MAUTHAUSEN KOMITEE ÖSTERREICH OÖ. NETZWERK GEGEN RASSISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS Wien/Linz, im März 2016 Herrn Bundesminister Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter per E-Mail Die nächsten Justizskandale in Sachen NS-Wiederbetätigung verhindern! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP, das erste Gesetz der Zweiten Republik, erfüllt auch bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen (Artikel 9 des Staatsvertrages von Wien). Der Verfassungsgerichshof hat festgestellt: „Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik. Ausnahmslos jede Staatstätigkeit hat sich daran zu orientieren.“ Leider werden immer wieder Fälle bekannt, in denen die Strafrechtspflege dieser klaren Vorgabe keineswegs gerecht wird. Manche Staatsanwälte und Richter setzen das Verbotsgesetz faktisch außer Kraft, sodass selbst übelste neonazistische Umtriebe straffrei bleiben. Jene Grazer Staatsanwältin, die die menschenverachtende Hetzpropaganda eines notorischen Rechtsextremisten gegen KZ-Überlebende für „nachvollziehbar“ hielt und deshalb das Strafverfahren einstellte, ist nur das jüngste Beispiel von vielen. Solche Justizskandale sind eine Verhöhnung der NS-Opfer und schädigen das Ansehen Österreichs. Außerdem werden sie von der braunen Szene, die ohnehin immer dreister und brutaler wird, als Ermunterung zu neuen Attacken verstanden. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Offenen Briefes schätzen Ihre unmissverständliche Haltung gegenüber dem Rechtsextremismus. Diese Haltung war auch bei der gelungenen Reform des Verhetzungsparagraphen spürbar. 1 Gerade deshalb richten wir an Sie den dringenden Appell, die absehbaren nächsten Justizskandale in Sachen NS-Wiederbetätigung durch folgende Maßnahmen zu verhindern: + Die Staatsanwaltschaften müssen dem Bundesministerium für Justiz laufend über sämtliche Verbotsgesetzfälle berichten. + Die Staatsanwaltschaften müssen die Öffentlichkeit über sämtliche Verbotsgesetzfälle und ihre Erledigung informieren. Über die jeweilige Erledigung müssen auch Personen, die Anzeige erstattet haben, zeitnah schriftlich informiert werden. + Alle Staatsanwälte und Strafrichter werden in der Materie Verbotsgesetz intensiv geschult, und zwar auch unter Vermittlung notwendigen Hintergrundwissens über den historischen Nationalsozialismus sowie über die heutige neonazistische Szene. Bedenkt man die Bedeutung des Verbotsgesetzes, sind diese Maßnahmen ein mehr als vertretbarer Aufwand, um die konsequente und wirksame Anwendung des Gesetzes sicherzustellen. Nicht vertreten ließe sich, tatenlos auf die nächsten einschlägigen Fehlleistungen zu warten. Mit freundlichen Grüßen Wilhelm ACHLEITNER, Leiter des Bildungshauses Schloss Puchberg, Diözese Linz Irmgard ASCHBAUER, Vorsitzende der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen Wolfgang BANDION, Kulturhistoriker und Delegierter im Internationalen Mauthausen Komitee Andreas BAUMGARTNER, Generalsekretär des Internationalen Mauthausen Komitees Gerhard BAUMGARTNER, Leiter des Dokumentationsarchivs des österr. Widerstandes Alois BIRKLBAUER, Strafrechtswissenschafter Bert BRANDSTETTER, Präsident der Katholischen Aktion Oberösterreich Michael BÜNKER, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. Inge DALMA, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Mercedes ECHERER, Schauspielerin Robert EITER, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus Marko FEINGOLD, Überlebender des KZ Auschwitz Peter FLORIANSCHÜTZ, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Erich FOGLAR, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes FRANZOBEL, Schriftsteller Winfried R. GARSCHA, Historiker und stv. Bundesvorsitzender des KZ-Verbandes Rudolf GELBARD, Überlebender des KZ Theresienstadt Roland GIRTLER, Soziologe und Kulturanthropologe Heimo GRUBER, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Harald GRÜNN, Bundesvorsitzender des KZ-Verbandes 2 Elfriede JELINEK, Literaturnobelpreisträgerin Michael JOHN, Historiker und Obmann der Österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz Günter KAINDLSTORFER, Journalist und Schriftsteller Rudolf KASKE, Präsident der Bundesarbeitskammer und der Arbeiterkammer Wien Harald KRASSNITZER, Schauspieler Ludwig LAHER, Schriftsteller Andreas MAISLINGER, Politikwissenschafter Willi MERNYI, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich Wolfgang NEUGEBAUER, Historiker Cornelius OBONYA, Schauspieler Elisabeth ORTH, Schauspielerin und Präsidentin der Aktion gegen den Antisemitismus Andreas PEHAM, Autor und Rechtsextremismus-Experte Anton PELINKA, Politikwissenschafter Veronika PERNSTEINER, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs Alexander POLLAK, Sprecher von SOS Mitmensch Martin POLLACK, Schriftsteller Doron RABINOVICI, Schriftsteller Thomas RAMMERSTORFER, Autor und Rechtsextremismus-Experte Werner RETZL, Vorsitzender der Welser Initiative gegen Faschismus Gerhard RUISS, Schriftsteller und Sprecher der IG Autorinnen und Autoren Uwe SAILER, Träger des Ute-Bock-Preises für Zivilcourage Käthe SASSO, Überlebende des KZ Ravensbrück Gerda SCHAFFELHOFER, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich Hans-Henning SCHARSACH, Autor und Rechtsextremismus-Experte Manfred SCHEUER, Bischof von Linz Thomas SCHMIDINGER, Politikwissenschafter Franz SCHUH, Schriftsteller Johannes SCHWANTNER, Vorsitzender des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer Susanne SHAKED, Generalsekretärin der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Erwin STEINHAUER, Schauspieler Marlene STREERUWITZ, Schriftstellerin Hans-Jürgen TEMPLMAYR, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Peter WEIDNER, Beiratsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft 3
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