unabhängig sein wollten. Wir haben unser Erspartes
in die Firma gesteckt und anfangs auch ohne
Gehalt gearbeitet. Was der Goldman-Börsengang bedeutete, wurde uns erst später so richtig bewusst: In einer Partnerschaft, in der die
Partner mit ihrem eigenen Geld haften, haben
Sie eine Risikokultur, die sich dramatisch von
der in großen börsennotierten Gesellschaften
www.fondsprofessionell.de | 4/2015
unterscheidet. Die Folgen haben wir erlebt. Rückblickend war der Schritt in die
Selbstständigkeit genau der richtige.
Haben Sie damals zu zweit angefangen,
oder waren Kollegen an Bord?
Flossbach: Wir waren zu fünft. Einer
davon ist Bernd Model, der heute Flossbach von Storch in Zürich leitet.
Konnten Sie Kunden mitnehmen?
Von Storch: Es gab einige Kunden, die die
Unternehmensgründung wohlwollend
begleitet haben, auch weil sie selbst Mittelständler sind. Zum Start hatten wir
Mandate im Gegenwert von etwa 100
Millionen Euro. Allerdings muss man
wissen, dass das größtenteils Kunden waren,
die wir zu Goldman gebracht hatten.
Die ersten Jahre müssen schwierig gewesen sein. Erst pumpte sich die Tech-Blase
auf, dann platzte sie.
Von Storch: Es war furchtbar. Wir hatten nicht
die angesagten Technologiefonds zu bieten,
die damals das große Geld anzogen. Und wir
konnten nicht auf einen jahrelangen Track
Record verweisen nach dem Motto: Wir wissen, dass wir in diesem Jahr nur fünf Prozent
im Plus liegen, nicht 50, aber schau dir die
vergangenen zehn Jahre an, da haben wir bewiesen, dass wir es können. Wir standen vor
der Wahl, ob wir recht haben wollten und keine Kunden mehr oder ob wir uns irgendwie
durchboxen und einen vertretbaren Mittelweg
finden. Letztlich ist aus dieser Phase die Stärke der Firma erwachsen. Stellen Sie sich vor,
wir hätten 1999 gesagt, wir brauchen mehr
von diesem Tech-Zeug? Dann hätten wir
unsere Kunden kurzfristig mit enormer Performance beglückt – und wären 2001 oder
2002 implodiert. Das ist aber nicht passiert.
Flossbach: In diesen verrückten Jahren habe
ich meine grauen Haare bekommen. Das
Schlimmste in unserem Geschäft ist, wenn
man seine Kunden enttäuscht – gerade diejenigen, die anfangs den Weg mit einem gegan-
Foto: © Christoph Hemmerich
V
on 100 Millionen auf 22 Milliarden Euro binnen 16 Jahren: Bert
Flossbach und Kurt von Storch,
beide Jahrgang 1961, haben die größte
Erfolgsgeschichte geschrieben, die das
deutsche Asset Management seit Langem
erlebt hat. Im Interview blicken die beiden
Gründer zurück auf turbulente Anfangsjahre – und verraten, was sie mit ihrem
Unternehmen noch vorhaben.
FP_D_Bert Flossbach+Kurt von Storch_Interview_NXP_5_XXX_g 16.11.2015 15:14 Seite 245
den zu enttäuschen“
e
Verpassen Si
ag von
nicht den Vortr
sbach
Dr. Bert Flos
ofessionell
pr
S
ND
FO
am
Mannheim
KONGRESS in
.
un
.
am 27 d 28
Jan. 2016
»Zum Glück hatten
wir in den Jahren
nach dem Crash
große Privatkunden,
die uns die Stange
gehalten haben. Das
war ein ganz wichtiger Stabilisator, der
uns erlaubt hat,
weiterhin Leute
einzustellen.«
Bert Flossbach, Flossbach
von Storch
gen sind. Das war eine schreckliche Erfahrung, aber auch ein guter Test, ob wir als
Team funktionieren. Rückblickend war es gut,
zum Start erst einmal Gegenwind zu bekommen. Ich glaube, wir haben in dieser Zeit
wirklich Antikörper gebildet. Außerdem haben wir damals unsere Investmentphilosophie
weiterentwickelt, auf die unser Pentagramm
mit den fünf Anlageprinzipien zurückgeht:
Diversifikation, Qualität, Flexibilität, Solvenz
und Wert. Zum Glück hatten wir in den Jahren nach dem Crash große Privatkunden, die
uns die Stange gehalten haben. Das war ein
ganz wichtiger Stabilisator, der uns erlaubt
hat, weiterhin Leute einzustellen. Wir konnten
nach vorne schauen und waren nicht nur in
der Verteidigung.
Dann kam die Finanzkrise.
Flossbach: Im Jahr 2007 ist etwas sehr Bemerkenswertes passiert. Eigentlich sind wir
Stockpicker und kommen nicht aus dieser
klassischen Makrowelt. Doch dann kamen
Themen auf wie Subprime oder Monoliner,
diese obskuren Kreditversicherer. Wir haben
davon gelesen und uns gefragt, was das
eigentlich für uns hier in Deutschland und für
unsere Investments bedeutet. Das alles habe
ich mir im Sommer 2007 von der Seele geschrieben. In einem Quartalsbericht haben wir
die Subprime-Thematik erklärt und die ausfallgefährdeten Tranchen mit einem Totenkopf
illustriert, um einen kleinen Schocker einzubauen. Ich habe mir eines Tages gesagt: Wenn
das alles wahr ist, stehen wir vor einem
Kollaps. Das hat uns dazu veranlasst, den im
Oktober 2007 aufgelegten Multiple Opportunities anders auszurichten als eigentlich ge-
plant. Ursprünglich sollte das ein reines Equity-Vehikel werden, mit Aktien, Wandelanleihen und vielleicht noch Corporate Bonds.
Doch dann haben wir uns für einen AbsoluteReturn-Ansatz entschieden: Wenn wir ein
Problem sehen, sollten wir die Möglichkeit
haben, das Portfolio davor zu schützen. Wir
hatten zum Beispiel Put-Optionen auf die einschlägigen Namen im Portfolio, darunter auch
Lehman Brothers. Gold kauften wir eher in
geringen Mengen, denn der Fonds war ja
hauptsächlich für unsere Kunden aus der Vermögensverwaltung gedacht, und die hatten ihr
Gold schon im Depot. Das Jahr 2008 beendeten wir zwar im Minus, das sich mit knapp 14
Prozent aber noch im Rahmen hielt. 2009 erreichte der Fonds mit nur 50 Prozent Aktienquote ein Plus von über 40 Prozent, vor allem
dank der extrem günstigen Wandelanleihen.
www.fondsprofessionell.de | 4/2015
245
FP_D_Bert Flossbach+Kurt von Storch_Interview_NXP_5_XXX_g 15.11.2015 15:43 Seite 246
cover I bert flossbach und kurt von storch | flossbach von storch
sondern um unseren Kunden eine Lösung mit
Blick auf die Abgeltungsteuer bieten zu können. Dass die Publikumsfonds so wachsen
würden, war nicht geplant, das hat sich ergeben. Im Oktober 2010 hatten die Fonds ihren
Drei-Jahres-Track-Record erreicht, was für
den Vertrieb wichtig war. Dazu kam die unternehmerische Entscheidung, ins institutionelle Geschäft einzusteigen. So ist das Unternehmen im Lauf der Jahre immer weiter aus
dem ursprünglichen Kern, dem Privatkundengeschäft, herausgewachsen.
Von Storch: Seither spielt nicht nur die Bottom-up-, sondern auch die Top-down-Analyse
eine wichtige Rolle für unser Haus. Wir konnten nicht sagen, welche Bank es konkret treffen wird, aber es war uns klar, dass es sinnvoll
ist, diesen Sektor weiträumig zu umschiffen.
Also haben wir in den Fonds und Kundendepots alle Wertpapiere von Banken und Versicherern verkauft und alle Festgelder, Geldmarktfonds und offenen Immobilienfonds
gekündigt. Das war relativ radikal – heute
würde man sagen: aktiv.
Der wirkliche Durchbruch, auch in der
Wahrnehmung nach außen, kam 2011.
Der Multiple Opportunities legte gut sieben Prozent zu, während die meisten
Wettbewerber deutlich im Minus lagen.
Flossbach: Wir hatten uns bereits 2004 zusammengesetzt und eine „Roadmap 2020“
entworfen. Da ging es um die großen Trends,
etwa die Globalisierung oder die Staatsverschuldung. Schon damals hatten wir Griechenland auf der Agenda – 2004! Das Dilemma der hohen Staatsschulden hat sich durch
die Bankenkrise natürlich verschärft, was
2011 voll zum Tragen kam. Die gute Performance in jenem Jahr war im Wesentlichen
wieder eine Folge der Erkenntnis, wie porös
die Bankbilanzen sind und wie stark die Kurse schon gestiegen waren. Dax und Eurostoxx
246
waren verseucht mit Finanzwerten, und so
reichte eine kleine Absicherung des Eurostoxx
aus, um ein Aktienportfolio von rund 55 Prozent weitgehend zu immunisieren.
»Die Märkte bewegen sich
heutzutage so rasant, dass man
schnell verloren ist, wenn man
keine klare Vorstellung davon hat,
was in den nächsten Wochen und
Monaten passieren kann.«
Kurt von Storch, Flossbach von Storch
Was waren rückblickend die wichtigsten
Meilensteine für die Firma? Machen Sie
das an Milliarden-Marken fest?
Flossbach: Ein Highlight ist sicherlich der
Umzug hier in den Turm, das war im Jahr
2010. Aus den alten Büros waren wir rausgewachsen, wir mussten uns vergrößern. Im
Jahresbericht 2010 haben wir stolz geschrieben, dass wir jetzt 40 Mitarbeiter haben und
vier Milliarden Euro verwalten. Da hatten wir
schon das Gefühl, zu einem etablierten, gefestigten Unternehmen geworden zu sein.
Von Storch: Das fällt zusammen mit dem
Zeitpunkt, zu dem die Änderung unseres
Geschäftsmodells offensichtlich wurde. Den
Multiple Opportunities und die Strategiefonds
hatten wir 2007 ja nicht aufgelegt, weil wir
groß ins Fondsgeschäft einsteigen wollten,
www.fondsprofessionell.de | 4/2015
Von Storch: Genau in dieser Verzahnung von
Top-down- und Bottom-up-Entscheidungen
liegt der große Mehrwert von Multi-Asset.
Die Märkte bewegen sich heutzutage so rasant, dass man schnell verloren ist, wenn man
keine klare Vorstellung davon hat, was in den
nächsten Wochen und Monaten passieren
kann. Das Weltbild hilft einem außerdem
dabei, die Märkte und Sektoren zu finden, in
denen sich die Suche nach Einzeltiteln lohnt.
Welcher Performanceanteil im Multiple
Opportunities geht denn auf die Einzeltitelauswahl zurück und welcher auf die
Asset Allocation?
Foto: © Christoph Hemmerich
Diese Phase hat unser Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt. Offensichtlich ist es
uns gelungen, manche Dinge doch etwas
klarer zu sehen als der Wettbewerb.
Von den insgesamt 22 Milliarden Euro,
die Sie verwalten, liegen rund neun
Milliarden Euro in einer Strategie: dem
Multiple Opportunities. Früher konnten
Sie akzentuierte Positionen in Nebenwerten nehmen oder sich in Nischen austoben, wie 2009 mit den Wandelanleihen.
Bei diesem Fondsvolumen geht das heute
nicht mehr. Ist das kein Problem für sie?
Flossbach: Nein, ich sehe das größere Volumen sogar als Vorteil an. Wir bewegen uns in
einer völlig anderen Welt als früher: Die Vorstände kommen zu uns, wir haben Zugang zu
Personen, die uns vor einigen Jahren noch
nicht einmal empfangen hätten. Noch wichtiger ist ein anderer Aspekt: Ich habe ein ungeduldiges Naturell – da ist es sehr hilfreich,
wenn man eine wichtige Entscheidung nicht
mehr mit einem Fingerschnippen umsetzen
kann. Ich muss eine Position langsam aufoder abbauen, da kann einem die Psyche keinen Strich mehr durch die Rechnung machen.
Das wäre nur möglich, wenn ich große Topdown-Wetten eingehen würde, aber genau das
tue ich nicht. Solche Wetten können auf
Dauer nicht aufgehen. Wir haben zwar ein
Weltbild, aber das fließt im Wesentlichen in
unsere Bottom-up-Einzeltitelauswahl ein.
FP_D_Bert Flossbach+Kurt von Storch_Interview_NXP_5_XXX_g 15.11.2015 15:43 Seite 248
cover I bert flossbach und kurt von storch | flossbach von storch
Ihr Fonds liegt bei Morningstar deutlich
vor dem Kategoriedurchschnitt und
meist auch klar vor der Benchmark, die
je zur Hälfte aus globalen Aktien und
Anleihen besteht. Auf Sicht von drei Jahren hinken Sie diesem Index aber leicht
hinterher. Ärgert Sie das?
Flossbach: Nein, je nachdem, welchen Zeitraum Sie wählen, liegt der Fonds auch mal
hinter einem solchen Vergleichsmaßstab.
Doch darum geht es gar nicht. Mein Ziel ist,
Geld für meine Anleger zu verdienen, und das
ist gelungen: Seit Auflage liegt der Fonds
rund 170 Prozent im Plus, der Dax nur rund
40 Prozent. Wissen Sie, ich kenne viele Leute,
deren gesamtes liquides Vermögen in diesem
Fonds steckt. Das ist nicht irgendein Schnickschnack, der gegen den MSCI World läuft –
das sind die Ersparnisse unserer Kunden! Da
kann es nicht darum gehen, auf Quartals- oder
Jahresbasis den Index zu schlagen. Aber
natürlich ist der Anspruch, auf lange Sicht
eine Performance hinzubekommen, die der
des Aktienmarktes entspricht, nur eben mit
weniger Risiko – und ich meine echtes Risi-
248
Bürger in den vergangenen zehn Jahren
nur 15 Prozentpunkte mehr in Aktien
investiert hätten, wären sie heute um eine
Billion Euro reicher. Das ist auch der
Grund, warum es hier in Deutschland
noch ein riesiges Potenzial für unser
Unternehmen gibt – trotz des schnellen
Wachstums der vergangenen Jahre. Dafür
würde es schon reichen, wenn wir nur ein
Prozent des Geldvermögens verwalten
würden.
»Ich kenne Leute, deren gesam-
tes liquides Vermögen in diesem
Fonds steckt. Das ist nicht irgendein Schnickschnack, der gegen
den MSCI World läuft – das sind
die Ersparnisse unserer Kunden!«
Bert Flossbach, Flossbach von Storch
ko, nicht Volatilität. Wer keine Schwankungen
ertragen kann, sollte sein Geld auf dem Konto
liegen lassen. In vermeintlich sichere Anleihen
sollte er jedenfalls nicht mehr investieren, sie
bieten nur noch zinsloses Risiko.
In Ihrem jüngsten Quartalsbericht
schreiben Sie, wer in Aktien investieren
möchte, sollte fünf Jahre Zeit mitbringen
oder andernfalls Kasse halten. Andere
Anbieter versprechen Ihren Anlegern
auf Sicht von zwölf Monaten eine positive Performance.
Flossbach: Das ist schlicht unseriös. Wir
leben in einer Welt negativer Renditen, da
können Sie niemandem sagen: „Über zwölf
Monate machen wir ein Plus!“ Das ist einfach
Unfug. Früher war das vielleicht noch möglich: Wenn Bundesanleihen vier Prozent abwerfen, darf ich erwarten, mit einem Absolute-Return-Ansatz auch auf Sicht von einem
Jahr kein Geld zu verlieren. Aber diese Zeiten
sind vorbei. Unser Ziel muss es sein, den
deutschen Sparer zumindest ein klein wenig
zurück zur Aktie zu bringen. Der Bundesbank
zufolge beträgt das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland 5.212 Milliarden Euro, fast die Hälfte davon liegt unverzinst auf Sparbüchern und Konten. Wenn die
www.fondsprofessionell.de | 4/2015
Das wären 52 Milliarden Euro, mehr
als doppelt so viel wie heute. Ist das Ihr
Ziel?
Flossbach: Nein, das ist kein Ziel, es ist
eine mögliche Größenordnung. Wissen
Sie, dieses Unternehmen ist unsere Passion. Wenn man es aufgebaut hat, will man es
auch wachsen sehen, vor allen Dingen wenn
man vom Produkt überzeugt ist. Wenn Sie ein
tolles Auto gebaut haben, dann wollen Sie
auch, dass es verkauft wird, und sagen nicht,
wir setzen nur 50 Stück ab, das Ding bleibt
hochexklusiv. Dazu kommt, dass wir Dutzende Privatinvestoren kennen, die froh sind,
endlich eine vernünftige Geldanlage gefunden
zu haben. Das gibt uns einen unheimlichen
Ansporn.
Im August vergangenen Jahres machte
die Meldung die Runde, dass Sie angeblich den Verkauf Ihrer Firma sondieren.
Sie hatten das hart dementiert, aber eine
Frage bleibt: Was tun Sie, damit die
Firma eines Tages auch ohne Sie beide
existieren kann?
Flossbach: Es gibt nur einen Weg: Junge Leute gut ausbilden, die dann reifen wie Wein.
Von Storch: Die Zahl der Köpfe, die an
Schaltstellen sitzen, ist in den vergangenen
Jahren definitiv gestiegen. Doch eine solche
Struktur muss organisch wachsen, das können
Sie nicht auf dem Papier entwerfen. Um noch
einmal auf die völlig falschen Verkaufsgerüchte einzugehen: Unser Claim lautet derzeit
„Konsequent handeln“. Wir werden ihn bald
ändern in „Konsequent unabhängig“. Das
steht für Konsequenz im Handeln, Konsequenz im Denken, Konsequenz auch in der
Art und Weise, wie wir das Unternehmen
führen – und ist wahrscheinlich die beste Antwort, die wir auf diese Frage geben können.
Vielen Dank für das Gespräch.
BERND MIKOSCH, HANS HEUSER | FP
Foto: © Christoph Hemmerich
Flossbach: Das lässt sich unmöglich feststellen. Es gibt Consultants, die einem das
vorrechnen, aber das ist Blödsinn. Ein Beispiel: Früher machte die Nestlé-Aktie mal
mehr als sieben Prozent des Fonds aus.
Jetzt sagt mir der Consultant, ich sei ein
guter Asset Allocator, aber ein schlechter
Stockpicker, denn die hohe Aktienquote
war gut, aber die Nestlé-Aktie habe dem
Markt hinterhergehinkt. Moment mal, antworte ich dann dem Consultant, meine
Aktienquote war überhaupt nur so hoch,
weil ich einen so tollen defensiven Titel
wie Nestlé gefunden habe. Außerdem ist
ein Teil der Nestlé-Position gedanklich der
Anleihenquote entlehnt, schließlich handelt
es sich hierbei um ein solides Wertpapier,
das mir eine auskömmliche Dividende
zahlt – als Ersatz für den Zins, den es nicht
mehr gibt. In einem reinen Aktienportfolio
hätte ich Nestlé wahrscheinlich gar nicht so
hoch gewichtet. Dann wird dieser Consultant
ganz schnell ruhig. Diese Orientierung an irgendwelchen Vergleichsmaßstäben zeugt von
einer völlig verqueren Denke. Es gibt Fondsmanager, die den Finanzsektor „untergewichtet“ haben, weil sie wissen, dass in dieser
Branche etwas nicht stimmt. Trotzdem haben
sie immer noch Bankaktien im Fonds. Für ihr
privates Depot würden sie diese Titel natürlich
nicht kaufen. Das ist doch absurd!