Dr. Elke Fein Universität Freiburg, Zentrum für Schlüsselqualifikationen; Institut für integrale Studien Kontakt: [email protected] Diskursanalyse und Kognition – Vorschläge zu einer produktiven Weiterentwicklung der Diskursforschung Proposal für die Session „Diskursforschung“/„Wissenssoziologie & Diskursforschung“ des Arbeitskreises Diskursforschung der Sektion Wissenssoziologie der DGS, 8.-10.10.2015, Landau/Pfalz Wissenssoziologie und wissenssoziologische Diskursforschung haben sich intensiv und differenziert mit verschiedensten Aspekten sprachlicher Kommunikation sowie mit dem Zusammenhang von Sprache, Zeichen, Bildern, Symbolen etc. einerseits und den durch sie (re)konstruierten und repräsentierten gesellschaftlichen Erzählungen, Wissensordnungen, Wahrheitsregimen usw. andererseits beschäftigt. Eine wichtige Untersuchungsdimension ist dabei seit Foucault die Analyse der Strukturierung sozialer „Normalitäten“ durch hierzu ins Werk gesetzte Diskurse, diskursive Praktiken und Wissenspolitiken. Dabei wird jedoch eine, insbesondere in Psychologie und Kognitionsforschung bedeutsame Dimension bisher konzeptionell kaum berücksichtigt, jedenfalls nicht systematisch integriert: die der Komplexität mentaler Konstrukte und ihre Implikationen für Prozesse diskursiver Bedeutungsgebung und sozialer Kommunikation. Gerade in politisch oder gesellschaftlich konfliktbeladenen Themen- und Diskursfeldern erscheinen Unterschiede in der Komplexität, dem Grad der Differenzierung, Kontextsensibilität und Perspektivenübernahme verschiedener Diskursbeiträge als aufschlussreiche Größen für das Verständnis einzelner Positionen wie auch von Konfliktverläufen sowie Möglichkeiten und Grenzen etwaiger Konsensfindung. Diese Problematik wird besonders virulent im Bereich interkultureller Kommunikation über Grundfragen des gesellschaftlichen Miteinanders (z.B. Migration, religiöser Fanatismus usw.). Der vorliegende Beitrag unterbreitet einen Vorschlag zur Weiterentwicklung der Diskursforschung durch eine produktive Verbindung von wissenssoziologischer Diskursanalyse mit Ansätzen der strukturgenetischen Erwachsenenentwicklungspsychologie. Letztere untersucht kognitive Voraussetzungen individueller und kultureller Bedeutungsgebung und damit auch diskursiver Praktiken im öffentlichen Raum. Der Beitrag diskutiert, welche Impulse aus welchen psychologischen Theorietraditionen für die Analyse gesellschaftlicher Diskurse und Bedeutungsgebungsprozesse fruchtbar gemacht werden können. Die theoretischen, methodologischen und methodischen Implikationen entsprechender Perspektivenverschiebungen werden anhand empirischer Beispiele (Fein 2012, 2014, Fein/Weibler 2014) veranschaulicht und diskutiert. Damit kann die Diskurstheorie um eine vertikale Dimension erweitert und somit konzeptionell bereichert werden. Fein, E. (2014): „Geschichtspolitik und Identität: Eine sozialpsychologische (Re-) Interpretation russischer Erinnerungskulturen am Beispiel zweier post-sowjetischer Erinnerungsorte“, in: Jörg Ganzenmüller/Raphael Utz (ed.): Sowjetische Verbrechen und russische Erinnerung. Orte – Akteure – Deutungen, Oldenburg-Verlag, S. 245-306 Fein, E./Weibler, J. (2014): Cognitive Basis for Corruption and Attitudes towards Corruption Viewed from a Structuralist Adult Developmental Perspective, in: Behavioral Development Bulletin, Vol. 19 Issue 3, p. 78-94 Fein, E. (2012): „Kognition und politische Kultur. Sozialpsychologische Perspektiven in der Diskursforschung am Beispiel von Patronage, Klientelismus und Korruption in Russland“, in: Rosemarie Lühr/Natalia Mull/Jörg Oberthür/Hartmut Rosa (Hg.): Kultureller und sprachlicher Wandel von Wertbegriffen in Europa, Frankfurt/Main u.a.: Peter Lang, S. 61-100
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