BRIEFING - Terry Reintke

Terry Reintke, Mitglied des Europäischen Parlaments
BRIEFING
Europäische Plattform zur Bekämpfung von Schwarzarbeit
Kurzinformation
Die Europäische Kommission hat im April 2014 ihren Vorschlag „über die Einrichtung einer
Europäischen Plattform zur Stärkung der Zusammenarbeit bei der Prävention und
Abschreckung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit“ vorgelegt. Dieser zielt darauf ab,
nationale Durchsetzungsbehörden wie Arbeitsagenturen, Aufsichtsbehörden, Steuer- und
Migrationsbehörden sowie die Sozialpartner auf europäischer Ebene zusammenzubringen,
um Informationen und bewährte Praktiken bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit
auszutauschen und die europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich zu stärken.
Das Europäische Parlament hat im Herbst 2014 unter Berichterstatter Georgi Pirinski (S&D)
seine Arbeit an diesem Dossier aufgenommen. Terry Reintke war als
Schattenberichterstatterin der Grünen/EFA-Fraktion aktiv in die parlamentarische Arbeit
eingebunden. Zudem war sie Mitglied des Verhandlungsteams des Europäischen Parlaments
im Rahmen der Trilogverhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat
der EU und dem Europäischen Parlament, die von Juni bis November 2015 stattfanden.
Die Plenardebatte ist laut aktueller Planung für den 2. Februar 2016 ab 9:00 Uhr
vorgesehen, die Plenarabstimmung soll ab 12:00 Uhr stattfinden. Beides kann
per Livestream mitverfolgt werden.
Grüne Position
Ausbeutung und Steuerbetrug beenden!
Nicht angemeldete Erwerbstätigkeit ist eine schwere Form der Ausbeutung von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Zudem verursacht sie unfairen Wettbewerb und
erhebliche Schäden für die Wirtschaft. Der Kampf gegen Schwarzarbeit wird nur
gelingen, wenn sich alle EU-Mitgliedstaaten daran beteiligen. Deshalb haben wir Grüne uns
für die Einrichtung einer europäischen Plattform eingesetzt und erreicht, dass eine
obligatorische Beteiligung aller EU-Mitgliedstaaten gewährleistet ist.
Kein Debattierclub!
Wir Grüne wollen keinen neuen Debattierclub, sondern eine Plattform, die effektiv und
effizient arbeitet. Um Schwarzarbeit in all ihren Erscheinungsformen umfassend bekämpfen
zu können, sprechen wir uns deutlich für eine Definition von Schwarzarbeit aus, die auch
falsch deklarierte Erwerbstätigkeit und Scheinselbstständigkeit einschließt.
Kontakt für Nachfragen:
Tel.: +32 228 47760
Sarah Benke, Referentin für Beschäftigung und Soziales
Fax: +32 228 49760
[email protected]
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Terry Reintke, Mitglied des Europäischen Parlaments
Unsichtbarer Ausbeutung von Frauen Einhalt gebieten!
Das Problem der Ausbeutung betrifft vor allem Frauen. Deshalb soll ein Arbeitsschwerpunkt
der Plattform der Bereich der häuslichen Arbeit sein. Diese Arbeit, die vorwiegend von
Frauen verrichtet wird, birgt besondere Herausforderungen, da sie vor allem vereinzelt und
im informellen Sektor vorkommt und damit unsichtbar ist. Der unsichtbaren Ausbeutung
von Frauen muss endlich Einhalt geboten werden.
Austausch auf EU-Ebene als Schlüssel zur Lösung!
Die Plattform soll unserer Meinung nach im ersten Schritt darauf abzielen, den Austausch
über bewährte Praxis bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit zu erleichtern. Auf
Grundlage dieser Informationen sollten der Plattform weitere Aufgaben zugetragen werden,
insbesondere mit Hinblick auf Empfehlungen für die Weiterentwicklung von
Rechtsvorschriften. Schwarzarbeit ist ein gesamteuropäisches Problem. Deshalb muss der
Kampf gegen Schwarzarbeit auch als gesamteuropäische Aufgabe verstanden werden.
Hintergrund zu Schwarzarbeit
Der Anteil der Schattenwirtschaft in EU-Staaten wurde für das Jahr 2012 auf ungefähr
18,4 Prozent des BIP geschätzt. Allerdings ist es schwierig, das tatsächliche Ausmaß von
Schwarzarbeit abzuschätzen, da die Ergebnisse der Konzepte und Methoden, die auf
nationaler und europäischer Ebene angewendet werden, erheblich variieren. Arbeitslose
Menschen, vor allem in Südeuropa, Jugendliche und Studierende sowie Menschen in einer
schwierigen finanziellen Lage zählen zu den am meisten von Schwarzarbeit gefährdeten
Gruppen. Zudem sind Männer häufiger involviert als Frauen.
Schwarzarbeit wird vor allem im Kontext persönlicher Beziehungen verrichtet. Nicht
angemeldete Arbeit betrifft insbesondere die traditionellen Bereiche der Reparatur- und
Renovierungsarbeiten, Gartenarbeiten, Reinigung sowie die Arbeit als Bedienpersonal.
Hauptgründe sind niedrigere Preise und gegenseitige Vorteile, aber auch die
Schwierigkeit, einen regulären Arbeitsplatz zu finden, Steuer- oder Sozialabgaben oder ein
Mangel an anderen Einkommensquellen.
Es gibt Hinweise darauf, dass ein gutfunktionierender Sozialstaat die Steuermoral
erhöht und damit Schwarzarbeit reduziert (ESDR 2013). In Übereinstimmung damit ist
in Ländern, die sozialdemokratische Krisenmaßnahmen eingeleitet haben (höhere Ausgaben
für arbeitsmarktpolitische Interventionen, soziale Sicherung, Umverteilung und Gleichberechtigung) die Ausprägung von Schattenwirtschaften deutlich geringer (Eurofound 2013).
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Terry Reintke, Mitglied des Europäischen Parlaments
Schattenwirtschaft in Deutschland
Schattenwirtschaft umfasst alle wirtschaftlichen Aktivitäten, die dem Staat nicht gemeldet
werden und deshalb nicht ins Bruttoinlandsprodukt (BIP) eingehen. Es ist nach wie vor nicht
möglich, Umfang und Entwicklung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung zu messen
und mit absoluten Zahlen zu belegen. Es können aber Schätzungen vorgenommen werden,
die wichtige Hinweise auf die Entwicklung geben können.
Die nebenstehende Grafik
zeigt den Umfang der
Schattenwirtschaft in
Deutschland in Prozent des
BIP von 1995 bis 2013 und
eine Prognose für die Jahre
2014 und 2015, da die
amtliche Statistik noch
keine validen Daten liefern
kann.
Es wird deutlich, dass der
Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland seit einem letzten Höhepunkt im Jahr 2009 stetig gesunken
ist. Für 2015 wird ein Rückgang auf rund 12,2 Prozent des BIP prognostiziert. Dennoch ist
nach wie vor keine Entwarnung geboten: Schwarzarbeit verursacht weiterhin einen
enormen wirtschaftlichen Schaden. In Deutschland sind nahezu alle – insbesondere jedoch
die lohnintensiven Wirtschaftszweige – von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung
betroffen. Nach Erfahrungswerten der zuständigen Kontrollbehörden und den betroffenen
Wirtschaftskreisen liegen die Schwerpunkte in den folgenden Branchen:
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Baugewerbe,
Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
Personenbeförderungsgewerbe,
Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe,
Schaustellergewerbe,
Unternehmen der Forstwirtschaft,
Gebäudereinigungsgewerbe,
Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
in der Fleischwirtschaft.
Vor allem in diesen Branchen arbeiten die Beschäftigten unter hohem Druck in
körperlicher Schwerstarbeit. Deshalb darf die Bundesrepublik beim Kampf gegen
Schwarzarbeit und systematische Ausbeutung nicht nachlassen.
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Terry Reintke, Mitglied des Europäischen Parlaments
Schattenwirtschaft in Nordrhein-Westfalen
Die Jahresstatistik der Generalzolldirektion, die wir auf Anfrage erhalten haben, legt dar,
wie viele Fälle die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) im Jahr 2014 aufgedeckt hat. Die
Tabelle zeigt eine Gegenüberstellung der Fälle im Bund und in Nordrhein-Westfalen.
Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung im Bund und in
Nordrhein-Westfalen
Jahr 2014
Bund
NRW
100.763
24.148
53.007
12.460
Summe der Geldstrafen aus Urteilen und Strafbefehlen
28,2 Mio. €
5,5 Mio. €
Summe der festgesetzten Geldbußen, Verwarnungsgelder und Verfall
46,7 Mio. €
8,6 Mio. €
795,4 Mio. €
207,6 Mio. €
1.917
460
Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Straftaten
Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten
Schadenssumme im Rahmen der straf- und bußgeldrechtlichen
Ermittlungen
Summe der erwirkten Freiheitsstrafen in Jahren
Als eine der besonders interessanten Statistiken nennt die Generalzolldirektion u. a. die
Stadt Gelsenkirchen. Zuständig für das Sachgebiet Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist hier das
Hauptzollamt Dortmund, von dem wir die folgenden Zahlen erhielten. Sie sind Teil der
Jahresstatistik 2014 und beziehen sich auf den gesamten Bezirk des Hauptzollamts
Dortmund, zu dem auch die Stadt Gelsenkirchen gehört. Zahlen für einzelne Städte im
Bezirk liegen dem Hauptzollamt leider nicht vor.
Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung durch das
Hauptzollamt Dortmund
2013
2014
Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Straftaten
3.810
4.639
Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten
1.851
1.891
Summe der festgesetzten Geldbußen
1.071.443 €
933.887 €
Summe der Geldstrafen (einschl. Wertersatz) von Urteilen und
Strafbefehlen
1.074.715 €
1.119.835 €
91
108
Summe der erwirkten Freiheitsstrafen in Jahren
Die Statistiken machen deutlich, dass sich das Problem der Schwarzarbeit in Deutschland
insbesondere in Nordrhein-Westfalen konzentriert. Der wirtschaftliche Schaden ist
enorm. Deshalb hat die Generalzolldirektion ein großes Interesse, Fälle von illegaler
Beschäftigung zügig aufzuklären. Die europäische Plattform kann helfen, den Austausch
über bewährte Praxis in anderen EU-Mitgliedstaaten zu fördern und neue Wege für die
Bekämpfung von Schwarzarbeit zu finden.
Kontakt für Nachfragen:
Tel.: +32 228 47760
Sarah Benke, Referentin für Beschäftigung und Soziales
Fax: +32 228 49760
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