Lektion 30: Die Funktionen der Kasus - graecum

Lektion 30: Die Funktionen der Kasus
Nominativ
Subjektskasus im finiten Satz.
Alles, was zum Subjekt im Nominativ kongruent ist, steht ebenfalls im Nominativ, also Attribute,
Prädikatsnomina, Prädikativa (darunter auch PC mit dem Subjekt als Beziehungswort).
Genitiv
Der griechische Genitiv vertritt teilweise dieselben Funktionen wie der lateinische, teilweise Funktionen des
Ablativs.
Genitivus possessionis:
τὸ βιβλίον μου "mein Buch".
Genitivus partitivus
Wenn Teile einer Menge bezeichnet werden: Ἀθηναίων οἱ πλεῖστοι.
Bei Ausdrücken der Teilhabe: μετέχω τινός usw.
Bei Ausdrücken des Essens/Trinkens, wenn nicht der ganze Gegestand verspeist wird, sondern nur ein Teil
davon. Sonst steht der Akkusativ: πίνω οἴνου "Ich trinke (vom) Wein", aber Σωκράτης ἔπιεν τὸ
φάρμακον "S. trank das Gift (aus)."
Bei Ausdrücken des Berührens, wenn nicht der ganze Gegenstand ergriffen, sondern nur eine Stelle
davon angefasst wird: ἄπτομαί τινος; τῆς ζωνῆς λαβεῖν "am Gürtel packen", aber καταλαβεῖν τινα
"gefangennehmen".
Genitiv als direktes Objekt bei diesen Verbgruppen:
Erinnern und Wahrnehmen: μιμνήσκομαι, ἐπιλανθάνομαι, αἰσθάνομαί τινος; teilweise bei ἀκούω und
πυνθάνομαι, wenn unmittelbare Wahrnehmung gemeint ist. Kann zum GcP erweitert sein.
Begehren: ἐπιθυμέομαι usw.
Treffen und Verfehlen: τυγχάνω, ἁμαρτάνω usw.
Herrschen: ἄρχω, βασιλεύω usw.
Anfangen: ἄρχω, ἄρχομαι usw.
Füllen und voll sein: πληρόω, γέμω usw.
Verba curandi: ἐπιμελέομαι usw.
Genitivus subiectivus und obiectivus bei Verbalsubstantiven: Ὁ φόβος τῶν ἐναντίων kann heißen
"Die Furcht der Feinde" (die Feinde sind Subjekt des Fürchtens) oder
"Die Furcht vor den Feinden" (die Feinde sind Objekt des Fürchtens).
Genitivus pretii (des Werts):
πέντε μνῶν "im Wert von 5 Minen"; auch bei Wörtern wie ἄξιος ("so und so viel wert"): ἐπαίνου ἄξιος
"lobenswert".
Genitivus materiae (des Materials oder Inhalts):
χρυσίου "aus Gold".
Genitivus qualitatis (der Eigenschaft):
bei Alters- und Maßangaben: τριάκοντα ἐτῶν "von 30 Jahren", "30 Jahre alt" (daneben aber: τριάκοντα
ἔτη γεγονώς).
Genitivus temporis (der Zeit):
regelmäßig wiederkehrender Zeitraum: νυκτός "des Nachts", θέρους "sommers"
Zeitraum
"seit", wie ἐκ/ἀπό + Gen.
Genitivus causae (des Grunds):
θαυμάζω τινός "sich wegen/über etwas wundern". Speziell auch in der Prozesssprache: δικάζομαί τινος
"wegen etwas prozessieren". Diesen Genitiv kann man auch als eine Art Genitivus respectūs betrachten.
Genitivus /separationis (der Trennung) bei diesen Verben und Ausdrücken:
Trennung, Entfernung: ἀπαλλάττω, χωρίζω, ἀφαιρέω, διαφέρω τινός usw.
Entbehrung: ἀπορέω, δέομαι, καθαρός, ἐλεύθερός τινός usw.
Genitivus comparationis (des Vergleichs), eigentlich ein Sonderfall des Gen. separativus:
beim Komparativ und Superlativ (letzterer kann auch als Gen. partitivus betrachtet werden).
bei komparativ-wertigen Ausdrücken wie ἕτερος, ἄλλος usw.: "ein anderer... als".
bei Verben mit komparativem Gehalt: ὑπερέχω τινός "jdm. überlegen sein" usw.
Genitivus absolutus:
μὴ ἑκόντων Ἀθηναίων "wenn die Athener nicht einverstanden sind".
Dati v
Dativ des indirekten Objekts:
bei Verben: πείσομαι τῷ θεῷ; öfter anders als im Dt.: φθονέω, ὀνειδίζω τινί.
(selten) bei Verbalsubstantiven: ἡ ἐμὴ τῷ θεῳ ὑπηρεσία.
Dativus possessionis
bei εἶναι und sinnverwandten Wörtern: βιβλίον μοι ἐστιν. πολλαί μοι ἀπέχθειαι γεγόνασιν.
Dativus commodi/incommodi (des Vorteils/Nachteils):
Βουλοίμην ἂν τοῦτο οὕτως γενέσθαι, εἴ τι ἄμεινον ὑμῖν και ἐμοί.
Dativus sympatheticus (der Mitbetroffenheit):
partitives Verhältnis, das auch mit dem partitiven Genitiv ausgedrückt werden könnte): πηδᾷ ἡ καρδία
μοι oder μου.
Dativus ethicus (des Nachdrucks wg. innerer Beteiligung):
Μή μοι θορυβεῖτε "Hört mir/doch/bitte (oder Kombinationen) auf, Lärm zu machen!"
Dativus auctoris (des Urhebers):
meist beim Perfekt/Plusquamperfekt: Καὶ ταῦτα ὡμολόγητο ἡμῖν καὶ σοί;
regelmäßig beim Verbaladjektiv: Ποιητέον ἐστιν ἡμῖν.
Dativus iudicantis (des Standpunkts des Betrachters):
Σκόπει δή, εἴ σοι ἱκανῶς λέγεται...
Dativus respectūs (der Hinsicht):
selten bei bestimmten Nomina: σώματι "körperlich".
bei vergleichenden Verben: λόγῳ καθυστερεῖν (unterlegen sein).
Dativus instrumenti (des Mittels):
entspricht dem lat. Ablativus instrumentalis: χρῆσθαί τινι, λόγῷ πείθειν.
Dativus causae (des Grunds),
meist bei Gemütsbewegungen: χαίρειν, ἀγανακτεῖν τινι, φόβῳ.
Dativus mensurae (des Maßes):
πολλῷ ἄμεινον.
Dativus sociativus (der Gemeinschaft):
mit wem: ὁμιλέω, κοινωνέω, συμμάχομαί τινι; generell Kombinationen mit συν, allein oder als Präfix;
mit wem (feindlich): μάχομαί τινι
mit was verglichen: ὅμοιός τινι.
Dativus modi (der Art und Weise):
ταύτῃ (sc. τῇ ὁδῷ) "so", ᾗ "wie", τούτῳ τῷ τρόπῳ, ἰδίᾳ καὶ κοινῇ.
Dativus loci (des Orts):
meist mit ἐν (auch bei Komposita mit ἐν), bei bestimmten Wörtern auch ohne: (ἐν) Δελφοῖς.
Dativus temporis (der Zeit):
Zeitpunkt, ohne ἐν: ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ.
Zeitraum, mit ἐν: ἐν ἔτεσιν ἑβδομήκοντα, ἐν οἷς ἐξῆν σοι ἀπιέναι (Sokrates, aus Athen).