«Stehlunch.» Wer handelt, wenn wir es nicht mehr können? Auf was

«Stehlunch.»
Donnerstag, 11. Juni 2015
Wer handelt, wenn wir es nicht mehr können?
Auf was bei einem Vorsorgeauftrag geachtet
werden muss.
«rechtzeitige Selbstbestimmung»
Andreas U. Hefele, Master of Advanced Studies ZFH in Financial Consulting / MAS FC
[email protected] , Tel. +41 44 929 60 02
aktuell
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Agenda
• Überblick und Ziele neues Kindes- und
Erwachsenenschutzrecht
• Vorsorgeauftrag
• Kaskade der Handlungsfähigkeit «aktiv, passiv, danach»
• Fazit
Meine Ausführungen basieren auf der von mir erstellten und an
der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (zhaw)
eingereichten, abgeschlossenen und diplomierten Masterthesis.
Ergänzt sind die Ausführungen mit Erfahrungen aus der Praxis
im Rahmen meiner Beratungstätigkeiten als anerkannter
Fachspezialist zur Thematik.
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Überblick und Ziele neues Recht
Entstehungsgeschichte
• bisheriges Vormundschaftsrecht stammt von 1907/1912
• 1993: Auftrag Bundesamt für Justiz an 3 Experten
• 1999: Einsetzung Expertenkommission (20 Personen)
• 2003: Vernehmlassung Vorentwurf
• 2007/8: Parlamentarische Beratungen
• 19.12.2008: Schlussabstimmung
• in Kraft seit: 1.1.2013
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Überblick und Ziele neues Recht
• grundlegende Erneuerung des alten Vormundschaftsrechts hat per 1.
Januar 2013 stattgefunden – damit hat sich das Vorsorgerecht in der
Schweiz geändert – Kindes- und Erwachsenenschutzrecht
• Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) löst bisherige
Vormundschaftsbehörde ab
• Begriff Erwachsene = Beistandschaft, Vorsorgeauftrag
• Begriff Kinder, Menschen mit geistiger Behinderung = Vormundschaft
• zwei neue Rechtsinstitute wurden im Gesetz eingeführt :
-
Vorsorgeauftrag (im Sinne einer Generalvollmacht) und
Patientenverfügung (im Sinne einer medizinischen
Spezialvollmacht)
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Fundierung / gesetzliche Vertretungsrechte
Beispiele wo die gesetzlichen Vertretungsrechte (Rechtshandlungen
die zur Deckung des Unterhaltsbedarfs üblicherweise erforderlich sind)
bei einer Urteilsunfähigkeit eines Ehegatten nicht ausreichen:
• neuer / ergänzender Hypothekarvertrag
• Liegenschaftenkauf / -verkauf
Wenn kein Vorsorgeauftrag vorhanden ist, wo sich die Ehegatten
gegenseitig als Vorsorgebeauftragte eingesetzt haben, kann der
urteilsfähige Ehegatte ohne die KESB keine Entscheide fällen.
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Fundierung / Beistandschaften - Lösung Staat
Voraussetzungen Errichtung Beistandschaft durch die
Erwachsenenschutzbehörde ZGB Art. 390
Wenn eine volljährige Person:
• wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung
oder eines ähnlichen in der Person liegenden
Schwächezustandes ihre Angelegenheiten nur teilweise oder
gar nicht besorgen kann
• wegen vorübergehender Urteilsunfähigkeit oder Abwesenheit in
Angelegenheiten, die erledigt werden müssen, weder selber
handeln kann, noch eine zur Stellvertretung berechtigte Person
(Vorsorgebeauftragten) bezeichnet hat
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Beistandschaftsarten und deren Wirkung
Aufgabenbereich (e)
Handlungsfähigkeit
Vertretungsmacht des
Beistandes
oder der
Beiständin
Begleitbeistandschaft
bedarfsorientierte
Umschreibung
(evtl. in allen
Lebensbereichen)
von Gesetzes
wegen keine
Einschränkung
Vertretungsbeistandschaft
bedarfsorientierte
Umschreibung
Mitwirkungsbeistandschaft
bedarfsorientierte
Umschreibung
umfassende
Beistandschaft
von Gesetzes
wegen umfassend
punktuelle
behördliche
Einschränkung
möglich
von Gesetzes
wegen eingeschränkt bezgl.
Aufgabenbereich
entfällt von
Gesetzes wegen
keine Vertretung;
nur (aufgabenbezogene)
Begleitung
aufgabenbezogene Vertretung
(bei punktueller
Einschränkung
der Handlungsfähigkeit Alleinzuständigkeit,
sonst Parallelvertretung
keine Vertretung
nur aufgabenbezogene Mitwirkung
umfassende
Alleinvertretung
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Vorsorgeauftrag (VA) - Lösung Selbstbestimmung
• unter dem Oberbegriff der eigenen Vorsorge (vgl. Art. 360 bis
373 ZGB) bilden der VA und die Patientenverfügung (PV) eigene
Rechtsinstitute
• das Selbstbestimmungsrecht steht im Vordergrund
• frühzeitig für den Fall der Urteilsunfähigkeit z.B. infolge Unfall,
Krankheit, Alter oder Demenz vorsorgen
• VA = Dokument, welches Vertretung und Schutz der Interessen
gewährleistet – rechtsgeschäftliche Vollmacht
• übertragener Sinn – Generalvollmacht in den Bereichen
Personensorge, Vermögenssorge, Vertretung im Rechtsverkehr
• mittels VA Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts
• betroffene Personen bezeichnet eine andere Person zur Handlung,
wenn sie urteilsunfähig und somit handlungsunfähig ist
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Vorsorgeauftrag (VA) - Lösung Selbstbestimmung
• Auftrag kann umfassend oder für bestimmte Bereiche (z.B. nur
Personensorge) oder Geschäfte (z.B. nur Vermögensverwaltung)
erteilt werden
• auch der Bereich Vertretung bei medizinischen Massnahmen (PV)
kann im VA bestimmt werden, sogenannte medizinische
Spezialvollmacht
• Problem bei Vollmachten mit vorsorglichen Regelungen nach OR:
-
-
ein möglicher Schwächezustand wird nicht systematisch und
von Amtes wegen festgestellt
nicht verlässlich gewährleistet – Interessen der betroffenen
Person vernachlässigt, vergessen oder gar verletzt werden
Gewährleistung gesetzlich gegeben (vgl. Art. 363 ZGB) bei
Prüfung und Validierung des VA durch die KESB
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Vorsorgeauftrag (VA) - Lösung Selbstbestimmung
• Schwierigkeit bisheriges Recht, keine Vollmachten auf den Fall
einer Urteilsunfähigkeit hin mit gesetzlicher Inkrafttretung
• z.B. Bankvollmacht … oft musste für jede Institution / Firma eine
separate Vollmacht ausgestellt werden … Generalvollmachten
nach OR werden nicht oder nur teilweise akzeptiert …
• neu hat der Bevollmächtigte eine behördliche Urkunde mit
Ernennung zum Vorsorgebeauftragten, welche ihn legitimiert zu
handeln … analog dem Dokument des Willensvollstreckerzeugnisses
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Vorsorgeauftrag (VA) – Sinn und Zweck
• tritt eine vorübergehende oder dauernde Urteilsunfähigkeit ein,
sind oft wichtige Entscheide im Sinne der betroffenen Person zu
treffen
• ohne Vorliegen eines VA für die Angehörigen ein schwieriges
Unterfangen … wer entscheidet was, wie, wann und warum?
• Kundenaussage aus der Praxis:
«Als unser alleinstehender Vater aufgrund einer Krankheit
urteilsunfähig wurde, gab es unter uns Kindern
unterschiedlichste Auffassungen zu den anstehenden
Fragestellungen der Personensorge, Vermögenssorge und
Rechtsvertretung. Hätte unser Vater diese Themen mittels
Vorsorgeauftrag vorausbestimmend geregelt, wäre für uns
Kinder die Vorgehensweise im Auftrag des Vaters
unmissverständlich klar gewesen.»
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Vorsorgeauftrag (VA) – Sinn und Zweck
• mittels einer vorausschauenden Regelung ergeben sich viele
mögliche Unklarheiten, Unsicherheiten und Uneinigkeiten der
Angehörigen nicht …
«wir tun das richtige für unseren Vater, denn er hat es selbst so
bestimmt und somit so gewollt»
• mit dem VA kann jede handlungsfähige Person bestimmen,
welche Bereiche (was), mit welchen Mitteln (wie), zu welchem
Zeitpunkt (wann) und durch welche Person (wer) umgesetzt
werden
• persönliche, individuelle Wünsche, Pläne und Ziele sind somit
weiterhin umsetz- und realisierbar
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Vorsorgeauftrag (VA) – Sinn und Zweck
• eine verfolgte Vorgehensweise, Planung oder auch
Lebensphilosophie ist somit nahtlos sichergestellt und kann
weitergeführt werden
• Menschen, welche einen VA erstellen, wollen ihre Zukunft nicht
einfach dem Zufall überlassen
• Selbstverständlich ist bei der Lösung des Staats mit den
Beistandschaften auch eine Art Schutz gegen Zufall vorhanden–
jedoch bestimmt der Staat respektive die durch diesen
eingesetzte Person
… und genau dieser Punkt beantwortet die Frage über Sinn und
Zweck eines VA …
«Die Hoheit über die Entscheidung und das Vermögen muss
immer auf der Seite des Kunden sein»
(von Andreas U. Hefele)
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Vorsorgeauftrag – Zeitpunkt der Erstellung
• bei bereits vorhandener Urteilsunfähigkeit / Handlungsunfähigkeit
ist es für die Erstellung eines VA zu spät
• dann gibt es nur noch die Möglichkeiten der Beistandschaften oder
gesetzlichen Vertretungsrechte
• Zielpersonengruppe Beratung VA:
Handlungsfähigkeit
Altersunabhängig (ab Volljährigkeit)
nicht nur Alter und Demenz sind Gründe … Unfall,
Krankheit kann allen passieren
jeder Person mit familiärer, gesellschaftlicher oder
beruflicher Verantwortung
• Zeitpunkt: «rechtzeitige Selbstbestimmung» mit der Wahrnehmung
von Eigenverantwortung im Rahmen des gesetzlich verankerten
Selbstbestimmungsrechts
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Vorsorgeauftrag – Formvorschriften
• Formvorschriften gem. ZGB Artikel 361
• Missachtung hat die Ungültigkeit zur Folge
• eigenhändige Niederschrift, versehen mit Datum und Unterschrift
(analog eigenhändiges Testament)
oder
mittels öffentlicher Beurkundung
• Urkundsperson beglaubigt Unterschrift, prüft Identität und klärt ob
der Inhalt der Urkunde dem tatsächlichen Willen entspricht
• Zeugen wie z.B. beim Erbvertrag sind nicht vorausgesetzt
• VA eigenhändig oder öffentlich beurkundet haben den gleichen
Stellenwert
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Vorsorgeauftrag – Formvorschriften
• maschinell geschriebener VA oder Formular mit Unterschrift ist
ungültig – genau gegenteilig verhält sich die Patientenverfügung
• Registrierung, dass ein VA vorhanden ist und wo sich das Original
befindet, kann beim zuständigen Zivilstandesamt der
Wohngemeinde erfolgen – kein Formerfordernis für die Gültigkeit
(Anhang Nr. 4)
• mit der Eintragung ist sichergestellt, dass die Behörden bei
Eintreten eines Vorsorgefalles Kenntnis über die Existenz eines VA
haben … «die letzte Bastion»
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Vorsorgeauftrag – Inhalt und deren Möglichkeiten
• Personensorge (Pflege und Betreuung),
Ergänzungsmöglichkeit: Vertretung bei medizinischen
Massnahmen
• Vermögenssorge
• Vertretung im Rechtsverkehr
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«rechtzeitige Selbstbestimmung» Kaskade der
Handlungsfähigkeit
aktiv
passiv
 volle Urteils- +
Handlungsfähigkeit
 Urteilsunfähigkeit und
somit
Handlungsunfähigkeit
(z.B. Krankheit, Unfall,
Alter, Demenz)
Selbstbestimmung
• heutige Situation
wir können miteinander
rechtsgültige Verträge /
Geschäfte abschliessen
Copyright by
PFP Hefele & Partner AG
VERMOEGENSEXPERTEN.CH
Villa Grunholzer, Florastrasse 18
8610 Uster
www.selbstbestimmen.ch
Tel +41 (0) 44 929 60 00
• Vorsorgesituation
wir können keine rechtsgültigen
Verträge / Geschäfte mehr
abschliessen.
Möglichkeit der gesetzl.
Vertretung / Vollmacht bei der:
• Personensorge (Pflege und
Betreuung)
• Vermögenssorge
• Vertretung im Rechtsverkehr
• Patientenverfügung
(Vertretung für
medizinische Massnahmen)
danach
 † Ableben
• erbrechtliche Situation
Regelung des Erbganges
Erbvertrag
Meistbegünstigung des
Ehegatten (Ehevertrag)
Begünstigung Partner
Pflichtteile
Vermächtnisse
Zuwendungen
Legate
Stiftungen
Testament
Willensvollstreckung
Erfahrungen aus der Praxis
• die neuen Möglichkeiten der Selbstbestimmung sind den Kunden
weitgehend nicht bekannt
• Kunden erwähnen, dass sie nicht aktiv auf die wichtigen
Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden
• Angesprochene Kunden reagieren sehr positiv auf die
Sensibilisierung im Rahmen einer umfassenden Beratung
… «da kann ich wirklich sagen und bestimmen, wie ich es einmal
haben will» ..
• über 95 % der angesprochen Kunden setzen den VA um
• eine vertrauensvolle Besprechung im Bereich VA ist eine sanfte
Überleitung zur Thematik danach
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Fazit
• Fremdbestimmung durch den Staat, welcher von Gesetzes wegen
wirkt, wenn keine vorausbestimmenden Dispositionen getroffen
wurden, kann mittels Vorsorgeauftrag vermieden werden
• mit den neuen gesetzlichen Möglichkeiten des Vorsorgeauftrages
haben die Menschen eine starke, zusätzliche Handlungsmöglichkeit in der Selbstbestimmung
• mit der vorausbestimmenden Disposition / Vorkehrung «nehmen
Sie die Zügel selbst an die Hand» - sie verlassen sich nicht (nur)
auf Behörden, verhindern deren Eingreifen
• Selbstbestimmung = Selbstverantwortung mit einer
vorausbestimmten Vorgehensweise / Strategie
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Fazit
• mit dem Themenbereich Vorsorgeauftrag werden
Beratungsmehrwerte geschaffen
• durch die vertrauensvollen Gespräche wird das Vertrauen und
damit die Kundenbindung gestärkt
• Beratende aus dem Finanzbereich, welche den Vorsorgeauftrag
ansprechen, grenzen sich positiv ab
• im Rahmen einer umfassenden und strukturierten
Finanzplanung darf aus meiner Überzeugung das Element der
«rechtzeitigen Selbstbestimmung» nicht fehlen
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Fragen / Danke für Ihre Aufmerksamkeit
Fragen?
Selbstverständlich stehen wir Ihnen gerne für ein persönliches
Gespräch mit Rat und Tat zur Seite.
«Man lässt die Zukunft nur einmal aus den Augen und schon
verbündet sie sich mit dem Zufall.»
von Werner Mitsch (Aphoristiker)
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